Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 17.067,16 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (davon S 2.844,43 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Begründung
Der Kläger hat einen Gewerbeschein für das Anmeldungsgewerbe des "Werbungsvertreters". Er war für die Erstbeklagte, welche die Medieninhaberin und Verlegerin der Zeitschrift "Fremdenverkehr (FM)" ist, fast zehn Jahre hindurch bis Mai 1988 als selbständiger Anzeigenvermittler tätig. Die Zweitbeklagte ist die Komplementärgesellschaft der Erstbeklagten, der Drittbeklagte Geschäftsführer der Zweitbeklagten sowie Herausgeber und Chefredakteur der genannten Zeitung.
In der Ausgabe Nr. 6 (Juni)/1988 dieser Zeitung veröffentlichte der Drittbeklagte unter der Überschrift "Abgang" folgende Mitteilung:
"Nach groben Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen der ihm anvertrauten Kunden hat Werner A. T*** den M***-V*** nach neuneinhalb Jahren Mitarbeit bei Nacht und Nebel verlassen. FM bedauert, daß diverse Inseratenkunden zu Schaden gekommen sind, betrachtet den Werkvertrag mit Herrn T*** durch seine Schuld als gelöst und wird zur Einbringung des entstandenen Verlustes gegenüber Herrn T*** alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen."
Der Kläger behauptet, daß diese über ihn verbreiteten Tatsachen unwahr seien; als Pauschalverdächtigungen seien sie überdies einem Wahrheitsbeweis entzogen. Die Beklagten hätten damit gegen §§ 1 und 7 UWG verstoßen. Er begehrt zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, den Beklagten bis zur Rechtskraft des Urteils die Behauptung zu verbieten, es sei bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen seiner Kunden zu groben Unregelmäßigkeiten gekommen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Die beanstandete Behauptung sei erweislich wahr. Der Kläger habe an die "FM" Anzeigenaufträge weitergeleitet, ohne tatsächlich von den betreffenden Unternehmen dazu beauftragt gewesen zu sein; das sei bei der Rechnungslegung an die vermeintlichen Auftraggeber zutagegekommen. Diese hätten entweder stillschweigend bezahlt oder ihr Befremden über die Vorgangsweise der Erstbeklagten geäußert. Eine Pauschalverdächtigung liege nicht vor. Die Beklagten hätten ein Interesse daran gehabt, die Anzeigenkunden über diese Vorgänge aufzuklären.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und nahm folgendes als bescheinigt an:
Bei der Durchführung derartiger Anzeigenaufträge kommt es, nicht zuletzt wegen der in diesem Geschäftszweig üblichen mündlichen Auftragserteilung, des öfteren zu Reklamationen der Anzeigenkunden wegen vereinbarungswidriger Ausführung der Inserate, aber auch wegen gänzlichen Fehlens einer Auftragserteilung. Derartige Differenzen gab es auch während der Tätigkeit des Klägers für die Erstbeklagte. Sie wurden dadurch gelöst, daß die Erstbeklagte unzufriedenen Kunden zusätzliche "PR" (= Publik Relation)-Artikel anbot oder die Kunden Abweichungen vom Auftrag im Hinblick auf die guten Geschäftsverbindungen in Kauf nahmen und das Inserat bezahlten. Wenn eine solche Einigung nicht zustande kam - vor allem dann, wenn die Auftragserteilung an sich bestritten worden war -, zahlte der Kläger die vollen Kosten des Inserates. Dies war während der fast zehnjährigen Tätigkeit des Klägers für die Erstbeklagte etwa zwanzigmal der Fall.
In letzter Zeit beschwerten sich unter anderem das Reisebüro V*** (mit Schreiben vom 22.2.1988), das Bedarfsluftverkehrsunternehmen JET-AIR (mit Schreiben vom 22.4.1988), die P*** S*** (mit Schreiben vom 13.5.1988), das Reisebüro F*** (mit Schreiben vom 30.6.1988) und das L*** S*** (mit Schreiben vom 8.7.1988) über Inseratenrechnungen wegen fehlender Auftragserteilung, ferner das Reisebüro T*** mit Schreiben vom 29.6.1988 wegen Überschreitung des Anzeigenauftrages. Ein Schaden der reklamierenden Anzeigenkunden ist nicht feststellbar.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß zwischen den Streitteilen ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Der gegen den Kläger erhobene Vorwurf verstoße gegen § 7 Abs 1 UWG. Die Beanstandungen der Kunden im ersten Halbjahr 1988 rechtfertigten die Behauptung "grober Unregelmäßigkeiten" nicht, weil derartige Reklamationen in diesem Geschäftszweig keine Seltenheit seien und ein Schaden der Kunden nicht bescheinigt sei. Im übrigen handle es sich um eine dem Wahrheitsbeweis entzogene Pauschalverdächtigung des Klägers, so daß die Vorgangsweise des Drittbeklagten auch iS des § 1 UWG sittenwidrig sei.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es nahm folgenden ergänzenden bzw. von der erstgerichtlichen Beweiswürdigung abweichenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Der Kläger, der jetzt selbständig für den "M***-V***" im Anzeigengeschäft tätig ist, habe der Erstbeklagten wiederholt nicht erteilte Anzeigenaufträge gemeldet. Das gehe aus den zahlreichen Reklamationsfällen und dem Umstand hervor, daß der Kläger in zwanzig nicht anders regulierbaren Fällen bereit gewesen war, die Inserate selbst zu bezahlen, und dies auch im Jahr 1988 getan hätte, wenn er noch für die Erstbeklagte tätig gewesen wäre. Das Verhalten des Klägers bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen lasse sich nicht mit bloßen Mißverständnissen erklären.
