OGH 1Ob652/77

OGH1Ob652/7731.8.1977

SZ 50/111

 

 

Spruch:

Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs.2 ABGB sind alle objektiv nachprüfbaren Umstände; den Beweis ihrer Unwahrheit hat der Kläger zu erbringen

Der durch die Verbreitung kreditschädigender Tatsachen Benachteiligte kann zwar Widerruf und dessen Veröffentlichung sowie darüber hinaus bei Wiederholungsgefahr auch Unterlassung, nicht aber Veröffentlichung des dazu verhaltenden Urteils begehren

Die sachliche Immunität gibt dem Abgeordneten nicht das Recht, sanktionslos wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen im Vertretungskörper, dem er angehört, auch außerhalb dieses Forums, wenn auch unter Hinweis auf seine in diesem abgegebenen Äußerungen, zu wiederholen oder gar zu verdeutlichen

 

OGH 31. August 1977, 1 Ob 652, 653/77 (OLG Graz 6 R 55/77; LG Klagenfurt 17 Cg 138/76)

 

Begründung:

Der Kläger ist Inhaber eines Unternehmens zur Herstellung von Textil- und Papierdruckmaschinen mit zwei Betriebsstätten in K und einer dritten (Werk II) in V; nur in letzterer Betriebsstätte ist weder ein Arbeiter- noch ein Angestelltenbetriebsrat vorhanden. Der Beklagte ist wirtschaftspolitischer Referent für das Arbeitsmarktwesen der Kammer für Arbeiter und Angestellte in K und seit April 1975 Abgeordneter zum Kärntner Landtag. Anläßlich der Budgetdebatte vom 24. bis 28. November 1975 führte der Beklagte im Kärntner Landtag aus, daß die Betriebe, die gegenwärtig Schwierigkeiten hätten, vielfach organisatorische Mängel aufwiesen, in einigen Fällen eine falsche Sortimentspolitik und manchmal ein zu loses Management hätten; in manchen Fällen seien auch zu hohe Privatentnahmen festzustellen. Der Beklagte betonte dann, daß es auch in Kärnten sehr tüchtige und leistungsfähige Unternehmer gebe, die in den letzten Jahren wirklich einen sehr positiven Beitrag zur Entwicklung des Bundeslandes geleistet hätten. Es sei für die Gewerkschafter und Vertreter der Arbeitnehmer nur interessant, daß jene Betriebe, die in erster Linie Schwierigkeiten hätten, meistens keinen Betriebsrat hätten und mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß stunden. Nachdem der Abgeordnete W den Namen der Firma des Klägers genannt hatte, sagte der Beklagte: "Ja, die Firma Z. Welche Probleme dort waren, seit wann diese Firma Betriebsräte hat und welche Probleme mit der Gewerkschaft waren, das werden Sie wahrscheinlich wissen, Herr Abgeordneter W. Die K-Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 29. November 1975, daß der Beklagte im Zusammenhang mit der abgegebenen Äußerung die Firma des Klägers genannt habe. Auf Grund dieser Darstellung sah sich der Obmannstellvertreter des Angestelltenbetriebsrates des Werkes I des Klägers veranlaßt, in einem am 5. Dezember 1975 abgedruckten Leserbrief mitzuteilen, daß es in den Werken I und III sehr wohl einen Arbeiter- und einen Angestelltenbetriebsrat gebe. In der Ausgabe der K-Zeitung vom 13. Dezember 1975 erschien darauf folgender vom Beklagten verfaßter und gefertigter Leserbrief, dem die K-Zeitung die Überschrift "Z. Werk II ohne Betriebsrat" voransetzte: "Zu dem in der Ausgabe vom 5. Dezember veröffentlichten Leserbrief "P hat nicht recht" darf ich wie folgt Stellung nehmen: In der genannten Budgetdebatte habe ich in meiner Wortmeldung festgestellt, daß gerade jene Betriebe in Schwierigkeiten geraten seien die vielfach organisatorische Mängel, eine falsche Sortimentspolitik, ein zu loses Management bzw. zu hohe Privatentnahmen aufzuweisen hätten. Darüber hinaus habe ich auch darauf hingewiesen, daß es interessanterweise gerade jene Betriebe seien, die meist über keinen Betriebsrat verfügen bzw. auch mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß stunden. Wie auch aus dem Leserbrief zu entnehmen ist, gehört die Firma Z, die ich namentlich genannt habe, zu jenem Kreis, da sich im Werk II kein Betriebsrat befindet. Dieser Leserbrief war mit den Worten "LAbg. Dr. P" gezeichnet.

