Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 62.915,- bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 8.812,50 Umsatzsteuer und S 10.040 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
In der Nummer 45 der Tageszeitung ***** vom 24.2.1990, deren Verleger die beklagte Partei ist, findet sich auf S.1 ein Artikel mit der Überschrift "Gewalt", der folgenden Wortlaut hat:
"Gewalttätig ist die "*****Zeitung", gewalttätig ist das neue Sicherheitspolizeigesetz, gewalttätig ist das neue Asylrecht. Gewalttätig ist das Abreißen von Arena, Gassergasse, Ägidygasse und gewalttätig ist, daß es in Österreich Textilarbeiterinnen gibt, die gerade 5.000 bis 6.000 S im Monat verdienen (Gerhard R***** am Runden Tisch vor der Oper). Drinnen in der Oper tragen die Gewalttäter in einer maßlosen Orgie Reichtum und Korruption zur Schau. Frau Billa - freut euch Leute - lädt Durchschlaucht Caroline ein, und der Wiener Bürgermeister tut kund: "Für Plünderer und Brandstifter darf es keinen Pardon geben". Im Laden der Frau Billa auf der Wienzeile ging nämlich eine Auslagenscheibe in Bruch. Die neue Dimension der Gewalt, die am Donnerstagabend aber erstmalig präsentiert wurde, war eine andere: Gegen eine Demonstration, die gefüllt war mit politischen Inhalten - vom Asylrecht bis zum Mietenwucher und der Frauenunterdrückung - kooperierten die Wiener Polizeispitze und das Innenministerium offen mit rechtsradikalen Jugendlichen. Die schlecht vermummten Provokateure innerhalb der Polizei taten das übrige. Zeit für Rücktritte. Der Erfolg gilt der mutigen außerparlamentarischen Opposition, die gegen diese strukturelle Gewalt von Politik und Exekutive demonstriert hat."
Die klagende Partei als Medieninhaberin der periodischen Druckschrift *****Zeitung begehrte die Fällung des Urteiles, die beklagte Partei sei schuldig, unrichtige und herabsetzende Äußerungen über das Unternehmen der klagenden Partei, insbesondere die Äußerung, gewalttätig ist die *****Zeitung, drinnen in der Oper tragen die Gewalttäter in einer maßlosen Orgie Reichtum und Korruption zur Schau, zu unterlassen. Gestellt wurde weiters ein Widerrufs- und ein Veröffentlichungsbegehren. Der Artikel stelle eine grobe Verunglimpfung der *****Zeitung dar. Wie unbegründet diese Behauptung der beklagten Partei sei, zeige deutlich der Umstand, daß im weiteren Text des Artikels die *****Zeitung überhaupt nicht mehr erwähnt, dennoch aber ihre Verunglimpfung an die Spitze des Textes gestellt werde. Damit trete auch die Absicht der beklagten Partei klar zutage, die *****Zeitung zu beleidigen und in ihrem Kredit, Erwerb und Fortkommen in existenzieller Weise zu beeinträchtigen oder zumindest zu gefährden. Es liege sowohl eine Beschimpfung als auch die Behauptung unrichtiger Tatsachen vor. Durch die Behauptung, die *****Zeitung sei gewalttätig, sei zweifellos eine Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse der klagenden Partei gegeben. Die beklagte Partei habe darüber hinaus schuldhaft gehandelt, da bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt der Artikel nicht veröffentlicht worden wäre.
