OGH 6Ob316/64

OGH6Ob316/649.12.1964

SZ 37/176

Normen

ABGB §1330 (2)
ABGB §1330 (2)

 

Spruch:

§ 1330 (2) ABGB.: Der Beklagte muß wenigstens behaupten und unter Beweis stellen, daß er Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsache hatte.

Entscheidung vom 9. Dezember 1964, 6 Ob 316/64. I. Instanz:

Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die klagende Partei begehrt aus dem Gründe des § 1330 (2) ABGB., den Beklagten zu verurteilen, er sei schuldig, die von ihm Anfang Juli 1963 in R. aufgestellte Behauptung, der von der klagenden Partei erzeugte A.-Grünfuttersilo halte nicht länger als fünf Jahre, weil die Säuren das Aluminium auffräßen, zu widerrufen und zu unterlassen sowie dem Kläger die Befugnis zu erteilen, diesen Widerruf in zwei Zeitungen auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen.

Der Kläger erzeugt seit dem Jahre 1960 den Grünfuttersilo, Marke A. Bei einer von der Landwirtschaftskammer St. P. veranstalteten Exkursion, an der zirka 50 Personen teilnahmen, wurde sowohl der beim Beklagten aufgestellte Silo der Marke H. (ein amerikanisches Erzeugnis), als auch der beim Nachbarn des Beklagten stehende A.- Silo besichtigt. Der Beklagte, dem von den Exkursionsteilnehmern verschiedene Fragen gestellt worden sind, erklärte vor mehreren Leuten auf die Frage der Exkursionsteilnehmerin Barbara B., warum er sich einen H.-Silo und nicht einen A.-Silo gekauft habe, der A.-Silo halte nicht länger als fünf Jahre, die Säuren würden das Aluminium auffressen. Barbara B. teilte diese Äußerung des Beklagten dem Kläger mit.

In rechtlicher Hinsicht erblickte das Erstgericht in der Äußerung der beklagten Partei eine unüberprüfbare Meinungskundgebung und nicht die Behauptung von Tatsachen, die einer Nachprüfung zugänglich ist, und wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden den Partei und ihres Nebenintervenienten Folge. Unter Rechtskraftvorbehalt hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, teilte jedoch nicht dessen Auffassung, daß es sich im vorliegenden Fall um ein unüberprüfbares Werturteil handle. Die Behauptung des Beklagten sei objektiv unrichtig, denn er habe dies im Prozeß zugestanden. Darüber hinaus sei sie - möge der A.-Silo auch noch nicht fünf Jahre in Verwendung stehen - durch technische Versuche und Sachverständigengutachten überprüfbar. Es handle sich daher, obgleich der Beklagte die Behauptung zur Begründung dafür aufstellte, warum er dem H.-Silo den Vorzug gab, nach dem Gesamteindruck um eine Tatsachenbehauptung. Da das Erstgericht aber nicht festgestellt habe, ob der Beklagte die Unwahrheit seiner Äußerung kannte oder nur infolge einer groben Fahrlässigkeit nicht kannte - dafür treffe den Kläger die Beweislast - sei das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien und vom Nebenintervenienten erhobenen Rekursen Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekurs der klagenden Partei und ihres Nebenintervenienten kommt Berechtigung zu, der Rekurs des Beklagten ist nur im Ergebnis begrundet.

Gemäß § 1330 (1) ABGB. kann, wenn durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht wurde, der Ersatz gefordert werden. Dies gilt gemäß § 1330 (2) ABGB. auch dann, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

Tatsachen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sind Umstände, Ereignisse, Eigenschaften eines greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von diesem an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhaltes. Dadurch unterscheiden sie sich von bloßen Werturteilen, die erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden können und die eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben (SZ. XI 39). Es ist demnach von entscheidender Bedeutung, ob die Unrichtigkeit der in Frage kommenden Behauptung bewiesen werden kann. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine Meinungskundgebung des Erklärenden (SZ. XXXV 113, GR 1963 S. 28). Im vorliegenden Falle hat das Berufungsgericht richtig erkannt, daß die Behauptung des Beklagten, die Säuren des Grünfutters würden eine Korrosion an dem Material, aus dem der A.-Silo hergestellt ist, herbeiführen, zumindest durch Sachverständigengutachten überprüfbar ist. Damit gewinnt aber auch der andere Teil der in Rede stehenden Äußerung des Beklagten über die beschränkte Haltbarkeit des Silos tatsächlich Gehalt (vgl. SZ. XXV 18). Es ändert nichts an dem Charakter der Behauptung, daß der Beklagte sie als Antwort auf die Frage gegeben hat, warum er sich einen H.-Silo und nicht einen A.-Silo gekauft hat.

Der Rekurs des Beklagten, in dem die Ansicht vertreten wird, es handle sich bei der in Rede stehenden Behauptung nur um ein Werturteil, ist daher seinem Inhalt nach nicht im Recht. Dagegen ist der Rekurs des Klägers begrundet. Es hat zwar im Falle des § 1330

(2) ABGB. der Kläger zu beweisen, daß die verbreitete Tatsache unwahr ist (Ehrenzweig II/1 S. 659). Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Unwahrheit außer Streit gestellt wurde. Der Beklagte muß demnach sachfällig werden, wenn er diese Unwahrheit wenigstens kennen mußte. Die Anwendung der Bestimmung des letzten Satzes des § 1330 ABGB. kommt hier nicht in Betracht, weil sie voraussetzen würde, daß der Beklagte oder die Empfängerin der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Das wurde nicht behauptet und trifft auch gar nicht zu (Frau B. hatte ja bereits einen Silo A. gekauft, für sie war daher die Mitteilung des Beklagten, an der dieser selbst gar kein Interesse haben konnte, ohne praktische Bedeutung). Es genügt daher für die Verurteilung des Beklagten zum Widerruf, wenn der Kläger dartut, daß es eine Fahrlässigkeit des Beklagten bedeute, daß dieser die Unwahrheit seiner Mitteilung nicht kannte (SZ. XXIII 354). Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Ungeachtet der den Kläger nach § 1330 (2) ABGB. grundsätzlich treffenden Beweislast muß doch der Beklagte, der behauptet, daß ihn nicht einmal eine Fahrlässigkeit bei der Verbreitung einer erwiesenermaßen unrichtigen Tatsache treffe, wenigstens behaupten und unter Beweis stellen, daß er Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsache hatte. Wollte man auch hier dem Kläger die Beweislast aufbürden, würde dies zur Unanwendbarkeit des zweiten Absatzes des § 1330 ABGB. führen, denn der Beweis, daß ein Beklagter gar keine Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm behaupteten Tatsachen hatte, ist nicht zu erbringen. Wenn derjenige, der eine unrichtige Tatsache verbreitet, nicht einmal darzutun vermag, daß er Anhaltspunkte für die Richtigkeit der verbreiteten Tatsache hätte, ist eben damit der Beweis erbracht, daß die Verbreitung zumindest grob fahrlässig erfolgte. Der Beklagte hat nun in dem ganzen Verfahren nicht behauptet, solche Anhaltspunkte gehabt zu haben, sondern im Gegenteil bereits in der Klagebeantwortung vorgebracht, wie auch als Partei ausgesagt, er habe gehört, daß der A.-Silo 50 Jahre halten werde. Da auch die Frage, ob Wiederholungsgefahr vorliegt und daher das Unterlassungsbegehren gerechtfertigt ist und ob eine Gefährdung des Erwerbes des Klägers gegeben ist, auf Grund der getroffenen Feststellungen beantwortet werden können, erscheint die Sache spruchreif und daher der Rekurs des Klägers und seines Nebenintervenienten und im Ergebnis auch der Rekurs des Beklagten, soweit darin Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt war,

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