OGH 4Ob97/07d

OGH4Ob97/07d10.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gernot S*****, vertreten durch Dr. Peter Burgstaller und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei DI Francisco G*****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.340 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 3. April 2007, GZ 4 R 58/07p-13, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verboten dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung, dem Kläger Softwarepiraterie zu unterstellen, indem er Dritte auffordert, ihm bei der Bekämpfung von Softwarepiraterie behilflich zu sein und ihn bei der diesbezüglichen Beweissicherung gegenüber dem Kläger zu unterstützen. Weder sei die beanstandete Aufforderung an einen Kunden des Klägers als Werturteil aufzufassen noch sei dem Beklagten der ihm obliegende Wahrheitsbeweis gelungen. Eine vertrauliche Mitteilung liege auch nicht vor.

Als erhebliche Rechtsfrage macht der Beklagte geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs Softwarepiraterie, wenn deren Vorwurf nach § 7 UWG/§ 1330 ABGB zu beurteilen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1.1. Auch Mitteilungen, die nach § 7 UWG zu beurteilen sind, sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden, nicht so, wie sie gemeint waren oder verstanden werden sollten (4 Ob 2115/96z - Auslaufmodelle; RIS-Justiz RS0031883 [T4, T14], zuletzt etwa 4 Ob 57/05v = MR 2005, 445 - Zeitungskommentar); gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch vom Verständnis eines „unbefangenen Durchschnittslesers" gesprochen (RIS-Justiz RS0031883; zuletzt etwa 4 Ob 207/05b - Etikettenschwindel, und 4 Ob 105/06d - ÖSV-Präsident). Diese Betrachtungsweise ist nicht nur für die Beantwortung der Frage maßgebend, ob überhaupt eine Tatsachenbehauptung vorliegt, sondern auch für die Konkretisierung des Inhalts (4 Ob 52/93 = ÖBl 1993, 163 - Kelomat-Druckkochtopf; RIS-Justiz RS0031883 [T1]). Dabei muss der Behauptende bei mehreren ernstlich in Betracht kommenden Deutungsvarianten die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RIS-Justiz RS0079648; für den Fall einer Schutzrechtsverwarnung 4 Ob 72/99p - Spritzgusswerkzeuge).

1.2. Die Abgrenzung zwischen einer Tatsache iSd § 7 UWG und des § 1330 Abs 2 ABGB gegenüber einem reinen Werturteil ist mitunter schwierig. Nach der österreichischen Rechtsprechung, die von der Lehre im Wesentlichen gebilligt wird (Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1330 Rz 13 ff; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1330 Rz 8 ff), sind Tatsachen - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0032212). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen („konkludente Tatsachenbehauptung" RIS-Justiz RS0031810). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0031815; RS0031883 [T30]). Als Tatsachenmitteilungen gelten auch Verdächtigungen, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen (RIS-Justiz RS0032494). Zur Abgrenzung zwischen Tatsachen und Werturteilen iSd § 1330 Abs 2 ABGB und § 7 UWG im Zusammenhang mit Rechtsfolgenbehauptungen hat der erkennende Senat den Standpunkt vertreten, dass je nach der Lage des Einzelfalls Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch reine Werturteile sein können. Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, um so eher wird ein reines Werturteil vorliegen (4 Ob 138/99v = SZ 72/118 = EvBl 1999/211 = MR 1999, 290 - Inkassobüro; RIS-Justiz RS0112211; RS0031675 [T15]).

1.3. Die Beurteilung des beanstandeten Schreibens des Beklagten durch die Vorinstanzen als herabsetzende Äußerung iSd § 7 UWG und des Vorwurfs der Softwarepiraterie als Tatsachenbehauptung verlässt den von den dargelegten Grundsätzen abgesteckten Rahmen für die Beurteilung des konkreten Einzelfalls nicht. Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

2.1. Grundsätzlich trägt der Beklagte die Beweislast dafür, dass die herabsetzenden Behauptungen, die unter § 7 UWG fallen, wahr sind (stRsp, RIS-Justiz RS0079738, zuletzt etwa 4 Ob 105/06d = ecolex 2007/86 mwN). Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im wesentlichen bestätigt. Es genügt der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns (stRsp RIS-Justiz RS0079693).

2.2. Ob im Einzelfall die Beurteilung der Vorinstanz zutrifft, die beanstandete Behauptung sei im wesentlichen wahr oder der Wahrheitsbeweis sei nicht erbracht, geht in ihrer Bedeutung - von einer hier nicht vorliegenden korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen - nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus. Das Vorliegen einer Exekutionsbewilligung beweist im Übrigen das Zutreffen der Behauptung des Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel nicht, sind der Exekutionsbewilligung doch die Tatsachenbehauptungen des Betreibenden grundsätzlich ungeprüft zugrunde zu legen (stRsp RIS-Justiz RS0004625).

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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