Die beklagte Partei wendete ein, sie habe nur ein Zitat wiedergegeben. Mit den Worten "drinnen in der Oper tragen die Gewalttäter in einer maßlosen Orgie Reichtum und Korruption zur Schau", sei ein erkennbarer Bezug zur klagenden Partei nicht hergestellt. Die Äußerung beziehe sich auf die den Opernball besuchenden physischen Personen. Im übrigen gebe es genügend Anhaltspunkte für eine gewalttätige Schreibweise der *****Zeitung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die *****Zeitung behaupte, daß durch die Äußerung, sie sei gewalttätig, ihre wirtschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse gefährdet werden. Die Behauptung einer Tatsache liege zwar dann vor, wenn deren Inhalt auf seine Richtigkeit überprüft werden könne, doch könne eine Tageszeitung wohl nicht gewalttätig sein. Unter Gewalttätigkeit könne zwar jedermann je nach seiner persönlichen Einstellung etwas anderes verstehen, doch sei dieses Wort im Zusammenhang mit Zwang, Rücksichtslosigkeit, Roheit und Gewalt zu sehen. Auch bei sehr weiter Interpretation könne das Gericht nicht erkennen, wie eine Zeitung in concreto gewalttätig sein könne. Es sei diese Äußerung daher nur im Sinne eines nicht überprüfbaren Werturteiles zu verstehen, so daß der Klage schon aus diesem Grund ein Erfolg versagt bleiben müsse. Auch die Gefährdung von wirtschaftlichen Beziehungen und Verhältnissen der klagenden Partei sei schwer vorstellbar, weil die V***** im Verhältnis zur *****Zeitung nur von einer so kleinen Leserzahl gelesen werde, daß durch Artikel der vorliegenden Art bei der *****Zeitung mit keinem meßbaren Sinken der Auflagenzahl zu rechnen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge. Es erkannte die beklagte Partei schuldig, die herabsetzende Äußerung, die *****Zeitung sei gewalttätig, zu unterlassen. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt, die ordentliche Revision wurde zugelassen. Die inkriminierte Äußerung, gewalttätig ist die *****Zeitung, stelle eine Ehrenbeleidigung im Sinn des § 1330 Abs.1 ABGB dar, auf Grund derer dem Beleidigten ein Unterlassungsanspruch zustehe. Auch bei Beleidigung von periodischen Druckschriften könne der Beleidiger in Anspruch genommen werden. Werde einer Zeitung vorgeworfen, sie sei gewalttätig, so könne dies als üble Nachrede (Schmähung) im Sinn des § 111 StGB, allenfalls als eine Beschimpfung im Sinn des § 115 StGB gewertet werden. Die Erklärung einer Zeitung, eine andere Tageszeitung sei gewalttätig, sei, wenn zur Begründung dieses Vorwurfs keine Tatsachen angeführt würden, ein abfälliges Werturteil und als unsubstantiierte Ehrverletzung zu werten. Daß der Verfasser des Artikels "Gewalt" auch die *****Zeitung zu den Gewalttätern zähle, die drinnen in der Oper in einer maßlosen Orgie Reichtum und Korruption zur Schau tragen, könne dem Artikel nicht entnommen werden, da in diesem Absatz nur einige, in der Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeiten, nicht aber die *****Zeitung erwähnt werde. Der klagenden Partei stehe daher nur ein Unterlassungsanspruch nach § 1330 Abs.1 ABGB zu.
Beide Teile erheben Revision, nur die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht beider Revisionen beinhalten die inkriminierten Stellen nicht die Verbreitung von Tatsachen, sondern die Wiedergabe bloßer Wertungen. Im Sinn des § 1330 Abs.2 ABGB wird nach ständiger Rechtsprechung und einheitlicher Lehre jede Aussage als Tatsache verstanden, deren Inhalt auf ihre Wahrheit hin objektiv nachgeprüft werden kann (ecolex 1990, 765; MR 1990, 184; ÖBl.1990, 18; MR 1990, 66; MR 1990, 68; MR 1989, 64; SZ 61/193; SZ 60/255; JBl.1980, 481 uva; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174 f; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 6 zu § 1330; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1330; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 39; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 Bd.II 113 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, Rz 4 zu § 14 dUWG; Mertens in Münchener Kommentar2, Rz 9 zu § 824 BGB); die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muß grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein (Karl Schäfer in Staudinger12, Rz 