OGH 3Ob267/50

OGH3Ob267/5029.11.1950

SZ 23/354

Normen

ABGB §1330
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
UrhG §81
ABGB §1330
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
UrhG §81

 

Spruch:

Nach § 1330 Abs. 2 ABGB. kann auch auf Unterlassung kreditschädigender Mitteilungen geklagt werden. Der Kläger hat in subjektiver Hinsicht nur zu beweisen, daß es eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten bedeutete, wenn er die Unwahrheit seiner Mitteilungen nicht kannte.

Entscheidung vom 29. November 1950, 3 Ob 267/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Lienz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Klagebegehren lautete ursprünglich, der Beklagte sei schuldig, die von ihm verbreitete unwahre Tatsache, daß der Kläger von der NSDAP. oder sonst aus öffentlichen Mitteln 40.000 RM zum Ausbau seines Betriebes erhalten habe, zu widerrufen und die Weiterverbreitung dieser Tatsache in Zukunft bei sonstiger Exekution zu unterlassen.

Bei der Streitverhandlung am 2. August 1946 verbesserte der Kläger

das Begehren, indem er nach den Worten "... erhalten hat" einfügte

"... daß er finanziell schlecht steht, 40.000 S Schulden habe und

deshalb pleite gehen werde".

Am Schluß der mündlichen Streitverhandlung vom 27. September 1946 "verbesserte" der Kläger das Klagebegehren neuerlich dahin, daß der Beklagte schuldig erkannt werde, die Verbreitung der Unwahrheit, daß der Kläger 40.000 S Schulden habe und daß er es nicht mehr "dermachen" werde, d. h. daß er sich finanziell nicht mehr werde halten können, bei Exekution zu unterlassen. Das weitere Begehren zog der Kläger unter Verzicht auf den Anspruch zurück.

Der Erstrichter erkannte in seinem Urteil auf Abweisung des Klagebegehrens.

Über Berufung des Klägers ändert das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteil dahin ab, daß dem Klagebegehren stattgegeben und der Beklagte in den Ersatz der gesamten Verfahrenskosten verfällt wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte sind zutreffend davon ausgegangen, daß auf den vorliegenden Fall die Bestimmungen des § 1330 Abs. 2 ABGB. anzuwenden sind. Die Klage nimmt selbst auf diese Gesetzesstelle Bezug, indem sie anführt, daß die neben anderen Personen auch vom Beklagten verbreiteten Unwahrheiten geeignet seien, den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen des Klägers zu gefährden. Der Kläger vermeint in der Revisionsbeantwortung, es hätten, da nach der letzten Änderung des Klagebegehrens nur mehr ein Unterlassungsanspruch gestellt wird, nicht die Bestimmungen des § 1330 ABGB., die einen Anspruch auf Schadenersatz, Widerruf und Veröffentlichung, nicht aber auf Unterlassung gewähren, sondern die allgemeinen Bestimmungen über den Schadenersatz zur Anwendung zu kommen; es ergebe sich daraus, daß nicht er (der Kläger) den Nachweis zu erbringen habe, daß die Mitteilungen des Beklagten unwahr gewesen sind und daß der Beklagte die Unwahrheit gekannt hat oder doch habe kennen müssen, daß vielmehr der Beklagte den Beweis der Wahrheit seiner Behauptungen zu erbringen habe. Hierin ist der Kläger nicht im Rechte; die Ausführungen von Wolff in Klangs Kommentar zum ABGB., 2. Aufl., VI., S. 33, auf die sich der Kläger in diesem Zusammenhange beruft, besagen bloß, daß schon ein rechtswidriges Verhalten an sich denjenigen, der ein Interesse hat, es zu verbieten, berechtige, seinen Unterlassungsanspruch mit Klage geltend zu machen, und daß es dazu einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung nicht bedürfe, wie sie zum Beispiel in § 14 UnlWG. und § 81 UrhG. enthalten sei. Mit dieser Bemerkung ist aber über die Beweislast des Klägers im Schadenersatzprozeß nichts ausgesagt und insbesondere nicht zum Ausdruck gebracht, daß nicht doch eine für ein bestimmtes Rechtsgebiet bestehende spezielle Regelung den einschlägigen generellen Bestimmungen vorgeht, wie dies im Rahmen der Bestimmungen des 30. Hauptstückes des ABGB. über das Recht des Schadenersatzes und der Genugtuung für die Kreditschädigung durch die Sonderregelung des § 1330 ABGB. der Fall ist. Es kommen demnach für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles die Spezialbestimmungen des § 1330 ABGB. in Betracht. Wenn diese Bestimmungen auch nur von einem Anspruch auf Schadenersatz, Widerruf und Veröffentlichung sprechen, so ist doch damit das Begehren auf Unterlassung der kreditschädigenden Mitteilungen nicht ausgeschlossen, denn der Zweck der Bestimmungen ist der Schutz der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen vor einer Gefährdung durch Verbreitung wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen. Wenn das Gesetz zur Erreichung dieses Zweckes die für den Beklagten peinliche Maßnahme eines öffentlichen Widerrufes der Behauptungen vorsieht, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß es auch den für den Beklagten weniger einschneidenden, für den Betroffenen aber wirksameren Ausspruch auf Untersagung derartiger Mitteilungen zuläßt (SZ. III/51).

Der Tatbestand des § 1330 Abs. 2 ABGB. besteht darin, daß jemand Tatsachenbehauptungen, durch die der Kredit, der Erwerb oder das Fortkommen des Betroffenen gefährdet wird, verbreitet, trotzdem er die Unwahrheit seiner Mitteilungen kannte oder kennen mußte. Wer einen Anspruch auf Schadenersatz, Widerruf und dessen Veröffentlichung oder auch auf Unterlassung nach dieser Gesetzesstelle geltend macht, hat demnach zu beweisen, daß der Mitteilende Tatsachenbehauptungen der gekennzeichneten Art verbreitet hat, obwohl er deren Unwahrheit kannte oder doch kennen mußte. Was das subjektive Verhalten des Mitteilenden anlangt, so genügt es also, wenn der Betroffene dartut, daß es eine Fahrlässigkeit des Beklagten bedeute, wenn er die Unwahrheit seiner Mitteilungen nicht kannte (Wolff bei Klang, 2. Aufl., VI., S. 163; ZBl. 1931, Nr. 245; SZ. IX/33). Der Mitteilende kann sich nach dem letzten Satze des § 1330 Abs. 2 ABGB. von der Haftung befreien, wenn er nachweist, daß ihm von einer Unwahrheit der Mitteilung nichts bekannt war, daß er die Mitteilung nicht öffentlich vorgebracht hat und daß sie in seinem oder des Mitteilungsempfängers berechtigten Interesse gelegen war (SZ. IX/33).

Der Erstrichter hat festgestellt, daß der Beklagte in der Wohnstube des Franz K. zu Johann St. äußerte, der Kläger habe bei 40.000 S Schulden und werde sein Geschäft nicht mehr "derpacken", daß der Beklagte ferner zu B. äußerte, es seien Gerüchte herum, daß der Kläger schlecht stehe, er (der Beklagte) könne aber dieses Gerücht nicht bestätigen, daß endlich der Beklagte zu Ludwig R. äußerte, daß der Kläger schlecht stehen soll.

In diesen Äußerungen erblickte der Erstrichter den Tatbestand des § 1330 Abs. 2 ABGB. deshalb nicht, weil er, allerdings nicht auf Grund präziser Feststellungen, wohl aber unter Wiedergabe von Zeugenaussagen, denen er offenbar Glaubwürdigkeit beimaß, zum Ergebnis gelangte, es sei nicht erwiesen, daß dem Beklagten von einer Unwahrheit seiner Mitteilungen etwas bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Bezüglich der Mitteilungen an Johann St. ging der Erstrichter davon aus, daß der Beklagte für sie auch deshalb nicht hafte, weil sie nicht öffentlich gemacht wurde und St. an ihr ein Interesse hatte; worin dieses Interesse bestand, kommt im Urteile allerdings nicht zum Ausdrucke, gemeint ist aber wohl der von Johann St. in seiner Zeugenaussage angegebene Umstand, daß er dem Kläger einen Bauauftrag erteilt hatte.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Bestimmung des § 1330 ABGB. eine Schutzbestimmung ist und daß schon eine Gefährdung durch fahrlässiges Verhalten den Tatbestand dieser Gesetzesbestimmung zu begrunden vermag. In Anwendung dieses Rechtssatzes auf den vorliegenden Fall spricht das Berufungsurteil aus, die bloße Tatsache, daß über eine Verschuldung des Klägers in seinem Wohnorte Gerüchte im Umlauf waren, hätte den Beklagten nicht berechtigt, diese Gerüchte zu verbreiten, ohne sich zuerst zu überzeugen, ob sie begrundet waren oder nicht; das Verhalten des Beklagten sei zwar nicht vorsätzlich, aber unüberlegt gewesen.

Dieser rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes kann in Übereinstimmung mit der Revision nicht beigepflichtet werden. Das Gesetz macht denjenigen, der eine kreditschädigende Mitteilung verbreitet, zwar schon dann haftbar, wenn er die Unwahrheit der Mitteilung kennen mußte. Der Fassung des Gesetzes ist aber zu entnehmen, daß der Verbreiter nur dann haftet, wenn es ihm nach den Umständen des Falles als grobe Fahrlässigkeit anzurechnen ist, daß er die Mitteilung weitergab, obwohl er bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, daß sie unwahr sei (hiezu ZBl. 1931, Nr. 245; SZ. IX/33). Im vorliegenden Falle war aber nach den Feststellungen des Erstrichters, die das Berufungsurteil ausdrücklich übernommen hat, nicht bloß im Wohnorte des Klägers das Gerücht im Umlaufe, er sei verschuldet und es erreichten seine Schulden den Betrag von 40.000 S, sondern es hat der Kläger auch bei der Raiffeisenkasse Kredit in Anspruch genommen und hat sich, wie bei der Kasse bekannt war, "hart getan", ohne allerdings verschuldet zu sein, es sind überdies gegen ihn Exekutionen gelaufen. Bei dieser Sachlage kann es dem Beklagten nicht als grobe Fahrlässigkeit angerechnet werden, wenn er die Mitteilungen weitergab, ohne über ihre Richtigkeit Erkündigungen einzuziehen.

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