BVwG W218 2119316-1

BVwGW218 2119316-126.2.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W218.2119316.1.00

 

Spruch:

W218 2119073-1/17E

 

W218 2119434-1/8E

 

W218 2119433-1/7E

 

W218 2119316-1/17E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. TAURER über die Beschwerde von 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , alle StA. Afghanistan, diese bevollmächtigt vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und RA Mag. Christian HIRSCH und 4.) XXXX , StA. Afghanistan, bevollmächtigt vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, jeweils vom 04.12.2015, 1) Regionaldirektion Burgenland, Zl. 1009279706-14497886, 2.) Regionaldirektion

Niederösterreich, Zl. 1043802110-140106696, 3.) Regionaldirektion

Niederösterreich, Zl. 1009279706-14497886 und 4.) Regionaldirektion Burgenland, Zl. 1009279804-14497908, alle wegen §§ 3, 8, 10, 57, 55 AsylG und §§ 46, 52, 55 FPG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (BF1- BF3) am 16.02.2018 und (BF4) am 24.11.2017:

 

A)

 

I. beschlossen: Das Verfahren von XXXX wird fortgesetzt.

 

II. zu Recht erkannt: Die Beschwerden (BF1 bis BF4) werden als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. A) Verfahrensgang BF1 und BF4:

 

1. Die beschwerdeführenden Parteien XXXX (BF1) und sein Bruder XXXX (BF4), Staatsangehörige Afghanistans, reisten illegal in Österreich ein und stellten am 29.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab BF1 an, Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, mit muslimischem Glaubensbekenntnis, am XXXX in Logar geboren und im Bezirk XXXX in Kabul, Afghanistan wohnhaft gewesen zu sein. Er habe vom 6.-15. Lj. eine Privatschule in Kabul besucht.

 

Er sei gemeinsam mit seinem Bruder von Islamabad nach Dubai und von dort nach Moskau geflogen. Anschließend seien sei auf dem Landweg über die Ukraine und Ungarn schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangt. Den afghanischen Reisepass habe er eine Stunde nach Abflug von Islamabad laut Anweisung des Schleppers im Flugzeug zerrissen. Er legte eine Tazkira vor.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab BF1 an, dass sein Bruder von Unbekannten aus dem Auto entführt worden sei. Er sei dabei auch verletzt worden, ihm seien die Zähne gebrochen worden und er habe das Bewusstsein verloren. Ca. 15 Tage später hätten sie die Leiche seines Bruders gefunden. 2 Tage später sei die Familie nach Peshawar gegangen. Die Entführer hätten Geld verlangt und die ganze Familie sei bedroht worden. Daher seien sie nach Europa geflohen.

 

In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab BF4 an, Staatsangehöriger Afghanistans, ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, mit muslimischem Glaubensbekenntnis, am XXXX in Logar geboren und im Bezirk XXXX in Kabul, Afghanistan wohnhaft gewesen zu sein. Er habe vom 7.-16. Lj. eine Privatschule in Kabul besucht. Er habe 7 Brüder, einer davon getötet, und 2 Schwestern.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab BF4 Folgendes an: "Vor ca. 6 1/2 Monaten als meine 2 Brüder XXXX und XXXX mit einem Schulauto nach Hause unterwegs waren, wurde mein Bruder XXXX von unbekannten Personen entführt und XXXX wurde geschlagen und ihm wurden die Zähne gebrochen. Nach diesem Vorfall war mein Vater immer traurig, er wurde auch immer wieder angerufen doch er sprach nicht mit uns darüber. Ca. 15 Tage nach der Entführung wurde die Leiche meines Bruders gefunden. 2 Tage später schickte uns mein Vater aus Angst nach Pakistan. In Pakistan erfuhr ich von meiner Mutter dass mein Vater geschworen hat Rache zunehmen. Aus Angst um unser Leben hat mein Vater unsere Reise nach Europa organisiert."

 

3. Ein vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasstes medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom

XXXX ergab beim BF1 zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 15 Jahren, daher wurde das Geburtsdatum von BF1 auf den XXXX geändert. Die Altersfeststellung vom XXXX ergab beim BF4 zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 17 Jahren, daher wurde das Geburtsdatum von BF4 auf den XXXX geändert.

 

4. Am 27.08.2014 wurden BF1 und BF4 nacheinander im Beisein einer von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetscherin der Sprache Pashtu und ihrer damaligen gesetzlichen Vertreterin von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

 

BF1 gab an, dass er nicht genau wisse, wann er Afghanistan verlassen habe, das genaue Datum habe er vergessen, ca. vor einem Jahr. Er wisse nicht, wo seine Eltern jetzt seien, ob diese wieder nach Afghanistan zurückgekehrt seien, er habe noch Onkeln und Tanten väterlicherseits und mütterlicherseits in Kabul. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er - zusammengefasst an, dass sie finanziell ein gutes Leben gehabt hätten und Privatschulen besucht hätten. Sein Bruder XXXX sei von Unbekannten entführt worden. Seine Brüder und Cousins seien in einem Auto gewesen, als sie von der Schule nach Hause wollten. Nachdem seine Cousins ausgestiegen seien, sei ein Auto gekommen und zwei Männer hätten seinen Bruder aus dem Auto "gezerrt", als er versuchte ihn festzuhalten, sei ihm ins Gesicht geschlagen worden und seien ihm die Zähne gebrochen worden. 15 Tage später hätten Nachbarjungs ihnen gesagt, dass vor ihrem Haus ein blutiger Sack liege. Sein Bruder sei darin gewesen, er hätte aber die Leiche nicht gesehen. Zwei Tage später hätte sein Vater die Familie nach Pakistan geschickt. Etwa ein Monat vor der Entführung sei in ihr Haus eingebrochen worden, das hätten sie bei der Polizei angezeigt.

 

Sein Bruder XXXX sei bei der Entführung nicht dabei gewesen, da er länger Schule gehabt hätte. In Pakistan habe er erfahren, dass die Entführer Geld verlangt hätten, er wisse aber nichts Genaueres, da sein Vater nicht mit ihnen gesprochen hätte. Seine Familie sei sehr wohlhabend.

 

BF4 gab Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll): "Ich verließ Afghanistan, weil unser Leben in Gefahr war. Wir hatten finanziell ein gutes Leben und besuchten Privatschulen. Mein Bruder XXXX wurde von Unbekannten entführt. Zwei Monate zuvor wurde auch in unser Haus eingebrochen und wurden Afghani 800.000,-- mitgenommen. Meine Brüder und Cousins waren in einem Auto als Sie von der Schule nach Hause wollten. Nachdem meine Cousins ausstiegen, kam ein Auto und stiegen ein paar Männer aus dem Auto. Dies weiß ich von meinem Bruder aus Erzählungen. Diese Männer waren bewaffnet und nahmen meinen Bruder XXXX mit. Dem anderen Bruder XXXX schlugen sie die Zähne aus. Nachdem ich von der Schule heimkam, sah ich, dass XXXX blutete und seine Zähne kaputt waren. Er erzählte mir was passierte. Ich ging mit ihm zum Arzt. Danach wurde mein Vater immer telefonisch kontaktiert. Meine Mutter weinte immer. Sie erzählten uns aber nicht worum es ging. Ich fragte immer was los ist. Mein Vater sagte nur, dass es Telefonate von Kunden wären. Ich merkte aber, dass er immer besorgt war. 15 Tage später kamen Jungs und meinten, dass etwa 100 Meter von unserem Haus entfernt ein blutiger Sack liege. Meine Mutter sagte dann, dass es bestimmt ihr Sohn wäre. Sie ging hin und öffnete den Sack. Meine Mutter sah dann die Leiche von XXXX in dem Sack. Zwei Tage dauerte das Begräbnis und danach schickte mein Vater uns gemeinsam mit dem Onkel nach Pakistan."

 

Nachgefragt gab er an, dass er nicht wisse, wer die Entführer seien, er wisse nicht, ob sein Vater Lösegeld bezahlt habe, aber "selbst wenn man Lösegeld bezahlt, ist es keine Garantie für das Freikommen, weil die Entführer nämlich Angst haben erkannt zu werden." Er habe keinen Kontakt zu seinem Vater.

 

Am 07.11.2014 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA gestellt, deren im Akt ersichtliches Ergebnis am 19.01.2015 einlangte. Zusammengefasst geht aus dem Erhebungsbericht der österreichischen Botschaft hervor, dass keiner der befragten Bewohner von XXXX , dem angeblichen Wohnort, sich daran erinnern konnte, dass es eine Entführung oder Ermordung des Bruders XXXX gab bzw. in den letzten Jahren stattfand. Eine Entführung und Tötung im Umfeld der Familie wurde ausnahmslos verneint. Weiters geht aus dem Erhebungsbericht der österreichischen Botschaft hervor, dass die Familie der Beschwerdeführer zu den Kuchi-Nomaden gehört, die für einige Monate in XXXX , Kabul, leben und anschließend wieder nach Pakistan zurückkehren. Dass die beschwerdeführenden Parteien in die Privatschule XXXX gingen, fand ebenfalls keine Bestätigung in den Recherchen. Es wurde auch nicht bestätigt, dass ihr Vater in den Bau bzw. in die von Finanzierung Denkmälern involviert gewesen wäre. Es konnte auch kein Tötungsdelikt mit dem angegebenen Namen festgestellt werden und wurde ausgeführt, dass üblicherweise Tötungsdelikte durch das "Forensic Evidence Center" bearbeitet werden und die Familien von eben diesen Stellen einen schriftlichen Bericht über das Ergebnis erhalten. Weitere Kopien dieser Berichte werden an alle befassten Stellen übermittelt und dort ebenfalls archiviert. Die Anzeigenbestätigung bezüglich des Einbruchs in das Haus der Familie wurde tatsächlich von der Polizei ausgestellt. Es konnte allerdings niemand gefunden werden, der von dem Mord oder dem Einbruch und Diebstahl in das Haus der Familie wusste.

 

Am 05.02.2015 wurde den beschwerdeführenden Parteien das Ergebnis der Recherche vorgehalten und bestritten sie dieses.

 

An Beweismitteln wurde von den beschwerdeführenden Parteien (jeweils) eine afghanische Geburtsurkunde (Tazkira), ein Schreiben des Vaters betr. des Einbruchs in das Elternhaus am XXXX , eine polizeiliche Bestätigung über den Einbruch in das Elternhaus am XXXX , eine Bestätigung des Gesundheitsministeriums über eine Zahnbehandlung am XXXX , eine afghanische Schulbesuchsbestätigung, eine Anzeige ihres Onkels XXXX XXXX ; die Zeugenaussage des in Österreich lebenden Onkels XXXX ; sowie diverse Integrationsunterlagen vorgelegt.

 

Am 05.02.2015 wurde der in Österreich lebende Onkel der beschwerdeführenden Parteien als Zeuge einvernommen. Der Onkel ist seit 2002 in Österreich und besitzt seit 2012 die österreichische Staatsbürgerschaft. Er war einmal 2009 in Afghanistan und dann noch einmal 2012 in Kabul und gab an, dass er manchmal mit seinem Cousin Kontakt habe. Früher sei der Cousin Offizier beim Bundesheer unter Nadjibullah gewesen. Seit dem Einmarsch der Amerikaner sei er im Autohandel und habe mit Immobilien zu tun. Soweit er wisse, gehe es der Familie finanziell gut. Sein Cousin habe eine Wohnung in Pakistan gemietet, von Grundstücken dort wisse er nichts. XXXX sei entführt und getötet worden, das hätte er von der Familie gehört. Von wem sein Cousin bedroht werde, wisse er nicht. Der Großvater mütterlicherseits dieser Kinder sei im Verteidigungsministerium und der Schwiegervater der Tante sei beim Gericht tätig. Bei der Familie handle es sich nicht um Kuchi Nomaden. Früher seien alle Paschtunen Nomaden gewesen. Es gebe sogar ein Dorf in Logar, das XXXX heiße. Die Lage in Logar sei sehr schlecht, daher sei die 10köpfige Familie seines Cousins in Kabul, da es dort auch Schulen gebe.