14 zu § 824 BGB; Schwerdtner in Münchener Kommentar2, Rz 253 zu § 12 BGB; Soergel-Zeuner12, Rz 7 zu § 824 BGB; Steffen in BGB-RGRK2, Rz 13 zu § 824), so daß das Verbreitete nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (Karl Schäfer, aaO Rz 15). Wird eine sonst subjektive Wertung, die allein einen Anspruch nach § 1330 Abs.2 nicht begründen könnte, aufgrund konkreter dargestellter unwahrer Tatsachen gezogen, wird darin insgesamt das Verbreiten von Tatsachen erblickt (MR 1990, 66; MR 1989, 64; SZ 60/255; JBl.1980, 481 uva; Koziol aaO; Harrer aaO Rz 11; Baumbach-Hefermehl aaO; Karl Schäfer aaO Rz 15). Diese unwahren Tatsachen müssen die Schlußfolgerungen tragen, die sich damit von der entsprechenden Tatsachengrundlage sinnvollerweise nicht ablösen lassen (Mertens aaO Rz 22). Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, die die inkriminierten Äußerungen hinterlassen (MR 1990, 184;
Steffen aaO Rz 14); das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers ist maßgeblich (SZ 63/2; SZ 62/208;
Schwerdtner aaO Rz 253; Mertens aaO Rz 13; Karl Schäfer aaO Rz 16; Seitz-Schmidt-Schömer, NJW 1980, 1555). Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Artikel im Zentralorgan einer politischen Partei. Wie sich aus dem Zusammenhalt ergibt, versteht diese im Sinne ihrer Ideologie erkennbar unter dem Wort "gewalttätig" etwas völlig vom normalen Sprachgebrauch Verschiedenes. Gewalttätig sind danach nicht die Opernballdemonstranten, sondern jene Medien, Gesellschaftskreise und Staatsorgane, die es durch ihre repressive Politik (= "strukturelle Gewalt") zu solchen Demonstrationen überhaupt erst kommen lassen. Solche durch keinerlei Tatsachenangaben substantiierte politisch motivierte Äußerungen sind erkennbar Ergebnis eines durch das Parteiprogramm der beklagten Partei bestimmten und beeinflußten Denkprozesses. Politisch verbrämte Äußerungen wollen im Zweifel weniger Tatsachen verbreiten als Wertungen abgebend meinungbildend sein (vgl. Schwerdtner aaO Rz 254; Mertens aaO Rz 15; Seitz-Schmidt-Schömer in NJW 1980, aaO).
Damit fehlt es an einer Tatsachenverbreitung im Sinn des § 1330 Abs.2 ABGB. Es bleibt zu prüfen, ob der klagende Medieninhaber aktiv legitimiert ist, eine Ehrenbeleidigung, die sich gegen das von ihm in Verkehr gebrachte periodische Medienwerk richtet, nach § 1330 Abs.1 ABGB geltend zu machen. Korn (MR 1991, 147 f) hat zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23.5.1991, 7 Ob 535/91 = MR 1991, 146, die wegen der gleichen Äußerung gegen den auch im vorliegenden Fall zitierten Redner erging, kritisch angemerkt, daß juristische Personen zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1330 Abs.1 ABGB überhaupt nicht legitimiert seien. Dies ist unzutreffend. § 26 ABGB normiert ausdrücklich, daß juristische Personen in der Regel die gleichen Rechte wie natürliche Personen haben. Daraus wird der zutreffende Schluß gezogen, daß juristischen Personen auch das Recht auf Ehre zukommt (Aicher in Rummel2 Rz 17 zu § 26 ABGB; Posch in Schwimann, ABGB, Rz 21 zu § 26; Koziol aaO II 7; vgl. Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht2 95; Hübner, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Gesetzbuches, Rz 122). Ostheim, Zur Rechtsfähigkeit von Personenverbänden 156, schränkt dies insofern ein, als eine juristische Person unmittelbar in ihrer Ehre nur insofern beeinträchtigt sein kann, als es sich um ihre soziale Wertstellung innerhalb der Gemeinschaft handelt. Korn zieht, wie seine weiteren Ausführungen zeigen, seinen unzutreffenden Schluß, juristischen Personen komme ein zivilrechtlicher Ehrenschutz nicht zu, daraus, daß ihnen in der Regel auch strafrechtlicher Ehrenschutz nicht gewährt wird. Eine Ehrenbeleidigung nach bürgerlichem Recht ist aber unabhängig davon, ob strafrechtliche Ahndung möglich erscheint, jedes der Ehre eines anderen nahetretendes Verhalten (MR 1991, 146, SZ 61/193 je mwN). Auch die Entscheidung MR 1991, 146 - von Korn aaO in diesem Punkt als kryptisch bezeichnet - ging von dieser Rechtsprechung und Lehre nicht ab. Herabsetzende Verhaltensformen, die strafrechtlich nicht zu ahnden sind, können rechtswidrig im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB sein.
