BVwG W195 2210991-2

BVwGW195 2210991-27.3.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W195.2210991.2.00

 

Spruch:

W195 2210991-2/19EIM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.02.2022 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein volljähriger Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 29.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, gab der BF zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, er sei seit 2007 mit der Chattro Dal (BNP) zusammen. 2008 und 2009 sei er Werbesekretär gewesen und habe in XXXX Poster und Plakate aufhängen müssen. Als 2010 die Awami-League an die Macht gekommen sei, hätten sie ihn mit einer Machete angegriffen und habe er sich gerade noch mit seinem linken Unterarm wehren können. Er habe Angst um sein Leben gehabt, habe sich deswegen ein Studentenvisum besorgt und sei im Oktober 2010 nach Italien geflogen. Im Oktober 2013 sei er nach Bangladesch zurückgekehrt. Die Awami-League sei an die Macht gekommen und „ XXXX , der Präsident von der Chattro League (Jugendpartei der Awami-League) habe ihn entführt und vier bis fünf Personen hätten ihn angegriffen. Er habe sich jedoch wehren können, weil er Karate beherrsche. Gegen ihn sei eine falsche Anzeige erstattet worden und würde ihn die Awami-League im Falle seiner Rückkehr töten.

I.2. Am 21.07.2017 wies die Magistratsabteilung 35, Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsbewilligungen, den Antrag des BF vom 07.04.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ nach dem NAG ab. Die dagegen in englischer Sprache erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 10.11.2017, GZ XXXX , als unzulässig zurückgewiesen, da schriftliche Anbringen in deutscher Sprache abzufassen seien und der BF diesen Mangel nicht verbessert habe. Der Beschluss wurde am 15.11.2017 rechtskräftig.

I.3. Am 08.09.2020 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab zunächst an gesund zu sein. Er habe sich von Oktober 2010 bis 2013 in Italien aufgehalten, an einer italienischen Universität studiert und dort auch gearbeitet.

Befragt zu seinen Angaben in der Erstbefragung erklärte der BF, es gebe einen kleinen Fehler, er sei nicht mit einer Machete, sondern einer Art Besen geschlagen worden.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, er sei im Oktober 2013 nach Bangladesch zurückgekehrt, weil er bei den Wahlen im Jänner 2014 dabei sein wollte. Die Awami-League habe gewonnen, da die BNP an den Wahlen nicht habe teilnehmen dürfen. Da er gegen die Awami-League geworben habe, hätten sich die Anhänger an ihm rächen wollen. Sie hätten behauptet, er habe Propaganda betrieben. Es seien viele Angriffe gegen ihn getätigt worden und habe er sich deshalb verstecken müssen. An Eid habe er seine Familie besuchen wollen und der Vorsitzende der Chattro League in seiner Umgebung, XXXX , habe dies gewusst. Der Vorsitzende sei mit vier bis fünf Anhängern gekommen, sie hätten ihn brutal gepackt, zu einem Teich gebracht und ihn dort verprügelt. Im Jahr 2009 sei etwas Ähnliches passiert. Der Vorsitzende und seine Anhänger hätten ihn gefoltert und versucht ihn mit einer besenähnlichen Waffe zu töten. Er habe dieser Attacke aber entkommen können und sei in der Nacht nach Dhaka geflüchtet. Seine Gegner seien zu seinem Elternhaus gegangen, hätten die Söhne seiner Schwester geschlagen und seien auch gegenüber seiner Mutter handgreiflich geworden. Seine Mutter habe dann vorgeschlagen, er solle ins Ausland gehen. Der Vorsitzende habe absichtlich ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Er habe als die Wahlen stattgefunden haben, gedacht, dass sich die Situation beruhigt hätte und er wieder zurückkehren könne. Der Vorsitz Mustofas und seiner Anhänger habe sich jedoch vergrößert und sei die zweite Attacke gegen ihn ausgeübt worden.

Nachgefragt erklärte er, die zweite Attacke sei im Oktober oder November 2014 gewesen. Es habe zwei Jahre gedauert, sich das Visum zu besorgen. Er habe diese zwei Jahre in grauenhaften Bedingungen verbracht, sei aber auch fünf- bis sechsmal in Malaysia und Indien gewesen.

Nachgefragt gab der BF an, er würde nicht sagen, dass er nur einfaches Parteimitglied gewesen sei, denn er habe eine große verantwortliche Position gehabt.

Die Anzeige gegen ihn sei am 15.06.2017 erstattet worden und werfe man ihm darin vor, Gegenstände von den Geschäften des Vorsitzenden zerstört, eine Million Taka Schutzgeld erpresst zu haben und bewaffnet in seine Geschäfte gestürmt zu sein, obwohl er in dieser Zeit schon in Österreich gewesen sei. Im Falle einer Rückkehr werde er, da gegen ihn eine Anzeige vorliegt, von der Polizei oder der Spezialeinheit der Polizei verhaftet.

Zu seinem Leben in Österreich befragt, gab der BF an, er arbeite als Reinigungskraft und verdiene etwa EUR 1.200,00 im Monat und mache einen Deutschkurs. Er sei Mitglied der XXXX in Graz, habe viele Freunde und auch eine Freundin, die er ab und zu sehe.

Vorgelegt wurden: Inskriptionsbestätigung XXXX 2012/2013; italienische Identitätskarte; italienisches Studentenvisum gültig von 29.08.2010 bis 28.08.2011; italienisches Dokument; Versicherungsbestätigung SVA; Kontoauszug Oktober 2018; Gehaltszettel aus Bozen von Jänner bis Juni 2013; Deutschkurszertifikate A1 und A2; Anmeldung Deutschkurs B1; Zeugnis ÖSD Integrationsprüfung A2 vom 09.10.2018; ÖSD Zertifikat Deutsch A1 vom 11.06.2018; Empfehlungsschreiben; Aufforderung zur Einkommensoffenlegung vom 13.07.2018; Kursbestätigung XXXX ; Erklärungen zum Kontoauszug vom 21.07.2018 der SVA; Versicherungsdatenauszug vom 09.10.2018; Bestätigung Ansuchen um Zulassung XXXX vom 11.12.2017; Anzeige aus Bangladesch.

I.4. Am 30.10.2018 übermittelte der BF eine Stellungnahme in englischer Sprache über die gegenwärtige politische Situation in Bangladesch.

I.5 Mit dem Bescheid vom 09.11.2018, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe keine rational nachvollziehbaren Angaben gemacht und es sei aufgrund dieser Umstände davon auszugehen, dass sein Vorbringen rund um seine Fluchtgründe eine ausschließliche Konstruktion darstelle. Das BFA gelange daher nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft sei, dass dem BF im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Dass der BF im Falle der Abschiebung in eine aussichtslose Situation geraten würde, sei nicht feststellbar. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, welcher gemäß § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde. Es hätten sich auch keinerlei Anhaltspunkte ergeben, welche die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ rechtfertigen würden. Der BF habe kein schützenswertes Familien- oder Privatleben iSd Art. 8 EMRK in Österreich, weswegen dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen sei als seinen bloß höchst oberflächlichen privaten Interessen.

I.6. Mit Schriftsatz vom 05.12.2021 wurde dieser Bescheid seitens der damaligen Rechtsvertretung des BF hinsichtlich der Spruchpunkte I. – V. wegen mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und des behaupteten Sachverhaltes wurde inhaltlich im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch eine asylrelevante Verfolgung und Haftstrafe wegen Delikten, die er nicht begangen hat, befürchte. Ein Freund und Kollege des BF sei im Februar 2018 von Mitgliedern der Awami-League ermordet worden, was bestätige, dass dem BF in Bangladesch eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner politischen Tätigkeit drohe. Zu den ihm im angefochtenen Bescheid vorgeworfenen Widersprüchen, gab der BF an, dass er sich im Zeitraum zwischen 2014 und 2017 ständig habe verstecken müssen und längere Zeit auch in Indien und der Mongolei verbracht habe, was die Stempel in seinem Reisepass auch beweisen würden. Zum Vorwurf, der BF habe wenig über die Struktur der BNP sagen können, wolle er angeben, dass er diese Frage nicht richtig verstanden habe.

Es wurden die Anträge gestellt, den Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu den Bescheid dahingehend abändern, dass dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt werde; in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG erteilen; in eventu den Bescheid ersatzlos beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückverweisen; eine öffentlich-mündliche Verhandlung anberaumen; darüber hinaus möge die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch aufgehoben werden.

I.7. Mit Schreiben vom 10.12.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2020, XXXX wurde der angefochtene Bescheid in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt I.) und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde zusammenfasst ausgeführt, dass die belangte Behörde notwendige und bisweilen aufwendige Ermittlungen unterlassen habe. So habe es die Behörde unterlassen fremdsprachige Bescheinigungsmittel zu übersetzen bzw. übersetzen zu lassen und sich mit diesen in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht könne die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen als die belangte Behörde.

I.9. Am 09.06.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt und gab dabei zunächst an, gesund zu sein. Zu den Angaben bei der Erstbefragung gab er an, der Dolmetscher bei der Erstbefragung habe falsch wiedergegeben, dass er Karate könne.

Zum Haftbefehl gab er an, dieser sei vom Obersten Gericht von XXXX im März 2020 ausgestellt worden und beziehe sich auf die im Akt befindliche Anzeige.

Befragt ob er aufgrund seiner Volksgruppe oder Religion Probleme gehabt habe, meinte der BF, in seinem Wohnort XXXX würden mehrheitlich Hindus leben, die Moslems nicht respektieren würden.

In Bangladesch sei er von 2007 bis 2009 Politiker gewesen, Werbesekretär bei der BNP von 2008 bis 2009 und bei der Jubo Dal Werbesekretär. Er habe durch seine politische Tätigkeit nur Spesen ersetzt und Taschengeld bekommen, denn es sei eine ehrenamtliche Tätigkeit gewesen.

Mit seiner Familie stehe er regelmäßig in Kontakt. Vor 2010 habe er in XXXX mit seinen Eltern und seiner Schwester gelebt. Von 2014 bis 2017 sei er an mehreren Orten in Bangladesch, in Dhaka, in Indien gewesen. In Österreich oder in der EU habe er keine Verwandten.

Er sei ledig, habe keine Kinder und lebe mit seiner Freundin im selben Haushalt. Seine Lebensgefährtin sei gebürtige Österreicherin, deren Eltern aus Bangladesch stammen würden. Er sei selbständig und Hausmeister in XXXX . Er habe Freunde aus Bangladesch, Ungarn und Österreich.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, er sei 2013 zurück nach Bangladesch gereist. 2008 und 2009 habe er als Werbesekretär der Jubo Dal speziell über XXXX und seine ganze Gruppe von Chattro League gesagt, dass sie nicht gut seien und Studenten zu Drogen zwingen würden und darüber Werbungen ausgedruckt und aufgehängt. 2014 sei XXXX zum Präsidenten der Chattro League geworden. Schon 2013 habe er den BF geschlagen. 2014 zum Ramadan Fest sei er dann zu ihm nach Hause in XXXX gekommen und habe ihn vor seinen Eltern geschlagen. Er habe auch eine Pistole dabeigehabt und eine Art Schwert. Sie hätten ihn umbringen wollen, aber er sei in einen Teich gesprungen und etwa 500 Meter auf die andere Seite des Ufers geschwommen. Die Angreifer hätten faustgroße Pflastersteine auf ihn geworfen. Er habe an diesem Tag XXXX verlassen, sie seien aber noch immer zu seinen Eltern gekommen, um Informationen über ihn zu erhalten. Im Februar 2018 hätten sie seinen Freund XXXX umgebracht. 2017 hätten XXXX und die Gruppe von seiner Flucht nach Österreich erfahren und eine Anzeige gegen ihn erstattet.

Nachgefragt gab der BF zum Angriff am See an, es sei schon dunkel gewesen und XXXX und seine Gruppe hätte ihn geschnappt und ihn zehn Minuten entfernt zu einem Teich gebracht. Es seien etwa fünf Personen in zwei Autos gewesen. Im Auto hätten sie ihn schon geschlagen und gesagt, dass sie ihn umbringen würden. Er habe einen von ihnen zu Boden geschlagen und als die Restlichen ihm beim Aufstehen helfen wollten, sei er in den Teich gesprungen.

Befragt nähere Angaben über den Angriff von 2009 oder 2010 zu machen, gab der BF an, XXXX habe aus 10 bis 15 Meter Entfernung eine skizzierte „Angel“ nach ihm geworfen und sei er an der linken Hand getroffen worden. Seine Freunde hätten ihn ins Spital begleitet, wo Eisenteile der Angel entfernt worden seien. Seine Eltern hätten ihm daraufhin innerhalb von vier Monaten ein Studentenvisum für Italien besorgt, da sie Angst hatten, er könnte umgebracht werden. Befragt wie „ XXXX mit vollständigen Namen heiße und wo er wohne, gab der BF an, XXXX und wohne er in Dhaka und in XXXX . Anzeige habe er nicht erstattet, weil die Polizei Anzeigen von Personen der BNP gar nicht aufnehmen würden.