Der Kläger Z begehrt das Urteil, der Beklagte P sei schuldig, a) Äußerungen des Inhalts, daß gerade jene Betriebe in Schwierigkeiten geraten seien, die vielfach organisatorische Mängel, eine falsche Sortimentspolitik, ein zu loses Management bzw. zu hohe Privatentnahmen aufzuweisen hätten und daß es gerade jene Betriebe seien die meist über keinen Betriebsrat verfügen bzw. auch mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß stunden im Zusammenhang mit dem Unternehmen des Klägers zu unterlassen, b) die in seinem Brief vom 5. Dezember 1975 an den Chefredakteur der K-Zeitung Heinz S gemachte Äußerung, daß gerade jene Betriebe in Schwierigkeiten seien die vielfach organisatorische Mängel, eine falsche Sortimentspolitik, ein zu loses Management bzw. zu hohe Privatentnahmen aufzuweisen hätten und daß es gerade jene Betriebe seien die meist über keinen Betriebsrat verfügen bzw. mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß stehen und daß das Unternehmen des Klägers zu jenen Betrieben gehöre, zu widerrufen, c) darin einzuwilligen, daß der Kopf und Tenor dieses Urteiles in einer der ersten vier Samstagausgaben der K-Zeitung auf Kosten des Beklagten auf der Seite der Leserbriefe in einem Ausmaß von 6 x 6 cm mit fett gedrucktem Rand und der fett gedruckten Überschrift "Im Namen der Republik" sowie gesperrt gedruckter Bezeichnung der Parteien veröffentlicht werde. Die zur Veröffentlichung bestimmten Äußerungen des Beklagten in seinem Schreiben vom 5. Dezember 1975 an die K-Zeitung gefährdeten den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen des Klägers; der Beklagte habe die Unwahrheit, die durch Sachbefund über die Unternehmensführung, buchhalterischen Sachbefund und Parteienvernehmung erwiesen werden könnte, kennen müssen. Der Beklagte erwiderte, er habe den Kläger mit seinen Äußerungen in der Budgetdebatte nicht in Zusammenhang gebracht. Auch in seinem Leserbrief habe er dem Kläger nicht organisatorische Mängel, falsche Sortimentspolitik, zu loses Management bzw. zu hohe Privatentnahmen vorgeworfen. Sollte der Kläger die Äußerungen aber auf sich beziehen, bleibe es ihm überlassen, das Gegenteil zu beweisen. Die Behauptung im Leserbrief, daß das Werk II keinen Betriebsrat habe, sei richtig, ebenso, daß die Firma des Klägers mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß stehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bestehe kein Anlaß zur Annahme, daß die Äußerungen des Beklagten in der Budgetdebatte nicht auf das Unternehmen des Klägers gemünzt gewesen wären. Jeder Zweifel sei jedenfalls durch den Leserbrief ausgeschlossen worden. Durch die Äußerungen des Beklagten in der Budgetdebatte und dessen Leserbrief seien negative wirtschaftliche Auswirkungen für das Unternehmen des Klägers entstanden. Mehrere Gläubiger hätten versucht, vom Kläger wegen der damit ausgelösten Unruhe Zahlung vor Fälligkeit zu erlangen, Geschäftsabschlüsse seien gestört und teilweise gehindert worden. Zahlungsschwierigkeiten bei der Firma des Klägers habe es nie gegeben. Die Betriebsstätte in V sei erstklassig geführt und arbeite mit hoher Aktivität. Die wahrheitswidrige Behauptung, der Kläger stehe mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß, beeinträchtigt das Betriebsklima erheblich, da die Mitarbeiter gegenüber der Unternehmensleitung ängstlich und mißtrauisch seien. Der Beklagte habe weder behauptet noch bewiesen, daß er auch nur Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachen gehabt habe. Die Äußerungen im Leserbrief des Beklagten stimmten, vom Fehlen von Betriebsräten im Werk II abgesehen, nicht.

