Rechtssatz
"Tatsachen" sind hier Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bestimmter oder doch zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhalt.
Tatsachenbehauptung — Werturteil — Abgrenzung
1 Ob 87/71 | OGH | 15.04.1971 |
Veröff: SZ 44/45 = RZ 1971,121 = ÖBl 1971,104 = JBl 1972,312 (kritisch Ostheim) |
6 Ob 147/73 | OGH | 08.11.1973 |
Beisatz: Darin liegt der Unterschied gegenüber den bloßen Werturteilen, die erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden können und die eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben (SZ 11/39). Es ist demnach entscheidend, ob die Unrichtigkeit der in Frage kommenden Behauptungen bewiesen werden kann. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine unüberprüfbare Meinungskundgebung des Erklärenden. (T1) Veröff: SZ 46/114 |
7 Ob 90/74 | OGH | 30.05.1974 |
Beisatz: Werturteile werden auf Grund einer gedanklichen Reflexion gewonnen und geben nur eine subjektive Meinung des Erklärenden wieder (Nordumfahrung von Igls). (T2) Veröff: JBl 1974,527 = ÖBl 1975,86 hiezu kritisch Schönherr ÖBl 1975,77 |
6 Ob 175/74 | OGH | 19.09.1974 |
Veröff: EvBl 1975/146 S 296 |
4 Ob 354/77 | OGH | 28.06.1977 |
Beis wie T1 |
1 Ob 652/77 | OGH | 31.08.1977 |
Beisatz: Bei sinnvoller Auslegung des Tatbestandes der Kreditschädigung kann es nur darauf ankommen, ob ein Umstand objektiv nachprüfbar sein. (T3) Veröff: SZ 50/111 = EvBl 1978/65 S 182 = ÖBl 1978,34 |
8 Ob 550/77 | OGH | 30.11.1977 |
Beis wie T1; Veröff: EvBl 1978/99 S 297 = ÖBl 1978,37 |
5 Ob 674/78 | OGH | 19.09.1978 |
Beis wie T1; Veröff: ÖBl 1979,76 |
4 Ob 32/79 | OGH | 08.05.1979 |
Beis wie T1; Beisatz: Hier: "Konkursreife früher oder später" (T4) Veröff: Arb 9785 = ÖBl 1979,134 = ZAS 1982,212 |
1 Ob 689/81 | OGH | 07.02.1982 |
Auch |
5 Ob 518/83 | OGH | 22.05.1984 |
Beisatz: Auch Mitteilungen von Gerüchten, Vermutungen oder Behauptungen sowie die verdachtsweise Behauptungen einer Tatsache. (T5) |
4 Ob 80/88 | OGH | 27.09.1988 |
Beisatz: Hier: § 7 UWG (T6) Veröff: MR 1989,64 |
4 Ob 162/89 | OGH | 19.12.1989 |
Vgl auch; Beisatz: Werturteile geben rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder und können daher objektiv nicht überprüft werden. Eine und dieselbe Äußerung kann je nach dem Zusammenhang, in den sie gestellt wird, bald unter den Begriff des reinen Werturteils fallen. (T7) Veröff: SZ 62/208 = MR 1990,66 = ÖBl 1990,253 |
1 Ob 2/91 | OGH | 10.04.1991 |
Auch; Beisatz: Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muss grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, so dass das Verbreitete nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Wird eine sonst subjektive Wertung, die allein einen Anspruch nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht begründen könnte, auf Grund konkreter dargestellter unwahrer Tatsachen gezogen, wird darin insgesamt das Verbreiten von Tatsachen erblickt. (T8) Veröff: EvBl 1992/65 S 295 = JBl 1992,326 |
7 Ob 535/91 | OGH | 23.05.1991 |
Auch; Veröff: MR 1991,146 (Korn) = ÖBl 1992,51 |
1 Ob 41/91 | OGH | 18.12.1991 |
Auch; Beis wie T8; Veröff: SZ 64/182 = ÖBl 1992,51 |
4 Ob 75/92 | OGH | 07.07.1992 |
Auch; Beis wie T1; Beisatz: Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Äußernden ist maßgeblich. (T9); Veröff: JBl 1993,518 (Koziol) |
4 Ob 109/92 | OGH | 15.12.1992 |
Auch; Beisatz: Eine Tatsachenbehauptung enthält die Äußerung, dass jemand vom Gericht zur Wahrheit gezwungen und verhalten worden sei, seine unwahren Behauptungen zurückzunehmen. (T10) Veröff: MR 1993,57 = EvBl 1993/160 S 656 |
6 Ob 20/95 | OGH | 18.05.1995 |
Beis wie T7; Beis wie T9; Veröff: SZ 68/97 |
6 Ob 32/95 | OGH | 09.11.1995 |
Auch; Beis wie T7 nur: Werturteile geben rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder und können daher objektiv nicht überprüft werden. (T11) Beis wie T9 |
4 Ob 1092/95 | OGH | 21.11.1995 |
Beisatz: Die Behauptung, dass jemand gelogen habe, ist eine Tatsachenbehauptung, kann doch geprüft werden, ob sie richtig ist (dh ob der der Lüge Beschuldigte tatsächlich gelogen hat). (T12) |
4 Ob 2269/96x | OGH | 01.10.1996 |
Vgl auch; Beis wie T12; Beisatz: Der Vorwurf, die Darstellung der Klägerin entspreche nicht den Tatsachen und sie erfolge wider besseres Wissen zu Zwecken der Täuschung, ist eine Tatsachenbehauptung, die nicht nur rufschädigend im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB, sondern zugleich auch eine Ehrenbeleidigung nach Abs 1 leg cit ist. (T13) |
4 Ob 2382/96i | OGH | 28.01.1997 |
Vgl auch; Beis wie T8 nur: Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muss grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, so dass das Verbreitete nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. (T14) |
6 Ob 37/98d | OGH | 26.11.1998 |
Beis wie T11; Beis wie T14; Beisatz: Quiz-Kartenspiel. (T15) |
4 Ob 138/99v | OGH | 13.07.1999 |
Auch; Beis wie T9; Veröff: SZ 72/118 |
1 Ob 117/99h | OGH | 27.10.1999 |
Beisatz: Werturteile sind dagegen rein subjektive, einer objektiven Überprüfbarkeit entzogene Aussagen. Sie werden von § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfasst, können aber als Ehrenbeleidigung gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen. (T16) |
6 Ob 265/00i | OGH | 23.11.2000 |
Vgl auch; Beis wie T11; Beisatz: Hier: Verharmlosung. (T17) |
8 ObA 196/02k | OGH | 17.10.2002 |
Beis ähnlich T9; Beis wie T12; Beis wie T14; Beis wie T16 nur: Werturteile sind dagegen rein subjektive, einer objektiven Überprüfbarkeit entzogene Aussagen. (T18) |
6 Ob 114/05s | OGH | 23.06.2005 |
Vgl auch; Beisatz: Der Vorwurf, jemand sei an einem Ereignis (einer Entwicklung) „schuld", beinhaltet nicht immer eine (wahre oder unwahre) Tatsachenbehauptung. Hier: Der Vorwurf ist ein (kritisierendes) Werturteil, wenn er erst aufgrund einer Denktätigkeit gewonnen wird und die rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergibt. (T19) |
6 Ob 295/03f | OGH | 14.07.2005 |
Auch; Beisatz: Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. (T20) |
6 Ob 244/09i | OGH | 19.03.2010 |
Vgl auch; Beis ähnlich wie T1; Beis ähnlich wie T8; Bem: Hier: Bei der inkriminierten Äußerung handelt es sich also nicht um eine (bloß in Verdachtsform verbrämte) Tatsachenbehauptung, sondern eine auf wahren, offengelegten Tatsachen beruhende wertende Aussage. (T22) |
6 Ob 220/10m | OGH | 17.12.2010 |
Beis wie T1 nur: Darin liegt der Unterschied gegenüber den bloßen Werturteilen, die erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden können und die eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben. Es ist demnach entscheidend, ob die Unrichtigkeit der in Frage kommenden Behauptungen bewiesen werden kann. (T23) |
8 ObA 51/10y | OGH | 22.03.2011 |
Auch; Beis ähnlich wie T1; Beis ähnlich wie T8 |
6 Ob 114/11z | OGH | 18.07.2011 |
Beis wie T1 nur: Darin liegt der Unterschied gegenüber den bloßen Werturteilen, die erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden können und die eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben (SZ 11/39). (T24) |
6 Ob 258/11a | OGH | 12.01.2012 |
Beis wie T24; Beis wie T12; Beisatz: Der auf keinem rechtfertigenden Sachverhalt beruhende Lügenvorwurf ist ein ehrverletzendes Werturteil, das als Beschimpfung dem Tatbild des § 1330 Abs 1 ABGB unterliegt. (T25) |
6 Ob 243/11w | OGH | 22.06.2012 |
Beis wie T11; Beis wie T14; Beisatz: Hier: Bezeichnung als fundamentalistischer Moslem und Hassprediger ist wertende Meinungsäußerung. (T26) |
6 Ob 45/14g | OGH | 26.06.2014 |
Auch; Beisatz: Hier: Behauptung der Tatsache, Mitarbeiter der Klägerin hätten der Mutter des Beklagten durch Verabreichung eines überdosierten Beruhigungsmedikaments schweren körperlichen Schaden zugefügt. (T27) |
6 Ob 129/21w | OGH | 02.02.2022 |
Vgl; Beis wie T11; Beisatz: Beurteilung der „Pünktlichkeit“ von Lehrern auf eine Bewertungs-App durch Einordnung auf einer Skala von einem bis fünf Sternen ist ein Werturteil. (T28)<br/> |
4 Ob 20/22b | OGH | 22.11.2022 |
Beis ähnlich wie T4; Beis ähnlich wie T7 nur: Werturteile geben nämlich rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder und können daher objektiv nicht überprüft werden. (T29)<br/>Beisatz: Hier: Die Prognose von Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitern, dass die Klägerin insolvent werden würde, ist kein bloßes Werturteil. (T30) |
Dokumentnummer
JJR_19641209_OGH0002_0060OB00316_6400000_002
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