Vorgelegt wurden: Kursbestätigung Rotes Kreuz vom 22.01.2020; Gewerbeanmeldung vom 25.05.2020; GISA Auszug; Versicherungsdatenauszug vom 03.06.2020; Rechnungen aus 2020; Förderungsgenehmigung Härtefall-Fonds; Deutschkursbesuchsbestätigungen B1; Mopedführerschein; Steuernummer und Einkommensteuerbescheide; Einkommensbestätigungen von Jänner bis Mai 2020; Kursbestätigungen; Vorsorgekasse; 1 bengalischer Haftbefehl.

I.10. Am 23.06.2020 langte eine Stellungnahme des BF über seinen Rechtsvertreter beim BFA ein, indem die zeugenschaftliche Befragung der Eltern und die Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens zum Zweck der Befundaufnahme und Recherchen vor Ort beantragt wurden. Zu den Länderfeststellungen wurde ausgeführt, dass diese sehr allgemein gefasst seien und daher verständlicherweise nicht auf den Einzelfall Bedacht nehmen können.

I.11. In einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.01.2021 wurde ausgeführt, dass der Vertrauensanwalt der ÖB berichtet, es habe sich aus Recherchen am 21.10.2020 und 23.12.2020 bei der CR-Abteilung und der GR-Abteilung XXXX ergeben, dass in den Zeiträumen von 01.08.2018 bis 30.11.2018 und 01.08.2019 bis 30.11.2019 keine Fälle, die mit den vorgelegten Dokumenten des BF übereinstimmen von der Polizeistation XXXX eingereicht worden seien.

I.12. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.02.2021, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, er habe keinerlei nachvollziehbare Details genannt und sei aufgrund dieser Umstände davon auszugehen, dass sein Vorbringen rund um seine Fluchtgründe eine ausschließliche Konstruktion darstelle. Laut Anfragebeantwortung vom 19.01.2021 werde der BF von Gerichten und Polizei in Bangladesch nicht verfolgt und gelange das BFA daher zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft sei, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Es hätten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden können, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch einer Verfolgungsgefährdung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Da ihm im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, gehe die Behörde davon aus, dass ihm im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Es hätten sich auch keinerlei Anhaltspunkte ergeben, welche die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ rechtfertigen würden. Der BF habe kein schützenswertes Familien- oder Privatleben iSd Art. 8 EMRK in Österreich, weswegen dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen sei als seinen bloß höchst oberflächlichen privaten Interessen.

I.13. Mit Schriftsatz vom 18.03.2021 wurde dieser Bescheid seitens der Rechtsvertretung des BF – XXXX – wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften vollumfänglich angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und des behaupteten Sachverhaltes wurde inhaltlich im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, warum die Behörde über den Zeitraum vom 01.08.2018 bis 30.11.2018 bzw. 01.08.2019 bis 30.11.2019 ermittelt habe, wenn der BF während seiner ersten Einvernahme vorgebracht habe, die Anzeige sei am 15.06.2017 erstattet worden. Die Anfragebeantwortung sei deswegen kein taugliches Beweismittel. Weiters habe sich die Behörde nicht einmal ansatzweise mit den vorgelegten Anzeigen auseinandergesetzt. Im konkreten Fall sei zu berücksichtigen, dass der BF seit fast vier Jahren durchgehend im österreichischen Bundesgebiet lebe und er diese Zeit genutzt habe, um sich in vielerlei Hinsicht über das übliche Maß hinausgehend in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Er sei selbständig, beziehe keine Leistungen aus der Grundversorgung und lebe seit mehreren Jahren in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin.

Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge, eine mündliche Beschwerdeverhandlung inklusive der Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes anberaumen; den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung – zu beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen; den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes IV. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Mit der Beschwerde wurden vorgelegt: Vollmacht; Stellungnahme vom 04.03.2021; Antrag auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO; Gerichtsaktenabschrift, Gesetzesauszug und Erklärung des BF dazu; Stellungnahme des BF zu dem Bescheid; Zeugnis zur Integrationsprüfung B1 vom 03.08.2020; Führerschein des BF.

I.14. Mit Schreiben vom 23.03.2021 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.15. Mit Beweismittelvorlage vom 13.04.2021 legte der BF aktuelle Gerichtsbeschlüsse und Niederschriften von Zeugenaussagen und eine Beschwerde an die Datenschutzbehörde vom 07.04.2021 vor.

I.16. Mit Beweismittelvorlage vom 08.07.2021 brachte der BF vor, dass am 04.04.2021 ein weiteres Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Die Unterlagen habe er diese Woche erhalten.

I.17. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste die Übersetzung der im Akt befindlichen bengalisch sprachigen Texte, soferne sie nicht bereits übersetzt wurden. Am 24.01.2022 langten die deutschsprachigen Übersetzungen der vorgelegten Unterlagen aus Bangladesch beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.18. Mit Schreiben vom 01.02.2022 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und dem BF damit auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch übermittelt.

I.19. Am 23.02.2022 langte eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher Fehler in den vorherigen Bescheiden des BFA und ein Konnex zwischen den traumatischen Erfahrungen des BF und der Schilderung der Fluchtgründe aufgezeigt wurden. Weiters wurde darauf verwiesen, dass sich die Furcht des BF aufgrund der Vorverfolgung und den beiden später erfolgten Strafanzeigen aus Bangladesch jedenfalls als wohlbegründet erweise.

Vorgelegt wurden: Bestätigung Terminvereinbarung XXXX vom 18.02.2022; Schreiben Ärztin vom 18.02.2022; XXXX Kursbestätigungen Konvolut; Facebook Seite des BF mit politischen Postings; Empfehlungsschreiben; Vorvertrag vom 21.02.2022; Versicherungsdatenauszug; Rechnungen der letzten Monate.

I.20. Ebenfalls am 23.02.2022 wurde per E-Mail eine englischsprachige Stellungnahme der angeblichen Anwältin des BF in Bangladesch, XXXX , an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

I.21 Am 24.02.2022 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Befragt nach seinem Gesundheitszustand gab der BF an, er sei physisch in Ordnung, aber seit drei Monaten psychisch wegen der familiären Situation niedergeschlagen. Medikamente nehme er keine. Seit drei Monaten könne er seine Familie – seine Eltern, seine Schwester und deren zwei Kinder – nicht erreichen. Er habe seinen Onkel und die Tante mütterlicherseits nach ihnen gefragt und auch einige Nachbarn, aber niemand wisse Bescheid. Der Onkel und die Tante würden etwa 200 km von den Eltern entfernt leben. In Österreich habe er keine Verwandte.

In Bangladesch habe er von 2008 bis 2010 studiert und den Bachelor im November oder Dezember 2015 abgeschlossen. Um eine Arbeit habe er sich nicht bemühen können, weil er auf der Flucht gewesen sei. Am 28.04.2017 sei er mit dem Flugzeug aus Bangladesch ausgereist und am 29.04.2017 in Österreich angekommen. Bei der Ausreise habe es keine Probleme gegeben. Er sei mit einem Studentenvisum in Österreich eingereist, habe den Vorbereitungskurs für die Universität XXXX jedoch nicht abgeschlossen und somit an der Universität XXXX keine einzige Fachprüfung absolviert. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch seine Reinigungsfirma. Vor Corona habe er rund EUR 1.250,00 im Monat verdient, seitdem habe er weniger Einkommen (zwischen EUR 400,00 und 900,00). Vor eineinhalb Jahren habe er ein B1 Zertifikat erworben. Seit drei Jahren führe er eine Beziehung mit XXXX . Sie sei in Österreich geboren, ihre Eltern stammen aus Bangladesch. Sie führe ein Nachhilfezentrum und wohne der Beschwerdeführer in ihrer Wohnung. Dass der Beschwerdeführer Asylwerber sei, wisse sie von Anfang an. In Österreich sei er Mitglied in einem Cricket Club und bei der XXXX in Österreich.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er sei in den Jahren 2008 bis 2010 als Mitglied der BNP, Chattro Dal als Werbesekretär auf Gemeindeverbandsebene politisch aktiv gewesen. Er sei niemals verhaftet worden oder im Gefängnis gewesen. 2009 sei er aber von XXXX und seiner Gang geschlagen worden, weil er gegen ihn geworben habe. Vor einem Geschäft sei es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ihm und XXXX und zu einem Angriff auf ihn gekommen. Er habe sich nicht wehren können, denn die Polizei habe keine Beschwerden von ihm entgegengenommen. Seine Eltern hätten ihn dann nach Italien geschickt. In Bangladesch gebe es zwei Anzeigen gegen ihn. Die erste von 25.03.2018 und werde ihm Sachbeschädigung, Geschäftsplünderung und Schutzgelderpressung vorgeworfen. Hierzu gebe es auch einen Haftbefehl und werde er gesucht. Gegen diese Anzeige habe er sich nicht gewehrt. Die zweite Anzeige sei vom 04.04.2021 und habe er sich auch gegen diese nicht gewehrt. Zu den Anzeigen sei er über seine Anwältin gekommen. Er habe ihr Geld und eine Vollmacht geschickt und so die Unterlagen erhalten. EUR 200,00 habe er dafür bezahlt, den Nachweis darüber aber nicht mit.

Zu den Facebook Postings erklärte der BF, er wolle damit zeigen, dass er bei der BNP sei, sie liebe und loyal sei.

Vorgelegt wurde: Anträge und Stellungnahmen vom 17.02.2022

Am Ende der Verhandlung wurde das Beweisverfahren geschlossen.

I.22. Mit Eingabe vom 04.03.2022 legte der von XXXX vertretende BF weitere Dokumente, wie Zeitungsartikel, einen Zahlungsbeleg (20.000,- Taka, ca. € 203,-) für die Rechtsanwältin, Gesetzestexte sowie einzelne Passagen von gerichtlichen Erkenntnissen vor. Weiters wurde auf eine Datenschutzbeschwerde Bezug genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig (AS 391). Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 3 sowie bei der Einvernahme vor dem BFA AS 393) und spricht er auch etwas Hindi, Englisch und Italienisch (AS 393).

Der BF ist im Dorf XXXX im politischen Bezirk und Distrikt XXXX geboren (AS 393) und habe er dort bis vor 2010 gelebt (AS 392). Nach seiner Rückkehr nach Bangladesch hielt er sich von 2014 bis 2017 an mehreren Orten in Bangladesch auf wie Dhaka, sei aber auch mehrmals in Indien gewesen (AS 55ff, 392).

In seinem Herkunftsland besuchte er 12 Jahre die Schule und absolvierte ein Studium für „Business Administration“ an der Universität XXXX , welches er mit Bachelor abschloss (AS 138, 393). Er studierte zunächst von 2007 bis 2010 und schloss das Studium im November oder Dezember 2015 ab (Seite 6 VS BVwG).

In Bangladesch halten sich die Eltern des Beschwerdeführers, seine Schwester sowie Onkel und Tanten auf. Bis vor drei Monaten bestand zwischen dem BF und seinen Eltern aufrechter regelmäßiger Kontakt, seitdem erreicht er sie nicht mehr (AS 393, Seite 4 VS BVwG). Jedoch hat der BF weiterhin Kontakt zu seinen sonstigen Verwandten.

Der BF war von Oktober 2010 bis 2013 mit einem Studentenvisum in Italien aufhältig. In Italien stellte er am 18.10.2012 einen Antrag auf Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Arbeitsstelle (AS 501). Im Oktober 2013 reiste er zurück nach Bangladesch, da sein Visum abgelaufen war (AS 397).

Der BF reiste am 29.05.2017 mit einem Visum D, ausgestellt von der österreichischen Botschaft Neu-Delhi/Indien am 14.03.2017 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF absolvierte den Vorbereitungskurs für die Universität XXXX nicht und legte demnach auch keine einzige Fachprüfung an der der Universität XXXX ab (Seite 8 VS BVwG).

Der BF bestreitet seinen Lebensunterhalt durch eine selbständige Tätigkeit als Reinigungskraft. Er hat eine Gewerbeberechtigung zur Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten. Das monatliche Einkommen des BF variiert. Vor der Corona-Pandemie hat er im Schnitt EUR 1.250,00 monatlich verdient, seit der Corona-Pandemie ist es weniger. Im Jänner 2022 verdiente er lediglich EUR 350,00, im November 2021 EUR 710,40 (Seite 8 VS BVwG). Der BF legte zuletzt einen Vorvertrag vom 21.02.2022 für eine unselbständige Tätigkeit vor.

