OGH 5Ob244/21z

OGH5Ob244/21z1.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. S* J*, vertreten durch Mag. Karin Herbst, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die Antragsgegner 1. M* N*, 2. DI D* C*, beide vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung (§ 52 Abs 1 Z 3 iVm § 30 Abs 2 WEG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 17. November 2021, GZ 3 R 133/21z‑6, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00244.21Z.0601.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind gemeinsam mit anderen nicht am Verfahren beteiligten Personen Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Antragsgegner sind dabei (als Eigentümerpartner) die Mehrheitseigentümer.

[2] Die Wohnungseigentumsanlage umfasst (in der Natur und gemäß der Wohnungseigentumsbegründung) neben Garagen und Kfz‑Abstellplätzen vier Wohnungen. Dieser Bestand widerspricht aber dem baurechtlichen Konsens; baubewilligt sind nur zwei Wohnungen.

[3] Die Antragstellerin stellte – zusammengefasst – den Antrag, die Antragsgegner (in ihrer Eigenschaft als Mehrheitseigentümer der Liegenschaft) gemäß § 52 Abs 1 Z 3 iVm § 30 Abs 2 WEG dazu zu verhalten, ihre Zustimmung zum Antrag auf Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für den aktuellen Bestand der baulichen Anlagen der Liegenschaft zu erteilen; und zwar einerseits die Zustimmung zu einem von der Antragstellerin bereits eingebrachten Bauansuchen samt Einreichung, und andererseits – gewissermaßen vorsorglich – auch schon zu diversen, von der Baubehörde allenfalls geforderten, im Einzelnen beschriebenen Änderungen und Ergänzungen des Bauansuchens.

[4] Die Antragstellerin begründet diesen Antrag – zusammengefasst – wie folgt: Die Antragsgegner seien Gesamtrechtsnachfolger des Errichters und Verkäufers der Wohnungseigentumsanlage. Ein in einem anderen Außerstreitverfahren bestellter Sachverständiger habe festgestellt, dass für das Objekt keine Baubewilligung vorliege und vier anstatt der bewilligten zwei Wohneinheiten errichtet worden seien. Deshalb sei bei der Gemeinde ein Bauverfahren anhängig.

[5] Die Antragsgegner seien Mehrheitseigentümer und zugleich allein vertretungsbefugte Geschäftsführer der die Liegenschaft verwaltenden GmbH. Die Antragsgegner handelten nun bewusst gegen die Interessen der Eigentümergemeinschaft und gegen die Interessen der Antragstellerin und der anderen Miteigentümer. So hätten sie eine „Selbstanzeige“ bei der Gemeinde erstattet und dadurch ein Ermittlungsverfahren und einen Bescheid des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz veranlasst, wonach entweder innerhalb von 12 Wochen ab Rechtskraft desselben, um Baubewilligung anzusuchen oder innerhalb einer Frist von 52 Wochen ab Rechtskraft der Bauzustand im Sinn der bestehenden Baubewilligung (Zweifamilienhaus) herzustellen sei.

[6] Die Antragstellerin hätte daraufhin gemeinsam mit den nicht am Verfahren beteiligten Miteigentümern fristgerecht um die nachträgliche Baubewilligung für den gegenwärtigen Bestand angesucht. Die Antragsgegner hingegen hätten ihre von der Baubehörde im Weg der Verbesserung aufgetragenen Unterschriften unter dieses Bauansuchen verweigert (und sogar die Verkürzung der der Antragstellerin und den Miteigentümern ursprünglich bis 30. 6. 2021 gewährten Fristverlängerung auf den 30. 9. 2020 erwirkt).

[7] Zwischen den nicht an diesem Verfahren beteiligten Miteigentümern und den Antragsgegnern in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger des Errichters und Verkäufers der Wohnungseigentumsanlage sei ein Gewährleistungsprozess anhängig. Auch in diesem Prozess gehe es um die Verweigerung der Unterschrift durch die Antragsgegner.