 

5. Am 26.06.2015 langte beim BFA eine Berichterstattung der LPD NÖ zu BF1 ein, dass bei ihm und einer weiteren Person Suchtmittel im Gesamtwert von ca. Euro 900,-- sichergestellt worden sei.

 

6. Mit Schreiben vom 21.10.2015 langte beim BFA eine Säumnisbeschwerde ein.

 

I. B) Verfahrensgang BF2 und BF3:

 

7. Die beschwerdeführenden Parteien XXXX (BF2) und sein Bruder XXXX (BF3), Staatsangehörige Afghanistans, reisten illegal in Österreich ein und stellten am 28.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

8. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben sie an, Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig, Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen, mit muslimischem Glaubensbekenntnis, in Logar geboren und im Bezirk XXXX in Kabul, Afghanistan wohnhaft gewesen zu sein.

 

BF2 gab an, am XXXX in Kabul geboren worden zu sein. Er habe von XXXX eine Privatschule in Kabul besucht.

 

BF3 gab an, am XXXX in Kabul geboren worden zu sein. Er habe von XXXX eine Privatschule in Kabul besucht.

 

Er sei gemeinsam mit seinem Bruder von Islamabad nach Moskau geflogen. Anschließend seien sei auf dem Landweg schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangt. Beide gaben an, dass sie keinen Reisepass hätten, vermutlich hätte der Schlepper einen gefälschten Reisepass gehabt.

 

Zum Fluchtgrund befragt gaben beide beinahe wortident an, dass sie etwa im Herbst 2013 mit ihren Brüdern, ausgenommen XXXX , mit dem Auto in die Schule gefahren worden wären. Auf der Straße wären sie von zwei bewaffneten, mit einem weißen Tuch maskierten Männern angehalten worden. Die Männer hätten ihren damals 18 jährigen Bruder XXXX , aufgefordert aus dem Fahrzeug zu steigen und hätten ihn mitgenommen. Nach ca. 14 Tagen hätten ihn die unbekannten Männer in einem Sack tot vor ihr Wohnhaus geworfen. Aus diesem Grund hätte sich ihr Vater entschlossen, Afghanistan zu verlassen und mit der gesamten Familie nach Pakistan zu reisen. Ihr Vater hätte den Entschluss gefasst, dass sie alle nach Österreich weiterreisen.

 

9. Ein vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasstes medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung ergab beim BF3 ein Mindestalter von 15,53 Jahren zum Asylantragsdatum und ein Mindestalter von 16,23 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX , daher wurde das Geburtsdatum von BF3 auf den XXXX geändert. Die Altersfeststellung vom XXXX ergab beim BF2 zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 16,23 Jahren, daher wurde das Geburtsdatum von BF2 auf den XXXX geändert.

 

10. Am 14.07.2015 wurden BF2 und BF3 nacheinander im Beisein einer von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetscherin der Sprache Pashtu und der damaligen gesetzlichen Vertreterin von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

 

BF2 gab an, dass er öfter an Kopfschmerzen leide, ansonsten aber gesund sei. Er könne sich an sein Geburtsdatum nicht erinnern und habe ca. 6 Jahre die Schule besucht. Sein Vater habe drei Arbeiten:

Offizier, Autohändler und Berater für Wohnungen, seine Familie lebe jetzt in Pakistan. Er hätte noch 3 Onkeln väterlicherseits und 5 Onkeln mütterlicherseits in Kabul, diese übten unterschiedliche Tätigkeiten aus, ein Onkel sei Elektriker, einer sei Ingenieur. Es gäbe noch ein Haus, ein Auto und ein Grundstück in Logar. Zu den Fluchtgründen befragt, gab er an, dass sie seinen Bruder erschossen hätten. Nachgefragt gab er an, dass sein Bruder bei ihrer Fahrt von der Schule nach Hause von zwei unbekannten Personen aus dem Auto gezogen worden sei. Sein Bruder XXXX wollte dazwischen gehen und wurden ihm dabei die Zähne ausgeschlagen, er sei dann ohnmächtig geworden. Zuhause hätten sie das dann der Mutter und dem Vater erzählt. Ca. zwei Wochen später sei ein Nachbar zu ihnen gelaufen gekommen und hätte gesagt, dass vor ihrem Haus ein Sack stehe, aus dem Blut fließe. In diesem Sack sei die zerstückelte Leiche seines Bruders gewesen. Die Bestattung hätte etwa 2-3 Tage gedauert und dann hätte ihr Vater sie nach Pakistan geschickt. Davor sei einmal in ihr Haus eingebrochen worden. Auf Nachfragen der Beamtin gab er regelmäßig an, dass er das nicht wisse. Zuhause wisse die ganze Nachbarschaft Bescheid.

 

BF3 gab zu seinem Geburtsdatum befragt Folgendes an: "LA: Bitte nennen Sie ihr Geburtsdatum in afghanischer Zeitrechnung:

 

AW: Mein Geburtsdatum wurde hier in Österreich öfters geändert. Ich wurde am XXXX geboren.

 

Anmerkung: AW korrigiert sich und gibt weiters an, dass er am XXXX , nach nochmaliger Korrektur das Datum XXXX an. Er gibt an dass er etwas nervös ist.

 

AW: Ich bin jedenfalls 13 Jahre und einige Monate alt.

 

LA: Woher wissen Sie, dass Sie so alt sind?

 

AW: Das weiß ich von meiner Familie, meine Eltern haben es mir gesagt."

 

Befragt, ob er jemals in Pakistan gelebt habe, gab er an, dass er früher nur auf Urlaub dort gewesen sei. Diesmal seien sie aus Afghanistan nach Pakistan geflohen, aus Pakistan hätten sie auch fliehen müssen, da die Lage dort auch sehr gefährlich sei. Nachgefragt, was sich an der Lage zwischen dem Urlaub und jetzt geändert habe, so dass sie nicht in Pakistan bleiben konnten, gab er an, dass inzwischen der Vorfall mit seinem Bruder in Afghanistan gewesen sei.

 

Nach dem Vorfall mit seinem Bruder befragt, gab er Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll): "Wir hatten von der Schule aus. Ein Bruder von mir blieb in der Schule, weil er noch Unterricht hatte. Wir sind von der Schule losgefahren. Wir haben immer unsere zwei Cousins mütterlicherseits bei ihnen zu Haus abgesetzt. Wir haben sie abgesetzt. Es kam ein dunkles Auto und hat sich vor unserem Auto hingestellt. Die Leute haben meinen Bruder XXXX aus dem Auto gezogen. XXXX hat mit seiner Hand diese Person angegriffen. Er wollt meinen Bruder befreien. Mit dem hinteren Teil der Waffe hat diese Person meinen Bruder geschlagen. Ihm wurden zwei Zähne ausgeschlagen, er hat auch Implantate bekommen. Ihm wurde schwindelig, dann sind wir von dort weggefahren. Wir sind nach Hause gefahren. Am Abend als mein Vater gekommen ist, erzählten wir ihm diesen Vorfall. Mein Vater sagte, dass alles in Ordnung ist. Mein Bruder sei auf Besuch bei Verwandten. Einmal hat er gesagt, dass er bei meiner Tante mütterlicherseits ist, ein anderes Mal sagte er, dass er bei einem Onkel mütterlicherseits zu Besuch ist. Etwa 14 oder 15 Tage danach war ein Sack vor unserem Haus hingestellt worden. Ein Junge lief in unser Haus und sagte, dass vor unserem Haus ein Sack steht und aus diesem würde Blut fließen. Meine Mutter hatte so eine Vorahnung und sagte, es ist mein Sohn XXXX . Meine Mutter lief hinaus und sie erlaubte uns nicht mitzugehen. Sie sagte, wir würden uns erschrecken. Sie hat meinen Bruder zerstückelt vorgefunden. Zwei bis drei Tage dauerte die Bestattung, danach sagte mein Vater, dass unser Leben in Gefahr ist und wir von dort weggehen sollen.

 

LA: Hat Ihr Vater auch gesagt, warum Ihr Leben in Gefahr ist? AW:

Nachdem mein Bruder bestattet wurde hat mein Vater dann alles erzählt, dass er einen Anruf bekommen hat und man ihm gesagt hat, dass man seine Familie vernichten wird. Diese Leute wollten von meinem Vater weder Geld noch das Haus. Sie sagten, dass sie die Familie vernichten wollen."

 

Danach gab er noch an, dass in das Haus der Familie davor eingebrochen worden sei, dazu wisse er aber nichts Genaueres.

 

Weiterer gemeinsamer Verfahrensgang für BF1 bis BF4:

 

11. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2015 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. den beschwerdeführenden Parteien wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

 

12. Gegen diese ordnungsgemäß zugestellten Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sie als Kinder einer wohlhabenden Familie einer besonderen Gefährdungssituation ausgesetzt seien, hinzukäme, dass sie Minderjährige seien und keine Familie mehr in Afghanistan hätten. Das Rechercheergebnis wurde bestritten und als Beweis wurde eine Kopie des Reisepasses des Vaters und Fotos des Vaters der beschwerdeführenden Parteien vorgelegt. BF3 und BF4 legten noch Schuldokumente inkl. Fotos vor.

 

13. Mit Beschluss vom 25.04.2016 des Bundesverwaltungsgerichts wurde das Verfahren über die Beschwerde von BF1 eingestellt (W218 2119073-1/5E), da der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht mehr aufrecht gemeldet war.

 

14. Mit Schreiben vom 27.04.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Bericht der LPD NÖ zu BF1 über den Verdacht auf sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen ein. Am 07.06.2016 wurde BF1 im Zuge einer Personenkontrolle aufgegriffen.

 

15. Am 19.09.2017 wurde BF1 rechtskräftig vom LG Eisenstadt wegen § 105 (1) StGB und

 

§ 218 (1) Z1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen verurteilt. Es handelt sich um eine Jugendstraftat.

 

16. BF1 war vom 28.06.2016- 19.08.2016 wieder aufrecht gemeldet, war danach wieder ohne aufrechte Meldung und ist seit 24.04.2017 wieder aufrecht gemeldet. Mit Schreiben vom 30.06.2016 langte der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

17. Am 18.08.2016 langte zu BF2 ein Verständigung zur rechtskräftigen Verurteilung vom 21.06.2016 wegen §§ 105 (1), 206

(1) iVm § 15 StGB, §§ 83 (1), 207a (1) Z 1, §§ 205a (1) 1. Fall StGB, §§ 15, 12 2.Fall, 207a (1) Z1 StGB und § 201 (1) StGB. BF3 wurde zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten (Jugendstraftat) verurteilt und zwar wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, § 15 Abs 1 StGB; wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB; des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 erster Fall StGB; des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 15, 12, zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB; des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB; des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB.

 

13. BF4 legte Deutschkurs- und Schulbesuchsbestätigungen vor. Zu BF4 langte eine Volksanwaltschaftsanfrage zur Verfahrensdauer am 10.02.2017 ein.

 

14. Alle Beschwerdeführer legten in der mündlichen Verhandlung Deutschkursbestätigung und Schulbesuchsbestätigungen vor.

 

15. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde von BF4 am 24.11.2017 und die eingebrachten Beschwerden von BF1 bis BF3 am 16.02.2018 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung der Beschwerdeführer.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige von Afghanistan und Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen. Ihre Identität steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest. Die Beschwerdeführer sind Brüder und bringen alle den gleichen Verfolgungsgrund vor. Die beschwerdeführenden Parteien sind in Afghanistan aufgewachsen und waren in Kabul in der Schule. Sie verfügen über Familienangehörige in Kabul.

 

BF1 ist mit einer Afghanin verlobt, die nach wie vor in Kabul aufhältig ist. Die Verlobung fand während seines Aufenthaltes in Österreich statt. BF2-BF4 sind ledig.