Das Berufungsgericht änderte mit Teilurteil das erstgerichtliche Urteil insoweit ab, als es das Veröffentlichungsbegehren abwies; im übrigen hob es das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Unmaßgeblich sei es, ob der Kläger mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß stehe. Der Hinweis auf das Fehlen eines Betriebsrates und das schlechte Verhältnis zur Gewerkschaft durch den Beklagten habe nach seiner Absicht nur den Kreis der in Schwierigkeiten geratenen Firmen zunächst allgemein charakterisieren sollen. Eine gesonderte kredit-, erwerbs- oder fortkommensschädigende Tatsachenbehauptung könne in dieser Bezeichnung nicht erblickt werden, wenn nicht behauptet worden sei, daß der Kläger Lieferant des Österreichischen Gewerkschaftsbundes sei. Die Feststellung, der Kläger sei mit der Gewerkschaft nicht auf Kriegsfuß, werde nicht übernommen, sei aber auch für die Entscheidung des Rechtsstreites unmaßgeblich. Im übrigen seien die Feststellungen des Erstgerichtes unbedenklich und zu übernehmen. Dem Beklagten sei beizupflichten, daß seine Äußerungen in der Landtagsdebatte nicht dahin verstanden werden müßten, daß die Firma des Klägers organisatorische oder andere Mängel aufweise. Entscheidend sei aber, daß unbefangene Lektüre des Leserbriefes dazu habe führen müssen, die Firma des Klägers gehöre zu jenem Kreis von Unternehmungen, die organisatorische Mängel, falsche Sortimentspolitik, zu loses Management bzw. zu hohe Privatentnahmen aufwiesen. Der Beklagte hätte seinen Leserbrief anders formulieren müssen, wenn es wirklich seine Absicht gewesen wäre, nur auf das Fehlen eines Betriebsrates im Werk II hinzuweisen. Das Erstgericht sei auch berechtigt gewesen, negative wirtschaftliche Auswirkungen des Leserbriefes des Beklagten auf das Unternehmen des Klägers allein aus dessen Parteiaussage festzustellen. Daß die summierten Vorwürfe des Beklagten in seinem Leserbrief gänzlich ohne wirtschaftliches Echo gewesen sein könnten, könne angesichts des Gewichtes der aufgestellten Behauptungen und der Position ihres Urhebers wohl nicht angenommen werden. Es genüge im übrigen eine Gefährdung von Kredit, Erwerb oder Fortkommen. Da die Äußerung des Beklagten im Landtag inhaltlich nicht mit dem Leserbrief übereinstimmte, komme dem Beklagten für seinen Leserbrief auch nicht sachliche Immunität (Art. 96 Abs. 2, 33 B-VG) zu. Ein Anspruch auf Veröffentlichung eines ergehenden Urteils stehe dem Kläger allerdings nicht zu, sondern nur auf Veröffentlichung einer Erklärung des Beklagten, so daß dieser Teil des Klagebegehrens abzuweisen sei. Im übrigen müsse aber der Kläger die Unwahrheit der Behauptungen des Beklagten beweisen, da er diese nicht außer Streit gestellt habe. Erst wenn dem Kläger der ihm obliegende Beweis gelungen sei, werde sich das Erstgericht damit auseinanderzusetzen haben, ob der Beklagte Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm verbreiteten Tatsachen hatte und damit den Beweis erbracht habe, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Eine Wiederholungsgefahr scheide nicht deswegen aus, weil der Beklagte mit seinen Äußerungen das Unternehmen des Klägers nicht gemeint haben wolle, sei doch das Gegenteil festgestellt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes sowie den Rekursen beider Parteien gegen dessen Aufhebungsbeschluß nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 1330 Abs. 2 ABGB kann, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit erkannte oder erkennen mußte, u.a. den Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangen. Der Widerruf hat in der Weise zu erfolgen, daß der Beklagte seine wahrheitswidrige Behauptung zurücknimmt (EvBl. 1957/188), was in gleich wirksamer Form wie die Verbreitung zu geschehen hat (Wolff in Klang 2 VI, 164; Ehrenzweig 2 II/1, 660). Der OGH hat in der vom Berufungsgericht bereits zitierten Entscheidung SZ 25/201 auch zum Ausdruck gebracht, daß der Widerruf als subjektive Erklärung desjenigen, der sie abzugeben hat, zu geschehen hat und die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufes auf Grund gerichtlicher Ermächtigung vom Kläger nach § 353 EO vollzogen werden kann, wogegen ein Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils nicht besteht. Der Revision ist beizupflichten, daß die genannte Entscheidung in einem Fall erging, in dem der Widerruf einer Behauptung des Beklagten und daneben die Ermächtigung des Klägers zur Urteilsveröffentlichung begehrt worden war. Das ändert jedoch