Ob es zur Schädigung von Inseratenkunden gekommen sei, könne auf sich beruhen, weil der Kläger gar nicht begehrt habe, den Beklagten die Behauptung einer solchen Schädigung zu verbieten; die wiederholten Anstände mit Kunden seien aber geeignet gewesen, den Ruf und den geschäftlichen Erfolg der Beklagten zu beeinträchtigen. In den etwa zwanzig Fällen, in denen der Kläger die vermittelten Inserate selbst bezahlt habe, sei aber auch (zunächst) ein Schaden eingetreten; durch dessen Wiedergutmachung sei allerdings die Strafbarkeit aufgehoben worden.
Die beanstandete Pressemitteilung der Erstbeklagten enthalte Tatsachen iS des § 7 Abs 1 UWG, weil die Rechtsprechung diesen Begriff weit auslege; es genüge, daß eine Äußerung, wenn auch nur mittelbar, einer objektiven Nachprüfung zugänglich sei. Die beanstandete Behauptung sei aber erweislich wahr, weil der Kläger der Erstbeklagten wiederholt Aufträge "vermittelt" habe, die ihm in Wahrheit gar nicht erteilt worden waren. Branchenübung könne dieses Verhalten des Klägers nicht rechtfertigen. Die Behauptung "grober Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen" sei auch hinreichend konkretisiert. Die Beklagten hätten Anlaß gehabt, der Gefährdung ihres Rufes durch eine Distanzierung vom Kläger entgegenzutreten und ihren Kunden den Sachverhalt zur Kenntnis zu bringen.
Der Kläger erhebt gegen den Beschluß des Rekursgerichtes Revisionsrekurs wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die beantragte einstweilige Verfügung erlassen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagten beantragen in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3, § 526 Abs 3 ZPO). Das Rekursgericht ist im Provisorialverfahren an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht gebunden und kann daher nach der Aktenlage einen von der Tatsachengrundlage des Erstgerichtes abweichenden oder diese ergänzenden Sachverhalt als bescheinigt annehmen (ÖBl 1976, 164; ÖBl 1980, 138 uva). Das Ergebnis dieser Beweiswürdigung kann vom Obersten Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nicht überprüft werden (ÖBl 1980, 139; ÖBl 1988, 74 uva). Die zweite Instanz hat ihr Abgehen von der Beweiswürdigung des Erstgerichtes begründet (S 6, vorletzter Absatz); eine Denkgesetzwidrigkeit ist nicht erkennbar. Die Ausführungen des Revisionsrekurswerbers gehen zum Teil von Annahmen aus, die in der Aktenlage keine Deckung finden. Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.
Wer zu Zwecken des Wettbewerbes über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Schadenersatz verpflichtet; der Verletzte kann auch den Anspruch geltend machen, daß die Behauptung oder Verbreitung der Tatsachen unterbleibe (§ 7 Abs 1 UWG). "Tatsachen" iS dieser Gesetzesstelle sind nach ständiger Rechtsprechung - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften eines greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalts (ÖBl 1973, 105; ÖBl 1978, 151; ÖBl 1984, 5; ebenso Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 39). Die Rechtsprechung legt also den Begriff der "Tatsache" iS des § 7 UWG - zum Schutz des Verletzten - weit aus (JBl 1988, 174). Herabsetzende Tatsachenbehauptungen können auch durch bloße Andeutungen und Umschreibungen verbreitet werden (ÖBl 1974, 114; ÖBl 1981, 122). Unterscheidendes Kriterium zwischen Tatsache und Werturteil ist, ob die Behauptung - wenigstens in ihrem Tatsachenkern - bewiesen werden kann oder ob es sich um eine unüberprüfbare Meinungskundgebung handelt (SZ 34/76; SZ 35/113; SZ 37/176; ÖBl 1973, 105 ua). Der Beklagte trägt die Beweislast für die Wahrheit seiner Mitteilung; entsprechendes gilt für die Verteilung der Bescheinigungslast im Provisorialverfahren (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 115; ÖBl 1978, 92 = SZ 51/39). Der Wahrheitsbeweis ist erbracht, wenn er den Inhalt der Mitteilung im wesentlichen bestätigt (Koppensteiner aaO; 4 Ob 99/88). Gegenstand des vom Kläger erhobenen und zu sichernden Unterlassungsanspruches ist nur die Behauptung der Beklagten, bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen der Kunden des Klägers sei es zu "groben Unregelmäßigkeiten" gekommen. Hiebei handelt es sich im Sinne der oben wiedergegebenen Leitsätze der Rechtsprechung um eine überprüfbare Tatsachenbehauptung, die somit dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Der Ansicht der zweiten Instanz, die Beklagten hätten die Wahrheit ihrer Behauptung bescheinigt, ist zuzustimmen. Der Kläger hält dem entgegen, daß es während der fast zehnjährigen Zusammenarbeit lediglich in etwa zwanzig Fällen in bezug auf die Auftragserteilung Unstimmigkeiten gegeben habe und die Kunden nicht geschädigt worden seien, so daß der auf eine Schädigung hindeutende Vorwurf "grober Unregelmäßigkeiten" nicht erwiesen sei. Mit diesem, nur einen Teil des bescheinigten Sachverhaltes berücksichtigenden Vorbringen verniedlicht der Kläger seine Vorgangsweise: Das Rekursgericht hat aus der Vielzahl der Fälle, in denen er eine von ihm vermittelte Anzeige nach Kundenreklamationen schließlich selbst bezahlte - was dann, wenn es sich um eine ungerechtfertigte Bestreitung durch Kunden gehandelt hätte, angesichts der hohen Einschaltgebühren (Beilagen 6, 7) höchst ungewöhnlich gewesen wäre - den Schluß gezogen, daß das Verhalten des Klägers nicht mit bloßen Mißverständnissen bei der Auftragserteilung erklärt werden kann. Abgesehen von den ca. zwanzig (früheren) vom Kläger durch Zahlung der von den (vermeintlichen) Auftraggebern bestrittenen Anzeigengebühren erledigten Fällen, hat die Erstbeklagte in der kurzen Zeitspanne zwischen 22.2.1988 bis knapp nach dem Ausscheiden des Klägers nicht weniger als sechs Reklamationen (namhafter) Kunden erhalten, von denen sich fünf auf das Fehlen jeder Auftragserteilung berufen hatten. Der Drittbeklagte hat daher dem Kläger wegen dieser neuen Beschwerdefälle eine "Revision aller seiner Inseratenkunden" angekündigt, worauf der Kläger seine geschäftlichen Beziehungen zur Erstbeklagten abbrach. Diese auftragslosen Inserate aus dem Jahr 1988 hat der Kläger auch nicht bezahlt.
Die Beklagten haben daher in ihrer Mitteilung in der Zeitschrift "Fremdenverkehr" mit Recht auf "grobe Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen der Kunden des Klägers" hingewiesen. Auch wenn der Kläger die älteren Streitfälle, bei denen keine Einigung mit den betreffenden Unternehmen zustande gekommen war, durch Zahlung der Anzeigengebühren erledigt hatte, konnte bei den Unternehmen, die gar kein Inserat in Auftrag gegeben hatten und dennoch eine Rechnung erhielten, eine beträchtliche Verärgerung entstehen und dadurch der Ruf der Erstbeklagten empfindlich geschädigt werden, ja es konnte sogar, wenn einem bisher (zufriedenen) Kunden ein nicht bestelltes Inserat in Rechnung gestellt wurde, zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehungen kommen. Das Vortäuschen von Anzeigenaufträgen durch einen selbständigen Werbungsmittler ist daher ein grober Vertrauensbruch, der den Vorwurf "grober Unregelmäßigkeit bei der Abwicklung von Inseratenaufträgen" rechtfertigt.
Dieser nachprüfbare, hinreichend konkretisierte Vorwurf ist auch keine dem Wahrheitsbeweis entzogene Pauschalverdächtigung. Auch liegt kein Fall persönlicher herabsetzender Werbung (Koppensteiner aaO 198 mwN FN 80) vor; die Beklagten hatten vielmehr hinreichenden Anlaß, ihre Kunden zur Wahrung ihres geschäftlichen Rufes auf die Vorgangsweise des nunmehr ausgeschiedenen Klägers aufmerksam zu machen.
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78, 402 EO, 41, 50 ZPO.
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