OGH 5Ob327/63

OGH5Ob327/6314.11.1963

SZ 36/146

Normen

ABGB §1330 (2)
ABGB §1330 (2)

 

Spruch:

Keine (vorbeugende) Unterlassungsklage an Stelle oder neben der nach § 1330 (2) ABGB. zulässigen (SZ. XXIII 354) Unterlassungsklage.

§ 1330 (2) ABGB. verlangt keinen Nachweis eines tatsächlich eingetretenen Schadens.

Entscheidung vom 14. November 1963, 5 Ob 327/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Krems an der Donau; II. Instanz:

Kreisgericht Krems an der Donau.

Text

Die Beklagten sind je zur Hälfte Miteigentümer des ungefähr 140 ha großen Gutes K. Die Eigenjagd dieses Gutes wurde am 10. März 1960 von den Beklagten auf die Dauer von sechs Jahren an John R. verpachtet. Entsprechend der Bestimmung des § 63 (2) des Niederösterreichischen Jagdgesetzes (LGBl. f. NÖ. Nr. 13/1947) wurde der Kläger im Juni 1960 vom Pächter zum Jagdaufseher bestellt. Da der Kläger mehreren Personen das Recht eingeräumt haben soll, den im Miteigentum der Beklagten stehenden Wald zu betreten und Himbeeren zu pflücken, forderte der Erstbeklagte den Jagdpächter John R. mit den Schreiben vom 10. Dezember 1960 und 22. Dezember 1960 auf, die Bestellung des Klägers rückgängig zu machen. Der Erstbeklagte lehnte auch am 29. März 1962 die Abgabe der Erklärung ab, daß ihm ein Einfluß auf das Dienstverhältnis des Klägers nicht zustehe. Ein Schaden entstand dem Kläger durch die Behauptungen der Beklagten nicht.

Im Hinblick auf die Behauptungen der Beklagten, der Kläger habe dritten Personen das Recht eingeräumt, den in ihrem Miteigentum stehenden Wald zu betreten und Himbeeren zu pflücken, begehrt der Kläger: 1. die Feststellung, daß den Beklagten als Eigenjagdberechtigten hinsichtlich des ihnen gehörigen Gutes K. nicht das Recht zustehe, vom Jagdpächter dieses Gutes, Herrn John R., die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes, beeidetes Jagdschutzorgan zu verlangen; 2. die Beklagten schuldig zu erkennen:

a) den gegen den Kläger erhobenen Vorwurf, er habe als beeideter Jagdaufseher des Gutes K. Personen die Erlaubnis zum Betreten des Forstes des genannten Gutes zum Erdbeer- und Himbeerpflücken erteilt, zu widerrufen; b) gegenüber dem Jagdpächter des Gutes K., Herrn John R., zu unterlassen, die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes und beeidetes Jagdschutzorgan des genannten Gutes mit der Begründung in Anspruch zu nehmen, daß der Kläger im Sommer 1960 Personen die Erlaubnis zum Betreten des Forstes des genannten Gutes zum Erdbeer- und Himbeerpflücken erteilt habe.

Das Erstgericht erkannte die Beklagten schuldig, es gegenüber dem Jagdpächter des Gutes zu unterlassen, die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes und beeidetes Jagdschutzorgan des genannten Gutes mit der Begründung in Anspruch zu nehmen, daß der Kläger im Sommer 1960 Personen die Erlaubnis zum Betreten des Forstes des genannten Gutes zum Erdbeer- und Himbeerpflücken erteilt habe. Es wies hingegen das weitere Klagebegehren, es werde festgestellt, daß den Beklagten als Eigenjagdberechtigten des ihnen gehörigen Gutes K. nicht das Recht zustehe, vom Jagdpächter dieses Gutes die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes, beeidetes Jagdorgan zu verlangen, und die Beklagten seien schuldig, den gegen den Kläger erhobenen Vorwurf, er habe als beeideter Jagdaufseher des Gutes K. die Erlaubnis zum Betreten des Forstes des genannten Gutes zum Erdbeer- und Himbeerpflücken erteilt, zu widerrufen, ab. In einem in das Urteil aufgenommenen Beschluß verwarf das Erstgericht die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. Das arbeitsgerichtliche Verfahren finde - so führt das Erstgericht aus - auf Rechtsverhältnisse zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern Anwendung. Zwischen dem Beklagten und dem Kläger bestehe kein Dienstverhältnis, sodaß die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes zu verneinen sei. In der Sache selbst sei dort eine Feststellungsklage nicht zulässig, wo eine Leistungsklage eingebracht werden könne. Für ein Begehren auf Widerruf nach § 1330 ABGB. sei der Eintritt eines Schadens Voraussetzung. Ein Schaden liege aber nicht vor. Hingegen sei das Begehren, es zu unterlassen, die Außerdienststellung des Klägers zu verlangen, berechtigt, da die Beklagten nicht bereit seien, eine entsprechende Erklärung abzugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil im Ausspruch über die Abweisung des Feststellungsbegehrens, daß den Beklagten als Eigenjagdberechtigten hinsichtlich des ihnen gehörigen Gutes K. nicht das Recht zustehe, vom Jagdpächter die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes, beeidetes Jagdschutzorgan zu verlangen. In seinem stattgebenden Teil wurde das erstgerichtliche Urteil mit Teilurteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die Beklagten seien schuldig, es gegenüber dem Jagdpächter des Gutes K. zu unterlassen, das Recht, die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes und beeidetes Jagdschutzorgan des genannten Gutes mit der Begründung in Anspruch zu nehmen, daß der Kläger im Sommer 1960 Personen die Erlaubnis zum Betreten des Forstes des genannten Gutes zum Erdbeer- und Himbeerpflücken erteilt habe, abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß nach § 1330 (2) ABGB. nur ein Anspruch auf "Widerruf", nicht aber auf Unterlassung bestehe. 1m übrigen, nämlich im Ausspruch über die Abweisung des Klagebegehrens auf Widerruf des erhobenen Vorwurfes, hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger insoweit aus dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. angefochten, als es das erstgerichtliche Urteil abändert.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Untergerichte im Ausspruch über das Klagebegehren, die Beklagten seien schuldig, es gegenüber dem Jagdpächter des Gutes K. zu unterlassen, die Außerdienststellung des Klägers als bestelltes und beeidetes Jagdschutzorgan des genannten Gutes mit der Begründung in Anspruch zu nehmen, daß der Kläger im Sommer 1960 Personen die Erlaubnis zum Betreten des genannten Gutes zum Erdbeer- und Himbeerpflücken erteilt habe, auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die Frage der sachlichen Zuständigkeit anlangt, so verwarf das Erstgericht die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. Der in das erstgerichtliche Urteil aufgenommene Beschluß wurde von den Parteien nicht bekämpft. Es liegt daher eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung des Erstgerichtes vor (vgl. EvBl. 1956 Nr. 88).

In der Sache selbst ist die Zulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage nach den Vorschriften des materiellen Rechtes zu beurteilen (vgl. Fasching, Komm. zu § 226 ZPO., S. 15). Das Gesetz läßt vorbeugende Unterlassungsklagen sowohl zum Schutz vor Eingriffen in dingliche Rechte, insbesondere im Rahmen des Nachbarrechtes (§§ 364, 523 und 339 ABGB.), als auch im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse zu. Außerhalb von Schuldverhältnissen gewährt der Gesetzgeber nur unter bestimmten Voraussetzungen einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch, so zum Schutze des Namens (§ 43 ABGB.), zur Untersagung der weiteren Führung einer Firma (§ 37 (2) HGB.) oder zur Hintanhaltung unlauteren Wettbewerbes (§ 14 UWG.). Im gegenständlichen Falle kommt die Vorschrift des § 1330 (2) ABGB. in Betracht (vgl. Klang[2] VI S. 33, 165), nach der der geltend gemachte Anspruch zu beurteilen ist.

Die gegenteilige Auffassung, die vorbeugende Unterlassungsklage überall dort zuzulassen, wo eine Unterlassungspflicht besteht und ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis deren vorsorgliche Geltendmachung verlangt (Ehrenzweig, System[2] II/1 S. 10), findet im Gesetz keine Stütze; sie gelangt nur kraft Analogie und nach dem Vorbild der Praxis des Deutschen Reichsgerichtes zur Zulässigkeit der (vorbeugenden) Unterlassungsklage, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Die analoge Anwendung ähnlicher Vorschriften greift aber dort nicht Platz, wo das Gesetz eine ausdrückliche Regelung enthält. Die Verbreitung schädigender Tatsachen ist daher ausschließlich nach § 1330 (2) ABGB. zu beurteilen.

Der Kläger ist im Recht, daß § 1330 (2) ABGB. nicht den Nachweis eines tatsächlich eingetretenen Schadens zur Voraussetzung hat (Klang[2] a. a. O. S. 164). Durch die Verbreitung von Tatsachen muß der Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährdet werden. In der Behauptung, der Kläger habe mehreren Leuten das Betreten des Forstes zum Himbeer- und Erdbeerpflücken erlaubt, liegt offenbar der Vorwurf einer Verletzung seiner Pflichten als Dienstnehmer (Jagdaufseher). Es liegt auf der Hand, daß die Mitteilung einer solchen Tatsache an seinen Dienstgeber das Fortkommen des Klägers gefährden kann. Schon in der Eignung zur Schädigung liegt die Gefährdung (vgl. SZ. IX 33).

Für das Vorhandensein einer Wiederholungsgefahr ist schon der Umstand zu werten, daß die Beklagten ihre Unterlassungspflicht bestreiten und sich weigern, eine entsprechende Erklärung abzugeben.

Dem steht auch nicht entgegen, daß die Bestimmung des § 1330 (2) zweiter Satz ABGB. nur von einem Anspruch auf Schadenersatz, Widerruf und Veröffentlichung spricht. Damit ist das Begehren auf Unterlassung der Verbreitung schädigender Tatsachen, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach dargetan hat (SZ. III 51, SZ. XXIII 354), nicht ausgeschlossen. Der Zweck der angeführten Gesetzesstelle ist der Schutz der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen vor einer Gefährdung durch Verbreitung wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen. Wenn das Gesetz zur Erreichung dieses Zweckes die Maßnahme eines öffentlichen Widerrufes der Behauptung vorsieht, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß es auch den für die Beklagten weniger einschneidenden, für den betroffenen aber wirksamen Ausspruch auf Untersagung derartiger Mitteilungen zuläßt. Der Unterlassungsanspruch und der Anspruch auf Widerruf haben daher rechtlich die gleiche Behandlung zu erfahren.

Allein für eine abschließende Beurteilung des Unterlassungsanspruches des Klägers fehlen Feststellungen darüber, ob die weiteren Voraussetzungen des § 1330 (2) ABGB. gegeben sind, insbesondere, wie das Berufungsgericht zum geltend gemachten Anspruch auf Widerruf zutreffend ausführt, ob eine Verbreitung der schädigenden Tatsachen vorliegt und ob sie öffentlich oder nicht öffentlich erfolgte. Das Fehlen dieser Feststellungen hat zur Folge, daß die Sache auch in diesem Punkte noch nicht spruchreif ist und im Hinblick auf die vorliegenden Feststellungsmängel die Urteile der Untergerichte gemäß den §§ 496 (1) Z. 3 ZPO. und 513 ZPO. in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben waren.

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