[8] In einer Eigentümerversammlung am 22. 9. 2020 hätten die Antragsgegner gegen den erklärten Willen der Antragstellerin und der übrigen Miteigentümer mehrheitlich beschlossen, das Gebäude gemäß der aufrechten Baubewilligung umzubauen. Nach Bekanntgabe der Beschlussfassung hätten die Antragsgegner eigenmächtig und ohne Baubewilligung erste entsprechende Baumaßnahmen gesetzt. Die daraufhin angestrengten Besitzstörungsverfahren seien zugunsten der jeweiligen Kläger erledigt.

[9] Am 30. 9. 2020 habe die Frist für die Beibringung der von den Antragsgegnern verweigerten Unterschriften unter den Nachtragsantrag geendet. Die Zurückweisung des Bauansuchens sei derzeit beim Landesverwaltungsgericht Kärnten anhängig, eine Entscheidung sei noch nicht ergangen.

[10] Die Vorgehensweise der Antragsgegner diene offenkundig ausschließlich der bewussten Herbeiführung einer Wertminderung der Miteigentumsanteile der Antragstellerin und der übrigen Miteigentümer sowie der Schikane, um diese zu zermürben und dazu zu bewegen, ihre Miteigentumsanteile billig an die Antragsgegner zu veräußern.

[11] Die Antragsgegner stünden auf dem Standpunkt, dass der Rechtsmangel, den ihr Rechtsvorgänger im Hinblick auf das Fehlen der erforderlichen Baubewilligung zu vertreten habe, unbehebbar sei. Dem stünden aber die Auskunft der Baubehörde und die von den Antragsgegnern in Auftrag gegebenen Privatgutachten entgegen. Die Kosten für die für die baubehördliche Bewilligung des Bestands noch erforderlichen baulichen Maßnahmen (sowie der Sanierung eines Feuchtigkeitsschadens) könnten sich die Antragstellerin und die anderen Miteigentümer wirtschaftlich leisten; den von den Antragsgegnern angeblich angestrebten Umbau auf den Zustand der aufrechten Baubewilligung hingegen nicht. Dieser Umbau hätte außerdem zur Folge, dass der Nordtrakt des Gebäudes, in welchem sich aktuell drei kleine, auch so parifizierte Wohneinheiten befänden, mit immensem finanziellen Aufwand sowie unter Änderung der Raumaufteilung zu einer großen Wohneinheit umgebaut werden müsste.

[12] Der vormalige Alleineigentümer, Errichter, Wohnungseigentumsorganisator und Gesamtrechtsvorgänger der Antragsgegner hätte den gegenwärtigen Bestand des Gebäudes entsprechend einer Einreichplanung ausgeführt. Auf Basis dieser Einreichpläne sei das Nutzwertgutachten erstellt und diesem entsprechend im Weg eines Wohnungseigentumsstatuts das vorläufige Wohnungseigentum einverleibt worden. Da eine Bescheinigung gemäß § 6 Abs 1 Z 2 WEG nur aufgrund behördlich bewilligter Baupläne erteilt werden könne, sei davon auszugehen gewesen, dass eine behördliche Bewilligung vorliege.

[13] Die Wohnungen Top 2 und 3 seien gemäß diesen (in Wahrheit nicht baubewilligten) Einreichplänen errichtet und seither baulich nicht verändert worden. Die Wohnung Top 1 der Antragsgegner weise geringfügige Abweichungen gegenüber den Plänen auf. Die Antragsteller und die übrigen nicht am Verfahren beteiligten Miteigentümer hätten daher den damaligen Planer aufgefordert, die Einreichplanung zu aktualisieren, und diesen aktualisierten Einreichplan dann mit einem Antrag auf nachträgliche Erteilung der baubehördlichen Bewilligung per 25. 6. 2019 bei der Baubehörde eingebracht.

[14] Die Antragsgegner verweigerten seither mutwillig ihre von der Baubehörde geforderte schriftliche Zustimmung zum Antrag auf nachträgliche baubehördliche Baubewilligung, obwohl dies den Interessen der Eigentümergemeinschaft, wie auch jenen der Antragstellerin und der übrigen Miteigentümer krass zuwiderlaufe. Die Herstellung des konsensmäßigen Zustands würde die Antragstellerin mit Kosten von zumindest 64.450,19 EUR belasten. Abgesehen von diesen immensen Mehrkosten eines Umbaus auf den konsensmäßigen Zustand bilde ihre Wohnung dann, wie auch die Wohnungen Top 3 und Top 4, keine abgeschlossene Wohneinheit iSd § 2 Abs 2 WEG mehr. Dies allein wäre bereits ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Antragstellerin und die Eigentümergemeinschaft.

