Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes, das hinsichtlich des bestätigenden Teiles (Abweisung des Mehrbegehrens) als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen (hinsichtlich des stattgebenden Teiles) dahin abgeändert, dass dass Urteil des Erstgerichtes insgesamt wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit insgesamt 44.207 S (darin enthalten 5.159,20 S USt und 13.250 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
In Innsbruck finden seit über 20 Jahren jeweils im Sommer die "Festwochen der Alten Musik" statt, die zumindest bis Sommer 1999 vom Verein Innsbrucker Festwochen veranstaltet wurden. Die Erlöse aus dem Kartenverkauf sind bei weitem nicht kostendeckend. Die Veranstaltung wird daher vom Land Tirol und von der Stadt Innsbruck mit Beträgen in Millionenhöhe gesponsert. Im Frühjahr 2000 gab die Präsidentin des Vereins bei einer Pressekonferenz bekannt, dass sie bei der nächsten Vereinssitzung zurücktreten und für eine Nachfolgeorganisation nicht mehr zur Verfügung stehen werde. Als Nachfolgeorganisation stand eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Diskussion, deren Gesellschafter das Land Tirol und die Stadt Innsbruck sein sollten. Diskutiert wurde auch, ob die bisherige Zielsetzung des Vereines beibehalten werden oder ob mehr "Kommerz" in die Veranstaltung einfließen solle. In diesem Zusammenhang war auch ausschlaggebend, wer der in Kürze zu bestellende Nachfolger der bisherigen Direktorin der Festwochen werden sollte. In diesem Zusammenhang erschienen sowohl in der Tiroler Tageszeitung als auch in der Tirol-Krone Berichte, die "als aussichtsreichen Geschäftsführer" (Tiroler Tageszeitung) bzw "angeblichen Favoriten" (Tirol-Krone) den Kläger, den "Chef" der Veranstaltung "Tanzsommer" nannten. In der Tiroler Tageszeitung heißt es hiezu: "Nochpräsidentin S***** bestätigt jedoch, dass es schon im Vorjahr Vorschläge für eine Annäherung von Tanzsommer und Festwochen gegeben habe. R***** (der Kläger) selbst macht daraus im Gespräch mit der TT kein Hehl und denkt über eine 'organisatorische' Annäherung der beiden Großveranstaltungen bei streng geteilten Inhalten nach". Die Tirol-Krone berichtet in diesem Zusammenhang: "Von den Kennern der alten Musik gibt es aber dagegen eine breite Front der Ablehnung: 'Die Alte Musik darf nicht zum Event verkommen". Es sei fraglich, zwei so unterschiedliche Veranstaltungen zu verquicken.
Ebenfalls am 24. 3. 2000 berichteten auch der Tirol-Kurier und der ORF in einer Lokalsendung über die Pressekonferenz vom 23. 3. 2000 und deren Hintergrund.
Diese Berichte in den Medien veranlassten den Beklagten, einen ehemaligen Musikprofessor, der nunmehr als Galerist und Veranstalter tätig ist, einen Leserbrief an die Tiroler Tageszeitung, die Tirol-Krone, den Tirol-Kurier und den ORF mittels Fax zu senden, der unter anderem folgenden Wortlaut hatte:
"Ihrer heutigen Ausgabe entnehme ich mit Bestürzung, dass die Festwochen der Alten Musik des schnöden Mammons wegen in Hände gelangen könnten, die nur das Spiel mit Falschgeld gewohnt sind. Dies ist umso bedauerlicher, da die Festwochen jetzt endlich auch international an dem Punkt sind, an dem das mühevolle Lebenswerk des Otto U***** und die konsequente Qualitätsarbeit seiner Nachfolge sichtbar und auch kommerziell Früchte tragen. Die Festwochen haben derzeit noch eine Reputation. Die Festwochen zeigen bisher noch jedes Jahr spannende Einblicke in die Welt der Alten Musik, die man nicht in jeder beliebigen Kleinstadt als Supermarkt-Einkaufspaket einer nichtssagenden Festivalitis erleben kann. Jetzt ist es an der Zeit, die Werte des geistigen Lebens vor den mutwilligen Profiteuren der Orientierungslosigkeit zu verteidigen. Herr A*****, Herr von S*****, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und machen Sie nicht einen Hausmeister des Verschenkens zum untragbaren Partner großer Persönlichkeiten wie Rene J*****. Sie entscheiden. Wenn Sie falsch entscheiden, verlieren Sie - und wir durch Sie - alles. Die Festwochen sind kein Zirkusunternehmen".