nichts daran, daß das Gesetz die Urteilsveröffentlichung im § 1330 Abs. 2 ABGB überhaupt nicht erwähnt. Ein Bedürfnis, dem Leser des Widerrufs erkennbar zu machen, daß der Beklagte den Widerruf nicht freiwillig durchführt, sondern auf Grund eines gerichtlichen Urteiles dazu gezwungen ist, besteht aber nicht. Im Gegenteil: Der äußere Schein, der Beklagte widerrufe freiwillig, ist für den geschädigten Kläger der viel wirksamere Schutz als die Erkennbarkeit des gerichtlichen Zwanges. Es mag allerdings sein, daß sich der Leser fragen könnte, warum der Widerruf zu einem so späten Zeitpunkt erfolge; daraus den Schluß ziehen zu müssen, auch die Veröffentlichung des gerichtlichen Urteiles zuzulassen, ist aber nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte behauptet weiterhin, er könne schon deswegen nicht nach § 1330 Abs. 2 ABGB in Anspruch genommen werden, weil ihm die sachliche Immunität des § 31 PreßG bzw. nach Art. 96 Abs. 2, 33 B-VG zukomme. Diese gilt u.a. für wahrheitsgemäße Berichte über die Verhandlungen und öffentlichen Sitzungen von Landtagen. Die sachliche Immunität ist eine politische Konsequenz der persönlichen Immunität und des Prinzips der Öffentlichkeit der Sitzungen; wenn der Abgeordnete selbst wegen seiner Ausführungen im Landtag nicht zur Verantwortung gezogen werden darf, kann man umso weniger den Bericht in der Presse oder eine sonstige Wiedergabe verantwortlich machen (Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 279 FN 196). Nicht der Sinn der sachlichen Immunität kann es aber sein, auch dem Abgeordneten selbst, der im Gegensatz zum Berichterstatter wissen muß, inwieweit seine Behauptungen im Landtag wahr waren, die Möglichkeit zu geben, sanktionslos seine wahrheitswidrigen Behauptungen im Landtag auch außerhalb dieses Forums in Leserbriefen an Zeitungen oder auf andere Weise, wenn auch unter Hinweis auf seine Ausführungen im Landtag, zu wiederholen. Schon gar nicht kann es zulässig sein, sich auf die sachliche Immunität zu berufen, wenn die Beschuldigungen im Leserbrief verändert bzw. verdeutlicht vorgebracht wurden. Der Beklagte gibt aber selbst zu, daß seine Äußerungen im Landtag und seine Behauptungen im Leserbrief nicht voll übereinstimmen. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß - im Gegensatz zur Landtagsdebatte - der Leserbrief so gefaßt ist, daß der unbefangene Leser mehr noch als der Zuhörer der Landtagsdebatte der Überzeugung sein mußte, daß nach Auffassung des Beklagten die Firma des Klägers zu jenen Betrieben gehöre, die wegen vielfacher organisatorischer Mängel, einer falschen Sortimentspolitik, eines zu losen Managements bzw. zu hoher Privatentnahmen in Schwierigkeiten geraten sind. Der Versuch des Rekurses des Beklagten darzutun, der Gebrauch der Worte "darüber hinaus" und "auch" im Leserbrief habe eine klare Zäsur dargestellt und deutlich gemacht, daß die Firma des Klägers nur deswegen zum Kreis jener Betriebe gehöre, die in Schwierigkeiten geraten seien, weil sich im Werk II kein Betriebsrat befinde, muß zunächst schon deswegen fehlschlagen, weil allein das Fehlen eines Betriebsrates in einem von drei Werken noch nicht wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Folge haben muß; vor allem wurde aber der Bezug auf die organisatorischen Mängel usw. eindeutig damit hergestellt, daß von "jenen Betrieben" und von "jenem Kreis" die Rede war. Keine Frage kann auch bestehen, daß es sich beim Vorwurf organisatorischer Mängel, falsche Sortimentspolitik, eines losen Managements bzw. hoher Privatentnahmen um Tatsachenmitteilungen und nicht um Werturteile handelt. "Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB sind nach der ständigen Definition des OGH Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren, von ihm an Hand bestimmter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhalt (EvBl. 1975/146; JBl. 1974, 527; SZ 37/176 u.a.). Schönherr (ÖBl. 1975, 79) hat hiezu allerdings mit Recht kritisiert, daß es bei sinnvoller Auslegung des Tatbestandes der Kreditschädigung nur darauf ankommen könne, ob ein Umstand objektiv nachprüfbar sei (so auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 144). In dem einen wie dem anderen Fall kann es keinem Zweifel unterliegen, daß es sich bei der Unterstellung durch den Beklagten um Tatsachenmitteilungen handle, die überprüfbar seien, was im übrigen der Beklagte selbst zugesteht, wenn er verlangt, daß der Kläger die Wahrheitswidrigkeit seiner Behauptungen beweisen müsse.