Im vorliegenden Fall wurde aber die klagende Partei selbst auf Grund dieses Werturteiles in ihrer Ehre nicht beeinträchtigt. Angriffsziel war in erster Linie ein periodisches Medienwerk, dessen Medieninhaberin die klagende Partei ist. Dieses periodische Medienwerk ist als geistiges Erzeugnis selbst nicht Rechtssubjekt. Ehrenrührige Äußerungen, mit denen ein solches Werk herabgesetzt wird, können daher nicht das Objekt selbst betreffen, sondern es sollen damit ersichtlich jene (juristischen oder natürlichen) Personen herabgesetzt werden, die an der Herstellung eines solchen Werkes beteiligt sind. Dazu gehören neben dem Medieninhaber vor allem aber auch der Herausgeber (und sein Redaktionsteam). Nach § 1 Abs.1 Z 9 MedienG bestimmt der Herausgeber die grundlegende Richtung des periodischen Mediums. Ihm steht die Befugnis zu, die Blattlinie festzusetzen, er hat auch das Recht, eine Änderung der grundlegenden Richtung vorzunehmen (RV 2 BlgNR 15.GP 49). Ihm steht somit die Richtlinienkompetenz zu (MR 1989, 183; Hartmann-Rieder, Kommentar zum Mediengesetz 34). Es ist durchaus denkbar, daß sich ehrenrührige Angriffe gegen ein periodisches Medienwerk ersichtlich gegen den Medieninhaber richten, so wenn etwa behauptet wird, das Blatt werde aus dubiosen Quellen finanziert und ähnliches. Wird der ehrverletzende, eine Wertung enthaltende Angriff gegen die geistige Gestaltung, Blattlinie, die Berichterstattung und Aufmachung der Artikel gerichtet, trifft dieser Vorwurf nicht die soziale Stellung des dafür nicht verantwortlichen Medieninhabers, sondern in erster Linie den diese geistige Richtung bestimmenden Herausgeber, allenfalls den Chefredakteur oder, sollte diese ehrenrührige Wertung auf Grund bestimmter Artikel erfolgt sein, den dafür verantwortlichen Ressortchef oder Journalisten. In einem solchen Fall wird die auf journalistische Tätigkeit gegründete Ehre und nicht die des dahinterstehenden Unternehmers beeinträchtigt (vgl. Hartmann-Rieder, Mediengesetz 109). Nur der Herausgeber und die sonst betroffenen Journalisten sind daher in einem solchen Fall zu Klagen, die auf das Privatrecht gegründet sind, aktiv legitimiert. Die Wertung, das Druckwerk selbst sei gewalttätig, betrifft ausschließlich einen Vorwurf gegen die Blattlinie. Damit sollte aufgezeigt werden, daß die Unterstützung einer nach Ansicht der beklagten Partei repressiven Gesellschaft und der damit verbundene Ruf nach Recht und Ordnung, weil Gewalt schaffend, selbst gewalttätig sei; dieser Vorwurf richtet sich ausschließlich gegen die innere Blattlinie, die nach dem Willen des Mediengesetzes nicht vom Medienunternehmer, sondern vom Herausgeber und seinem Redaktionsteam bestimmt und gestaltet wird. Die Ehre des Medieninhabers konnte daher durch diesen Vorwurf nicht beeinträchtigt werden.
Da sich die mangelnde Sachlegitimation bereits aus dem Vorbringen der Klage ergibt, genügte für ihre Wahrnehmung der Antrag der beklagten Partei auf Abweisung des Begehrens. Schon aus diesem Grunde ist nur der Revision der beklagten Partei Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichtes ist dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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