[15] Gemäß § 30 Abs 2 WEG könne das Gericht den Mehrheitseigentümern die Durchführung verabsäumter Maßnahmen auftragen, wenn ein Mehrheitseigentümer zum unverhältnismäßigen Nachteil eines anderen Wohnungseigentümers Maßnahmen unterlasse. Die Nachteile, die die Antragstellerin durch die Unterlassung (der Abgabe ihrer von der Baubehörde geforderten Zustimmungserklärungen) der Antragsgegner erfahre, seien jedenfalls unverhältnismäßig iSd § 30 Abs 2 WEG.

[16] Das Erstgericht wies den Antrag – a limine – wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurück.

[17] Gemäß § 52 Abs 1 Z 3 WEG habe über Anträge in Angelegenheiten der Minderheitsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer (§ 30 Abs 1 und 2 WEG) das Gericht im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden. Die sogenannte Dominatorregelung des § 30 Abs 2 WEG beziehe sich aber nur auf Verwaltungsmaßnahmen. Von solchen Verwaltungsmaßnahmen seien Verfügungen über die gemeinschaftliche Sache zu unterscheiden. Zu den Verfügungen iSd § 828 ABGB zählten Maßnahmen, die solche Auswirkungen auf die gemeinsame Sache haben, dass sie sich im gemeinsamen Recht und/oder den Anteilsrechten der Teilhaber niederschlagen. Solche Verfügungen beruhten auf dem Anteilsrecht, also der dinglichen Rechtsposition der Mit- und Wohnungseigentümer, gingen daher aus dem Eigentumsrecht hervor und seien nicht der Verwaltung der Liegenschaft zuzuordnen. In solchen Fällen könne die fehlende Zustimmung eines Teilhabers nicht durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden.

[18] Der Antrag sei darauf gerichtet, die Antragsgegner dazu zu verhalten, ihre Zustimmung zu einem Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für den derzeitigen Zustand des Objekts zu geben. Darin könne keine Verwaltungsmaßnahme nach § 30 Abs 2 WEG liegen. Es gehe hier vielmehr um die Gemeinschafts- und Anteilsrechte der Eigentümer somit um Verfügungen. Dies gelte umso mehr als die Antragstellerin selbst vorbringe, dass sie ihre Rechte aus dem Vertragsverhältnis zum Gesamtrechtsvorgänger der Antragsgegner ableite und hinsichtlich des Objekts ein Rechtsmangel vorliege.

[19] Da somit nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen keine der in § 52 Abs 1 WEG taxativ aufgezählten Angelegenheiten anzunehmen sei, könnte die Antragstellerin ihre allfälligen Ansprüche lediglich im streitigen Rechtsweg geltend machen.

[20] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.

[21] Das Minderheitsrecht auf gerichtliche Kontrolle der Verwaltungsführung des Mehrheitseigentümers nach § 30 Abs 2 WEG erfasse grundsätzlich den gesamten Bereich der ordentlichen Verwaltung. Das Kontrollrecht gehe jedoch nicht so weit, dass es immer schon dann eingesetzt werden könnte, wenn schutzwürdige Interessen aus dem Gemeinschaftsverhältnis eines Minderheitseigentümers beeinträchtigt werden. Seien Handlungen und Unterlassungen des Mehrheitseigentümers nicht mehr als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung zu werten, sei der beeinträchtigte Minderheitseigentümer auf den Klageweg zu verweisen.

[22] Schon die im Antrag umfangreich dargelegte Vorgeschichte, aber auch der konkrete Antrag auf Zustimmung zur Einreichung, verbunden mit Umbauarbeiten, Nutzungs- und Widmungsänderungen, zeige unzweifelhaft auf, dass es sich nicht mehr um Maßnahmen der Verwaltung handle, sondern um Verfügungen, die sich im gemeinsamen Recht bzw den Anteilsrechten der Teilhaber niederschlagen. Derartige Ansprüche seien im streitigen Verfahren geltend zu machen.

[23] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass dem Erstgericht die Behandlung der gestellten Anträge im außerstreitigen Verfahren aufgetragen wird, in eventu die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die einzuhaltende Verfahrensart iSd § 40a JN aufzutragen.

[24] Das Erstgericht hat den Antrag ohne Beteiligung der Antragsgegner sofort zurückgewiesen. Das Revisionsrekursverfahren ist daher einseitig (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 68 Rz 21 mwN; allgemein zur fehlenden Rechtsmittellegitimation der Antragsgegner 2 Ob 12/17d; 1 Ob 62/15x).

Rechtliche Beurteilung

[25] Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

[26] 1. Die in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen gehören grundsätzlich auf den streitigen Rechtsweg. Die Rechtsdurchsetzung im außerstreitigen Verfahren findet nur statt, wenn eine Sache durch das Gesetz ausdrücklich oder zumindest schlüssig in diese Verfahrensart verwiesen ist (RIS‑Justiz RS0012214 [T1, T5]; RS0013639 [T7]).

[27] Die erforderliche Abgrenzung wird dabei durch den inneren Zusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie bestimmt (RS0012214 [T6]; RS0013639 [T15]). In diesem Sinn ist das außerstreitige Verfahren auch ohne gesetzliche Anordnung jedenfalls dann anzuwenden, wenn sich dies aus der Natur des Anspruchs und der durch seine Geltendmachung hergestellten Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller und dem Gericht ergibt (RS0005781 [T6]).

[28] Diese allgemeinen Grundsätze werden auch durch den für das wohnungseigentumsrechtliche Außerstreit-verfahren maßgeblichen § 52 WEG nicht berührt (RS0109644; RS0005948 [T18]).

[29] 2. Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen der das Verfahren einleitenden Partei (§ 40a JN; RS0005861 [T6]; RS0005896 [T17, T19]; RS0013639 [T11, T17, T19, T23]; zur Zulässigkeit des Rechtswegs an sich RS0045584; RS0045718).

[30] Bei der Beurteilung, ob eine Sache in das Außerstreitverfahren oder auf den streitigen Rechtsweg gehört, ist also von den Behauptungen des Antragstellers, nicht von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen (RS0005861 [T4]; RS0013639 [T9]). Für die Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder in einem streitigen Zivilprozess zu entscheiden ist, kommt es auch nicht darauf an, ob das Begehren selbst berechtigt ist (RS0005896 [T12, T23]; RS0013639 [T1]). Macht der Antragsteller nach seinen Behauptungen einen Anspruch an sich mit Recht im Außerstreitverfahren geltend, stellt sich aber heraus, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch fehlen, ist das Begehren daher im Außerstreitverfahren, wenn auch abschlägig, zu erledigen (RS0005861; RS0013639 [T8, T10]).

[31] Auch die Sachlegitimation und die Schlüssigkeit eines Rechtsschutzbegehrens sind nur Bedingungen der (materiellen) Berechtigung des Begehrens und haben daher mit der zulässigen Verfahrensart nichts zu tun (RS0013639 [T25]; RS0005896 [T30]; RS0079246 [T2]).

[32] 3.1. Die Antragstellerin spricht in ihrem Antrag den Kompetenztatbestand des § 52 Abs 1 Z 3 WEG an. Nach dieser Bestimmung sind zum einen die Minderheitsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 30 Abs 1 und 2 WEG und zum anderen alle sonstigen Angelegenheiten der Wohnungseigentümer der Liegenschaft, über die nach dem 16. Hauptstück des zweiten Teils des ABGB im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist, wie etwa Benützungs-regelungen (§ 17 WEG) in das Außerstreitverfahren verwiesen.

[33] 3.2. Die Antragstellerin stützt sich ausdrücklich auf die sogenannte Dominatorregelung des § 30 Abs 2 WEG wonach, wenn ein einzelner Wohnungseigentümer die Mehrheit der Miteigentumsanteile hat und zum unverhältnismäßigen Nachteil eines anderen Wohnungseigentümers Maßnahmen trifft oder unterlässt beziehungsweise dem Verwalter aufträgt oder untersagt, der andere dagegen mit einem gegen den Mehrheitseigentümer zu richtenden Antrag – im Fall einer bereits getroffenen oder aufgetragenen Maßnahme innerhalb von drei Monaten ab deren Erkennbarkeit – das Gericht anrufen kann, auch wenn es sich nur um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung (§ 28 Abs 1 WEG) handelt. Das Gericht kann dem Mehrheitseigentümer die Unterlassung beabsichtigter, die Rücknahme bereits getroffener oder die Durchführung verabsäumter Maßnahmen auftragen. Der Anteilsmehrheit eines einzelnen Wohnungseigentümers ist es gleichzuhalten, wenn die Mehrheit der Miteigentumsanteile im Eigentum mehrerer Personen steht, die miteinander durch ein familiäres oder wirtschaftliches Naheverhältnis verbunden sind.

[34] Dieses Minderheitsrecht auf gerichtliche Kontrolle erfasst grundsätzlich den gesamten Bereich der Verwaltung und bezieht sich sowohl auf Verwaltungshandlungen als auch auf Unterlassungen des dominierenden Eigentümers, gleich viel, ob diese Akte unmittelbar oder mittelbar durch entsprechende Weisung an den Verwalter gesetzt werden (5 Ob 22/07g). Es ist aber zunächst dadurch eingeschränkt, dass es nur für den Fall besteht, dass einem Minderheitseigentümer durch Gestionen des dominierenden Mehrheitseigentümers ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde. Das Kontrollrecht geht aber nicht so weit, dass es immer schon dann eingesetzt werden könnte, wenn schutzwürdige Interessen aus dem Gemeinschaftsverhältnis eines Minderheitseigentümers beeinträchtigt werden. Sind Handlungen und Unterlassungen des Mehrheitseigentümers, welche die Interessen der anderen Miteigentümer beeinträchtigen, nicht mehr als Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung zu werten, ist der beeinträchtigte Minderheitseigentümer vielmehr auf die Geltendmachung seiner (anderen) Minderheitsrechte nach dem WEG bzw auf den Klageweg verwiesen (5 Ob 22/07g).

[35] Nach herrschender Auffassung greift dieses Minderheitsrecht auf gerichtliche Kontrolle der Verwaltungsführung daher (nur) im Bereich der ordentlichen Verwaltung (vgl RS0122085; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 30 WEG Rz 47). Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung (iSd § 29 WEG bzw §§ 834 f ABGB) und Verfügungsakte (iSd § 828 ABGB) des Dominators können demnach nicht gemäß § 30 Abs 2 WEG bekämpft werden (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 30 WEG Rz 47).

[36] 3.3. Der Verweis des § 52 Abs 1 Z 3 WEG umfasst neben der Dominatorregelung des § 30 Abs 2 WEG auch alle sonstigen Angelegenheiten der Wohnungs-eigentümer, welche nach den Regelungen des ABGB im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen sind.

[37] Nach § 838a ABGB sind das etwa alle Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängende Rechte und Pflichten. Entscheidend für die Verweisung auf den außerstreitigen Rechtsweg nach § 838a ABGB ist dabei, ob eine Streitigkeit zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten „den Kern des Begehrens“ bildet (RS0005896 [T35]; RS0013639 [T29]). Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  33).

[38] Eine richterliche Entscheidung in einem Außerstreitverfahren (§ 835 ABGB) kann über wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB (außerordentliche Verwaltung) und bei Stimmengleichheit auch in Angelegenheiten des § 833 ABGB (ordentliche Verwaltung) ergehen (RS0013692; RS0013734). Gegenstand der richterlichen Beschlussfassung nach § 835 ABGB ist dabei die Frage, ob die (wichtige) Veränderung ohne Einschränkung oder unter Bedingungen (Sicherstellung) bewilligt oder überhaupt abgelehnt wird. Das Gesetz stellt für diese richterliche Ermessensentscheidung keine bindenden Richtlinien auf; die Entscheidung hängt vielmehr davon ab, ob die Veränderung offenbar (also eindeutig) vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer und nicht allein von jenem des Mehrheitseigentümers aus zu beurteilen (6 Ob 40/21g; RS0013703).

[39] Der Beschluss des Außerstreitrichters ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (RS0013650 [T2]). In die bei der Entscheidung über die beabsichtigte wichtige Veränderung vorzunehmende Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft ist auch die subjektive Lage der einzelnen Teilhaber, also deren persönliche und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse angemessen miteinzubeziehen. Das folgt schon aus der innerhalb eines Gemeinschaftsverhältnisses bestehenden Treuepflicht, die auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilhaber erfordert (6 Ob 40/21g; RS0013701; RS0013703 [T2]). Es kommt auch nicht nur auf finanzielle Interessen an; vielmehr sind die gesamten Umstände des Falls zu berücksichtigen; insbesondere auch ein persönliches (immaterielles) Interesse eines Miteigentümers am Weiterbestehen seiner Wohnmöglichkeit (6 Ob 40/21g; RS0013703 [T5]; RS0013690 [T1, T2]).

[40] Ist eine Änderung tatsächlicher und rechtlicher Natur nicht mehr § 834 ABGB, sondern als Verfügung dem § 828 ABGB zu unterstellen, kann die fehlende Zustimmung eines Teilhabers nicht durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden, weil derartige Änderungen die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte betreffen und deshalb einem richterlichen Eingriff entzogen sind (9 Ob 8/17p; RS0117159; RS0013205). Die Rechtmäßigkeit einer solchen Substanzveränderung setzt daher eine einhellige Willensbildung der Miteigentümer voraus (RS0117159 [T2]).

[41] 4.1. Damit ist im gegebenen Zusammenhang die Unterscheidung zunächst zwischen Verfügungen iSd § 828 ABGB und Maßnahmen der Verwaltung (§§ 833 ff ABGB; §§ 28, 29 WEG) und gegebenenfalls die Unterscheidung zwischen ordentlicher (§ 833 ABGB; § 28 WEG) und außerordentlicher Verwaltung (§ 834f ABGB; § 29 WEG) maßgebend.

[42] 4.2. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungshandlungen und Verfügungen ist nach den Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut beziehungsweise die Anteile der Miteigentümer zu ziehen (RS0109188 [T2]). Verwaltungshandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um Interessen aller Gemeinschafter geht (RS0109188 [T3]). Sie zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen (RS0109188 [T12]). Zur Verwaltung gehört demnach alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts beeinträchtigen könnte (RS0109188 [T8]).

[43] Eine Verfügung dagegen greift in die Substanz der Gemeinschaftsrechte oder Anteilsrechte ein (RS0109188). Zu den Verfügungen zählen Maßnahmen, die solche Auswirkungen auf die gemeinsame Sache haben, dass sie sich im gemeinsamen Recht und/oder den Anteilsrechten der Teilhaber niederschlagen, wie beispielsweise die Veräußerung der gemeinsamen Sache oder die Einräumung einer Dienstbarkeit an der gemeinsamen Sache als Maßnahmen rechtlicher Natur oder etwa der gänzliche Abriss, die Vernichtung des im Miteigentum stehenden Gebäudes als Maßnahme tatsächlicher Natur. Der bloße Umstand, dass eine Maßnahme die Substanz der gemeinsamen Sache betrifft, reicht daher für eine Qualifikation als Verfügung iSd § 828 ABGB noch nicht aus, könnte sie als solche doch auch in der Verwaltung der Sache begründet sein. Insofern wird mit dem Begriff des Eingriffs in die „Substanz“ iSd § 828 ABGB auch weniger die Veränderung des Gegenstands (Sache) als vielmehr eine Veränderung des Wesenskerns des Gemeinschaftsrechts angesprochen (9 Ob 18/17p).

[44] 4.3. Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung iSd § 833 ABGB sind im Allgemeinen Maßnahmen, die der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, die sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig oder zweckmäßig erweisen, im Interesse aller Miteigentümer liegen und keine besonderen Kosten verursachen (RS0013573 [T19]). Im Gegensatz dazu sind wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB etwa Maßnahmen, die über die Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes hinausgehen oder wegen des Geschäftsumfangs von außergewöhnlicher Bedeutung sind (RS0013573 [T14]).

[45] Im Wohnungseigentum gehört nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG zwar auch nur die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft, einschließlich baulicher Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, zur ordentlichen Verwaltung. Es gilt allerdings der sogenannte „dynamische“ Erhaltungsbegriff, wonach auch zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist jedoch eine Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung (5 Ob 23/15s mwN).

[46] Zur außerordentlichen Verwaltung zählen gemäß § 29 Abs 1 WEG (nur mehr) die Veränderungen an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die darüber hinausgehen, wie etwa nützliche Verbesserungen oder sonstige über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderungen. Im Übrigen gelten für Angelegenheiten der außerordentlichen Verwaltung auch im Anwendungsbereich des WEG die §§ 834 und 835 ABGB (§ 29 Abs 5 WEG).

[47] 5. Diese nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilenden Abgrenzungsfragen sind im vorliegenden Zwischenverfahren über die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs freilich nicht abschließend zu klären. Entscheidend ist ja nicht die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Antragstellerin, sondern die Frage, ob sie nach dem Wortlaut des Begehrens und dem anspruchsbegründenden Vorbringen einen Anspruch geltend macht, der seiner Natur nach über § 52 Abs 1 Z 3 WEG in das Außerstreitverfahren verwiesen ist. Die Beurteilung der Natur des von ihr geltend gemachten Anspruchs hat aber vor dem Hintergrund dieser Abgrenzung zu erfolgen.

[48] Die Antragstellerin begehrt dem Wortlaut nach, „auszusprechen, dass die Antragsgegner schuldig seien, zuzustimmen“. Diese Formulierung findet insofern Deckung in der Formulierung des § 30 Abs 2 WEG, als danach das Gericht die Durchführung verabsäumter Maßnahmen auftragen kann. Aus dem Blickwinkel der Bestimmungen über die Verwaltung im schlichten Miteigentum des ABGB begehrt sie damit iSd § 835 ABGB das Ersetzen der Zustimmung der Miteigentümer durch den Sachbeschluss des Außerstreit-richters.

[49] Das Sachvorbringen der Antragstellerin in ihrem Antrag folgt zwar grundsätzlich den Tatbestandsvoraus-setzungen des § 30 Abs 2 WEG; sie behauptet aber nicht nur einen eigenen unverhältnismäßigen Nachteil; sie betont auch – ganz im Sinn der bei der Entscheidung nach § 835 ABGB über die beabsichtigte wichtige Veränderung vorzunehmenden Interessenabwägung – die Verfolgung ihrer individuellen Interessen wie auch von Gemeinschaftsinteressen durch Erhaltung des tatsächlichen Bestands. Die Antragstellerin stützt ihren Antrag dabei nicht auf vertragliche Ansprüche, vielmehr zielt ihr Antrag auf Erwirkung einer Verwaltungsmaßnahme, für die eine Ersetzung der Zustimmung in einem Außerstreitverfahren in Betracht kommt. Das Minderheitsrecht nach § 30 Abs 2 WEG käme dafür in Betracht, wenn die Erteilung dieser Zustimmung als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung anzusehen ist. Ein Antragsrecht auf richterliche Entscheidung gemäß § 835 ABGB bestünde dann, wenn es sich um eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung handelt.

[50] Die Frage der Schlüssigkeit und Begründetheit des Antragsbegehrens ist – wie gesagt – in diesem Verfahrensstadium (noch) nicht zu klären. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Begehren und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen grundsätzlich als eine durch § 52 Abs 1 Z 3 WEG in das Außerstreitverfahren verwiesenen Angelegenheit anzusehen ist. Das ist nach dem Gesagten zu bejahen.

[51] 6. Dem Revisionsrekurs kommt demnach Berechtigung zu. Die Vorinstanzen haben nicht iSd § 40a JN ausgesprochen, in welcher Verfahrensart die Rechtssache (nicht) zu erledigen ist, sondern den Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen. Diese Zurückweisung des Antrags durch die Vorinstanzen beruhtaber auf einer im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des gewählten Rechtswegs unzulässigen meritorischen Prüfung des geltend gemachten Anspruchs. Diese Entscheidungen waren daher ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht war die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

[52] Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte