OGH 5Ob375/60

OGH5Ob375/6023.11.1960

SZ 33/130

Normen

ABGB §364
ABGB §523
ABGB §859
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
ABGB §364
ABGB §523
ABGB §859
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14

 

Spruch:

Regelmäßige Voraussetzung der vorbeugenden Unterlassungsklage ist zumindest der Beginn einer Rechtsverletzung.

Entscheidung vom 23. November 1960, 5 Ob 375/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die Klägerin ist nach ihrem verstorbenen Gatten Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 681 KG. H., die Beklagte ist Eigentümerin der angrenzenden Liegenschaft EZ. 2403 derselben Katastralgemeinde. An der Südseite der Liegenschaft der Beklagten hat die Firma C. eine Tankstelle errichtet, die von der Beklagten betrieben wird. Wie die Klägerin behauptet, sei am 26. April 1941 zwischen der Firma C., dem Ehegatten der Klägerin, dessen Vater und der Beklagten ein Vertrag geschlossen worden, durch den der Firma C. ein Geh- und Fahrrecht über die jetzt der Klägerin gehörige Liegenschaft eingeräumt und die Errichtung eines Flugdaches über der Tankstelle gestattet worden sei. Hiebei sei ausdrücklich vereinbart worden, daß dieses Flugdach keine Reklame aufweisen dürfe und in einfachster, der Umgebung angepaßter Form errichtet werden müsse. Nunmehr habe die Beklagte mit Buchstaben Proben auf dem Flugdach veranstalten sowie Ausmessungen vornehmen lassen und beim Stadtmagistrat I. um die Genehmigung der Anbringung einer Neonlichtreklame angesucht. Die zweimalige Anbringung des Wortes "Aral" sowie des Stationszeichens sei ihr auf Widerruf bewilligt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, der Beklagten die Anbringung dieser Reklame auf dem Flugdach zu untersagen, ohne Aufnahme von Beweisen ab. Die Anbringung der Lichtreklame entgegen der Vereinbarung wäre wohl eine eigenmächtige Erweiterung der Dienstbarkeit, die der Klägerin einen Unterlassungsanspruch geben würde. Da die Beklagte aber noch keine solche Schrift angebracht habe, sei das Unterlassungsbegehren zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht. Ein solcher Anspruch wäre erst mit der Anbringung der Reklameschrift gegeben.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache mit Rechtskraftvorbehalt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Für die Zulässigkeit einer Unterlassungsklage sei eine Rechtsverletzung nicht erforderlich, es genüge, daß nach dem bisherigen Verhalten des Verpflichteten eine solche zu befürchten sei. Die Unterlassungsklage könne nie eine schon geschehene Verletzung beseitigen, sondern immer nur vorbeugend wirken, daher müsse die Zuwiderhandlung nicht schon begangen worden sein. Es sei daher notwendig, die zum Nachweis des Klageanspruches und der Zuwiderhandlungsabsicht angebotenen Beweise aufzunehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Gegensatz zum österreichischen Recht enthält das deutsche bürgerliche Gesetzbuch in seinem § 1004 eine ausdrückliche Bestimmung, derzufolge der in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigte Eigentümer einer Sache vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen und, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, auf Unterlassung klagen kann.

Hinsichtlich der beiden sich hieraus für die vorbeugende Unterlassungsklage ergebenden Voraussetzungen, daß nämlich schon eine Beeinträchtigung erfolgt und daß weitere zu besorgen sein müssen, vertritt der Reichsgerichtsrätekommentar zum BGB. (II. Aufl. III/1 S. 640 zu § 1004) die Ansicht, es sei nicht notwendig, daß eine das Eigentum verletzende Handlung schon körperlich vollzogen ist, vielmehr stelle die Drohung mit dem Eingriff selbst schon einen widerrechtlichen Eingriff dar, wenn sie unter solchen Umständen geschieht und von solchen Maßnahmen begleitet ist, daß sich daraus eine ernsthafte Gefahr für das angegriffene Rechtsgut ergibt (Anm. 56). Hinsichtlich der Wiederholungsgefahr wird ausgeführt, daß sie nicht selten aus der Sachlage von selbst hervorgehen wird (Anm. 55).

Für das österreichische Recht vertritt Ehrenzweig (2. Aufl. II/1 S. 10) die Ansicht, daß außer den vertraglichen Unterlassungspflichten und den zwar nicht generell, wohl aber vereinzelt geregelten gesetzlichen Unterlassungspflichten (z. B. §§ 43 und 339 ABGB., §§ 14, 15 UWG. u. a.) kraft analoger Gesetzesanwendung nach dem deutschen Vorbild die vorbeugende Unterlassungsklage überall dort zuzulassen ist, wo eine Unterlassungspflicht besteht und ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis deren vorsorgliche Geltendmachung verlangt. Als regelmäßige Voraussetzung jeder Unterlassungsklage nennt Ehrenzweig die bereits einmal erfolgte Verletzung und eine Wiederholungsgefahr, der eben nur durch die Unterlassungsklage vorgebeugt werden kann.

Wenngleich diese Formulierung ("regelmäßige Voraussetzung") unter besonderen Umständen die Möglichkeit von vorbeugenden Unterlassungsklagen auch dann zuzulassen scheint, wenn eine Verletzung noch nicht stattgefunden hat, sondern nur droht, geht Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 24 f. offenbar doch weiter, indem er die erfolgte Zuwiderhandlung als Tatbestandsmoment der vorbeugenden Unterlassungsklage schlechthin ablehnt und meint, es dürfte genügen, daß eine Rechtsverletzung aus dem Verhalten des Verpflichteten droht; die Klage sei daher zuzulassen, wenn der Schuldner das Recht bestreitet und die Zuwiderhandlung ankundigt.

Der Oberste Gerichtshof glaubt, der Ansicht Gschnitzers, die auch schon von Schlesinger in der 1. Auflage des Kommentars vertreten wurde, in dieser allgemeinen Formulierung nicht folgen zu können, sondern mit Ehrenzweig zumindest den Beginn einer Rechtsverletzung als regelmäßige Voraussetzung der vorbeugenden Unterlassungsklage annehmen zu müssen. Würde man allgemein die bloße Drohung einer Verletzung schon als hinreichende Voraussetzung ansehen, so könnte dies dazu führen, daß der Verpflichtete mit einer unübersehbaren Zahl vielleicht überflüssiger Prozesse bedroht wird. Die bloße Drohung einer Rechtsverletzung wird vielmehr nur unter besonderen Umständen die vorbeugende Unterlassungsklage rechtfertigen, wenn nämlich ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis des Bedrohten dies verlangt, weil das Abwarten einer Rechtsverletzung zu einer nicht wiedergutzumachenden Schädigung führen würde. Solche Fälle sind z. B. im Wettbewerbsrecht denkbar (vgl. die bei Schönherr - Saxl - Wahle, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl., auf S. 337 abgedruckten Entscheidungen, im gleichen Sinne auch die Entscheidung RGZ. 101, 335). Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor. Falls sich aber das Vorbringen der Klägerin als richtig herausstellt, daß die Beklagte zwei Firmen bereits Aufträge zur Anfertigung der den seinerzeitigen Vereinbarungen zuwiderlaufenden Reklameanlage erteilt und die behördliche Genehmigung der Anlage erwirkt hat, sowie daß bereits Ausmessungen und Versuche mit Probebuchstaben vorgenommen wurden, dann liegt nicht mehr eine bloße Drohung einer Rechtsverletzung vor, sondern es hat bereits ein Eingriff in die Rechte der Klägerin stattgefunden. Es wäre nicht einzusehen, warum Versuche mit Probebuchstaben sowie die Vornahme von Vermessungen zur Errichtung der Reklame unter den behaupteten Umständen noch keine Verletzung der Rechte der Klägerin darstellen sollten, und daß etwa erst die Aufstellung des ersten Buchstaben der endgültigen Reklame abgewartet werden müßte.

Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Sie besteht in der ernstlichen Besorgnis weiterer Eingriffe in die von der Klägerin behaupteten Rechte, wobei auf das Verhalten der Beklagten Bedacht zu nehmen ist (vgl. die bei Schönherr - Saxl - Wahle a. a. O. S. 338 ff. abgedruckten Entscheidungen). Die bei der Verhandlung abgegebene unverbindliche Erklärung der Beklagten, sie trage sich gegenwärtig nicht mit dem Gedanken, eine Lichtreklame anzuschaffen, reicht für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr keineswegs hin (vgl. die bei Schönherr - Saxl - Wahle a. a. O. S. 340 f. angeführten Entscheidungen sowie Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 86), zumal die Beklagte ihre Unterlassungspflicht im Prozeß bestreitet.

Mit Recht hat somit das Berufungsgericht dem Erstgericht die Aufnahme der zur Prüfung des Unterlassungsanspruches der Klägerin sowie der Frage, ob dieser bereits verletzt wurde und ob weitere Verletzungen dieses Anspruches drohen, erforderlichen Beweise aufgetragen.

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