In Österreich hat er eine Freundin, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Seine Freundin, XXXX , ist als Tochter bengalischer Eltern in Österreich geboren. Seine Freundin wusste von Beginn an, dass der BF Asylwerber ist und war ihr der unsichere Aufenthaltsstatus des BF bekannt. Sorgepflichten hat der BF keine (Seite 10, 11 VS BVwG). In Österreich hat er keine Verwandten (AS 394). Er hat laut eigenen Angaben bengalische, ungarische und auch österreichische Freunde. Er besuchte Deutschkurse bis zum Niveau B1, legte jedoch lediglich die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich ab (AS 673), seine Deutschkenntnisse sind gut. Der BF machte in Österreich den Führerschein für die Klassen AM und B (AS 674) und absolvierte zwischen Dezember 2021 und Jänner 2022 sechs von Google angebotene Onlinekurse im Bereich IT.

Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankungen. Er ist gesund und arbeitsfähig (AS 391).

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt wird, dass der BF Mitglied der BNP oder einer ihrer Teilorganisationen war, auch wenn der BF angab, ab 2007 bis längstens 2010 Werbesekretär bei der BNP gewesen zu sein (AS 391, Seite 12 VS BVwG).

Festgestellt wird, dass der BF zahlreiche Aus- und Einreisen von und nach Bangladesch nach dem Jahr 2010 vorzuweisen hat (Italien, Indien, Malaysien, Österreich). Der BF hatte bei den Ein- und Ausreisen (per Flugzeug) von und nach Bangladesch nach eigenen Angaben keine Probleme mit staatlichen Behörden.

Der BF wurde in Bangladesch niemals festgenommen oder verhaftet.

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, gegen ihn würde es „zwei“ bzw „drei“ Strafverfahren geben, ausgehend von Anzeigen vom 12.04.2018, 25.03.2018 und 04.04.2021.

Festgestellt wird, dass die erste, vom BF vorgelegte Anzeige, entgegen den Angaben des BF, am 12.04.2018 erstattet wurde. Hinsichtlich des ersten Strafverfahrens wird weiters festgestellt, dass aus den Vor-Ort-Recherchen des Vertrauensanwalts hervorgeht, dass in den Zeiträumen 01.08.2018 bis 30.11.2018 und 01.08.2019 bis 30.11.2019 keine Anordnungen/Befehle, Anklageschriften oder Anklageerhebungen zu den vom BF vorgebrachten Delikten eingegangen sind; es sind somit keine den behaupteten Anzeigen aus 2018 folgenden Gerichtsaktivitäten feststellbar.

Festgestellt wird, dass das das erkennende Gericht davon ausgeht, dass es sich bei den weiteren vorgelegten Gerichtsunterlagen zu den Anzeigen vom 25.03.2018 und 04.04.2021 um Fälschungen handelt.

Festgestellt wird, dass der BF vorbringt, von einer Privatperson verfolgt zu werden.

Festgestellt wird, dass der BF bei einer Rückkehr nach Bangladesch keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen von Seiten des Staates oder der regierenden Awami-League zu erwarten hat.

Festgestellt wird, dass sich der BF gegen die behaupteten Angriffe auf ihn nicht einmal mit einer Anzeige zur Wehr setzte.

Festgestellt wird, dass der BF in Bangladesch nicht asylrelevant verfolgt wird. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsland aufgrund seiner Religionszugehörigkeit oder aufgrund der Postings auf seinem Facebook-Profil verfolgt wird.

Festgestellt wird, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative vorliegt.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021). Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

 AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062 , Zugriff 25.5.2021

 AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

 AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html , Zugriff 18.5.2021

 BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 17.5.2021

 GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/ , Zugriff 17.5.2021

 GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866 , Zugriff 5.11.2020

 GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868 , Zugriff 5.11.2020

 HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html , Zugriff 1.6.2021

 iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf , Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region , Zugriff 25.5.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf , Zugriff 10.11.2020

 DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway , Zugriff 10.11.2020

 DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555 , Zugriff 10.11.2020

 FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 28.5.2021)

 FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in , Zugriff 10.11.2020

 GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/ , Zugriff 10.11.2020

 OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf , Zugriff 1.6.2021

 HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html , Zugriff 28.5.2021

 HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html , Zugriff 11.11.2020

 NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195 , Zugriff 10.11.2020

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 28.5.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der "Islamische Staat" ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292 , Zugriff 9.11.2020

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/ , Zugriff 5.11.2020

 AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html , Zugriff 27.4.2021

 BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/ , Zugriff 27.5.2021

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 FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 19.5.2021

 HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html , Zugriff 28.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

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 SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh , Zugriff 28.5.2021

 UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, Political violence, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security , Zugriff 27.5.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Politisierung der Justiz und der Druck auf sie halten an (FH 3.3.2021). Seit die Awami-Liga (AL) im Jahr 2009 an die Macht kam, hat die von ihr geführte Regierung begonnen, erheblichen Einfluss auf die Justiz auszuüben (FIDH 25.1.2021). Vorwürfe des politischen Drucks auf Richter sind üblich, ebenso wie der Vorwurf, dass unqualifizierte AL-Loyalisten in Gerichtspositionen berufen werden (FH 3.3.2021). Wie die meisten Beobachter übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der Regierungspartei werden regelmäßig aus "politischer Rücksichtnahme" zurückgezogen (FH 3.3.2021).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus "Magistrates", die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden. Dennoch wird diese Unabhängigkeit der Justiz durch Überlastung, überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindert (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des "Public Safety Act", des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", “Women and Children Repression Prevention Act" sowie des "Special Powers Act" wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden (ÖB 9.2020). In ländlichen Gebieten kommt es zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem "Scharia Recht". Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 9.2020). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020). Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 5.8.2020

 FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 19.5.2021

 FIDH -International Federation for Human Rights (Autor), ODHIKAR (Autor) (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020 Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf , Zugriff 19.5.2021

 FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in , Zugriff 3.4.2020

 ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 30.3.2021). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keinen diesbezüglichen Verurteilungen wegen diverser Vergehen (ÖB 9.2020).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Frauen, Kinder, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen. Die Regierung von Bangladesch versäumt es, einen angeforderten Folgebericht zur Überprüfung ihrer Praktiken durch den Ausschuss gegen Folter vorzulegen (HRW 13.1.2021).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Nichtsdestotrotz stellt eine wissenschaftliche Studie vom Mai 2020 fest, dass 2,2 Millionen Strafverfahren gegen Menschen mit Behinderungen anhängig sind. So wird resümiert, dass Menschen mit Behinderungen "die am meisten gefährdeten unter den Gefährdeten" sind. Über Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und andere Minderheiten, insbesondere im privaten Bereich, wird berichtet (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung nutzt weiterhin den Digital Security Act (DSA) 2018, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Trotz wiederholter Aufrufe der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen, die umstrittenen und strafenden Bestimmungen des DSA aufzuheben, wurde das Gesetz nicht abgeändert. Offiziellen Statistiken zufolge wurden zwischen Januar und Dezember 2020 mehr als 900 Fälle unter dem DSA eingereicht. Etwa 1.000 Personen wurden angeklagt und 353 inhaftiert (AI 7.4.2021).

Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 3.3.2021). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt sind. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von "Wegschauen" über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, 7. April 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html , Zugriff am 18.5.2021

 FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 18.5.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat , Zugriff 18.5.2021

 HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html , Zugriff 18.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN , Zugriff 11.11.2020

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 18.5.2021

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die laut Verfassung garantierte Meinungs- und Pressefreiheit wird von der Regierung nicht immer respektiert und es gibt deutliche Einschränkungen (USDOS 30.3.2021). Die Regierung nutzt weiterhin repressive Gesetze, um die Meinungsfreiheit in unangemessener Weise einzuschränken und Journalisten und Menschenrechtsverteidiger gezielt zu verfolgen und zu schikanieren (AI 7.4.2021). Seit Jahren ist zu beobachten, dass die zunehmend autoritär handelnde Regierung diese Rechte zur eigenen Machtsicherung zunehmend verletzt (AA 21.6.2020).

Bangladesch verfügt über eine lebhafte Medienlandschaft, vor allem im Bereich der Printpresse. Der einzige terrestrische staatliche TV-Sender (BTV) sowie das staatliche Radio berichten hauptsächlich aus Sicht der jeweiligen Regierung (ÖB 9.2020). Die unabhängigen Medien sind aktiv und drücken eine Vielzahl von Ansichten aus, sind allerdings Druck seitens der Regierung ausgesetzt, wenn sie diese kritisieren. Aus Angst vor Belästigung und Repressalien zensieren sich Journalisten auch selbst (USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung setzt Kritik an der Verfassung mit Verhetzung gleich. Die Strafe für Verhetzung reicht von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft (USDOS 30.3.2021). Auch Hassreden sind verboten, die Regierung hat aber aufgrund der fehlenden Definition im Gesetz einen breiten Interpretationsspielraum (ÖB 9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Regierung kann die Redefreiheit einschränken, wenn sie als gegen die Sicherheit des Staates gerichtet, gegen freundschaftliche Beziehungen mit ausländischen Staaten, gegen die öffentliche Ordnung, Anstand oder Moral oder wegen Missachtung des Gerichts, Verleumdung oder Anstiftung zu einer Straftat erachtet wird (USDOS 30.3.2021).

Am 8. Oktober 2018 trat mit dem "Digital Security Act" (DSA) ein Gesetz in Kraft (ODHIKAR 8.8.2019). Die Behörden nutzten das DSA-Gesetz zunehmend, um Aktivisten, Journalisten und andere, die der Regierung und ihrer politischen Führung kritisch gegenüberstanden, zu schikanieren und auf unbestimmte Zeit in Haft zu nehmen (HRW 13.1.2021). Im Jahr 2020 wurden mindestens zehn Redakteure nationaler und regionaler Tageszeitungen und Online-Nachrichtenplattformen aufgrund der DSA angeklagt, nachdem sie kritisch über führende Vertreter der Regierungspartei Awami League berichtet hatten (AI 8.10.2020). Auf Basis des Information and Communication Technology Act (ICT-Act) wurden offiziellen Statistiken zufolge zwischen Januar und Dezember 2020 mehr als 900 Fälle unter dem DSA eingereicht. Fast 1.000 Personen wurden angeklagt und 353 inhaftiert. Mindestens 247 Journalisten waren Berichten zufolge Angriffen, Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt, sowohl von staatlichen Stellen als auch von Personen, die mit der Regierung nahe stehen (AI 7.4.2021). 2019 wurden insgesamt 42 Personen nach dem DSA-Act verhaftet, sechs Personen wurden wegen Vergehen im Zusammenhang mit dem ICT-Act festgenommen (ODHIKAR 8.2.2020; vgl. FH 2020).

Journalisten werden im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Themen wie Verbrechen während des Krieges von 1971 und Wahlunregelmäßigkeiten während der Parlamentswahlen 2018 und der Kommunalwahlen 2019 verhaftet und/oder Ziel von Angriffen die mitunter zum Tode führen (FH 3.3.2021; vgl. FIDH 9.1.2019). In den letzten Jahren wurden wiederholt Blogger, die für ihre säkulare oder anti-islamische Haltung bekannt waren, von Extremisten getötet. Es mehren sich zuletzt wieder Medienberichte über angegriffene oder verschwundene Journalisten (ÖB 9.2020; vgl. FH 3.3.2021). Darüber hinaus gehen die Behörden gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten. So verhaften die Behörden im Mai 2020 mehrer Personen und klagten weitere wegen "Verbreitung von Gerüchten und Fehlinformationen auf Facebook" an, weil sie die Reaktion der Regierung auf die Pandemie kritisieren. Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Der "Official Secrecy Act" verbietet Journalisten das Sammeln von Informationen von staatlichen Quellen. Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020).

Die "Bangladesh Telocommunication Regulatory Commission" (BTRC) ist mit der Regulierung der Telekommunikation beauftragt, beschränkt den Internetzugang und filtert Internetinhalte. Anfang April 2020 blockierte die BRTC den Radio Free Asia-Ableger BenarNews, nachdem der Sender über ein durchgesickertes UN-Memo berichtet hatte, in dem gewarnt wurde, dass eine hohe Anzahl von Bangladescher an COVID-19 sterben könnten, wenn die Regierung keine geeigneten Maßnahmen ergreift. Während der Zugang im Mai 2020 teilweise wiederhergestellt wurde, stellen Beobachter fest, dass die BenarNews-Website bis zum Jahresende gelegentlich blockiert wurde (USDOS 30.3.2021).

Im Laufe des Jahres 2020 schränkte die Regierung den 3G- und 4G-Mobilfunk-Internetdienst in den Rohingya-Flüchtlingslagern aus "Sicherheitsgründen" ein und wies die Mobilfunkanbieter an, keine SIM-Karten mehr an Rohingya-Flüchtlinge zu verkaufen (USDOS 30.3.2021).

Neben den Sicherheitskräften stellen auch Parteiaktivisten und islamisch-fundamentalistische Gruppen eine potenzielle Gefahrenquelle für Medienvertreter dar (ÖB 9.2020). Ein Klima der Straflosigkeit ist die Norm. Dutzende Blogger sind weiterhin untergetaucht oder im Exil (FH 3.3.2021). Im Jahr 2020 wurden 74 Journalisten körperlich verletzt, 31 angegriffen, 28 attackiert, 17 bedroht, sieben verhaftet, einer gefoltert, drei entführt, vier belästigt und 70 Journalisten bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit verklagt (ODHIKAR 25.1.2021).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 5.8.2020

 AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html , Zugriff 1.6.2021

 AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesch 2020, 7. April 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048838.html Zugriff 16.6.2021

 AI – Amnesty International (8.10.2020): Bangladesh: Escalating attacks on the media must stop, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/10/bangladesh-escalating-attacks-on-the-media-must-stop/ , Zugriff 16.6.2021

 Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 18.5.2021

 FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020 , Zugriff 1.4.2020

 FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in , Zugriff 6.3.2019

 HRW – Human Rights Watch (20.5.2021): Bangladesh: Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html , Zugriff 1.6.2021

 HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html , Zugriff 18.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf , Zugriff 17.5.2021

 ODHIKAR (8.2.2020): Bangladesh, Annual Human Rights Report on Bangladesh 2019, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2019_eng.pdf , Zugriff 3.4.2020

 ODHIKAR (8.8.2019): Annual Human Rights Report on Bangladesh 2018, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2019/08/Annual-HR-Report-2018_Engl.pdf , Zugriff 17.9.2019

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 18.5.2020

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch eingeschränkt (FH 3.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Seit Jahren ist jedoch zu beobachten, dass die zunehmend autoritär handelnde Regierung diese Rechte zur eigenen Machtsicherung verstärkt verletzt. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden. Die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 21.6.2020).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 wurden vermehrt unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz Demonstrationen der Opposition durch Aufhebung der Versammlungsfreiheit verboten. Die Regierung beendete in der Vergangenheit verbotene Versammlungen auch gewaltsam (AA 21.6.2020). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten oder der Sicherheitskräfte kommen (ÖB 9.2020). 2020 wurde das Recht auf Versammlungsfreiheit der Opposition und der Dissidenten weiter beschnitten. In diesem Zeitraum ging die Regierung weiter gegen Oppositionsführer und -aktivisten vor, unter anderem durch die Erhebung von Klagen und Verhaftungen (ODHIKAR 25.1.2021).

Im Jahr 2020 fanden viele Demonstrationen statt, obwohl die Behörden manchmal versuchten, Kundgebungen durch die Verhaftung von Parteiaktivisten zu verhindern. Während der COVID-19-Pandemie im April 2020 setzten sich die Arbeiter der Bekleidungsindustrie über die COVID-19-Abriegelungsbeschränkungen hinweg, um für Nachzahlungen und sicherere Arbeitsbedingungen zu protestieren (FH 3.3.2021).

Die Gründung von Gewerkschaften wurde aufgrund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechtsorganisationen Belästigungen ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbedingungen, besonders in der Bekleidungsindustrie, führen immer wieder zu Protesten (FH 3.3.2021).

Die gewalttätigen Hartals (Streiks), die einst ein dominierender Teil der Politik waren, sind nicht mehr existent. Es gibt eine ausgeprägte Kultur des Klientelismus, die alle Parteien mit ihren jeweiligen Funktionsträgern verbindet, die sich unermüdlich für die Unterstützung der Parteiorganisation an der Basis einsetzen. Im Gegenzug erwarten sie einen Nutzen, sobald ihre Partei an die Macht kommt (BS 29.4.2020).

Die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung einer Oppositionspartei führt nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung (AA 21.6.2020). Kundgebungen wurden zuletzt zugelassen bzw. von den Sicherheitskräften nicht aufgelöst, da von ihnen offenbar keine nachhaltige Gefahr für die Regierung ausging. Sobald sich jedoch wieder eine Führungsfigur der Opposition etabliert, welche der regierenden Awami League gefährlich werden könnte, werden die Maßnahmen der Regierung wieder verschärft (ÖB 9.2020).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf , Zugriff 9.11.2020

 FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, 3. März 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 18.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf , Zugriff 18.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 18.5.2021

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion, betont aber auch das säkulare Prinzip (USDOS 12.5.2021) und verbietet religiös begründete politische Parteien. Die Jamaat-i-Islami (JI)-Partei wurde aufgrund ihrer offen islamistischen Charta von der Teilnahme an den Wahlen 2014 und 2018 ausgeschlossen, auch wenn einige JI-Mitglieder als Unabhängige kandidierten (FH 3.3.2021).

Die Gesetzgebung verbietet Diskriminierung und schafft Gleichberechtigung für alle Religionen. Etwa 89 Prozent der Bevölkerung ist sunnitischen Glaubens, zehn Prozent werden dem Hinduismus zugerechnet. Darüber hinaus gibt es Christen, Theravada-Hinayana Buddhisten, kleine Gruppen schiitischer Moslems, Bahais, Animisten, Ahmadis, Agnostiker und Atheisten. Viele Anhänger religiöser Minderheiten sind gleichzeitig Vertreter ethnischer Minderheiten und konzentrieren sich in den Chittagong Hill Tracts (CHT) und in den nördlichen Distrikten des Landes (USDOS 12.5.2021; vgl. CIA 24.5.2021).

Traditionell gilt Bangladesch als ein religiös tolerantes, islamisches Land. Regierung und bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens setzen sich in der Regel für das friedliche Zusammenleben der Religionen ein. In den letzten Jahren sehen sich die religiösen Minderheiten allerdings zunehmendem Druck und gewalttätigen Übergriffen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen ausgesetzt. Die Polizei scheint nicht in der Lage zu sein, die religiösen Minderheiten effektiv vor Übergriffen zu schützen. In den letzten Jahren wurden auch verstärkt (teils) tödliche Angriffe auf Vertreter nicht-muslimischer Gruppen verübt, zu denen sich der Islamische Staat (IS) bekannte (ÖB 9.2020).

Die Regierung ist bemüht, Übergriffe auf religiöse Minderheiten zu unterbinden. So werden religiöse Umzüge, Feste und Gotteshäuser durch Sicherheitskräfte geschützt (ÖB 9.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Wo es zu Übergriffen kommt, ist nicht generell von einem rein religiösen Hintergrund auszugehen. Oft sind es auch Übergriffe krimineller Banden, denen wirtschaftliche oder soziale Motive zugrunde liegen. Vor allem in den ländlichen Regionen steigen aber die Zahlen der religiös motivierten Übergriffe auf Nicht-Muslime. Ein effektiver Schutz für Angehörige von Minderheiten scheint hier nicht zu bestehen (ÖB 9.2020). Medienberichten zufolge sollen mehreren hundert, teils mehrere tausend Anhänger der oppositionellen BPN nahestehende Organisation Hefazat-e-Islam Häuser der hinduistischen Gemeinschaft im Dorf Noagaon im Distrikt Sunamganj im Nordosten Bangladeschs angegriffen und diese geplündert und zerstört haben. Dem Überfall vorausgegangen ist eine Nachricht eines hinduistischen Mannes des betroffenen Dorfes in den sozialen Medien, indem er Kritik an einer führenden Persönlichkeit der fundamentalistischen Organisation geübt hat, die eine stärkere Einhaltung islamischer Prinzipien fordert (BAMF 22.3.2021; vgl. OD 2021).

Das Strafgesetz stellt Äußerungen oder Taten, die religiöse Gefühle verletzen, unter Strafe. Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis zu zwei Jahren Haft. Das Gesetz erlaubt auch die Beschlagnahmung sämtlicher Kopien einer Zeitung, deren Inhalt Feindseligkeit und Hass zwischen den Bürgern hervorrufen, oder religiöse Überzeugungen verunglimpfen könnte (USDOS 12.5.2021).

Obwohl religiöse Minderheiten das Recht auf freie Religionsausübung haben, kommt es zu sozialer Diskriminierung, Belästigungen, Strafverfolgung wegen Missionierung und manchmal zu gewalttätigen Übergriffen auf Gebetshäuser. Minderheitengruppen - darunter Hindus, Christen, Buddhisten sowie schiitische und Ahmadiyyas sind mit Schikanen und Gewalt konfrontiert (FH 3.3.2021). Extremistisch-islamische Gruppen, insbesondere Jamaatul Mujahedin Bangladesh (JMB), Jamaat-e-Islami, Hefazat-e-Islami (Beschützer des Islam) und Jamaat-e-Ahle Sunnat gehen aktiv gegen religiöse Minderheiten vor und konzentrieren sich auf ehemalige Muslime (OD 2021; vgl. ACN 2018).

Die "Hindu American Foundation" hält 2015 in einem Bericht fest, dass es sowohl eine sichtbare als auch eine versteckte Art der Diskriminierung von Hindus in Bangladesch gibt. Eine lange Geschichte von Unterdrückung und Gewalt hat zu einer dramatischen Reduktion des hinduistischen Bevölkerungsanteils geführt. Heutige Schätzungen gehen von einem Bevölkerungsanteil von acht bis neun Prozent, im Vergleich zu 23 Prozent im Jahr 1971 aus. Landenteignung ("land grabbing") und Umsiedlung waren/sind wohl eine der Hauptursachen für eine Abwanderung von Hindus (ÖB 9.2020) in das Nachbarland Indien, die seit Jahrzehnten erfolgt (AA 21.6.2020).

Religionswechsel sowie Austritt aus dem Islam, ebenso wie die Missionierung, sind gesetzlich erlaubt, aber in weiten Teilen der Gesellschaft verpönt – mit der Folge, dass Religionswechsel bzw. -austritt mit gesellschaftlicher bzw. familiärer Ächtung belegt sind (AA 21.6.2020). Wer säkulare oder nicht konforme Anschauungen hat, kann sich gesellschaftlicher Verachtung und Angriffen von islamistischen Hardliner-Gruppen ausgesetzt sehen (FH 3.3.2021). Besonders auf dem Land sehen sich religiöse Minderheiten Schikanen von konservativen Muslimen ausgesetzt. 2019 kam es zu tätlichen Angriffen auf Ahmadis, sowie zu Fällen von Vandalismus gegen buddhistische Tempel und christliche Kirchen (AA 21.6.2020).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 5.8.2020

 ACN – Aid to the Church in Need (2018): http://religionsfreiheit.kirche-in-not.ch/laenderwahl/asien-ozeanien/bangladesch-2018.html , Zugriff 1.6.2021

 BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.3.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw12-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 1.6.2021

 CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/ , Zugriff 28.5.2021

 FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 17.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 OD – Open Doors (2021): LÄNDERPROFIL BANGLADESCH, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/bangladesch , Zugriff 1.6.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051513.html , Zugriff 18.5.2021

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, AA 21.6.2020). Ausgenommen davon sind jedoch zwei sensiblen Gebiete: die Chittagong Hill Tracts (CHT) und die Rohingya-Lagern in Cox's Bazar (USDOS 30.3.2021). Auch wurden im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie durch die Regierung einige Bewegungseinschränkungen angeordnet, deren Umfang und Dauer begrenzt sind (FH 3.3.2021).

Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox’s Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020).

Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 9.2020; vgl. FH 3.3.2021; AA 21.6.2020). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerungen bei der Reisepassausstellung (ÖB 9.2020). Ein Ausreiseverbot besteht für Personen, welche verdächtigt werden, an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 beteiligt gewesen zu sein (ÖB 9.2020).

Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner, um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahren brauchen keinen gesetzlichen Vertreter, um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formular (ÖB 9.2020).

Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020). Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte. Es handelt sich hierbei teilweise um Klimaflüchtlinge, deren Lebensgrundlage entzogen wurde und teilweise um Arbeitssuchende, die hoffen, insbesondere in der Textilindustrie Anstellung zu finden.Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 21.6.2020).

Für Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten dürften innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten kaum vorhanden sein. Indiz dafür ist auch die verstärkte Auswanderung religiöser Minderheiten Richtung Indien. Aufgrund des Bevölkerungsreichtums und der nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen dürfte allerdings insbesondere für Opfer lokaler politischer motivierter Verfolgung das Ausweichen in andere Landesteile eine plausible Alternative sein (ÖB 9.2020).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom House: Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html , Zugriff 17.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 17.5.2021

Grundversorgung

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 21.6.2020). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 11,3 Prozent der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar (DB 1.10.2019). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verschärfte sich die Situation. Gemäß Schätzungen der Bangladesh Economic Association verloren etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020). Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene (DB 1.10.2019).

Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund sechs Prozent gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 4.5.2021). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung (GIZ 3.2020b; vgl. CIA 24.5.2021). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 3.2020b), auf den 2017 geschätzt 29,3 Prozent des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 Prozent aller Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftete 2017 mehr als die Hälfte des BIP (CIA 4.5.2021).

Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Etwa zehn Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen (z.B. "BRAC", "Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees", "Bangladesh Migrant Centre", "Bangladesh Women Migrants Association"). Dachverband ist das "Bangladesh Migration Development Forum" (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 21.6.2020).

Pro Jahr verlassen schätzungsweise bis zu 500.000 Personen Bangladesch zur legalen Beschäftigung im Ausland (hauptsächlich in Indien, Pakistan, Malaysia, Jordanien und den Golfstaaten) (ÖB 9.2020). Der Anteil an der bangladeschischen gesamtwirtschaftlichen Leistung der durch Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten nach Bangladesch geleistet wird, beträgt mehr als 10 Prozent (GIZ 3.2020b). Das entspricht etwa 13 - 16 Mrd. USD (ÖB 9.2020; vgl. GIZ 3.2020b, CIA 24.5.2021).

Die offizielle Arbeitslosenrate lag 2019 gem. Weltbank bei lediglich 4,2 Prozent jedoch mit verdeckter, weit verbreiteter massiver Unterbeschäftigung. Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association allerdings ca. 36 Mio. Menschen während des Lockdown ihre Arbeit. Darüber hinaus mussten zehntausende Bangladeshi, die im Ausland beschäftigt waren, in ihre Heimat zurückkehren, nachdem sie ihre Arbeitsplätze verloren hatten. Vor allem in der Landwirtschaft (19 Prozent des BIP und mehr als 65 Prozent der Beschäftigten) ist Subsistenzwirtschaft ausgeprägt. Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es lediglich im staatlichen Bereich, sowie bei größeren Unternehmen. 85 Prozent der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Von ca. 70 Millionen Beschäftigten sind nur rund zwei Mio. gewerkschaftlich organisiert. Die Gewerkschaften sind stark politisiert oder von einzelnen Führern oder Unternehmen abhängig. Ein Streikrecht gibt es in Bangladesch nicht. Staatlichen Angestellten, Mitgliedern der Sicherheitskräfte, sowie staatlichen und privaten Lehrern ist die Bildung von Gewerkschaften oder der Beitritt zu solchen, aufgrund deren starker Politisierung, explizit verboten (ÖB 9.2020).

Die Bevölkerung Bangladeschs erfährt seit einigen Jahren einen erhöhten Verteilungs- und Chancenkonflikt, aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitig abnehmenden Landressourcen und fehlenden Alternativen zur Landarbeit, sowie erhöhtem Druck durch Extremwetterereignisse und anderen Konsequenzen des Klimawandels. Die Slums der Städte wachsen, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Bedingungen etwas langsamer. Ebenso konkurriert die Bevölkerung mit einem höheren Bildungsabschluss um Universitätsplätze und besser bezahlte Arbeitsplätze. Die Lebenshaltungskosten in den Städten steigen und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten ist oft lückenhaft bzw. ist ein Anschluss an öffentliche Versorgungsnetzwerke noch nicht vollzogen. Die Strukturen werden zusätzlich temporär belastet, wenn Saisonarbeiter für einige Zeit in die Städte ziehen und dort Arbeitsplätze und Unterkünfte suchen. Die nötige Infrastruktur wird in vielen Gebieten ausgebaut, allerdings kann das Tempo dieses Ausbaus noch nicht mit der Bevölkerungsdynamik mithalten. Aktuell sind ungefähr 60 Prozent aller Haushalte an das staatliche Stromnetz angeschlossen (GIZ 3.2020b). Für ca. 85 Prozent der Bevölkerung, die im informellen Sektor arbeiten, gibt es keine mit europäischen Verhältnissen vergleichbare soziale Absicherung, sei es durch ein System der Kranken-, Unfall-, Pensions- oder Arbeitslosenversicherung (ÖB 9.2020).

Die Menschen sind auf die Versorgung durch ihre Familie und ihre Ersparnisse angewiesen. Staatlicherseits gibt es Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen. Außerdem gibt es ein ebenfalls extrem ineffizientes System der Nahrungsmittelausgabe mittels Rationskarten. Oft werden die für Arme vorgesehenen preisgestützten Lebensmittel aber illegal zu Marktpreisen verkauft (ÖB 9.2020).

Mikrokreditinstitute bieten Gruppen und Individuen ohne Zugang zum herkömmlichen Finanzsystem die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen (GIZ 3.2020b). Das bekannteste davon ist die Grameen Bank, die 1976 in Bangladesch durch den späteren Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gegründet wurde. Die Grameen Bank, deren Konzept von zahlreichen weiteren Institutionen aufgegriffen und auch in anderen Ländern umgesetzt wurde, gewährt Kredite ohne die banküblichen materiellen Sicherheiten und setzt stattdessen vor allem auf die soziale Komponente, um die Rückzahlung zu gewährleisten. Die Kreditnehmerinnen, die kaum unternehmerische Erfahrung und zumeist einen sehr niedrigen Bildungsstand haben, sollen auch langfristig beraten und unterstützt werden, um ein realistisches Konzept entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können – so zumindest ist es vorgesehen. Bei seriösen Programmen sind auch Schulungen über Grundlagen der Unternehmensführung enthalten (finanzielle Alphabetisierung) (IP 6.3.2018).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/#economy , Zugriff 27.5.2021

 DB – Deutsche Botschaft Dhaka (1.10.2019): Die bangladeschische Wirtschaft, https://dhaka.diplo.de/bd-de/themen/wirtschaft/-/2251288 , Zugriff 5.11.2020

 GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Bangladesch – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/bangladesch/wirtschaft-entwicklung , Zugriff 17.5.2021

 IP – Idealism Prevails (6.3.2018): Mikrokredite: Kann Armut durch Unternehmertum überwunden werden?, https://www.idealismprevails.at/mikrokredite-kann-armut-durch-unternehmertum-ueberwunden-werden , Zugriff 11.11.2020

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 16.06.2021

Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 21.6.2020). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen oder eine Mitversicherung von Kindern (ÖB 9.2020). Nicht staatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs findet statt (AA 21.6.2020), kann aber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 9.2020). Das Gesetz sieht Menschen mit Beeinträchtigungen als eine vorrangige Gruppe für staatlich unterstützte Dienstleistungen vor. Die Regierung hat offizielle Maßnahmen ergriffen, um gegen die Verantwortlichen für Gewalt und Missbrauch von Menschen mit Behinderungen zu ermitteln (USDOS 30.3.2021).

Eine Alterspension in der Höhe von monatlich 500 Taka [ca. 5 Euro] wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 700 Taka [ca. 7 Euro], wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 Prozent für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 Prozent des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka [ca. 1.220 Euro] bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2019).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 17.5.2021

 USSSA – U.S. Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Bangladesh, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/bangladesh.pdf , Zugriff 5.11.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Bereitstellung der Gesundheitsfürsorge liegt im Verantwortungsbereich der Regierung (DFAT 22.8.2019). Eine gesetzliche Krankenversicherung existiert nicht. Stattdessen gilt die Grundversorgung in der Regel als kostenlos, d.h. staatlich finanziert (GIZ 8.2020d).

Die medizinische Versorgung in Bangladesch entspricht nicht europäischen Standards und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch nicht damit vergleichbar. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 28.7.2020; vgl. DFAT 22.8.2019, AA 21.6.2020). Wegen des Mangels an medizinischen Personal und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 28.7.2020; vgl. ÖB 9.2020). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten und von schlechter Qualität (ÖB 9.2020; vgl. DFAT 22.8.2019). Die Krankenhäuser verfügen insgesamt nur über rund 1.000 Intensivstationsbetten (GTAI 21.9.2020b). Davon sind lediglich 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet (GTAI 21.9.2020b). Während in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten zu Verfügung stehen, sind in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine Intensivbetten vorhanden (GTAI 21.9.2020b). Es herrscht ein eklatanter Mangel an medizinischen Personal. Schätzungsweise lediglich 12 Prozent aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 9.2020). In der Praxis stellen der Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einen erheblichen Teil der Gesundheitsdienste zur Verfügung (DFAT 22.8.2019).

Die COVID-19-Pandemie stellte eine enorme Belastung für das Gesundheitssystem des Landes dar. Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen (GTAI 21.9.2020b).

Durch die Coronakrise gerät das seit Jahrzehnten unterfinanzierte staatliche Gesundheitswesen in Bangladesch enorm unter Druck (GTAI 21.9.2020b), der Mangel an verfügbaren und zugänglichen kritischen Gesundheitsdiensten führte zu einer großen öffentlichen Gesundheitskrise im ganzen Land. Viele öffentliche und private Krankenhäuser wiesen Patienten mit COVID-19-Symptomen aus Angst vor einer Infektion ab, obwohl Kapazitäten zur Verfügung standen. Diese Praxis führte zum Tod von Hunderten von Menschen (AI 7.4.2021).

In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 9.2020). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladeschis und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 21.6.2020). Lokale Kliniken gibt es auf Gemeinde- oder Dorfebene. Diese Einrichtungen unterstützen größere Distrikt- oder Zentralkrankenhäuser (DFAT 22.8.2019). Obwohl eine rudimentäre, kostenlose medizinische Versorgung durch staatliche Gesundheitsstationen verfügbar sein soll (AA 21.6.2020), berichten Patienten, dass sie im Allgemeinen für einen Zugang zu medizinischen Leistungen zahlen müssen. Die Beratungsgebühren sind oft exorbitant und für die Armen unerschwinglich. Ärzte neigen Berichten zufolge auch dazu, ihre Kunden "übermäßig zu behandeln" und unnötige Tests anzuordnen, um ihr Einkommen zu erhöhen (DFAT 22.8.2019). So ist der Großteil der armen Landbevölkerung auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 9.2020).

Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 21.6.2020).

Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten (AA 21.6.2020) und stellen sich unzureichend dar (USDOS 30.3.2021). Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 21.6.2020). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, z.B. durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat nur eine niedrige Rate an HIV/Aids-Infizierten, gilt aber als potenziell stark gefährdetes Land (ÖB 9.2020).

Ein staatliches Sozial- und Krankenversicherungssystem existiert, bis auf geringe Beihilfen zum Existenzminimum an Senioren, nicht (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 9.2020). So muss allgemein auf die Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden (ÖB 9.2020). Das Arbeitsrecht 2006 sieht vor, dass Firmen mit mindestens 300 Arbeitnehmern vor Ort medizinische Einrichtungen bereit stellen sollten. Der Arbeitnehmer zahlt keine Prämie, die gesamten Kosten werden vom Arbeitgeber getragen (USSSA 3.2019).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292 , Zugriff 9.11.2020

 AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html , Zugriff 18.5.2021

 DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf , Zugriff 12.11.2020

 GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020d): Bangladesch, Gesellschaft, https://www.liportal.de/bangladesch/gesellschaft/#c4074 , Zugriff 17.5.2021

 GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868 , Zugriff 5.11.2020

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff am 17.5.2021

 USSSA – U.S. Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Bangladesh, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/bangladesh.pdf , Zugriff 5.11.2020

Rückkehr

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 21.6.2020) und es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrages staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen (AA 21.6.2020). Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können sie allerdings auch nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Problematisch ist, dass "erfolglose Rückkehrer" von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden. Soweit Kritiker der Regierung oder rivalisierender politischer Parteien in Bangladesch selbst gefährdet waren, gilt dies auch für ihre eventuelle Rückkehr, auch wenn es keine Hinweise auf eine systematische Verfolgung gibt. Politisch motivierte Gewalt beschränkt sich in den meisten Fällen auf Einschüchterungen. Während des Ausnahmezustandes verweigerte die Regierung jedoch temporär einigen Parteiführern die Wiedereinreise nach Bangladesch. Durch den neuerlichen Wahlsieg der Regierungspartei 2018 hat sich das repressive Klima im Land merklich verschlechtert (ÖB 9.2020).

Auch ergeben sich im Zusammenhang wegen des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs und einer damit einhergehenden Rücksendung vieler tausender ArbeiterInnen in ihre Heimat Probleme für das Land. Auf Grund der beengten Lebens- und Arbeitsverhältnisse in ihren Gastländern sind diese ArbeiterInnen besonders vom Virus betroffen und bringen das Virus auf ihrem Heimweg mit nach Hause (ÖB 9.2020). Berichten zufolge verhafteten die Regierungsbehörden zwischen Juli und September [2020] zwischen 250 und 370 rückkehrende Wanderarbeiter aus Südostasien und dem Nahen Osten unter dem Vorwurf, "das Ansehen (Bangladeschs) beschädigt zu haben" (USDOS 30.3.2021; vgl. AI 30.9.2020). Anfang Oktober wurde durch das Oberste Gericht eine Polizeistation in Dhaka angewiesen, vor Gericht die rechtlichen Grund für die Inhaftierung der Migranten zu erklären. Etwa 80 der inhaftierte Arbeitsmigranten wurden im Oktober 2020 gegen Kaution freigelassen (USDOS 30.3.2021).

Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) sind nicht bekannt. Der "International Organization for Migration" (IOM) ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem sogenannten "General Diary" gebeten. Nach IOM-Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Besondere Vorkommnisse sind anlässlich der Durchführung der Einreisekontrollen nicht bekannt geworden (AA 21.6.2020). Bei oppositioneller Betätigung kommt es darauf an, ob die lokal oder sachlich zuständigen Behörden von Regierung oder Opposition kontrolliert werden. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber. Dies gilt auch im Falle falscher Anzeigen bzw. sonstiger Verfolgung von Anhängern der politischen Opposition (ÖB 9.2020).

IOM betreut nur Personen, die freiwillig zurückkehren und ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich sind und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dienen. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger, weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen in der Regel nicht auf sich allein gestellt (AA 21.6.2020).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 3.11.2020

 AI – Amnesty International (30.9.2020): Bangladesh detains more migrant workers; Second UA: 131/20 [ASA 13/3140/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2038373/ASA1331402020ENGLISH.pdf , Zugriff 17.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 17.5.2021

Dokumente

Letzte Änderung: 16.06.2021

Echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen sind problemlos gegen Zahlung erhältlich (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 17.12.2018). Die Fälschung von Personenstandsurkunden ist eigentlich nicht notwendig, da jegliche Art von Standesfall sehr einfach (nach-)beurkundet werden kann. Beglaubigungen durch das Außenministerium erfolgen in der Regel ohne weitere Prüfung der Dokumente. Ihre Aussagekraft bezüglich Echtheit oder inhaltlicher Richtigkeit steht daher infrage (AA 21.6.2020).

Verfälschungen, Fälschungen und Handel mit jeder Art von Dokumenten sind weit verbreitet und mittels persönlicher Beziehungen oder Bestechung ohne größeren Aufwand zu beschaffen (AA 21.6.2020). Es ist üblich und oft nicht anders möglich, Dokumente über einen Agenten oder "Mittelsmann" zu erwerben. Diese Praxis stellt sich ebenfalls betrugsanfällig dar (DFAT 22.8.2019). Grundsätzlich werden alle Arten von Dokumenten gefälscht: Reisepässe, Geburts- und Heiratsurkunden, Schul- und Universitätszeugnisse (ÖB 9.2020). Es handelt sich nach lokaler Anschauung um Kavaliersdelikte, die strafrechtlich ungenügend verfolgt werden (AA 21.6.2020). Auch ist die Erlangung von Dokumenten mit der Zahlung von Bestechungsgeldern verbunden (DFAT 22.8.2019). Die Überprüfungspraxis ist schwierig, da es kaum Kooperation der Behörden in Bangladesch gibt. Außerdem verfügen die wenigsten Dokumente über ein einheitliches Layout (ÖB 9.2020).

Mit der Einführung des maschinenlesbaren Reisepasses sind Fälle von Passmanipulationen deutlich zurückgegangen. Von allen Passantragstellern werden Fingerabdrücke genommen (AA 21.6.2020; vgl. DFAT 22.8.2020).

Bei sonstigen Dokumenten, hauptsächlich Personenstandsurkunden, werden häufig Abweichungen der Bezeichnung der Behörde in Stempeln, Siegeln und Briefkopf, bei Unterschriften und Formpapier (AA 21.6.2020), sowie bei Rechtsanwälten fehlende Adressenangabe und Aktenzeichen festgestellt (ÖB 9.2020). In vielen Asylfällen legen Antragsteller die übersetzten Abschriften angeblicher justizieller Dokumente wie z.B. "First Information Report", "Charge Sheet" oder Haftbefehl vor (AA 21.6.2020). Beliebt ist die Anfertigung falscher oder unvollständiger Übersetzungen (ÖB 9.2020).

Nachdem erfahrungsgemäß in Bangladesch ein hoher Grad an Fälschungen besteht, ist davon auszugehen, dass die auch bis zu einem gewissen Ausmaß für FIRs zutrifft (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020).

Eine Echtheit von Dokumenten kann mit wenigen Einschränkungen überprüft werden, da ausgestellte Dokumente von der zuständigen Behörde als Original mittels Amtsstempel und Unterfertigung beglaubigt werden. Aufgrund von Gegenzeichnungsprozessen und der Tatsache, dass alle Dokumente mittels einer Datenbank geprüft werden können, sind Fälschungen von Polizei- oder Gerichtsdokumenten erschwert. Ein Fehlen von Amtsstempel und Unterschrift legt den Schluss nahe, dass es sich bei dem entsprechenden Dokument um eine Fälschung handeln könnte (ÖB 17.12.2018). Da Dokumente politischer Parteien nicht die Sicherheitsmerkmale anderer Dokumente enthalten, sind auch diese anfällig für Fälschungen (DFAT 22.8.2019).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 9.11.2020

 DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf , Zugriff 12.11.2020

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (17.12.2018): Anfragebeantwortung

Staatsbürgerschaft

Letzte Änderung: 16.06.2021

Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister gibt es in Bangladesch nicht. Auch ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Feststellung der Staatsangehörigkeit ist inexistent. In der Praxis richtet die Botschaft Anfragen an das bangladeschische Außenministerium, welches diese an die zuständigen regionalen Passport Offices weiterleiten sollte. Rückmeldungen treffen jedoch erfahrungsgemäß nicht ein. Die "Bangladesh Citizenship (Temporary Provisions) Order" aus 1972 regelt die Staatsangehörigkeitsfrage seit der Unabhängigkeit des Landes (ÖB 9.2020).

Laut Artikel 2 gilt jeder als bangladeschischer Staatsangehöriger, der in diesem Territorium geboren wurde, oder dessen Vater oder Großvater dort geboren wurde, und der am 25. März 1971 und später dort seinen ordentlichen Wohnsitz und Aufenthalt hatte (ÖB 9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Ist die Nationalität der Eltern unbekannt, und das Kind wurde auf bangladeschischem Territorium geboren, oder wenn ihre Väter oder Großväter in den Gebieten geboren wurden, die jetzt Teil des Landes sind, wird ebenfalls die bangladeschische Staatsbürgerschaft übertragen (USDOS 30.3.2021).

Inwieweit dies auch für in Bangladesch geborene Kinder von Flüchtlingen gelten soll, ist jedoch unklar und wird in den Medien ab Einsetzen der jüngsten Rohingya-Flüchtlingswelle 2017 regelmäßig thematisiert (ÖB 9.2020). Doch werden durch die Regierung derzeit keine Staatbürgerschaftsregistrierungen an Kinder von Rohingya-Flüchtlingen, die in Cox's Bazar geboren wurden, durchgeführt (USDOS 30.3.2021).

Der oberste Gerichtshof stellte im Jahr 2008 fest, dass in Bangladesch geborene Biharis bangladeschische Staatsangehörige sind, sie Anspruch auf Ausstellung von Identitätspapieren haben und ihnen das Wahlrecht zusteht (AA 21.6.2020).

Laut "Bangladesch Citizenship (Temporary Provisions) Rules" aus 1978 kann die Regierung die Staatsangehörigkeit auf Antrag an ausländische Frauen verleihen, die mit bangladeschischen Staatsangehörigen verheiratet sind und seit mindestens zwei Jahren in Bangladesch wohnhaft sind (ÖB 9.2020).

Eine Geburtsregistrierung ist erforderlich, um einen nationalen Personalausweis oder Reisepass zu erhalten (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf , Zugriff 28.5.2021

 ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf , Zugriff 28.5.2021

 USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html , Zugriff 17.5.2021

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen, im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz nicht beanstandet wurden.

Die Identität des BF steht aufgrund seines originalen bengalischen Reisepasses fest, der in Kopie im Verwaltungsakt einliegt (vgl. AS 55).

Die Feststellungen zu seinem Geburtsort, seiner Schul- und Universitätsausbildung und den in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen legte ebenso bereits das BFA dem angefochtenen Bescheid zu Grunde, diese decken sich mit dem vom BF im Verfahren mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben (vgl. 3, 138, 392, 393, Seite 5, 6 VS BVwG) und wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.

Die Feststellung, dass zwischen dem BF und seiner Familie bis vor drei Monaten regelmäßiger Kontakt bestand, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren (vgl. AS 392, Seite 4 VS BVwG). Darüber hinaus bestätigte der BF auch derzeit Kontakt zu weiteren Verwandten zu halten.

Die am 29.05.2017 erfolgte legale Einreise des BF aufgrund eines Visums der Kategorie D, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt und der dort einliegenden Kopie seines Reisepasses. Sein früherer Aufenthalt in Italien von Oktober 2010 bis Oktober 2013 und seine danach erfolgte Rückkehr nach Bangladesch stützen sich ebenfalls auf den Verwaltungsakt in Zusammenschau mit seinen Angaben im Verfahren (vgl. AS 139).

Die Feststellung, dass der BF keine einzige Fachprüfung an der XXXX abgelegt hat, obwohl er mit einem Studentenvisum in das Bundesgebiet einreiste, geht aus seinen eigenen Angaben im Verfahren hervor (vgl. Seite 8 VS BVwG).

Dass der BF nicht in die staatliche Grundversorgung einbezogen und strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) hervor.

Die Feststellung zur Selbständigkeit des BF und seinem durchschnittlichen monatlichen Einkommen, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren und den von ihm vorgelegten Unterlagen (vgl. AS 394, Seite 8 VS BVwG).

Die Feststellung, dass der BF keine Sorgepflichten hat, aber eine Freundin, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt lebt, stützt sich auf seine Angaben im Verfahren (vgl. Seite 10, 11 VS BVwG).

Dass der BF am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teilnimmt, konnte mangels diesbezüglicher Angaben des BF bzw. der Vorlage von entsprechenden Unterlagen jedenfalls nicht festgestellt werden.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte sich das Gericht einen Überblick über die Deutschkenntnisse des BF verschaffen und feststellen, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache insofern möglich ist, als die wesentlichen Inhalte seiner Gedankengänge erkennbar sind. Der Sprachwortschatz ist zwar noch begrenzt, der BF aber um ganze Sätze bemüht (vgl. Seite 9 VS BVwG). Aus den vom ihm vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass er die ÖIF Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden hat. Aus der Dokumentenvorlage vom 23.02.2022 resultiert die Feststellung zu den absolvierten Google Onlinekursen.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand gründen sich auf seine stringenten Angaben gesund zu sein (vgl. AS 136, 390, Seite 4 VS BVwG). Das Gericht geht somit nicht davon aus, dass der BF an einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung leidet.

II.2.2. Dem Fluchtvorbringen des BF, aufgrund seiner politischen Tätigkeit – nämlich der Arbeit als Werbesekretär für die BNP – in Bangladesch durch einen Vertreter der Gegenpartei, nämlich XXXX und dessen Anhänger – verfolgt worden zu sein, sprach bereits das BFA die Glaubwürdigkeit ab. Diese Beurteilung ist nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Fluchtvorbringen des BF ist unter Berücksichtigung der folgenden Erwägungen jedenfalls als nicht glaubhaft zu bewerten.

II.2.2.1. Zunächst ist zu erwähnen, dass der BF zwar angab „es wurden viele Angriffe gegen mich getätigt. Deshalb konnte ich nicht in meiner Umgebung leben und musste mich verstecken“ (vgl. AS 138), während des Verfahrens jedoch insgesamt nur zwei konkrete Vorfälle erwähnte, die von ihm zudem widersprüchlich vorgetragen wurden. Es ist davon auszugehen, dass sich der BF wenn er von „vielen Angriffen“ spricht, an mehr als zwei erinnern kann.

Zum ersten Vorfall, aus dem Jahr 2009, ist zu bemerken, dass die Angaben des BF widersprüchlich waren und demnach nicht glaubhaft sind. Während er bei der ersten Einvernahme vor dem BFA noch angab, „(…) der Herr Mustofa ist mit seinen Anhängern auf mich zugekommen du [sic] folterte mich mit ihnen, wie vorhin gesagt, wollte er mich mit dieser besenähnlichen Waffe töten“ (vgl. AS 139), erklärte er im Zuge der zweiten Einvernahme „Ich war auf der Straße von 10 bis 15 Meter Entfernung, da warf der XXXX auf mich die von mir skizzierte Angel nach mir. Ich wurde an der linken Hand getroffen. (…)“ (vgl. AS 396). Zwischen den Einvernahmen liegen etwa zwei Jahre, ist aber trotzdem nicht nachvollziehbar, warum der BF einmal angibt gefoltert worden zu sein und einmal, dass eine Angel auf ihn geworfen worden sei. Es entspricht jedenfalls nicht der Lebenserfahrung zu vergessen, dass man gefoltert wurde. Bei der zweiten Einvernahme gab er zudem an, er sei mit Freunden unterwegs gewesen, als der Vorfall sich ereignet habe (vgl. AS 396). Es lässt sich hieraus jedenfalls nicht der Rückschluss ziehen, dass der BF aufgrund seiner politischen Zugehörigkeit attackiert worden ist. Außerdem war er nach seinen letzten Angaben mit Freunden unterwegs und hätten auch diese Ziel dieses Angriffs sein können.

Des Weiteren gab er diesen Vorfall vor dem Bundesverwaltungsgericht komplett anders wieder als in den Einvernahmen vor dem BFA. Hier meinte er nämlich, XXXX und er hätten eine verbale Auseinandersetzung über Sheikh Hasina gehabt und in der Folge sei es zu einem Angriff gegen ihn gekommen, bevor er um eine Verhandlungsunterbrechung bat. Nach der Fortsetzung versuchte der BF vom erkennenden Richter zu erfragen, ob er den Angriff von 2010 meinte. Zunächst ist festzuhalten, dass der BF im Verfahren bisher nur einen Vorfall im Jahr 2009 und einen zweiten im Jahr 2014 schilderte, keinen im Jahr 2010. In der Folge machte er zu keinem der beiden Vorfälle nähere Angaben und meinte bloß, er habe sich nicht wehren können, da die Polizei seine Beschwerden nicht entgegengenommen hätte (vgl. Seite 13, 14 VS BVwG). Das Verhalten des BF machte den Eindruck, als habe er sich überhaupt nicht mehr an die von ihm mehrfach vorgebrachten Vorfälle erinnern können, was seine Glaubwürdigkeit nachdrücklich schwächt.

Weiters ist hierzu festzuhalten, dass der BF im Zuge der ersten Einvernahme vor dem BFA angab, „als ich im Jahr 2009 von dem Herrn Mustofa und seinen Anhängern attackiert wurde, hatte ich große Angst um mein Leben“ (vgl. AS 139). Obwohl der BF kurz nach diesem Vorfall nach Italien reiste, stellte er dort zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf internationalen Schutz. Vielmehr kehrte er nach Ablauf seines italienischen Studentenvisums und nachdem sein Antrag auf Prüfung des Vorliegens einer unselbständigen Arbeitsstelle nicht bewilligt wurde freiwillig nach Bangladesch zurück. Der BF hatte zu diesem Zeitpunkt offensichtlich keine Angst um sein Leben oder vor weiterer Verfolgung.

Hinsichtlich des zweiten Vorfalls stimmten die Angaben des BF aus den beiden Einvernahmen vor dem BFA ebenfalls nicht gänzlich miteinander überein. So erwähnte er erst in der zweiten Einvernahme, dass XXXX eine Pistole und eine Art Schwert bei sich gehabt habe und ihm mit dem Tod gedroht habe (vgl. AS 396). Auch dass er 500 Meter bis zum anderen Teichufer geschwommen und seine Angreifer Pflastersteine auf ihn geworfen hätten, erwähnte er erstmals in der späteren Einvernahme (vgl. AS 395). Wenn er zudem angab „(…) Sie wollten mich schlagen und ich habe auch zurückgeschlagen. Den einen den ich geschlagen habe, viel [sic] auf den Boden. Die restlichen wollten ihn [sic] beim Aufstehen helfen, inzwischen bin ich in den Teich gesprungen (…)“ (vgl. AS 396), ist zu bemerken, dass es lebensfremd ist, dass vier Leute einer am Boden liegenden Person aufhelfen wollen und ihr Opfer in der Zwischenzeit entkommen lassen. Des Weiteren gab der BF an, seine Angreifer hätten ihn mit zwei Autos an den Teich gebracht (vgl. AS 396). Dass sie den BF im Anschluss an seine Flucht durch den Teich nicht mehr finden konnten, obwohl er erschöpft und nass gewesen sein musste und sie zwei Autos zur Verfügung hatten, widerspricht jeglicher Lebensrealität. Abschließend ist hierzu festzuhalten, dass es auch hinsichtlich dieses Vorfalls keine eindeutige Verbindung zur angeblichen politischen Tätigkeit des BF gibt, denn der Vorfall ereignete sich seinen eigenen Angaben nach im Oktober oder November 2014 (vgl. AS 139), die Parlaments-Wahl war aber bereits Anfang Jänner 2014. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der BF diesen Vorfall vor dem Bundesverwaltungsgericht mit keinem Wort erwähnte.

Ebenfalls ist festzuhalten, dass eine Verfolgung des BF auch deshalb nicht glaubhaft ist, weil er seinen eigenen Angaben nur ein ehrenamtliches Mitglied der Partei und seine Tätigkeit darauf beschränkt gewesen sei Plakate zu drucken und aufzuhängen (vgl. AS 140, Seite 13 VS BVwG). Diese Funktion übte er auch nur von 2008 bis 2010 auf Gemeindeverbandsebene aus (vgl. Seite 12 VS BVwG). Es ist demnach nicht nachvollziehbar, warum der „Präsident der Chattro League“ (vgl. AS 394-395) den BF verfolgen und attackieren sollte. Gleiches gilt für die Einleitung der drei Strafverfahren und ist hier auch explizit darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Ende der politischen Tätigkeit des BF in Bangladesch und der ersten Anzeige acht Jahre vergangen sind. Weshalb nach so langer Zeit noch ein solcher Aufwand betrieben werden sollte, um ein Mitglied, das überhaupt nur drei Jahre lang politisch tätig war, von der Rückkehr nach Bangladesch abzuhalten, ist nicht nachvollziehbar und konnte auch der BF dafür keine plausible Erklärung liefern.

Außerdem konnte überhaupt nicht festgestellt werden, dass der BF Mitglied der BNP bzw. einer ihrer Teilorganisationen ist. Während er in der Erstbefragung und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab Mitglied der Chattro Dal gewesen zu sein (vgl. AS 11, Seite 12 VS BVwG), brachte er vor dem BFA vor, Mitglied der Jubo Dal gewesen zu sein (vgl. AS 391). Zwar handelt es sich bei beiden Parteien um Teilorganisationen der BNP, es ist aber dennoch nicht nachvollziehbar warum sich der BF nicht mehr erinnern kann, in welcher Teilorganisation er angeblich Mitglied und Werbesekretär war. Zudem legte er weder eine Bestätigung über seine Mitgliedschaft vor, noch war er in der Lage die Parteifarbe, politische Ausrichtung (!) und die Anzahl an Parlamentssitzen richtig zu benennen. Auch die politische Ausrichtung der gegnerischen Regierungspartei Awami League konnte er nicht richtig angeben (vgl. AS 395-396). Wenn hierzu in der Beschwerde vorgebracht wird, er habe sich damit nicht beschäftigt, ist dem BF damit keinesfalls geholfen. Vielmehr bringt es zum Ausdruck, dass der BF nicht einmal ein geringfügiges Interesse an Politik haben kann. Dass ein Politiker nicht weiß, welche politische Ausrichtung die Regierungspartei hat, ist absolut nicht glaubhaft.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass im Zuge der Vor-Ort-Recherchen die Zeiträume 01.08.2018 bis 30.11.2018 bzw. 01.08.2019 bis 30.11.2019 ermittelt wurden, obwohl der BF glaubhaft vorgebracht habe, dass die Anzeige am 15.06.2017 erstattet worden sei, ist Folgendes auszuführen: Es ist richtig, dass der BF nach Durchblättern der Unterlagen, angab, die Anzeige sei am 15.06.2017 erstattet worden (vgl. AS 140). Aus den übersetzten Unterlagen geht allerdings nur hervor, dass der erste Vorfall mit 15.06.2017 datiert ist, nicht die Anzeige (vgl. AS 513). Aus den von ihm vorgelegten Gerichtsunterlagen geht hervor, dass die Anzeige wohl am 12.04.2018 eingegangen ist (vgl. AS 507) und am 08.10.2018 Anklage erhoben wurde. Die Anfrage an die Staatendokumentation nach „Anordnungen/Befehle, Anklageschriften zur Anklageerhebung“ (vgl. AS 521-522) im Zeitraum 01.08.2018 bis 30.11.2018 ist demnach nicht falsch und hätte die Unterlagen mit dem Titel „Anwendung Nr. 18018, Datum: 08.10.18“ zu Tage bringen müssen (vgl. AS 511). Dass der Vertrauensanwalt diesbezüglich nicht fündig wurde, lässt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die vom BF vorgelegten Unterlagen Fälschungen sind und kein Strafverfahren gegen ihn vorliegt. Hierzu ist ebenfalls festzuhalten, dass der BF diese Anzeige in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit keinem Wort erwähnte, obwohl er explizit gefragt wurde, welche Anzeigen es gegen ihn gebe. Als erste Anzeige nannte er jene vom 25.03.2018 (vgl. Seite 15 VS BVwG).

Hinsichtlich des Strafverfahren vom 25.03.2018 ist auszuführen, dass sich aus den hierzu vorgelegten Gerichtsunterlagen ergibt, ein Vorfall habe sich 15.06.2017 und ein weiterer am 18.03.2018 zugetragen. Beide Male sei Schutzgeld gefordert worden und seien beim ersten Vorfall auch Drohungen hinsichtlich des Geschäfts des Opfers ausgesprochen worden. Es ist diesbezüglich nicht nachvollziehbar warum jemand nach diesen Drohungen und Schutzgeldforderungen ein Jahr wartet um erneut Schutzgeld zu fordern. Der vorgelegte Haftbefehl enthält zudem kein vollständiges Datum (xx/10/19), was seine Echtheit in Zweifel zieht. Außerdem legte der BF einen Ermittlungsbericht vor, aus dem hervorgeht, dass dieser vom 12.08.2018 stammt. Aus den vorgelegten Gerichtsakten, die Tagsatzungen vom 25.03.2018 bis 25.01.2021 wiedergeben, geht eine Vorlage des Ermittlungsberichtes jedoch erst im September 2019 hervor, also über ein Jahr nach dessen Fertigstellung.

Da der BF bereits hinsichtlich der ersten Anzeige keinerlei Skrupel hatte gefälschte Gerichtsunterlagen vorzulegen, um seine Position im Asylverfahren zu stärken, ist auch hinsichtlich der später vorgelegten Gerichtsunterlagen von Fälschungen auszugehen. Dies auch nicht zuletzt deshalb, weil die behaupteten Anzeigen zu einem Zeitpunkt erfolgten, als der BF sich nachweislich in Österreich aufhielt. Es wäre somit ein leichtes gewesen, sich gegen diese Anzeigen entsprechend zur Wehr zu setzen. Auch aufgrund der zahlreichen Widersprüche in der Fluchtgeschichte machte sich der BF als Person unglaubwürdig.

Dies deckt sich auch mit den Länderfeststellungen aus denen hervorgeht, dass echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen problemlos gegen Zahlung erhältlich sind. Verfälschungen, Fälschungen und Handel mit jeder Art von Dokumenten sind weit verbreitet und mittels persönlicher Beziehungen oder Bestechung ohne größeren Aufwand zu beschaffen. Es ist üblich und oft nicht anders möglich, Dokumente über einen Agenten oder „Mittelsmann“ zu erwerben. Grundsätzlich werden alle Arten von Dokumenten gefälscht: Reisepässe, Geburts- und Heiratsurkunden, Schul- und Universitätszeugnisse. Es handelt sich nach lokaler Anschauung um Kavaliersdelikte, die strafrechtlich ungenügend verfolgt werden. In vielen Asylfällen legen Antragsteller die übersetzten Abschriften angeblicher justizieller Dokumente wie z.B. „First Information Report“, „Charge Sheet“ oder Haftbefehl vor. Beliebt ist die Anfertigung falscher oder unvollständiger Übersetzungen.

Die Überweisungsbestätigung seitens des BF über 20.000,- Taka (entspricht ca € 200,-) an eine bengalische Rechtsanwältin, welche ein Schreiben zu den angeblichen Verfahren dem BVwG vorlegte, lässt unter Bedachtnahme auf die in den Länderberichten dargestellten Gefälligkeitsbescheinigungen und der oben erfolgten Falsifizierung der vom BF vorgelegten bengalisch-sprachigen Unterlagen weitere Zweifel an der Echtheit der weiteren Dokumente aufkommen.

Abschließend ist noch festzuhalten, dass der BF in Österreich erst drei Monate nach seiner Ankunft einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, was den Anschein erweckt, dass der BF den Asylantrag nur stellte, um seinen Aufenthalt in Österreich zu verlängern und nicht, weil er in Bangladesch tatsächlich Verfolgung ausgesetzt war. Wie zuvor erwähnt, stellte er auch in Südtirol/Italien keinen Asylantrag, obwohl einer der Vorfälle seiner Fluchtgeschichte sich unmittelbar vor seiner Ausreise nach Südtirol/Italien zugetragen haben soll. In den Jahren 2014 bis 2017 reiste der BF immer wieder mittels Visa nach Indien ein und stellte auch dort zu keinem Zeitpunkt einen Asylantrag, sondern kehrte stets nach Bangladesch zurück (vgl. AS 55ff). Dieses Verhalten des BF lässt nicht den Rückschluss zu, dass der BF Schutz vor Verfolgung suchte, sondern vielmehr, dass er unbedingt nach Österreich kommen wollte, um hier zu leben und zu arbeiten.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der BF tatsächlich in Bangladesch gesucht wird oder im eine Verhaftung droht, da dieser – mit einem von bengalischen Behörden offensichtlich problemlos ausgestellten Reisepass – ohne weitere Behinderungen oder Schwierigkeiten mehrmals von und nach Bangladesch mit dem Flugzeug reisen konnte. Diese Reisebewegungen erfolgten nach dem angeblichen politischen Engagement von 2007 bis 2010; angeblich politische Aktivitäten nach seiner Rückkehr nach Bangladesch hat der BF nicht einmal ansatzweise glaubhaft behauptet oder dargelegt.

Hinsichtlich der von ihm erstmals in einer, einen Tag vor der mündlichen Verhandlung eingebrachten, Stellungnahme erwähnten Facebook-Postings ist auszuführen, dass diese nur bis zum Juni 2021 zurückreichen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF schon längere Zeit politische Postings auf Facebook macht, denn brachte er dies in keiner seiner bisherigen Schriftsätze oder Beweismittelvorlagen vor. Dass der BF wohl erst Ende Juni 2021 mit dem posten begonnen hat, erweckt den Eindruck, dass er dies nur mache, um damit seine Position im Asylverfahren zu stärken, indem er einen Konnex zur BNP konstruiert. In der mündlichen Verhandlung gab der BF zu den Postings an, er wolle zeigen, dass er bei der BNP sei, sie liebe und loyal sei (vgl. Seite 18 VS BVwG). Von einer Verfolgung des BF aufgrund seiner sporadischen Postings ist nicht auszugehen, zumal sich auch aus den Länderfeststellungen ergibt, dass, nachdem die oppositionelle BNP nunmehr wenig existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, eine Verfolgung bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung nicht mehr nötig ist. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass diese Postings, welche dem BVwG am 23.02.2022 vorgelegt wurden, lediglich ein Posting viermal kommentiert wurde, aber sonst keinerlei „likes“, „comments“ oder „shares“ ersichtlich waren. Diese Aktivitäten auf Facebook finden somit unter jeder politischen und damit asylrelevanten Wahrnehmungsschwelle statt, insbesondere wenn in Betracht gezogen wird, dass in Bangladesch mehr als 160 Millionen Menschen wohnen und die Facebook-Postings des BF grundsätzlich nicht nur in Bangladesch wahrgenommen werden können.

Wenn der BF, befragt, ob er aufgrund seiner Volksgruppe oder wegen seiner Religion in Bangladesch Probleme gehabt habe, angab, „in meinem Wohnort XXXX leben mehrheitlich Hindus, die respektieren die Moslems nicht“ (vgl. AS 391) ist dies nicht geeignet eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit glaubhaft darzustellen. Zunächst ist zu erwähnen, dass der BF stringent angab, in XXXX geboren zu sein und dort bis vor 2010 gelebt zu haben. Er nannte auch zu keinem Zeitpunkt konkrete Vorfälle oder Bedrohungssituationen, die auf seine Religionszugehörigkeit zurückzuführen sind. Aus den Länderfeststellungen geht weiters hervor, dass der Islam – dem der BF zugehörig ist – die Staatsreligion von Bangladesch ist und erwähnt keinerlei Übergriffe oder Bedrohungen von Muslimen in Bangladesch. Eine Verfolgung in Bangladesch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit zum Islam ist dementsprechend ebenfalls wie sein sonstiges Vorbringen nicht glaubhaft.

II.2.2.2. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen vermochte der BF im Ergebnis daher nicht glaubhaft darzulegen, dass die von ihm vorgebrachten Vorfälle tatsächlich einen politischen Hintergrund haben.

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass auch auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen in Bangladesch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Sympathisanten der BNP-Partei und mit dieser sympathisierenden Gruppierungen (lediglich aufgrund ihrer politischen Gesinnung) auszugehen ist.

II.2.2.3. Im Ergebnis ist dem BF hinsichtlich seines Fluchtvorbringens bereits auf Grund der oben aufgezeigten Gründe die Glaubwürdigkeit abzusprechen. In einer Gesamtschau der Ausführungen des BF zu seinen Fluchtgründen vermittelte dieser letztlich den Eindruck, eine individuelle Verfolgungsgefährdung seiner Person auf Grundlage des in Bangladesch vorherrschenden Spannungsverhältnisses der beiden Parteien lediglich konstruieren zu wollen. Weiters erweckte der BF den Eindruck mit allen Mitteln – Facebook Postings, religiöse Verfolgung – eine Gefährdungssituation in Bangladesch für seine Person konstruieren zu wollen, ohne diese substantiiert zu begründen oder entsprechende Beweismittel vorlegen zu können. Diese Beurteilung konnte allein auf Grund der vom BF vor dem BFA bzw. dem Bundesverwaltungsgericht getätigten (teils widersprüchlichen) Angaben im Rahmen der freien Beweiswürdigung vorgenommen werden.

II.2.3. Die allgemeine Lage im Herkunftsland des BF ergibt sich aus dem bereits vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das dem BF im Beschwerdeverfahren in der aktuellsten Fassung erneut zu Stellungnahme übermittelt wurde – und den darin angeführten Quellen. Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal die BF trotz der Möglichkeit zur allgemeinen Lage in ihrem Heimatland Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer vermochte den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegenzutreten.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.1. Zu A) I.:

II.3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 Statusrichtlinie). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furch gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubhaftigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens – niederschriftlichen Einvernahmen – unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG – StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0399; VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).

Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, ist es dem BF mit seinem Vorbringen nicht gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation aus politischen oder religiösen Gründen vonseiten einer Privatperson für seine Person glaubhaft zu machen. Der BF brachte seine Fluchtgeschichte inkonsistent und widersprüchlich vor und ist in keinem Fall ein eindeutiger Zusammenhang zu seiner politischen Zugehörigkeit zur BNP erkennbar. Insbesondere ist festzuhalten, dass es dem BF nicht gelungen ist eine Zugehörigkeit zur BNP oder einer ihrer Teilorganisationen glaubhaft zu machen.

Im gesamten Verfahren ergaben sich auch keine Hinweise auf eine begründete Verfolgung des BF aus anderen, in der GFK genannten Gründen. Insbesondere gibt es nach den getroffenen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Staatsangehörige aus Bangladesch, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären oder die Lage in Bangladesch dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

II.3.1.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören – der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52 ff.; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff.).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (z.B. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Wie bereits das BFA ausgeführt hat, handelt es sich beim BF um einen gesunden, gebildeten und arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum der BF als Erwachsener in Bangladesch selbst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte. So geht er derzeit auch in Österreich einer selbständigen Tätigkeit nach und erwirtschaftet seinen eigenen Lebensunterhalt. Er ist in Bangladesch aufgewachsen, hat dort eine Schul- und eine Universitätsausbildung absolviert und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes – es sind unter anderem seine Eltern und seine Schwester sowie Onkel und Tanten in Bangladesch aufhältig – eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung gewährleistet ist. Darüber hinaus steht es dem BF auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige – Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Anzumerken gilt es zudem, dass die BF den der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr nach Bangladesch im bisherigen Verfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist und insbesondere auch nicht ausreichend dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit die BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat der BF (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der BF (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass die BF einen Sachverhalt verwirklichte, welcher in Bangladesch mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994; 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG z.B. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im behördlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Bangladesch gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation in Bangladesch schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher ebenso als unbegründet abzuweisen.

II.3.1.3. Zu den Spruchpunkten III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 7 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der BF befindet sich seit dem 29.05.2017 im österreichischen Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist zudem nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen im Falle des BF daher nicht vor, wobei dies auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Bangladesch kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der volljährige BF hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Seine Ausweisung bildet jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Schutz des Familienlebens.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des BF eingreifen. Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch insofern eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“.

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der EGMR hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, – je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse – variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich; 31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande; 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

Die Dauer des Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet seit dem 29.05.2017 (Asylantrag: 29.08.2017) ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt, nach Ablauf seines Visums am 28.07.2017 bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein, weswegen eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht schwer wiegen. Überdies ist der Aufenthalt auch keineswegs als derart lang zu bezeichnen, dass dieser ausreichend ins Gewicht fallen könnte.

Positiv ist zu werten, dass der BF erwerbstätig ist und über Deutschkenntnisse verfügt. So hat er die ÖIF Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 positiv abgeschlossen. Darüber hinaus hat er aber keine nennenswerten privaten Interessen an einem Verbleib geltend gemacht. Dass er in besonderem Maße am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teilnimmt, hat er nicht dargelegt. Er gab zwar an auch österreichische Freunde zu haben, aber es bilden diese zweifelsfrei nicht ein überwiegender Anteil.

Seine Freizeit verbringt er mit seiner Freundin, die in Österreich, als Tochter bengalischer Staatsbürger geboren ist, und ihren Verwandten aus Bangladesch. Mit dieser lebt er auch in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF verbringt seine Freizeit also zumeist mit Staatsangehörigen von Bangladesch. Eine derart enge Beziehung zu seiner Freundin, als dass sie seiner Ausweisung entgegenstehen würde, wurde vom BF nicht dargetan. Zudem war sowohl ihm als auch seiner Freundin von Anfang bewusst, dass der BF nur über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt. Gleiches gilt für die von ihm absolvierten Online-Kurse im IT-Bereich und seine sonstigen Integrationsschritte. Zudem sind die von ihm gesetzten integrativen Bemühungen hinsichtlich seines viereinhalbjährigen Aufenthalts zu gering, um von einer ausreichenden sozialen und wirtschaftlichen Integration in die österreichische Gesellschaft zu sprechen.

Der BF hat den Großteil seines bisherigen Lebens in Bangladesch verbracht, ist dort aufgewachsen, hat 12 Jahre die Schule besucht, ein Universitätsstudium mit Bachelor abgeschlossen und dort seine Sozialisation erfahren. In Bangladesch leben Verwandte des BF, insbesondere seine Eltern, seine Schwester, Onkel und Tanten, zu denen bis vor Kurzem aufrechter Kontakt bestanden hat, der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit reaktiviert werden kann. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der BF im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte.

Im Hinblick auf die Umstände, dass der BF über gute Deutschkenntnisse verfügt und einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, gilt es insbesondere auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, in denen trotz langjährigem Aufenthalt und dem Vorliegen von Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; drei Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, die BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit österreichischer Staatsbürgerin; Sohn in Österreich geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied). Wie bereits ausgeführt, musste sich der BF bei allen Integrationsbemühungen zudem seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein.

Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Insgesamt betrachtet ist daher davon auszugehen, dass die Interessen der illegal eingereisten, nur aufgrund des gestellten Antrages auf internationalen Schutz aufenthaltsberechtigten BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung einer Rückkehrentscheidung ist daher im vorliegenden Fall dringend geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig (VwGH 25.02.2010, 2009/21/0142; 18.03.2010, 2010/22/0023).

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist somit davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Bangladesch ist gegeben, weil nach den tragenden Gründen der vorliegenden Entscheidung keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

II.3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Dem Antrag des BF, die Zulässigkeit der Revision im gegenständlichen Verfahren auszusprechen, war nicht zu folgen; der BF begründete seinen Antrag damit, dass in einem anderen, datenschutzrechtlichen Verfahren eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde. Da das gegenständliche Verfahren jedoch unabhängig vom datenschutzrechtlichen Verfahren zu betrachten ist, kann damit keine Wirkung auf die vorliegende Entscheidung erkannt werden, welche sich an der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert.

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