 

Die beschwerdeführenden Parteien waren in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihnen asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass den beschwerdeführenden Parteien in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht. Die beschwerdeführenden Parteien konnten eine Verfolgung auf Grund des Status, dass sie aus einer wohlhabenden Familie stammen, nicht glaubhaft machen ebenso wenig konnten die beschwerdeführenden Parteien den Tod ihres Bruders auf die von ihnen dargestellte Weise glaubhaft machen.

 

Die beschwerdeführenden Parteien hatten keine Probleme mit den Behörden im Heimatland.

 

Keiner der beschwerdeführenden Parteien konnte Fluchtgründe glaubhaft machen.

 

Die beschwerdeführenden Parteien haben alle die Volljährigkeit erreicht und bedürfen daher keines weiteren besonderen Schutzes.

 

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnten die beschwerdeführenden Parteien bei ihren in Kabul lebenden Verwandten Unterkunft finden und von diesen unterstützt werden. Auch wäre es ihnen möglich, aufgrund ihrer Schulbildung und der familiären Verbindungen eine Arbeit zu finden. Durch die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Heimatstaat würden diese - unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und der individuellen Situation - nicht in den Rechten gemäß Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt oder würden diese für sie als Zivilperson nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

 

Die beschwerdeführenden Parteien stammen aus XXXX und haben die meiste Zeit ihres Lebens in Kabul verbracht. Sie verfügen über Besitztümer in XXXX und Kabul. In der Heimatstadt - Kabul - wie auch in Logar leben jedenfalls noch zahlreiche Verwandte der beschwerdeführenden Parteien.

 

Eine Verfolgungsgefahr aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie konnte nicht glaubhaft gemacht werden.

 

BF1 ist verlobt und wird daher jedenfalls von der Familie seiner Verlobten zusätzlich unterstützt werden. Auch zeigt die Verlobung, dass die Familie nach wie vor über gute Verbindungen in Kabul verfügt.

 

Festgestellt wird, dass BF1 und BF2 in Österreich strafrechtlich rechtskräftig verurteilt sind. Ergänzend wird daher festgestellt, dass sowohl BF1 als auch BF2 einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht haben. Zu den Schutzinteressen von BF1 und BF2 ist festzuhalten, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nicht glaubhaft dargelegt werden konnte.

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind gesund, leben teilweise von der Grundversorgung (BF3 und BF4), wovon BF1 und BF2 leben, konnte nicht festgestellt werden, keiner geht einer legalen Beschäftigung nach, sie verfügen über keinerlei Familienangehörige und haben keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich.

 

BF3 und BF4 sind strafgerichtlich unbescholten.

 

Zur relevanten Situation in Afghanistan:

 

Hinsichtlich der relevanten Situation in Afghanistan wird zunächst prinzipiell auf die Länderfeststellungen der belangten Behörde zu Afghanistan verwiesen. Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Bundesverwaltungsgericht keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

 

Ergänzend wird Folgendes festgestellt:

 

Sicherheitslage

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

 

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

 

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

 

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

 

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

 

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

 

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

 

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

 

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

 

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Distrikt Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

 

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

 

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

 

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

 

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

 

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

 

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

 

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2018

 

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

 

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

 

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

 

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

 

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

 

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

 

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

 

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

 

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

 

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

 

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

 

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

 

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

 

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Herat

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

 

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

95

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

197

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

41

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

144

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

15

Andere Vorfälle

4

Insgesamt

496

  

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

 

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

 

Herat

 

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Balkh / Mazar-e Sharif

 

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

30

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

81

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

26

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

70

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

18

Andere Vorfälle

1

Insgesamt

226

  

 

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

 

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

 

High-profile Angriff:

 

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

 

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mazar-e Sharif

 

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

 

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

 

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

 

Paschtunen:

 

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.4.2016). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Paschtunen siedeln sich in einem halbmondförmigen Gürtel an, der sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kutschi

 

Die ca. 1,5 Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu Diskriminierungen dieser Gruppe, da sie auf Grund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten. Nomaden werden öfter als andere Gruppen auf bloßen Verdacht hin einer Straftat bezichtigt und verhaftet, sind aber oft auch rasch wieder auf freiem Fuß. Angehörige der Nomadenstämme sind auf Grund bürokratischer Hindernisse dem Risiko der (faktischen) Staatenlosigkeit ausgesetzt. Die Verfassung sieht vor, dass der Staat Maßnahmen für die Verbesserung der Lebensgrundlagen von Nomaden ergreift. Einzelne Kutschi sind als Parlamentsabgeordnete oder durch politische und administrative Ämter Teil der Führungselite Afghanistans (AA 9 .2016).

 

Die Verfassung sieht vor, dass 10 Sitze im Unterhaus der Nationalversammlung für die Kutschi-Minderheit reserviert sind. Auch sollen laut Verfassung vom Präsidenten zwei Kutschis zu Mitgliedern für das Oberhaus ernannt werden (AAN 4.2.2016; vgl. auch: CRS 15.1.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben - Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Meldewesen

 

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vgl. auch: DW 9.10.2004).

 

Quellen:

 

 

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).

 

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

 

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

 

2017

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).

 

2016

 

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar (UN GASC 13.12.2016).

 

Flüchtlinge in Afghanistan:

 

Laut UNHCR sind derzeit in Afghanistan rund 55.000 registrierte Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und ca. 300 Asylwerber. Der Großteil der Menschen aus Pakistan ist im Juni 2014 vor Auseinandersetzungen aus der Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan geflüchtet (AA 9 .2016).

 

Informationen und Zahlen zu Rückkehrer/innen nach Afghanistan siehe Kapitel 23. Rückkehr

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen

 

Pakistan

 

Pakistan hat seit 1978 nicht weniger als eine Million Afghan/innen beherbergt. In den Jahren 1986 bis 1991 waren etwa drei Millionen Flüchtlinge in Pakistan. Zwischen 2002 und 2015 unterstütze UNHCR 3,9 Millionen Afghan/innen bei der Rückkehr. Der Großteil davon kehrte bis Ende 2008 zurück, danach ging die Rückkehrrate signifikant zurück (HRW 13.2.2017).

 

Wegen zunehmender Spannungen zwischen der afghanischen und pakistanischen Regierung (Die Zeit 13.2.2017), waren im Jahr 2016

249.832 Afghan/innen entweder freiwillig oder durch Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Stand: 7.1.2017) (IOM 8.1.2017).

 

Bis Ende 2017 soll eine weitere halbe Million Afghan/innen aus Pakistan zurückkehren. Die Anzahl der Rückkehrer/innen ist in den letzten zwei Jahren stetig gestiegen (DAWN 12.1.2017). In der ersten Jännerwoche 2017 kehrten 1.643 nicht registrierte Afghan/innen aus Pakistan (freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen) nach Afghanistan zurück (IOM 8.1.2017). In der zweiten Jännerwoche sind insgesamt 1.579 nicht registrierte Afghan/innen über Nangarhar und Kandahar, entweder freiwillig oder im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt. IOM hat im Berichtszeitraum 79% nicht registrierte Afghan/innen unterstützt; dies beinhaltete Essen und Unterbringung in Transitzentren in Grenznähe, sowie Haushaltsgegenstände und andere Artikel für Familien, spezielle Unterstützung für Personen mit speziellen Bedürfnissen, eine ein-Monatsration vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) und andere relevante Hygieneartikel. Im Rahmen einer Befragung gaben 76% Ende 2016 an, Nangarhar als Niederlassungsprovinz zu wählen, für 16% war dies Kabul, für 4% war es Laghman, 2% gingen nach Kunar und weitere 2% nach Logar (IOM 15.1.2017).

 

Im Februar 2017 veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) einen Bericht, in dem von "Zwangsrückführungen" afghanischer Flüchtlinge gesprochen wird (HRW 13.2.2017). Der HRW-Bericht basiert auf 115 Interviews mit afghanischen Rückkehrer/innen nach Afghanistan, sowie afghanischen Flüchtlingen und nicht registrierten Afghan/innen in Pakistan (DAWN 13.2.2017; vgl. auch: HRW 13.2.2017). UNHCR hatte im Juni 2016 die finanzielle Unterstützung für jede Rückkehrer/in von US$ 200 auf US$ 400 erhöht (HRW 13.2.2017). HRW argumentiert, dies sei ein Faktor, der afghanische Flüchtlinge dazu bewogen habe nach Afghanistan zurückzukehren. Laut UNHCR wurden 4.500 Rückkehrer/innen bei Ankunft interviewt, von denen keiner die Bargeldzuschüsse als primären Faktor für die Rückkehrentscheidung angab (DAWN 13.2.2017). Als Gründe für die Rückkehr wurden unter anderem folgendes angegeben: Einrichtung formeller Grenzkontrolle in Torkham; große Besorgnis über die Gültigkeit der Proof of Registration Card (PoR-Cards); Kampagne der afghanischen Regierung in Pakistan ("home sweet home"), die Afghan/innen bat nach Hause zurückzukehren (UNHCR 3.2.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 :

 

15. Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen sowie ihre Familienangehörigen

 

Unter der afghanischen Bevölkerung herrscht weiterhin Besorgnis über die weite Verbreitung von Korruption, Schutzgelderpressung und illegaler Besteuerung. Aus Berichten geht hervor, dass afghanische Sicherheitskräfte illegale Kontrollstellen betreiben, um von Reisenden Geld und Waren zu erpressen. Die afghanische lokale Polizei (ALP) erhebt Berichten zufolge in vielen Gebieten illegale Steuern und wendet an polizeilichen Kontrollstellen Gewalt gegen Personen an, die diese Steuern nicht entrichtet haben. Regierungsnahe Kräfte, insbesondere die afghanische lokale Polizei (ALP), wenden erpresserische Taktiken an; so halten sie Personen aufgrund angeblicher Beziehungen zu den Taliban fest und lassen sie erst nach Lösegeldzahlungen wieder frei. Auch Zivilisten werden nach Verbüßung ihrer Strafe Berichten zufolge durch Bedienstete von Strafvollzugsanstalten zur Schmiergeldzahlung aufgefordert, bevor sie entlassen werden. Regierungsnahe bewaffnete Gruppen erlegen der Zivilbevölkerung Berichten zufolge illegale Steuern auf und begehen andere Formen der Einschüchterung, einschließlich in Distrikten, für die vormals keine oder wenige Übergriffe gemeldet wurden. So gehörten zu den Menschenrechtsverletzungen im Distrikt Sancharak in der Provinz Sar-i Pul durch regierungsnahe bewaffnete Gruppen illegale Besteuerung und andere Formen der Erpressung, Zwangsarbeit, Landraub und Eigentumszerstörung. Im Distrikt Khanabad in der Provinz Kunduz verlangten regierungsnahe bewaffnete Gruppen illegale Steuern von Geschäftsleuten, Ladeninhabern und Landwirten. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) betreiben illegale Kontrollstellen und erpressen Geld und Waren von der Zivilbevölkerung. Die Taliban erzielen Berichten zufolge erhebliche Gewinne aus illegalen Aktivitäten, darunter Schutzgelderpressung und erpresserische Entführungen. Im August 2015 äußerte UNAMA tiefe Besorgnis angesichts der steigenden Zahl konfliktbedingter Entführungen und Hinrichtungen ziviler Geiseln durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs). UNAMA stellte fest, dass die regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) in der überwiegenden Mehrheit der Fälle "zivile Staatsbedienstete und ihre Familienangehörigen, staatliche Auftragnehmer, Personen, die vermeintlich die Regierung oder Sicherheitskräfte unterstützen, Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei (ANP) mit Zivilstatus sowie ehemalige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte anvisieren." UNAMA stellte fest, dass eine erhebliche Anzahl der Entführungsopfer Hazara seien.

 

In anderen Fällen jedoch, bei denen es sich bei den Entführungsopfern um Geschäftsleute und andere Personen handelt, die tatsächlich oder vermeintlich wohlhabend sind, ist das vorrangige Ziel der finanzielle Gewinn. UNAMA zufolge werden Entführungsopfer auch nach ihrer Freilassung von den Tätern kontaktiert, die Geldforderungen stellen oder andere Formen der Unterstützung verlangen. Illegale Besteuerung und Erpressung können in der Regel nicht als Verfolgung gelten, ebenso wenig wie andere Straftaten. Bestimmte Erpressungsmethoden jedoch können den Grad der Verfolgung erreichen, darunter erpresserische Entführung, während andere Formen der Erpressung dazu beitragen können, dass die Schwelle der Verfolgung aufgrund kumulativer Gründe erreicht wird. Wenn Personen auf Grundlage ihrer (unterstellten) politischen Überzeugung (zum Beispiel wegen ihrer (vermeintlichen) Verbindung zur Regierung) oder auf Grundlage ihrer Rasse/ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion, Opfer von Erpressung oder erpresserischer Entführung werden, dann können die betroffenen Personen - je nach den Umständen des Einzelfalls - aus diesen Gründen international schutzbedürftig sein. In anderen Fällen können Personen, die gefährdet sind, Opfer einer erpresserischen Entführung zu werden, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe je nach den Umständen des Einzelfalls international schutzbedürftig sein. UNHCR ist der Auffassung, dass die Situation von Familienangehörigen von Personen, die vermeintlich oder tatsächlich mit der Regierung verbunden sind, sowie von Familienangehörigen vermeintlich oder tatsächlich wohlhabender Personen hiervon getrennt betrachtet werden sollte. Wenn Familienangehörige, darunter Kinder, dem Risiko der erpresserischen Entführung aufgrund ihrer familiären Verbindung zu den entsprechenden Personen ausgesetzt sind, dann können sie - je nach den Umständen des Einzelfalls - aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund anderer relevanter Gründe international schutzbedürftig sein.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft der beschwerdeführenden Parteien, zur Volksgruppenzugehörigkeit sowie zur familiären Situation in Afghanistan und in Österreich ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Dass die beschwerdeführenden Parteien in Afghanistan keine Probleme mit den dortigen Behörden hatten, ergibt sich aus den Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die strafrechtlichen Verurteilungen von BF1 und BF2, sowie die strafgerichtliche Unbescholtenheit von BF3 und BF4 ergibt sich aus dem Akt sowie der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister. Dass BF3 und BF4 Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen und in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgehen, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und den Angaben der beschwerdeführenden Parteien im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Beurteilung der persönlichen Glaubhaftigkeit der Beschwerdeführer hat vor allem zu berücksichtigen, ob außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt wurde; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 AsylG und die sonstige Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren zu berücksichtigen.

 

Die persönliche Glaubhaftigkeit der beschwerdeführenden Parteien erscheint schon dadurch beeinträchtigt, dass bezüglich des Alters im Verfahren anfangs unrichtige Angaben gemacht wurden. Jeder der Beschwerdeführer brachte ein Geburtsdatum vor, das offensichtlich von dem tatsächlichen Geburtsdatum abwich. Bei jedem Beschwerdeführer wurde ein Altersfeststellungsverfahren geführt, was dann dazu führte, dass bei BF2 und BF3 das gleiche Geburtsdatum festgesetzt wurde. Dazu ist anzumerken, dass das festgestellte Geburtsdatum immer nur einen Mittelwert darzustellen vermag. Dass die beschwerdeführenden Parteien vermutlich im Jahresabstand (wenn nicht sogar geringer) geboren wurden, erscheint plausibel. Nicht nachvollzogen werden kann hingegen, dass keiner der Beschwerdeführer im Stande war, sein korrektes Geburtsdatum anzugeben.

 

BF2 gab bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.10.2014 an, dass er am XXXX geboren sei, gleichzeitig gab er an, dass er 14 Jahre alt sei. Festgesetzt wurde nach der Altersdiagnose, dass er am XXXX geboren wurde. Sein tatsächliches Alter also um mindestens zweieinhalb Jahre abwich.

 

BF3 gab bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX an, dass er am XXXX geboren worden sei, gab allerdings gleichzeitig an, dass er 13 Jahre und nicht 12 Jahre alt sei. Bei der Einvernahme am XXXX darauf hingewiesen, dass er älter wirke, gab er vorerst an, dass er am XXXX geboren worden sei, um sich später mehrmals diesbezüglich zu korrigieren und sein Geburtsdatum einmal mit XXXX oder auch mit XXXX und nach nochmaliger Korrektur mit XXXX zu nennen. Darauf angesprochen, dass er viel älter wirke, gab er an, dass er einen starken Bartwuchs hätte und älter wirke, da seine Familie warmes Blut hätte. Festgesetzt wurde nach der Altersdiagnose, dass er am XXXX geboren wurde. Sein tatsächliches Alter also um mindestens drei Jahre von seinen Angaben abwich.

 

Auch bei BF1 und BF4 wurden andere als die von ihnen angegebenen Geburtsdaten festgestellt.

 

Nicht nachvollziehbar ist, wieso die beschwerdeführenden Parteien nicht im Stande waren, ein korrektes Geburtsdatum anzugeben. Die beschwerdeführenden Parteien bringen allesamt vor, in einer Privatschule gewesen zu sein, BF2 und BF3 legen diesbezügliche Unterlagen vor und ist daher davon auszugehen, dass sie sich mit Zahlen, Monaten und Jahreszahlen auskennen. Selbst wenn man bedenkt, dass in Afghanistan weniger Wert auf solche Daten gelegt wird, so sind die Beschwerdeführer doch immerhin in Kabul aufgewachsen und in einem Alter und zu einer Zeit geboren, als auch in Afghanistan bereits Aufzeichnungen geführt wurden. Spätestens beim Schuleintritt ist das Alter anzugeben und ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer ihr Alter wissen. Es ist nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar, dass junge, gebildete Afghanen vorbringen, ihr Geburtsdatum nicht einmal nach afghanischer Zeitrechnung zu wissen.

 

Im vorliegenden Fall bedarf es zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (vgl. etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020, 16.04.2002, 2000/20/0200 und 14.12.2006, 2006/01/0362). Es ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und die Dichte dieses Vorbringens darf nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden (vgl. dazu auch UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 8 - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009, Rz 4). Das Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen:

 

Dennoch ist zu beachten, dass BF1 jedenfalls zum Zeitpunkt der Einvernahme mindestens 15 Jahre alt war, BF4 mindestens 17 Jahre und BF2 und BF3 auch ca. 15 Jahre alt waren, folglich waren sie keinesfalls mehr Kinder und kann erwartet werden, dass sie richtige, nachvollziehbare und schlüssige Angaben tätigen. Keiner der Beschwerdeführer erweckte den Eindruck, ein besonderes Trauma erlebt zu haben oder Angst vor den Behörden zu haben und deswegen keine schlüssigen Angaben tätigen zu können. Wobei gerade im gegenständlichen Verfahren alle Beschwerdeführer in der Lage waren, ihre Fluchtgeschichte darzulegen. Hinzu kommt, dass es sich um gebildete Afghanen handelt.

 

In einer Gesamtschau der Einvernahmen sowohl vor dem Bundesverwaltungsgericht als auch vor dem BFA fällt auf, dass die Beschwerdeführer die gleichen Worte verwenden und die Geschichte in unwesentlichen Eckpunkten wortident wiedergeben, bei Details dann allerdings widersprüchliche Angaben tätigen. Befragt, warum sie Afghanistan verlassen hätten, fangen alle 4 Beschwerdeführer mit folgenden (beinahe identen) Worten an: "Finanziell ist es uns sehr gut gegangen in Afghanistan. Mein Vater war Verwaltungsarbeiter bei einem Immobilienmakler. Er hat nebenbei auch in einem Autohandel mit seinem Geschäftspartner gearbeitet..."

 

Diese nahezu idente Wortwahl fand bereits in der Einvernahme vor dem BFA statt und setzte sich in der mündlichen Verhandlung fort. Keiner gab spontan beispielweise als Erstes an, dass der Bruder getötet worden sei. Dies wird erst am Ende berichtet. Nun ist es zwar so, dass eine chronologische Reihenfolge eingehalten wird, alle berichten auch von dem Einbruch, allerdings erscheint dies umso unglaubhafter, da keiner eine persönliche Darstellung der Ereignisse zu berichten vermag. Manchmal sind bei Asylverhandlungen Widersprüche auffallend, im gegenständlichen Verfahren ist allerdings die wortidente Wiedergabe des Erlebten auffällig und daher nicht glaubhaft, da es vielmehr wie eine einstudierte und auswendig gelernte Geschichte klingt und nicht wie etwas tatsächlich Erlebtes.

 

Keiner der Beschwerdeführer vermag die Geschichte, sei es die Entführung des Bruders, noch das Auffinden der Leiche des Bruders so zu erzählen, dass ein nachvollziehbares, lebendiges, tatsächlich stattgefundenes Ereignis daraus wird. Unzweifelhaft handelt es sich um eine grausame Erzählung, die allerdings nicht so berichtet wird, dass diese glaubhaft ist. Keinem der Beschwerdeführer gelingt es, irgendwelche Details zum Leichenfund anzugeben. Immerhin handelt es sich um das Auffinden der angeblich zerstückelten Leiche des Bruders in einem Sack, dass dazu keinerlei persönliche Details oder Bemerkungen getätigt werden können, spricht dafür, dass das Geschilderte nicht persönlich erlebt wurde. Keiner der Beschwerdeführer vermag den Wochentag anzugeben, nicht einmal das Monat kann rekonstruiert werden. Keiner der Beschwerdeführer kann den Eindruck erwecken, dass er das Berichtete (sei es die Entführung des Bruders oder das Auffinden der Leiche), tatsächlich stattgefunden hat. Jeder der Beschwerdeführer bleibt völlig emotionslos, detaillos, teilweise widersprüchlich und vor allem vage in der Erzählung. Wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein einschneidendes Erlebnis handelte, ist einfach nicht nachvollziehbar, wieso keiner der Beschwerdeführer in der Lage ist - trotz mehrfacher Aufforderung und Gelegenheit - dieses Erlebnis nachvollziehbar und glaubhaft zu schildern. Selbst unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit und dass so ein Erlebnis vermutlich tatsächlich von jedem anders wahrgenommen wird, kann keiner eine schlüssige Darstellung abgeben.

 

Jeder der Beschwerdeführer hatte die Gelegenheit bei der Einvernahme vor der belangten Behörde seine Fluchtgründe darzulegen, diesen wurde daraufhin nicht geglaubt und konnte jeder der Beschwerdeführer nochmals seine Fluchtgeschichte in der mündlichen Verhandlung darlegen. In der mündlichen Verhandlung wurde jeder der Beschwerdeführer auch dezidiert dazu aufgefordert, seine Fluchtgeschichte in allen Details zu berichten. Mehrmals wurde von der erkennenden Richterin nachgefragt, je mehr allerdings im Detail gefragt wurde, umso unglaubhafter wurden die Antworten bzw. umso öfter kam von jedem Beschwerdeführer, dass er sich nicht erinnern könne.

 

Auffallend ist in der Gesamtschau, dass zwar der Einbruch in das Haus der Familie bei der Polizei angezeigt wurde, die Entführung und der Tod des Bruders allerdings nicht. Das ist nicht nachvollziehbar und kann auch von keinem schlüssig erklärt werden und ist daher auch nicht glaubhaft, dass dem Familienvater zwar der Einbruch so wichtig war, dass er diesen angezeigt hat, allerdings dann weder die Entführung noch den Tod seines Sohnes bei der Polizei anzeigte oder meldete. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer durchgängig vorbringen, dass ihr Vater früher Offizier gewesen sei. Details dazu kann nur BF4 angeben, der im Laufe der mündlichen Verhandlung angab, dass sein Vater eine einflussreiche Persönlichkeit gewesen sei. Er sei Oberst bei der Polizei gewesen. Jetzt hätte er sein Geld mit einem Geschäftsmann verdient und wäre auch einmal bei Karzai zum Essen eingeladen gewesen und hätte gute Kontakte in Afghanistan. Umso weniger ist nachvollziehbar, wieso der Vater bei der Entführung des Sohnes und nach dessen Ermordung nichts unternommen hat.

 

Die Beschwerdeführer bringen vor, dass über die Entführung in der Familie nicht geredet wurde. Dies widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, selbst wenn man von afghanischen Verhältnissen ausgeht und es vielleicht noch glaubhaft sein mag, dass der Vater nichts erzählte, so kann dennoch nicht geglaubt werden, dass innerhalb der Familie - immerhin handelt es sich um neun Personen - nicht darüber geredet wurde. Danach befragt, ob sich die Beschwerdeführer nicht gewundert hätten, wo der entführte Bruder sei, bringt jeder von ihnen vor, dass die Eltern gesagt hätten, dass er bei einer Tante oder einem Onkel sei. Danach befragt, gab beispielweise BF1 Folgendes an (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

 

"R: Sie sind jetzt zwei Wochen lang alle zu Hause. Wollten Sie nicht von Ihrer Mutter etwas wissen? Sie werden sie doch "gelöchert" haben.

 

BF1: Auch meine Mutter hat uns darüber nichts gesagt. Mein Vater hat sie darum gebeten, uns nichts zu sagen. Sie sagte uns, dass mein Bruder bei meiner Tante ist oder irgendwohin gegangen ist und er würde zurückkommen.

 

R: Wie haben Sie darauf reagiert?

 

BF1: Wir haben nichts gesagt, weil wir schon zu meiner Tante auf Besuch gegangen sind. Ich dachte, dass er diese Woche dort sei und nächste Woche würde jemand anderes drankommen.

 

R: Ruhollah ist angeblich aus dem Auto entführt worden, wo Sie alle dabei waren und dann glauben Sie, dass er bei der Tante ist?

 

BF1: Ja. Meine Eltern haben uns nicht gesagt, dass er entführt worden ist und dass die Entführer für seine Freilassung Geld verlangen.

 

R: Sie waren doch bei der Entführung dabei. Zumindest erzählen Sie das hier.

 

BF1: Ja. Ich war dabei. Mein Vater sagte, dass er wieder frei gelassen wurde und er gerade bei meiner Tante ist."

 

Dass ein - damals - zumindest 15jähriger, der angeblich dabei war, als sein Bruder aus dem Auto gezogen und entführt wurde und der selbst bei dieser Entführung verletzt wurde, sich nicht näher nach seinem Bruder erkundigt und das geglaubt haben soll, dass sein Bruder bei seiner Tante sei, kann nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden und erscheint völlig unglaubhaft. Auch BF1 berichtet völlig emotionslos sowohl von der Entführung als auch vom "Leichenfund" und das obwohl er angeblich bei dieser Entführungssituation verletzt wurde.

 

Widersprüchlich sind die Schilderungen, wie die Familie auf die Leiche des Bruders aufmerksam gemacht wurde und wie und wo der Sack mit der Leiche gefunden wurde.

 

BF1 gab in der Einvernahme am 27.08.2014 an, dass Nachbarjungen gekommen seien und sagten, dass vor ihrem Haus ein blutiger Sack liege. In der mündlichen Verhandlung gab er dann an, dass Nachbarjungen erzählten, dass bei XXXX ein Sack liege, aus dem Blut fließe. Er gibt dann einerseits an, dass seine Mutter und sie alle dorthin gelaufen seien, dann wieder gibt er an, dass er nichts sehen konnte, da seine Mutter es nicht zugelassen hätte. Allerdings widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass zwar sämtliche Nachbarn zugeschaut haben, allerdings die eigene Familie nichts gesehen haben will. Dazu wird angemerkt, dass BF1 von XXXX in der Ersteinvernahme vor dem BFA nichts berichtete.

 

Unschlüssig geht es weiter, indem keiner der Beschwerdeführer berichten konnte, was danach mit diesem Sack geschah. Angeblich haben die Nachbarn dann den Sack nach Hause getragen. Wie das vor sich ging, wieso niemand die Polizei gerufen hat, wo der Sack dann abgestellt wurde, was damit passierte, bis das Begräbnis organisiert wurde, auf all diese Fragen kann keiner der Beschwerdeführer eine Antwort geben. Es erscheint völlig unglaubhaft, dass ein Sack, aus dem Blut rinnt, einfach von den Nachbarn nach Hause getragen werden soll. Die Mutter zuerst wieder ins Haus läuft um den Vater anzurufen, die Kinder einzusperren und sich dann erst wieder um den Sack kümmert. Abgesehen davon, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine Leiche so zerstückelt wird, dass sie in einen Mehlsack von 1 Meter hineinpasst und dann noch immer eine Blutspur herausfließen sollte. Wenn die Leiche so zerstückelt worden wäre, dann würde auch kein Blut mehr fließen, da anzunehmen ist, dass die Zerstückelung nicht vor Ort passierte. Abgesehen davon, dass es unlogisch erscheint, dass Entführer, die sich nicht einmal die Mühe einer Lösegeldforderung machen, sich diesen Aufwand antun und nicht einfach die Leiche des Bruders vor der Tür der Familie deponieren. Wenn man sich auch nur annähernd diese Situation vorstellt, kann einfach nicht nachvollzogen werden, dass keiner der voneinander unabhängig befragten Beschwerdeführer im Stande war, dieses Geschehen nachvollziehbar zu schildern. Keiner der Beschwerdeführer zeigte irgendeine Emotion oder brachte persönliche Worte in seine Darstellung ein. Bei "Wahrunterstellung" muss man einfach davon ausgehen, dass sich dieser Tag in das Leben eines Jugendlichen einprägt und die betreffende Person auch noch vier bzw. fünf Jahre später davon berichten kann.

 

Dass dieser Vorfall nicht passiert ist, steht im Einklang mit dem Rechercheergebnis der Staatendokumentation. Wenn man davon ausgeht, dass dieses Ereignis so stattfand, so kann angenommen werden, dass das Auffinden einer zerstückelten Leiche in einem Sack auch für afghanische Verhältnisse ein Aufsehen erregendes Ereignis ist, sodass es dazu sicher Dokumentationen oder Erinnerungen von Nachbarn gäbe. Noch dazu handelte es sich um ein Ereignis, das in Kabul passiert sein soll, wo viele Leute leben, die dies auch nach Angaben der Beschwerdeführer mitbekommen haben.

 

BF1 wurde mehrmals nach Details befragt, woraufhin nur mehr die Antwort erfolgte, dass er eingesperrt gewesen sei. Ein Auszug aus der Befragung in der mündlichen Verhandlung lautet beispielsweise (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

 

"R: Wie ist die Leiche Ihres Bruders von XXXX dann zu Ihnen in das Haus gekommen?

 

BF1: Die Nachbarn haben die Leiche nach Hause gebracht.

 

R: Können Sie mir das im Detail sagen?

 

BF1: Meine Mutter ist dann mit uns nach Hause zurückgegangen, um meinen Vater zu informieren. Die Nachbarn haben dann die Leiche zu uns nach Hause getragen.

 

R: Wohin?

 

BF1: Nach Hause zu uns.

 

R: Wohin?

 

BF1: Da war ich nicht dabei. Sie haben uns zu Hause in unser Zimmer gesperrt, das ist ein Haus. (auf Deutsch).

 

R: Sie sind nun neun Kinder. Alle neun Kinder wurden in ein Zimmer gesperrt?

 

BF1: Meine Mama hat die Tür versperrt. Alle Nachbarn waren im Garten. Wir durften nicht hinausgehen. Wir mussten auf unseren kleinen Bruder aufpassen. Wir hatten auch nicht die Schlüssel (auf Deutsch).

 

R: Wie kam dieser Sack zu Ihnen nach Hause? Was ist mit dem blutigen Sack passiert, bis das Begräbnis war?

 

BF1: Wie gesagt, wir wurden von meiner Mutter im Haus eingesperrt, wir durften nicht hinauskommen.

 

R: Was war das für ein Wochentag? Was war an diesem Tag sonst noch?

 

BF1: An den Tag kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir zu Hause saßen, die Nachbarn von der Leiche erzählten und wir dorthin gingen, wie ich es Ihnen vorher erzählt habe. Es war gegen Mittag."

 

Hinzu kommt, dass es völlig unwahrscheinlich ist, dass die Leiche gegen Mittag gefunden wird, es ca 1,5 Stunden dauert, bis der Vater zuhause ist und noch am gleichen Abend das Begräbnis in Logar (ca. 50 km entfernt) stattfindet. Auch wenn es in Afghanistan üblich ist, dass Leichen noch am selben Tag begraben werden, so erscheint diese zeitlich dichte Abfolge doch unglaubhaft.

 

BF1 und BF4 bringen vor, dass die Leiche bei einer nahe gelegenen Stromstation gefunden wurde, BF2 und BF3 hingegen geben an, dass der Sack mit der Leiche direkt vor der Tür deponiert worden sei. BF4 gibt an, dass die Mutter ohnmächtig geworden ist, BF1 hingegen gibt an, dass die Mutter zuerst alle Kinder zuhause eingesperrt hätte. BF2 und BF3 geben an, dass ihre Schwester sie eingesperrt hätte, und sie ohnehin nichts gesehen hätten. Ohne jetzt hier auf einzelne Widersprüche eingehen zu wollen, wird angemerkt, dass es keinem der vier Beschwerdeführer möglich ist eine plausible Erzählung wiederzugeben.

 

Als BF2 befragt wurde, was er sich dabei dachte, dass sie nun nicht mehr in die Schule gehen durften und der Bruder angeblich bei der Tante sei, gab er lediglich an (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll): "Er war mein Bruder. Er ist mein Fleisch und Blut.

 

R: Was haben Sie sich in dem Moment gedacht, als sie Ihnen sagte, dass er entweder bei der Tante ist oder bei dem Onkel mütterlicherseits ist?

 

BF2: Ich fragte, wann er zurückkommt. Meine Mutter lenkte mich ab. Sie wollte nicht, dass ich mir Sorgen mache."

 

Als BF2 aufgefordert wurde, die Situation zu schildern, wie die Leiche entdeckt wurde, gab er an, dass er eingesperrt gewesen sei und nur das Blut zwischen den Füßen der vor der Gartentür stehenden Personen gesehen habe. Wie er allerdings über eine Distanz von ca. 15m das Blut am Boden sehen konnte, wenn er nur beim Fenster rausschauen durfte und viele Leute vor der Gartentür standen, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Auch BF2 kann nicht schildern, wie der Tag ablief, als die Leiche gefunden wurde und dann zu ihnen nach Hause gebracht wurde. Auch BF2 schildert völlig emotionslos, ohne Details, vage und auch nach Aufforderung nicht konkreter. Nach Details befragt, gibt er an, dass er im Zimmer eingesperrt war und nichts mitbekommen hat. Selbst wenn man zugrunde legt, dass er damals ca. 14 Jahre alt war (nach eigenen Angaben), so kann dennoch nicht nachvollzogen werden, wieso er nicht schildern kann, was er selbst sich dabei gedacht hat oder wie er die Situation wahrnahm. Dass auch in Pakistan keiner der Beschwerdeführer nach näheren Details gefragt hat, als sie mit der Mutter alleine waren, spricht ebenfalls dafür, dass die hier geschilderte Version so nicht stattgefunden hat. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Kinder neugierig sind und nachfragen, vor allem wenn es sich um den eigenen Bruder handelt. Noch dazu kommen die Beschwerdeführer aus einer gebildeten Familie und waren alle in der Schule, umso mehr ist zu erwarten, dass sie nachfragen.