Grundsätzlich hat der Kläger auch, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, dem Beklagten gegenüber nur dann Anspruch auf Widerruf seiner Tatsachenbehauptungen, wenn er beweist, daß die vom Beklagten verbreiteten Tatsachen umwahr sind (EvBl. 1975/146; SZ 44/45; SZ 37/176 u.v.a.; Koziol a.a.O., 145; Ehrenzweig 2 II/1, 659). Allein diese den allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen entsprechende Beweislastverteilung entspricht, auch wenn sie für den Kläger manchmal zu Härten führen kann, dem Interesse der Aufrechterhaltung der Meinungsfreiheit (Schönherr a.a.O., 80). Es mag im vorliegenden Fall als eine gewisse Härte erscheinen, vom Kläger zu verlangen, daß er trotz der eher allgemein gehaltenen Tatsachenbehauptungen des Beklagten nun gezwungen ist, die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens aufzudecken, jedoch kann ihm dies, wenn er daraus Ansprüche nach § 1330 Abs. 2 ABGB ableitet, nicht erspart werden. Er hat auch selbst in der Klage nicht nur seine Parteienvernehmung, sondern auch Sachverständigenbeweis angeboten. Damals war dem Kläger allerdings noch nicht bekannt, daß der Beklagte sich vor allem damit verantworten werde, er habe mit seinem Leserbrief die dort behaupteten Mängel nicht auf das Unternehmen des Klägers beziehen wollen. Der Beklagte stellte damit aber, wie der Rekurs des Klägers selbst erkennt, nicht die Unrichtigkeit seiner Behauptungen auch für den Fall, daß sie doch als auf das Unternehmen des Klägers bezogen angesehen werden sollten, außer Streit. Der Kläger kann sich in Bekämpfung des Ergänzungsauftrages des Berufungsgerichtes nicht allein auf seine abgelegte Parteiaussage berufen, wenn das Erstgericht daraus nur im Rahmen der rechtlichen Beurteilung eine sehr vage Feststellung getroffen hat. Hält vielmehr das Berufungsgericht zur Klärung des Sachverhaltes noch weitere Beweise für erforderlich, kann dem der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (SZ 42/2; SZ 40/109 u.v.a.).

Mit der vom Rekurs des Klägers näher behandelten Frage, inwieweit es sich bei den Hinweisen auf den fehlenden Betriebsrat um zusätzliche kreditschädigende Tatsachenbehauptungen handelt, muß sich der OGH nicht näher befassen, da die im Leserbrief allein aufgestellte Behauptung, der Kläger habe im Werk II keinen Betriebsrat, nicht wahrheitswidrig ist. Eine konkrete Behauptung, der Kläger stehe mit der Gewerkschaft auf Kriegsfuß, ist dem Leserbrief aber nicht zu entnehmen, da das Wort "bzw." nach seinem Sinngehalt als "oder" zu lesen ist, die Firma des Klägers vom Beklagten also nur deswegen in "jenen Kreis" einbezogen wurde, weil sich im Werk II kein Betriebsrat befindet. Allein deswegen dem Berufungsgericht die Fällung eines erweiterten Teilurteiles aufzutragen, wäre zwar möglich (EvBl. 1971/10), ist aber weder notwendig noch wegen der relativen Bedeutungslosigkeit des Beisatzes zweckmäßig.

Was das vom Kläger begehrte Unterlassungsurteil betrifft, ist zwar richtig, daß § 1330 Abs. 2 ABGB nur von einem Anspruch auf Schadenersatz, Widerruf und Widerrufsveröffentlichung spricht. Nach ständiger, von der Literatur (Ehrenzweig a.a.O., 661; Wolff a.a.O., 165) gebilligter Rechtsprechung liegt aber der Zweck der angeführten Gesetzesstelle im Schutz der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen vor einer Gefährdung durch Verbreitung wahrheitswidriger Tatsachen, Behauptungen; wenn das Gesetz zur Erreichung dieses Zwecks die Maßnahme eines öffentlichen Widerrufs der Behauptung vorsieht, so kann es nach dieser Rechtsprechung nicht zweifelhaft sein, daß es auch für den Beklagten weniger einschneidende Untersagung derartiger Mitteilungen zuläßt (JBl. 1958, 233; SZ 23/354 u.a.). Aus der Formulierung der Judikatur könnte allerdings der Schluß gezogen werden, daß der Kläger nur Unterlassung statt Widerruf, nicht aber beides verfangen kann; der OGH hat aber auch bereits Begehren auf Unterlassung und Widerruf zugelassen (SZ 36/146). Da die Zielrichtung beider Begehren nicht dieselbe ist, besteht kein Grund, bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht sowohl ein Unterlassungs- als auch Widerrufsbegehren zuzulassen. Wie bei allen Unterlassungsansprüchen muß allerdings, wie der Beklagte mit Recht dartut, Wiederholungsgefahr bestehen (SZ 27/298 u.a.). Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf aber nicht engherzig vorgegangen werden (EvBl. 1972/20; SZ 37/62; SZ 33/130 u.a.). Da der Beklagte nach wie vor den Beweis verlangt, daß seine Behauptungen, die er gar nicht auf die Firma des Klägers bezogen haben will, unwahr seien, kann eine Wiederholungsgefahr nicht geleugnet werden; der Beklagte könnte doch, wenn der Kläger den von ihm verlangten Beweis nicht antreten will, darin ein Zugeständnis erblicken, das ihn zu ähnlichen Behauptungen in Zukunft veranlassen könnte. Bei seinem Prozeßstandpunkt wird hingegen, wenn dem Kläger der Beweis der Unwahrheit der Behauptungen des Beklagten gelingt, ein weiteres Verfahren darüber, inwieweit der Beklagte schuldhaft seine Vorwürfe erhoben hat, nicht mehr zuzulassen sein. Sein Prozeßstandpunkt kann nämlich nur bedeuten, er habe keine Anhaltspunkte dafür gehabt, die auch auf das Unternehmen des Klägers zu beziehenden Beschuldigungen seien wahr. Die Streitfrage, ob der Beklagte nur leicht fahrlässig oder aber grob fahrlässig gehandelt haben müßte, kann daher in diesem Rechtsstreit ungelöst bleiben.

Nicht stattgegeben werden könnte dem Widerrufsbegehren in der derzeitigen Form, da es so nicht exekutionsfähig wäre. Es ist vielmehr erforderlich, daß im Urteilsspruch auch zum Ausdruck kommt, in welcher Form der Widerruf zu erfolgen hat. Die vom Kläger gewünschte Art der Widerrufsveröffentlichung ergibt sich derzeit nur aus dem Begehren auf Urteilsveröffentlichung, das jedoch nunmehr rechtskräftig abgewiesen wurde. Im fortgesetzten Verfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, das Widerrufsbegehren, der sich aus der Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens ergebenden Rechtslage anzupassen.

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