Eine Kopie dieses Schriftstückes sandte er an namentlich genannte Repräsentanten der Festwochen der Alten Musik, des Mozarteums, des Konservatoriums und des Tiroler Landestheaters.
Als der Beklagte diesen Leserbrief Freunden zeigte, machten sie ihn auf die "Gefährlichkeit" der Formulierung "Falschgeld" aufmerksam. Er ließ daher noch am selben Tag jenen Medien und Personen, an die er seinen Brief gesendet hatte und von denen er annahm, dass sie eine Gestaltung der Festwochen wie bisher wünschten, folgendes Schreiben zukommen: "Freunde haben mich aufmerksam gemacht, dass die Formulierung 'Falschgeld' nicht als Metapher für fehlende geistige und kulturpolitische Inhalte, sondern wörtlich missverstanden werden könnte. Ich bitte Sie deshalb meinen Text dahin zu korrigieren, dass statt Spiel mit Falschgeld vom Spiel mit geistigem Falschgeld die Rede ist".
Die Tiroler Tageszeitung veröffentlichte in der Wochenendausgabe vom
25. und 26. 3. 2000 den Leserbrief des Beklagten unter der Überschrift "Niveau ist in Gefahr", allerdings mit der Abänderung, dass es in der Veröffentlichung "Spiel mit geistigem Falschgeld" hieß und beim Hinweis des Beklagten auf die "heutige" Ausgabe in Klammer "24. 3." angeführt wurde.
Der Kläger war Veranstalter des "Tiroler Tanzsommers", die beim Publikum sehr erfolgreich war, während der Kartenverkauf für die Festwochen der Alten Musik im Sommer 1999 nicht zufriedenstellend verlief. Der Beklagte besorgte, dass sich im Fall der Bestellung des Klägers als neuer Leiter der Festwochen der Alten Musik deren Charakter dahin ändern werde, dass mehr Wert auf Kommerz statt auf die Darbietung alter Musik gelegt werde.
Der Kläger begehrt, gestützt auf § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB, die Unterlassung der Behauptung, dass die Festwochen der Alten Musik des schnöden Mammons wegen in Hände gelangen könnten, die nur das Spiel mit geistigem Falschgeld gewohnt seien, den Widerruf dieser Behauptung gegenüber den Lesern der Tiroler Landeszeitung und der Tirol-Krone, die Veröffentlichung des Widerrufs in der Tiroler Tageszeitung unter der Rubrik "Leserforum" sowie den Widerruf der Behauptung unter Entfall des Wortes "geistigem" gegenüber dem Medieninhaber des Tirol-Kurier, dem ORF sowie gegenüber jenen namentlich genannten Personen, an die der Beklagte den Leserbrief in Kopie übermittelt hatte. Die strittige Äußerung sei eine unrichtige Tatsachenbehauptung, die den Ruf des Klägers gefährde. Ob nun die Formulierung "Falschgeld" oder "geistiges Falschgeld" gewählt werde, sei im Ergebnis ohne Bedeutung. Der interessierte Leser müsse eine derartige Äußerung jedenfalls so verstehen, dass dem Kläger unterstellt werde, er spiele mit Falschgeld. Dem Beklagten sei stets klar gewesen, dass diese Behauptung falsch sei. Der Leserbrief beziehe sich erkennbar auf die Person des Klägers, wie schon daraus hervorgehe, dass im Artikel der Tirol-Krone vom 24. 3. 2000, auf den der Beklagte mit dem Leserbrief reagiert habe, ausdrücklich der Kläger als Favorit für den frei werdenden Posten genannt werde.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei der strittigen Äußerung handle es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine wertende Metapher, die die subjektive Meinung des Beklagten zum Ausdruck bringe. Dies gehe auch aus seinem noch am 24. 3. 2000 verfassten ergänzenden Schreiben hervor. Der wirtschaftliche Ruf des Klägers werde dadurch nicht gefährdet. Zudem sei keine Verbindung dieser Äußerung mit der Person des Klägers herzustellen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein unbefangener Durchschnittsleser entnehme dem Leserbrief im Zusammenhang mit den Berichten der Tiroler Tageszeitung vom 24. 3. 2000, dass sich der Beklagte gegen eine Kommerzialisierung der Tiroler Festwochen der Alten Musik wende und deshalb gegen eine Bestellung des Klägers zum neuen Geschäftsführer des neu zu strukturierenden Veranstalters sei. Aus der Wendung "geistiges Falschgeld" sei klar ersichtlich, dass nicht "wirkliches Falschgeld" gemeint gewesen sei. Ein durchschnittlicher Leser werde keine Verspottung des betroffenen - und daher zur Klage legitimierten - Klägers erkennen, sondern nur die herbe Kritik, dass der Kläger nicht jene Person sei, die geeignet sei, die Tradition der Festwochen der Alten Musik fortzusetzen. Ein Wertungsexzess liege nicht vor. Bei Abwägung der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit dieser kulturpolitisch wichtigen Angelegenheit mit dem Schutz der Ehre des Klägers, der als Kulturveranstalter in der Öffentlichkeit stehe, sei die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Äußerung zu verneinen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise dahin ab, dass es dem Unterlassungs-, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren hinsichtlich der Wendung stattgab, dass "dessen (des Klägers) Hände nur das Spiel mit geistigem Falschgeld gewohnt seien" (mit Ausnahme des Widerrufsbegehrens hinsichtlich Thomas L*****). Die Abweisung des Mehrbegehrens, der Beklagte habe auch die Äußerung "des schnöden Mammons wegen" im Zusammenhang mit der Person des Klägers zu unterlassen und zu widerrufen, und der Widerruf habe auch gegenüber Thomas L***** und gegenüber allen unter Entfall des Wortes "geistigem" zu erfolgen, wurde bestätigt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die strittige Äußerung enthalte zwei unterschiedlich zu behandelnde Teile. Die Formulierung "des schnöden Mammons wegen" trete der Personenwürde nicht nahe. Der diesbezügliche Vorwurf treffe auch nicht den Kläger, sondern die bislang für die Festwochen der Alten Musik Verantwortlichen. Im Übrigen liege aber dem Leserbrief die Aussage zu Grunde, dass der Beklagte von folgenden Tatsachen ausgehe: Das Niveau und die Reputation der Festwochen sei in Gefahr, weil der als Nachfolger diskutierte Kläger dieses Niveau nicht aufrecht erhalten könne sowie weil dieser zu Gunsten eines kommerziellen Erfolges vom künstlerischen Niveau Abstriche vornehmen werde, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger im Fall seiner Bestellung vorwiegend mit Managementaufgaben oder mit künstlerischen Tätigkeiten befasst sei. Die Äußerung sei abstrakt geeignet, den wirtschaftlichen Ruf des Klägers zu gefährden, weil hinter dieser Aussage die Behauptung stehe, dass der Kläger nicht geeignet sei, die Festwochen in angemessener Weise fortzusetzen. Es sei durchaus denkbar, dass nach diesen Äußerungen im Zusammenhang mit der öffentlich geführten Diskussion ein Engangement des Klägers erschwert werde. Auch erwecke die Formulierung "Spiel mit geistigem Falschgeld" beim angesprochenen Leserkreis einen eindeutig negativen Eindruck, der die Person des Klägers zumindest mittelbar in der Nähe eines rechtswidrigen, sittenwidrigen, unehrenhaften oder allenfalls sogar strafrechtlich relevanten Verhaltens erscheinen lasse. Unabhängig von der Beifügung "geistig" sei das Wort "Falschgeld" mit einem eindeutig kriminellen Inhalt behaftet, der sich in das Bewusstsein des Lesers einpräge. Zudem stelle die Formulierung auch eine Ehrenbeleidigung im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB dar. Wie der Beklagte die Aussage gemeint habe, sei nicht zu berücksichtigen. Auf den Rechtfertigungsgrund der Freiheit der Kunst (Art 17a StGG) könne sich der Beklagte nicht berufen, weil der Kunstbegriff nicht auf den Leserbrief ausgedehnt werden könne. Da von einer Wiederholungsgefahr und auch von einem Verschulden am Verbreiten der unrichtigen Tatsachenbehauptung auszugehen sei, sei insoweit das Unterlassungs-, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren grundsätzlich berechtigt. Das Widerrufsbegehren gegenüber Thomas L***** sei jedoch abzuweisen, weil an diesen nach den Feststellungen kein Leserbrief gesendet worden sei. Insgesamt sei das Widerrufsbegehren gegenüber allen Adressaten des Leserbriefes nur hinsichtlich der korrigierten Wortfolge "geistiges Falschgeld" berechtigt, weil auch der zweite Brief des Beklagten vom 24. 3. 2000 allen zugegangen sei.
Die (außerordentliche) Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Tatsachen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB sind nach ständiger Rechtsprechung Umstände, Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt. Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muss grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Werturteile sind dagegen rein subjektive, einer objektiven Überprüfung entzogene Aussagen. Sie werden von § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfasst, können aber als Ehrenbeleidigung gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen. Auch wertende Äußerungen können unter § 1330 Abs 2 ABGB fallen, wenn sie als sogenannte "konkludente" Tatsachenbehauptungen auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, somit dem eine rein subjektive Auffassung wiedergebenden Werturteil entnommen werden kann, dass es von bestimmten Tatsachen ausgeht (6 Ob 20/95 = SZ 68/97 mwN). Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an. Maßgebend ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers. Die Mitteilung ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (RIS-Justiz RS0031883). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, die auf unwahren Tatsachenbehauptungen basieren, gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung (RIS-Justiz RS0107915).
Das Berufungsgericht hat zwar diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze richtig dargestellt, doch lassen sich die von ihm daraus für den vorliegenden Fall gezogenen Schlussfolgerungen, soweit sie die Wendung "Spiel mit geistigem Falschgeld" betreffen (andere Formulierungen sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens), nicht ableiten. Dem Berufungsgericht ist zwar beizupflichten, dass sich dem Leserbrief die Ansicht dessen Verfassers entnehmen lässt, der von ihm offenbar hoch gehaltene bisherige Charakter der Festwochen der Alten Musik könnte bei tatsächlicher Bestellung des in Diskussion stehenden Klägers zum neuen Leiter zu Gunsten der Kommerzmusik an Niveau verlieren. Die Formulierung, der mögliche Nachfolger sei "das Spiel mit geistigem Falschgeld" gewohnt, ist ganz eindeutig nicht wörtlich, also nicht im Sinn eines Vorwurfes dahin zu verstehen, der Kläger habe irgend etwas mit dem Vertrieb von Falschgeld zu tun. Selbst ein nicht kunstinteressierter Durchschnittsleser kann der strittigen Formulierung nur den Sinn beimessen, dass der Begriff "geistiges Falschgeld" hier als negativ besetztes Synonym für Kommerzmusik verwendet wurde, das die persönliche Kritik des Verfassers am Kläger als möglichen neuen Leiter der ihm am Herzen liegenden Veranstaltung dahin zum Ausdruck bringt, dass dieser zu Gunsten der Kommerzmusik Abstriche am Niveau der Festwochen machen werde. Der Vorwurf eines rechtswidrigen, sittenwidrigen oder sogar strafrechtlich relevanten Verhaltens ist im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Es handelt sich bei der strittigen Formulierung vielmehr um ein Werturteil des Beklagten, der damit seine negative Einstellung zur Kommerzmusik, insbesondere im Zusammenhang mit den Festwochen der Alten Musik und seine subjektive Ablehnung des in Diskussion stehenden neuen Leiters, der mit dieser Art Musik Geschäfte macht, zum Ausdruck bringt. Dass die strittige Behauptung des Beklagten die Tatsache unterstelle, der Kläger sei überhaupt ungeeignet, die Festwochen in angemessener Weise fortzusetzen, kann der Formulierung nicht entnommen werden. Die damit angesprochene Frage, ob im Rahmen einer bestimmten Veranstaltung klassische (alte) Musik zu Gunsten von Kommerzmusik mehr oder weniger zurückgedrängt werden soll, um die Finanzlage des Veranstalters zu verbessern, ist einer objektiven Überprüfbarkeit kaum zugänglich.
Die (unter anderem) in der noch strittigen Wortfolge zum Ausdruck kommende, in die Gesamtkritik eingebettete Kritik ist daher nicht tatbestandmäßig im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB. Sie führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes auch nicht zu einem Anspruch des Klägers nach § 1330 Abs 1 ABGB. Auf die Freiheit der Kunst bei künstlerischem Schaffen, Vermittlung der Kunst sowie deren Lehre (Art 17a StGG 1867) als allgemeinen Rechtfertigungsgrund kann sich der Beklagte hier zwar nicht mit Erfolg berufen, weil die Kunstkritik allein noch nicht mit Kunst gleichzusetzen ist (SZ 68/97). Bei der Abgrenzung zwischen übler Nachrede und Ehrenbeleidigung einerseits und zulässiger Kritik bzw Werturteil andererseits ist jedoch unabhängig davon eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei auf das Recht der freien Meinungsäußerung Bedacht genommen werden muss (RIS-Justiz RS0031672). Das Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst auch, jene Ideen auszusprechen, die verletzen, schockieren oder beunruhigen; dies verlangen Pluralismus, Toleranz und Weitsichtigkeit, ohne die es keine demokratische Gesellschaft geben kann (EGMR, MR 1986, H 4, 11 ua; RIS-Justiz RS0050067). Die Meinungsfreiheit bedeutet zwar keinen Freibrief für kritische Wertungen, die in persönliche Beleidigungen oder Verunglimpfungen ausarten (SZ 68/97). Bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung kommt es auf die Art des eingeschränkten Rechts, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210; 6 Ob 171/99m = MR 2000, 17). Dadurch, dass sich der Kläger um eine berufliche Position bemüht hat, die im Blickpunkt der kunstinteressierten Öffentlichkeit stand und selbst eine Stellungnahme zur Diskussion um die Art der Fortsetzung der Festwochen der Alten Musik in einer Zeitung abgegeben hat, setzte er sich bewusst auch der öffentlichen Diskussion um dieses Thema aus. Er muss damit auch öffentliche negative Kritik im geistigen Meinungsstreit in der Frage der künstlerischen Ausrichtung der Festwochen in Kauf nehmen. Die strittige Formulierung ist im Zusammenhang mit dieser Kritik nur als eher nichtssagendes Symbol zu verstehen, ohne dass damit ein massiver Eingriff in die Ehre des Klägers verbunden und ohne dass er der Lächerlichkeit preisgegeben wäre. Die Kritik an seiner Person als Kulturveranstalter stellt daher, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, eine im freien Meinungsstreit noch zulässige Wertung dar, sodass das zur Gänze klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der dreifache Einheitssatz für die Berufungsbeantwortung beträgt 150 % und nicht, wie verzeichnet, 180 %, sodass die verzeichneten Kosten entsprechend zu kürzen waren.
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