 

Die Einvernahme zu den Details bei BF2 gestaltete sich Folgendermaßen (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

 

"R: Wie kam dann die Leiche Ihres Bruders wieder zu Ihnen? Wie haben Sie erfahren, dass Ihr Bruder gestorben ist?

 

BF2: Ich habe gerade ferngeschaut. Dann hörte ich laute Stimmen. Durch das Fenster habe ich gesehen, dass meine Mutter und die anderen vor der Gartentüre stehen und weinen und schreien. Es waren dort auch viele Leute. Ich konnte auch nicht viel sehen. Zwischen den Füßen habe ich Blut gesehen. Mir wurde dann nicht mehr erlaubt hinauszugehen. Meine Schwester hat dann die Türe zugesperrt.

 

R: Bei diesem Tumult vor der Haustür: Wann hat Ihnen die Schwester verboten, nicht mehr hinauszugehen?

 

BF2: Ich wollte hinausgehen, aber meine Schwester hat mir das nicht erlaubt.

 

R: Was hat sie gesagt, wieso Sie nicht hinausgehen dürfen?

 

BF2: Ich soll mich beruhigen sagte sie. Es wäre nichts los. Sie hat mir nicht gesagt, dass das die Leiche meines Bruders ist. Meine Schwester hat geweint.

 

R: Wo war dieser Tumult? Vor dem Haus?

 

BF2: Bei der Gartentür bei der Garage. Es standen viele Leute dort. Zwischen den Füßen habe ich Blut gesehen.

 

R: Wie hat das Blut ausgesehen, ist es geronnen?

 

BF2: Auf dem Boden war Blut.

 

R: Woher kam das Blut?

 

BF2: Das weiß ich nicht. Meine Schwester hat mir das Hinausgehen nicht erlaubt.

 

R: Was ist dann passiert, was haben die anderen alle gemacht?

 

BF2: Auch die anderen waren im Haus. Ich war damals ca. 14 Jahre alt. Den anderen wurde es auch nicht erlaubt.

 

R: War jemand aus Ihrer Familie draußen?

 

BF2: XXXX glaube ich und meine Mutter. Ich weiß nicht genau, ob sonst jemand dabei war.

 

R: Die Leiche Ihres Bruders wurde in einem Sack nach Hause zu Ihnen gebracht. Wie lief das bei Ihnen zu Hause ab bis zum Begräbnis?

 

BF2: Alle haben geweint und waren sehr traurig.

 

R: Bitte erzählen Sie ein bisschen.

 

BF2: Bei uns Moslems ist das so, dass ein Toter am gleichen Tag begraben wird. Das war auch bei meinem Bruder so. Er wurde noch am gleichen Tag begraben. Am nächsten Tag war für ihn eine Trauerfeier. Wir wurden danach nach Pakistan geschickt.

 

R: Für Sie persönlich: Was haben Sie in dem Haus gemacht? Sind Nachbarn oder Polizei oder der Vater gekommen?

 

BF2: Mein Vater ist dann ca. ein oder eineinhalb Stunden später nach Hause gekommen. Die Polizei habe ich dort nicht gesehen. Ich war mit den anderen drinnen im Haus.

 

R: Wie viel Zeit ist vergangen zwischen diesem Tumult und dem Begräbnis Ihres Bruders?

 

BF2: Das weiß ich nicht so genau. Ich war damals sehr jung.

 

R: Zu welcher Tageszeit war das alles?

 

BF2: Es war am Nachmittag. Die Uhrzeit weiß ich nicht.

 

R: Lange nach dem Mittagessen?

 

BF2: Das weiß ich nicht. Es war eine sehr schlechte Situation.

 

R: Können Sie sich an etwas detailliert von diesem Tag erinnern?

 

BF2: Die Leiche meines Bruders wurde an diesem Tag gefunden, das werde ich nie vergessen. Es gab Kummer.

 

R: In einem Sack wurde die Leiche Ihres Bruders gefunden. Wurde die Leiche Ihres Bruders in das Haus gebracht oder stand dieser Sack die ganze Zeit vor der Türe?

 

BF2: Das weiß ich nicht."

 

Trotz mehrfachem Nachfragen konnte BF2 nicht einmal ansatzweise ein persönliches Detail dieses Tages einbringen. Vielmehr musste jede einzelne Situation nachgefragt werden.

 

Ähnlich gestaltete sich auch die Einvernahme von BF3, der ebenfalls keinerlei Details angeben konnte und in seinen Schilderungen sehr oberflächlich blieb, BF3 war vermutlich zum damaligen Zeitpunkt der jüngste der vier Beschwerdeführer, laut eigenen Angaben war er zum Zeitpunkt der Entführung ca. zwölfeinhalb oder dreizehn Jahre alt, auch er fragte nicht nach oder erkundigte sich nach den Geschehnissen. Die Entführung selbst wird ebenfalls völlig emotionslos und detaillos erzählt. Bis zuletzt blieb unklar, wer wo in dem Auto gesessen hat und wie die Sitzverteilung in dem Auto war bzw. wie viele Sitzreihen es gab. Ob es sich um ein geschlossenes Auto oder ein Auto mit einer offenen Ladefläche handelte, wurde widersprüchlich - vor allem in Zusammenschau mit den Angaben vor dem BFA - beantwortet.

 

Insgesamt ist nicht nachvollziehbar, wieso der Bruder aus dem Auto entführt worden sein sollte, wenn es sich doch immerhin um ein Auto handelt, in dem mindestens 10 Personen unterwegs waren, die Scheiben nicht abgedunkelt waren und daher von außen ersichtlich sein musste, dass im Fond des Wagens Kinder sitzen und vorne, neben dem Fahrer die einzigen nahezu erwachsenen Personen. Unglaubhaft ist daher, dass ausgerechnet die älteste Person mitgenommen wird. Wenn davon ausgegangen werden soll, dass es sich um eine gezielte Entführung handelt, so ist einerseits eben nicht nachvollziehbar, dass der älteste Bruder entführt wird und genauso wenig nachvollziehbar, wieso das Taxi überfallen wird, wenn doch genauso gut einfach am Nachmittag ein Kind vom Spielplatz oder von der Straße mitgenommen werden hätte können und dies mit weniger Aufwand und Widerstand gelungen wäre. Gegen eine gezielte Entführung spricht auch, dass offensichtlich keine Lösegeldforderung gestellt wurde und auch keine Drohbriefe oder dergleichen der Entführung vorangegangen sind. Eine konkrete Verfolgungs- oder Gefährdungssituation der Beschwerdeführer aufgrund ihrer wohlhabenden Familie konnte daher nicht aufgezeigt werden.

 

In den Beschwerden wird teilweise Bezug genommen auf die UNHCR Richtlinien vom 6. August 2013, denen zu entnehmen ist, dass Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen und deren Familienmitgliedern zur besonders gefährdeten Hauptrisikogruppe gehören. Dazu wird angemerkt, dass in den UNHCR Richtlinien davon berichtet wird, dass Entführungen zur Lösegeldforderung begangen werden. Im vorliegenden Fall aber nicht glaubhaft vermittelt werden konnte, dass tatsächlich Lösegeldforderungen stattgefunden haben und auch nicht ersichtlich ist, wieso eine zerstückelte Leiche zurückgebracht werden sollte ohne vorherige Erpressungsversuche oder Übergabeversuche. Abgesehen davon, dass die Entführung sowie der Leichenfund nicht glaubhaft sind. In den aktuellen UNHCR Richtlinien wird auf die Entführungsgefahr zur Finanzierung der Taliban Bezug genommen, aber wie bereits dargelegt, mangelt es an der Glaubhaftigkeit der Entführung und konnte vor allem kein Bezug zum Wohlstand der Familie hergestellt werden.

 

Die Beschwerdeführer bringen in der mündlichen Verhandlung erstmals vor, dass sie von der eigenen Verwandtschaft verfolgt würden, dies entbehrt jeglicher Glaubhaftigkeit bzw. Nachvollziehbarkeit. Wieso der Onkel väterlicherseits sich jetzt auf einmal - fünf Jahre nach der angeblichen Flucht der Beschwerdeführer aus Afghanistan - die Grundstücke unrechtmäßig angeeignet haben sollte, kann nicht einmal ansatzweise erklärt werden oder nachvollzogen werden. Denn dass die Familie der Beschwerdeführer noch immer gute Kontakte nach Kabul hat, ergibt sich schon alleine aus der Verlobung von BF1 mit einer seiner Cousinen, wo noch dazu die Verlobungsfeier nicht einmal in Anwesenheit des Beschwerdeführers stattgefunden haben soll, woraus ersichtlich ist, dass in die Familie der Beschwerdeführer noch immer großes Vertrauen gesetzt wird. Unglaubhaft ist, dass angeblich nur der Vater bei der Verlobungsfeier mit rund 300 bis 400 Personen anwesend war und sonst kein Familienmitglied. Auffallend ist, dass die Verlobungsfeier zu einem Zeitpunkt stattfand, als BF1 in Österreich nicht aufrecht gemeldet war.

 

Von einem Vertreter der belangten Behörde zu den Problemen mit dem Onkel näher befragt, gab der Beschwerdeführer Folgendes an (Auszug aus dem Protokoll):

 

BFA: Sie haben diesen Vorfall nie erwähnt und auch nicht in der Beschwerde, das schaut für mich aus, als wollten Sie das Vorbringen steigern. Wollen Sie dazu etwas sagen?

 

BF1: Unsere Häuser und Grundstücke haben sie vor kurzem zu sich genommen.

 

BFA: Können Sie das beweisen?

 

BF1: Ja. Ich kann meinen Vater darum bitten, uns irgendeine Bestätigung zu schicken.

 

BFA: Welche Bestätigung soll das sein?

 

BF1: Mein Vater würde sich dann bei der Polizei beschweren oder bei Gericht.

 

BFA: Warum hat er das bis jetzt noch nicht gemacht?

 

BF1: Wir wussten nicht, dass Sie so etwas brauchen. Sonst hätte er das längst gemacht.

 

Auch hier ist nicht nachvollziehbar, wieso der Vater dies nicht angezeigt hat, aber BF1 sofort anbietet, dass er dies für einen Nachweis für die österreichischen Behörden machen könnte.

 

BF1 gibt an, dass der Vater ca. 1 oder 1,5 Jahre vor deren Flucht Reisepässe (nur) für BF1 und BF4 ausstellen ließ, nicht aber für die anderen Familienmitglieder. Einen nachvollziehbaren Grund dafür gab es nicht, das Vorgehen lässt eher darauf schließen, dass der Vater die Ausreise der beiden Söhne plante. Nach dem im Pass festgehaltenen Geburtsdatum gefragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht erinnern könne.

 

BF2 und BF3 gaben nach einem Reisepass befragt an, dass sie erst einen vom Schlepper erhalten hätten.

 

Die mündliche Verhandlung mit BF4 fand ein paar Monate vor der mündlichen Verhandlung von BF1-BF3 statt. BF4 ist der einzige Beschwerdeführer, der bei der angeblichen Entführung des Bruders aus dem Auto nicht dabei war. Die Erzählung der Entführung ist daher unter diesem Blickwinkel zu würdigen, da er dies nur vom "Hören-Sagen" weitergeben kann. Allerdings kann auch er mit identen Worten die Entführung seines Bruders schildern.

 

Angemerkt wird, dass es den Beschwerdeführern obliegt, die Umstände der Flucht einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern. Aus den Angaben der Beschwerdeführer lässt sich jedoch keine lineare Handlung erkennen, die objektiv geeignet wäre, einen asylrelevanten Verfolgungsgrund zu verwirklichen.

 

Eine persönliche direkte Bedrohung konnte keiner der Beschwerdeführer schildern, keiner wusste, von wem eine Bedrohung ausgehen sollte bzw. wer die Entführung und Ermordung ihres Bruders angeordnet bzw. durchgeführt haben sollte. Eine zuvor oder danach tatsächlich stattfindende Bedrohung wurde von allen vier Beschwerdeführern verneint. Die Beschwerdeführer bringen lediglich eine - nicht glaubhafte - Bedrohung durch ihre eigenen Verwandten vor, die allerdings auch erst jetzt eingetreten ist, durch die angebliche widerrechtliche Inbesitznahme ihrer Grundstücke.

 

Das erkennende Gericht geht folglich angesichts des sehr oberflächlich gehaltenem Vorbringens der Beschwerdeführer in zentralen Punkten unter Einbeziehung des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung von den Beschwerdeführern gewonnenem persönlichen Eindruck von der Unglaubwürdigkeit der Angaben zum Fluchtgrund und davon aus, dass die angeblichen (fluchtauslösenden) Ereignisse in der geschilderten Form in Wahrheit nicht stattgefunden haben.

 

Dies steht auch im Einklang mit dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen über die Staatendokumentation des BFA. Weder waren die Angaben zu der Ermordung des Bruders der Beschwerdeführer, hinsichtlich welcher sich im Rahmen der Ermittlungen vor Ort zumindest ansatzweise Hinweise ergeben hätten müssen, zu verifizieren noch konnten Übereinstimmungen gefunden werden, welche die Tätigkeiten des Vaters der Beschwerdeführer betreffen.

 

Die Feststellungen zur zukünftig erwartbaren (existenziellen) Situation der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer, den obigen Länderberichten und aus den Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

 

Jeder der Beschwerdeführer war mehrere Jahre in der Schule und spricht mehrere Sprachen, darunter Paschtu, Dari, Urdu und Englisch. Es wird ihnen daher möglich sein, Arbeit zu finden. Außerdem handelt es sich bei den Beschwerdeführern um Paschtunen und damit Angehörige der größten und mächtigsten Gemeinschaft in Afghanistan. Es ist daher davon auszugehen, dass sie in Kabul Anschluss finden werden. Sie bringen selbst vor, in Kabul in die Schule gegangen zu sein und dort zahlreiche Verwandte zu haben.

 

Die Beschwerdeführer bringen selbst vor, dass sie noch Kontakt mit der Familie in Afghanistan haben und dass es noch Verwandte in Kabul gibt. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnten sie daher jedenfalls dort Unterkunft und finanzielle Unterstützung finden. Darüber hinaus sind die Beschwerdeführer volljährig und gesund sowie arbeitsfähig. Sie geben selbst an, dass sie in Österreich arbeiten möchten, es wird ihnen dies daher in ihrem Heimatland auch möglich sein, zumal sie mindestens eine der üblichen Sprachen beherrschen, über Schulbildung verfügen und mit den Sitten und Gebräuchen bestens vertraut sind, da sie in Kabul aufgewachsen sind. Sie sind dadurch auch mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut. Ebenso verfügen sie über Besitztümer sowohl in Logar als auch in Kabul. Bei der Arbeitssuche werden sie von der Familie unterstützt werden, BF1 ist zudem mit einer in Kabul lebenden Cousine verlobt und hat daher jedenfalls Familienanschluss bei einer Rückkehr. Jeder der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter.

 

In KABUL ist nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Innerhalb KABULS existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Die afghanische Regierung behält jedoch die Kontrolle über KABUL, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt KABUL verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungsgebäude) oder NGO¿s ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt KABUL als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Schließlich würde auch ihr Status als "Rückkehrer" für kein erkennbar erhöhtes Gefährdungspotenzial sorgen. Den Feststellungen betreffend die Situation von Rückkehrern nach Afghanistan wurde gleichfalls in der Beschwerde nicht substanziell entgegen getreten - allein UNHCR hat in den vergangenen 10 Jahren die Rückkehr von rund 3,5 Millionen Afghanen unterschiedlichster ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit begleitet. Dies wäre undenkbar, wenn es nur halbwegs schlüssige Hinweise auf eine generelle Verfolgung dieser Personengruppe gäbe.

 

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan bzw. zur besonderen Situation in der Stadt Kabul und in der Provinz Logar beruhen auf den angeführten Quellen. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10).

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793¿19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).

 

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer sich nicht einmal um staatlichen Schutz bemüht. Vor allem in Kabul kann nicht jegliche staatliche Schutzfunktion von vornherein ausgeschlossen werden. Denn dass grundsätzlich ein staatliches System vorhanden ist, dem die Beschwerdeführer auch vertrauen, zeigt sich schon daran, dass der Einbruch bei der Polizei angezeigt wurde. Hinzu kommt, dass der Vater der Beschwerdeführer offensichtlich über gute Beziehungen verfügt und sich daher auch um staatlichen Schutz bemühen könnte.

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Da es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in ihrem Herkunftsstaat glaubhaft darzutun, waren die Anträge auf internationalen Schutz gem. § 3 AsylG 2005 abzuweisen. Erachtet nämlich die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).

 

Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ergibt sich der Schluss auf die Unglaubhaftigkeit der Beschwerdeführer in Bezug auf die Fluchtgründe aus einer Gesamtschau der Angaben im Verfahren, insbesondere aber auch aufgrund des Verlaufes und des Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Bereits das BFA hat dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht geglaubt und kommt die erkennende Richterin ebenfalls zu dem Schluss, dass das Vorbringen nicht glaubhaft ist.

 

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für die Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Die allgemeine Situation in Afghanistan sei nicht so gelagert , dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

 

Eine gegen die beschwerdeführenden Parteien gerichtete Verfolgungsgefahr auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe wurde von den Beschwerdeführern bei der Antragstellung explizit verneint. Konkrete Hinweise auf eine Gefahr der Verfolgung der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Afghanistan sind im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde und in der Beschwerde nicht hervorgekommen. Schließlich sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

 

Bei keinem der vier Beschwerdeführer liegt eine asylrelevante Verfolgung vor, dennoch wird hier der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass hinzukommt, dass BF1 und BF2 Asylausschlussgründe gesetzt haben:

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür rechtskräftig verurteilt worden, gemeingefährlich sein und es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zur Auslegung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" ausgeführt hat, handelt es sich z.B. bei Drogenhandel typischer Weise um ein besonders schweres Verbrechen; allerdings genüge es nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt habe. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe seien zu berücksichtigen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof fügte seiner im Erkenntnis zur Zl. 99/01/0288 getroffenen Festlegung des Drogenhandels als "typischerweise besonders schweres Verbrechen" im ebenfalls bereits zitierten Erkenntnis vom 03.12.2002, Zl. 99/01/0449, zur Frage, wann denn nun ein solches "typischerweise besonders schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" hinzu, in der Bundesrepublik Deutschland sei etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 d AuslG mit Gesetz vom 29. Oktober 1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden.

 

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

 

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter ,besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen - mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

 

Dem Einwand des Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach die Frage der Auslegung des § 5 Z 10 JGG derzeit beim VwGH anhängig sei, wird entgegengehalten, dass dem Willen des Gesetzgebers nicht entnommen werden kann, dass minderjährigen Straftäter der Status des Asylberechtigten infolge von Straftaten nicht aberkannt werden könnte. Die Judikatur stellt im Fall des Aberkennungstatbestandes gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm. § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 auf die bereits dargelegten Kriterien ab, nicht jedoch auf das Alter eines Straftäters.

 

Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 03.12.2002, (99/01/0449) ausführte, wurde mit dem Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 99/01/0314, einer Amtsbeschwerde gegen eine Asylgewährung stattgegeben, weil der Ausgang eines im Berufungsverfahren bekannt gewordenen Strafverfahrens wegen Vergewaltigung von der belangten Behörde nicht geprüft worden war und es sich bei Vergewaltigung, wie im Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0288, dargelegt, um ein "typischerweise besonders schweres" Verbrechen handle, sodass die Verurteilung einen für die Asylgewährung relevanten Umstand darstellen könne. Der Verfahrensmangel sei auch relevant, weil der Asylwerber noch vor der Erlassung des mit der Amtsbeschwerde bekämpften Bescheides rechtskräftig wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon neun Monate bedingt, verurteilt worden sei.

 

BF2 wurde wegen §§ 105 (1), 206 (1) iVm § 15 StGB, §§ 83 (1), 207a

(1) Z 1, §§ 205a (1) 1. Fall StGB, §§ 15, 12 2.Fall, 207a (1) Z1 StGB und § 201 (1) StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten (Jugendstraftat) verurteilt.

 

BF2 wurde vom LG Korneuburg am 21.06.2016 wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, § 15 Abs 1 StGB; wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB; des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 erster Fall StGB; des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 15, 12, zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB; des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB; des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB zu 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Es handelt sich hierbei unzweifelhaft um ein "besonders schweres Verbrechen".

 

BF2 hat mit Schreiben vom 19.09.2017, eingelangt am 08.11.2017, dargelegt, dass er sein Verhalten bereue und sich in Betreuung befinde und dies "nie mehr tun werde". Dazu ist festzuhalten, dass er in der mündlichen Verhandlung auf seine Verurteilung angesprochen, darzulegen versuchte, dass er zu Unrecht verurteil worden sei. Nachdem die erkennende Richterin ihren Unmut über diese Sichtweise kundtat, versuchte er zu relativieren, indem er völlig unglaubhaft Folgendes angab (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

"Sie wissen nicht, was in Wirklichkeit passiert ist. Ich wurde zu Unrecht eingesperrt. Mit meinem Gewissen bin ich im Reinen. Mit meinem Gewissen bin ich im Reinen. Ich habe das nicht getan,.... Ich korrigiere mich: Ich meinte nicht, dass ich mit meinem Gewissen im Reinen bin, sondern, ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, den ich nie wieder wiederhole. Auch am Anfang habe ich das so gemeint."

 

Hinzu kommt, dass auch BF4 in der mündlichen Verhandlung angab, dass er einerseits nichts über die Verurteilung seines Bruders wisse, andererseits dieser aber zu Unrecht verurteilt worden sei.

 

Von einer Einsichtsfähigkeit bei BF2 ist nicht auszugehen, weshalb seine nunmehrigen Beteuerungen, wonach er sein Verhalten einsehe und sich bessern wolle, nicht ausreichen, um zum jetzigen Zeitpunkt von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen.

 

BF1 wurde bereits im Rahmen des Antragsverfahrens am 25.06.2015 mit Suchtmitteln im Gesamtwert von ca Euro 900,-- gemeinsam mit einem zweiten Asylwerber aufgegriffen. Dieses Verfahren wurde gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt.

 

BF1 wurde mit Urteil des LG Eisenstadt vom 19.09.2017 wegen Nötigung gem § 105 Abs 1 StGB und sexueller Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Die Nötigung erfolgte 2015, da er eine Zeugin mit dem Umbringen bedrohte, wenn sie ihn wegen Verkaufs von Cannabiskraut anzeigen werde. Die sexuelle Belästigung eines anderen Mädchens erfolgte im Sommer 2015 in einem Parkdeck, als er dem Opfer Cannabiskaut anbot, wenn sie mit ihm dafür "vögeln" würde, währenddessen fasste er in deren BH und Hose. Da sich ein Fahrzeug der Örtlichkeit näherte, ließ er von dem Opfer ab und entfernte sich.

 

Am 12.02.2016 wurde BF1 aus seiner Unterkunft bei der CARITAS verwiesen, da er "mit einem Rucksack voller Drogen" erwischt wurde.

 

BF1 wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und fällt sein Vergehen ebenfalls unter den Begriff eines "besonders schweren Verbrechen", da es auch um den Eingriff in die körperliche Integrität zumindest einer weiblichen Person ging und seine allgemeine Tendenz zu Drogendelikten sich jedenfalls seit seinem Aufenthalt in Österreich zeigt und es sich keinesfalls um eine "einmalige" Sache handelt (auch wenn - derzeit - keine weiteren Verurteilungen vorliegen).

 

Aus diesen Vorfällen ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer laufend mit Drogen in Kontakt war und ebenfalls dazu tendiert, Frauen sexuell zu belästigen. Eine positive Zukunftsprognose lässt sich daraus nicht ableiten, da er auch immer wieder gegen das Meldegesetz verstoßen hat und keine besonderen Schritte gesetzt hat, um seine Besserungsäußerungen zu untermauern.

 

Die erkennende Richterin gelangt im gegenständlichen Verfahren nach Würdigung sämtlicher Umstände zum Ergebnis, dass BF2 insbesondere mit seinem Verhalten, das dem Urteil des LG Korneuburg am 21.06.2016 zugrunde lag, ein "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 begangen hat. Auch wenn BF1 zu einer geringeren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, so hat auch er nach Ansicht der erkennden Richterin und Würdigung sämtlicher Umstände ein "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 begangen.

 

Anhaltspunkte für eine positive Zukunftsprognose iS einer fehlenden Wiederholungswahrscheinlichkeit für weitere Straftaten bzw. einer positiven Resozialisierungsperspektive sind nicht hervorgekommen:

 

Dass BF2 nach seiner bedingten Entlassung im Mai 2017 unter Anordnung von Bewährungshilfe in Österreich nicht mehr straffällig wurde, kann nicht zu seinen Gunsten herangezogen werden, weil das stattgefundene Wohlverhalten viel zu kurz ist, um eine positive Zukunftsprognose zu treffen (vgl. Erk. d. VwGH vom 17.11.1994, 93/18/0271 mwN).

 

BF1 ist mehrmals "untergetaucht" und hat sich in Kabul mit einer Afghanin verlobt, dies lässt auf seine mangelnde Integrationswilligkeit schließen. Befragt, wie er sich das in Zukunft vorstellt, gibt er an, dass er seine Verlobte, wenn er dann die Papiere erhält, nachholen wird, daraus kann man schließen, dass er nicht gewillt ist, sich hier weiter zu integrieren, er hat auch bis jetzt keine Bemühungen zur Erlangung einer Beschäftigung gezeigt.

 

Zu dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführer wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie und wegen deren Wohlstand verfolgt würden, wird Folgendes ausgeführt:

 

§ 2 Abs. 1 Z 12 AsylG 2005 umschreibt den Begriff des "Verfolgungsgrundes" als einen in Art. 10 der Statusrichtlinie genannten Grund. Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie liegt eine bestimmte soziale Gruppe insbesondere vor, wenn

 

 

einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und

 

 

abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird."

 

Nach der Definition des Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere als eine "bestimmte soziale Gruppe", wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. das Urteil des EuGH vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12 ). Bei der sozialen Gruppe handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Eine soziale Gruppe kann aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (Hinweis B vom 29. Juni 2015, Ra 2015/01/0067, und das E vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479, mwN).

 

Die Zugehörigkeit zu einem Familienverband kann den Verfolgungstatbestand der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe iSd Art1 Abschnitt A Z2 GFK erfüllen. Der Fluchtgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie ist auch erfüllt, wenn der einzige Grund für die Verfolgung einer Person ihre Angehörigeneigenschaft zu einem Familienmitglied ist, bei dem selbst entweder gar keine asylrelevante Verfolgung oder ebenfalls nur die Zugehörigkeit zum Familienverband als Anknüpfungsmerkmal iSd GFK vorliegt (VfSlg 19900/2014). Die Asylgewährung setzt nicht voraus, dass bereits in der Vergangenheit, dh vor Verlassen des Herkunftsstaates, Verfolgungshandlungen gegen die Person des Antragstellers gesetzt wurden.

 

Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft vermitteln, dass sie aufgrund der Familieneigenschaft verfolgt werden. Abgesehen davon, dass ihrem Vorbringen nicht geglaubt wird, leben nach wie vor viele Verwandte in Kabul. BF1 hat sich mit einer Cousine in Kabul verlobt und führen die Beschwerdeführer durchaus gängige afghanische Namen, sind Paschtunen und haben auch sonst keine besonderen Auffälligkeiten, anhand derer sie besonders hervorstechen würden. Falls sie nicht nach Kabul zurückkehren möchten, könnten sich auch in einer der anderen großen Städte Unterkunft finden. Es kann ausgeschlossen werden, dass sie in Afghanistan gefunden werden könnten, nachdem es in Afghanistan kein zentrales Melderegister gibt, sie keinen ausgefallenen Namen führen und in Afghanistan immerhin über 30 Millionen Einwohner leben.

 

Wie bereits ausgeführt, kann nicht geglaubt werden, dass ihr Onkel sie verfolgen würde. Auch eine besondere Gefährdungssituation aufgrund ihres "Wohlstandes" erscheint nicht glaubhaft, da es keine nach außen sichtbaren Merkmale für diesen "Wohlstand" gibt oder gab.

 

Da es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention im Herkunftsstaat glaubhaft darzutun, waren die Anträge auf internationalen Schutz gem. § 3 AsylG 2005 abzuweisen.

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren und in den Schutzbereich des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention fallenden Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 02.08.2000, 98/21/0461, zu § 57 FrG 1997; auch VwGH vom 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582; VwGH vom 31.05.2005, 2005/20/0095).

 

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443, VwGH 08.09.2016, Zl. 2016/20/0063). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2016, Ra 2016/19/0036, mit weiteren Nachweisen). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen.

 

Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 MRK darstellen würde - obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09).

 

Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (Hinweis E vom 8. September 1999, 98/01/0614, mwN) sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (vgl. Art. 8 der Statusrichtlinie). (VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/20/0233 u.a.)

 

Im Fall der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Feststellungen zu der persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen auch keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in den Herkunftsstaat Afghanistan.

 

Nach den Ergebnissen des Verfahrens vor dem Bundesamt und den Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht muss - wie bereits oben ausgeführt - davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer weder aus "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe ihr Heimatland verlassen haben, noch dass sie im Falle ihrer Rückkehr einer "realen Gefahr" iSd Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wären, die subsidiären Schutz notwendig machen würden.

 

Wie oben festgestellt, ist jeder der vier Beschwerdeführer jung, gesund und arbeitsfähig, verfügt über Schulbildung, ist im Herkunftsstaat aufgewachsen und ist im erwerbsfähigen Alter. Jeder von ihnen hat die Möglichkeit, sich eine Existenzgrundlage in Kabul, ihrer Heimatstadt, oder aber auch in Mazar-e-Sharif oder Herat zu sichern.

 

Sie verfügen nach wie vor über ein familiäres und soziales Netzwerk in Afghanistan. Selbst wenn die direkte Familie derzeit in Pakistan leben sollte, so gibt es dennoch weitere Onkeln, von denen sie jedenfalls - zumindest vorläufig - finanziell unterstützt werden könnten. BF1 ist verlobt und wird auch von der Familie seiner Verlobten unterstützt werden. Auch hat sein Vater nach wie vor Kontakte nach Afghanistan.

 

Falls die Beschwerdeführer nicht nach Kabul zurückkehren möchten, so steht ihnen auch eine Rückkehr nach Herat und/ oder Mazar-e-Sharif offen. Nachdem die Verlobte aus Mazar-e-Sharif stammt, ist davon auszugehen, dass auch dort Anknüpfungspunkte vorhanden sind.

 

Zusammenschauend ergibt sich, dass in Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende Lebensführung realistisch sind und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass einer der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Darüber hinaus sind Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Die afghanische Regierung behält nach den vorliegenden Länderberichten die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. In Kabul sind Hauptziele der Angriffe meist Regierungsgebäude, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, ausländische Organisationen, Restaurants, Hotels und Gasthäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat in einem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 12. Dezember 2017, E 2068/2017, ausgesprochen, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er - wie im entschiedenen Fall - nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei.

 

Dies muss umso mehr daher für Asylwerber gelten, die in Kabul aufgewachsen sind, dort in die Schule gingen und über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen.

 

Unabhängig vom individuellen Vorbringen der Beschwerdeführer sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die den Beschwerdeführern im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art 3 EMRK iVm § 8 AsylG darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v. United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03). Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen von dem Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden bzw. detailliert und konkret dargelegt werden, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016; Ra 2016/19/0036; 08.09.2016, Zl. Ra 2016/20/0063).

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.

 

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass einer der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in das Heimatland in eine ausweglose Lebenssituation geraten könnte. Die Beschwerdeführer sind in Kabul aufgewachsen und lebten dort ihr gesamtes Leben vor der Ausreise. Sie verfügen über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten.

 

Die Beschwerdeführer sind Paschtunen und es ist daher davon auszugehen, dass sie im Rahmen der Clanzugehörigkeit auch von anderen Paschtunen im Bedarfsfall unterstützt werden, zumal noch andere Verwandte in Kabul leben.

 

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben der Beschwerdeführer und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für einen der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde.

 

Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es den Beschwerdeführern unter Berücksichtigung ihrer oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, in der Hauptstadt Kabul nach Wohnraum zu suchen und sich ein Einkommen zu erwirtschaften.

 

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung):

 

Das Verfahren wird bezüglich Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide nach § 10 AsylG in der geltenden Fassung geführt.

 

§ 10 AsylG mit der Überschrift: "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" lautet:

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen.

 

Die Beschwerdeführer sind als Staatsangehörige von Afghanistan keine begünstigten Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der VfGH und der VwGH haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

 

Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", ist die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer, die sich erst seit 2014 in Österreich aufhalten, als "kurz" zu bewerten vor allem im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführer dennoch den Großteil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht haben.

 

Im gegenständlichen Fall ist auch bei BF3 und BF4 (BF1 und BF2 haben ihr Recht auf Aufenthalt ohnehin verwirkt) keine besondere fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführer hervorgekommen. Der durch die Ausweisung der Beschwerdeführer allenfalls verursachte Eingriff in ihr Recht auf Privat- oder Familienleben ist jedenfalls insofern iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse der Beschwerdeführer an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt.

 

Die Beschwerdeführer sind in Österreich nur schwach integriert. Sie beherrschen zwar die Sprache inzwischen relativ gut, verfügen aber über keine ausgeprägten sozialen Bindungen.

 

BF1 und BF2 wurden strafrechtlich verurteilt. Die Beschwerdeführer haben damit eine grobe Missachtung der österreichischen Rechtsordnung an den Tag gelegt und es wird gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die für die Integration eines Fremden wesentliche soziale Komponente durch von diesem begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt (vgl. etwa VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181 mwN). Die Begehung von Straftaten stellt außerdem einen eigenen Grund für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen dar (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112). Im konkreten Fall ist festzuhalten, dass das gering ausgeprägte private Interesse sowohl von BF1 las auch von BF2 am Verbleib im Bundesgebiet im Hinblick auf die schwerwiegenden Verurteilungen auch hinter dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zurücktreten muss.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Die Beschwerdeführer haben einen Onkel in Österreich, zu dem sie allerdings keinen besonders intensiven Kontakt pflegen, zudem ist die restliche Familie der Beschwerdeführer in Afghanistan bzw. Pakistan aufhältig. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Schutz des Familienlebens.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon zehn Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Der Umstand, dass BF3 und BF4 in Österreich nicht straffällig geworden sind, bewirkt keine relevante Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG nicht gegeben.

 

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen (zwei Wochen) festgelegt worden.

 

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen war keinem der Beschwerdeführer zu erteilen. Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung aus den in § 57 AsylG angeführten Gründen hätten schließen lassen. Ferner sind auch keine Umstände bekannt, welchen zufolge gegenständlich von einem Anwendungsfall des § 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG gesprochen werden könnte.

 

Daher waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55 und 57 AsylG sowie §§ 52 und 55 FPG, in der jeweils geltenden Fassung, als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar (vgl. dazu insb. Notwendigkeit einer maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit und dem Ungenügen der entfernten Möglichkeit einer Verfolgung VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a; sowie zur Bewertung der aktuellen [Rückkehr-]situation in Afghanistan EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 und das dementsprechende rezente Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/01/0134-7). Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 ergeben sich aus der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, jene für den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides an.

 

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte