OGH 9Ob18/17p

OGH9Ob18/17p19.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der Antragstellerin (zuletzt) M* P*, vertreten durch Dr. Peter Schartner Rechtsanwalt GmbH in Altenmarkt, gegen die Antragsgegnerin Agrargemeinschaft S*, vertreten durch Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wegen Ersetzung einer Zustimmung (eingeschränkter Streitwert: 7.500 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Jänner 2017, GZ 4 R 256/16z‑91, mit dem der Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 16. August 2016, GZ 1 Nc 300/11f-87, keine Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120337

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Spruch des Erstgerichts insgesamt zu lauten hat:

„Der Antrag der Antragstellerin auf Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung der auf der Liegenschaft in EZ 58 Grundbuch * bereits bestehender Bauwerke, nämlich:

a) des ca 15 m – 20 m nördlich des Grundstücks . 167 GB * zur Gänze auf Grundstück 701/1 GB * mit Fundamenten und Satteldach errichteten Bauwerks (Holzhütte) mit einer Grundfläche von 3 m x 3 m,

b.1.) des ostseitig auf Höhe Erdgeschoss errichteten und mit Pultdach abgedeckten eine Terrasse und ein Lager darstellenden Zubaus mit einer Breite von ca 5 m und einer Länge von ca 8 m an das auf Grundlage des Bescheides Zl 153/4‑1975 der Gemeinde * auf Grundstück 701/3 neu errichteten Alpgebäudes,

wird abgewiesen.

Hingegen wird die Zustimmung zur Errichtung

b.2.) des nordostseitig auf Höhe Erdgeschoss errichteten und mit Pultdach abgedeckten, einen Viehunterstand darstellenden Zubaus in der Größe von ca 4 m x 6 m an das auf Grundlage des Bescheides Zl 153/4‑1975 der Gemeinde * auf Grundstück 701/3 neu errichteten Alpgebäudes,

c.) die auf Grundstück 701/3 Grundbuch * direkt neben dem neuen Alpgebäude in Betonbauweise errichtete bauliche Anlage (Mistlege) im Ausmaß von 6 m x 10 m

erteilt.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen 1.230 EUR an Barauslagen zu ersetzen.

Im Übrigen werden die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben.“

Weiter ist die Antragsgegnerin schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen 640 EUR Barauslagen für die Rechtsmittelverfahren zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

Die nunmehrige Antragstellerin (zum Parteiwechsel s 9 Ob 8/16s) und die Antragsgegnerin (Agrargemeinschaft) sind Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 58 GB *, die ua die Grundstücke 701/1 und 701/3 umfasst und die im Alleineigentum der Antragstellerin stehende Liegenschaft EZ 41 umgibt. Die Liegenschaft EZ 58 GB * ist eine im Almbuch eingetragene Alpe. Hinsichtlich des „Niederlegers“ der Alpe steht der Antragstellerin infolge einer Nutzungsteilung das alleinige Almnutzungsrecht zu. Ihre Rechtsvorgänger haben auf den im Miteigentum stehenden Grundstücken zum Teil ohne Zustimmung der Antragsgegnerin bauliche Anlagen errichtet, von denen hier die aus dem Spruch ersichtlichen Bauten (Holzhütte, Zubau, Viehunterstand, Mistlege) verfahrensgegenständlich sind.

Im von der Antragsgegnerin angestrengten Verfahren AZ * des Bezirksgerichts Zell am Ziller wurde die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin wegen unberechtigten Eingriffs in das Miteigentum verpflichtet, diese Bauten zu beseitigen und jede Errichtung von Neu-, Zu- oder Anbauten auf den Grundstücken ohne Zustimmung der Antragsgegnerin (dort: Klägerin) zu unterlassen, weil sie weder eine entsprechende Reichweite der Benützungsvereinbarung noch eine Zustimmung der Antragsgegnerin nachweisen konnte und sie letztlich „ihre Berechtigung auch durch eine Entscheidung des Außerstreitrichters (Ersetzung der Zustimmung zur baulichen Änderung) nachweisen“ hätte können (Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. 5. 2009, AZ *).

Im vorliegenden Verfahren begehrte die Antragstellerin die nachträgliche gerichtliche Zustimmung zur Errichtung der aus dem Spruch ersichtlichen Bauten.

Die Antragsgegnerin bestritt, beantragte die Zurück-, in eventu Abweisung des Antrags und wandte ein, die Antragstellerin sei bereits rechtskräftig verpflichtet worden, die konsenslos errichteten Bauwerke zu entfernen. Sie würden auch nicht landwirtschaftlich, sondern zum Teil touristisch genutzt.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil die Baumaßnahmen in ihrer Summe und in ihrem Ausmaß iSd § 828 ABGB Verfügungen mit Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut bzw die Anteile der Miteigentümer darstellten, bei denen die fehlende Zustimmung eines Teilhabers nicht durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden könne (Substanzschädigung des Erdreichs; Gefahr der Verkleinerung der Almkulturen). Selbst wenn man von Veränderungen im Sinne außerordentlicher Verwaltungshandlungen ausgehe, seien die Veränderungen für die Eigentümergemeinschaft keine iSd § 843 ABGB vorteilhaften Baulichkeiten, sondern bedenklich.

Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs der Antragstellerin im Rahmen einer umfassenden Behandlung der Rekursausführungen (ON 91, S 36–61) keine Folge.

In ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Antragstellerin die Abänderung des Beschlusses im Sinn einer Stattgabe des Antrags.

Die Antragsgegnerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt. Die Beurteilung, ob im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft eine Maßnahme iSd § 828 ABGB oder eine solche der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung vorliegt, wie auch die Frage, ob die fehlende Zustimmung eines Miteigentümers zu einer Verwaltungsmaßnahme gerichtlich zu ersetzen ist, ist zwar von den jeweiligen Umständen des Falles abhängig(s RIS‑Justiz RS0013205 [T9]; RS0013198 [T12]), sodass damit für gewöhnlich keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG begründet wird. Im vorliegenden Fall besteht zur Ansicht der Vorinstanzen jedoch teilweise Korrekturbedarf.

1. Voranzustellen ist, dass die Antragstellerin die Berechtigung zur konsenslosen Errichtung der Bauwerke nicht aus ihrem Recht zur alleinigen Almnutzung ableiten kann. Dass ihr Nutzungsrecht nach der von den Vorgängern getroffenen Benützungsvereinbarung eine solche Reichweite hätte, wurde weder im Vorverfahren noch im Rahmen des aktuellen Verfahrens von ihr nachgewiesen (s die entsprechende Negativfeststellung des Erstgerichts, Beschluss ON 87 S 34). Im Vorverfahren wurde daher die miteigentumsrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit der Maßnahmen angenommen. Die Frage, ob und gegebenenfalls wie weit die fehlende Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung der Bauwerke gerichtlich zu ersetzen ist, ist daher ausschließlich nach den Regeln des Gemeinschaftseigentums zu beantworten.

Dass – so die Antragstellerin – nach der Entscheidung des Vorverfahrens alle verfahrens-gegenständlichen Baumaßnahmen der gerichtlichen Genehmigung unterzogen werden können, trifft dagegen nicht zu, weil im Vorverfahren zwar die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit, nicht aber die Frage der Genehmigungsfähigkeit als Vorfrage zu lösen war (vgl 5 Ob 174/02b mwN = RIS‑Justiz RS0013665 [T15]).

2. Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass die fehlende Zustimmung eines Teilhabers im Fall von Änderungen tatsächlicher und rechtlicher Natur, die § 828 ABGB zu unterstellen sind, nicht durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden kann, weil derartige Änderungen die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte betreffen und deshalb einem richterlichen Eingriff entzogen sind (s RIS‑Justiz RS0117159). Die Rechtmäßigkeit einer Substanzveränderung setzt daher eine einhellige Willensbildung der Miteigentümer voraus (RIS‑Justiz RS0117159 [T2]; RS0013205).

Eine richterliche Entscheidung (§ 835 ABGB) kann dagegen über wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB (außerordentliche Verwaltung), bei Stimmengleichheit auch in Angelegenheiten des § 833 ABGB (ordentliche Verwaltung) ergehen (RIS‑Justiz RS0013692; RS0013734; Sailer in KBB5 § 833 Rz 7 mwN). Wenn bezüglich der Vornahme bzw Nichtvornahme der baulichen Maßnahmen sowie deren rechtlicher Sanierung durch nachträgliche Baubewilligung Stimmengleichheit besteht, ist § 835 ABGB daher jedenfalls anzuwenden, ohne dass es der Erörterung der Frage, ob es sich um eine Maßnahme der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung handelt, bedürfte (RIS-Justiz RS0013393; s auch RS0108575). Damit ist hier die Unterscheidung zwischen Verfügungen iSd § 828 ABGB und Maßnahmen der (ordentlichen oder außerordentlichen) Verwaltung maßgebend, weil bei Stimmengleichheit nur letztere durch richterlichen Beschluss genehmigungsfähig sind.

3. Die Vorinstanzen haben die zur Abgrenzung von Verfügungen iSd § 828 ABGB und Verwaltungsmaßnahmen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sowie den Meinungsstand der Literatur zutreffend und umfänglich dargestellt, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

Hervorzuheben ist, dass sich Verwaltungshandlungen dadurch auszeichnen, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um Interessen aller Gemeinschafter geht, während die Abgrenzung von Verfügungen nach den Auswirkungen der Geschäftsführungsakte auf das gemeinschaftliche Gut beziehungsweise die Anteile der Miteigentümer vorzunehmen ist. Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsgutes beeinträchtigen könnte; eine Verfügung greift in die Substanz der Gemeinschaftsrechte oder Anteilsrechte ein (RIS‑Justiz RS0109188). Verwaltungshandlungen zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen. Die rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer stellt daher keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft dar (RIS‑Justiz RS0109188 [T12; T13]; vgl auch 5 Ob 216/15y [Holzsteg samt Fahrradabstellplatz auf der Allgemeinfläche Hof] ua). Zu prüfen ist, ob die geplante Veränderung vom Standpunkt der Gesamtheit der Miteigentümer aus offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist, sodass sie bei Abwägung der Gesamtinteressen zu unterbleiben hätte. Bei der Prüfung der Nachteiligkeit einer von der Mehrheit beabsichtigten Maßnahme kommt es nicht nur auf die finanziellen Interessen an. Es sind die gesamten Umstände des Falls zu berücksichtigen (s RIS‑Justiz RS0013703; RS0013690).

Zu den Verfügungen zählen dagegen Maßnahmen, die solche Auswirkungen auf die gemeinsame Sache haben, dass sie sich im gemeinsamen Recht und/oder den Anteilsrechten der Teilhaber niederschlagen, wie beispielsweise die Veräußerung der gemeinsamen Sache oder die Einräumung einer Dienstbarkeit an der gemeinsamen Sache als Maßnahmen rechtlicher Natur oder etwa der gänzliche Abriss, die Vernichtung des im Miteigentum stehenden Gebäudes als Maßnahme tatsächlicher Natur (s Terlitza, Zur Abgrenzung von Verwaltung und Verfügung– eine dogmatische Frage von eminenter praktischer Bedeutung, wobl 2011, 185, 187). Der bloße Umstand, dass eine Maßnahme die Substanz der gemeinsamen Sache betrifft, reicht daher für eine Qualifikation als Verfügung iSd § 828 ABGB noch nicht aus, könnte sie als solche doch auch in der Verwaltung der Sache begründet sein. Insofern wird mit dem Begriff des Eingriffs in die „Substanz“ iSd § 828 ABGB auch weniger die Veränderung des Gegenstandes (Sache) als vielmehr eine Veränderung des Wesenskerns des Gemeinschaftsrechts angesprochen.

4. Im konkreten Fall kommt eine gerichtliche Zustimmung zu den baulichen Maßnahmen danach nur dann in Frage, wenn sie Verwaltungsmaßnahmen im skizzierten Sinn darstellen, sie also im Wesentlichen gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsgutes, nicht aber Partikularinteressen betreffen. Da es sich bei der Liegenschaft EZ 58 um eine im Almbuch eingetragene Alpe handelt, ist dabei zu berücksichtigen, dass sich das gemeinschaftliche Interesse der Streitteile grundsätzlich auch aus der Einhaltung der die Eigentümer treffenden gesetzlichen Verpflichtungen zur Almbewirtschaftung (s § 4 Tir AlmschutzG) ergeben kann.

5. Die mit Fundament und Satteldach errichtete Holzhütte ist nach den Feststellungen relativ weit vom neuen Alpgebäude entfernt und dient nicht der Einlagerung von Gegenständen oder Geräten, die für die Alm- und Weidebewirtschaftung der Alm benötigt würden. Die gegenteiligen Behauptungen im Revisionsrekurs entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt. Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte für ein Interesse der Miteigentümergemeinschaft am Bestand dieser Hütte. Insoweit besteht zur Entscheidung der Vorinstanzen kein Korrekturbedarf.

6. Gleiches gilt für den aus einer Terrasse (mit Pultdach) und einem Lager bestehenden, eine bauliche Einheit bildenden Zubau. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen dient der Terrassenzubau der Gästebewirtung. Dass der Ausschank von Getränken und die Bewirtung der Gäste mit Suppe und Almjausen die Voraussetzungen eines „Almausschanks“ im Sinne der Gewerbeordnung erfüllt, steht nicht fest. Es steht auch nicht fest, dass die notwendigen Voraussetzungen für den Betrieb einer Jausenstation vorliegen. Auch die Verwendung (Vermietung) von Teilen des Alpgebäudes als Freizeitwohnsitz, die lediglich verwaltungsrechtlich als zulässig erachtet wurde (Urteil des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 23. 11. 2015 zu § 17 TROG 2011; Beil ./AU), ist nicht geeignet, den Zubau aus der Sicht der Miteigentümergemeinschaft zu rechtfertigen. Die Errichtung oder Mitbenützung dieser Gebäude liegt auch sonst nicht im Interesse der Antragsgegnerin (s Beschluss ON 87 S 35, 37). Da insoweit aber nur Partikularinteressen der Antragstellerin erkennbar sind, haben die Vorinstanzen der Errichtung dieses Zubaus die Zustimmung zurecht versagt.

7. Nach § 2 Abs 4 des Tir AlmschutzG gehören zum Almbetrieb auch die mit der weidewirtschaftlichen Nutzung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Maßnahmen, wie die Errichtung, Instandsetzung und Erhaltung von Almgebäuden, Viehunterständen, Zäunen und Wegen sowie von Wasser- und Energieversorgungsanlagen, die Ausübung von dem Almbetrieb dienenden Nutzungsrechten sowie Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung von Weideflächen. Ein Viehunterstand dient damit zweifellos der Almbewirtschaftung.

Im vorliegenden Fall wurde im Jahr 1985 infolge eines Lawinenabgangs der Neubau eines Viehunterstandes (Grundstück 701/3) bewilligt. Nach dessen Zusammenbruch ca im Jahr 2005 wollte die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin diesen direkt zum neuen Alpgebäude verlegen. Da eine Baubewilligung an der Zustimmung der Agrargemeinschaft scheiterte, wurde ein einfacher und in ortsüblicher Holzbauweise ausgeführter provisorischer Viehunterstand „um die Milchkammer“ herum errichtet. Es steht nicht fest, dass er nicht mehr an seinem ursprünglichen Standort zweckentsprechend wiedererrichtet werden hätte können.

Dass ein Viehunterstand als solcher hier zur Almbewirtschaftung erforderlich ist, ist nicht weiter zweifelhaft. Die Errichtung eines solchen ist hier daher eine Maßnahme der Verwaltung, nicht aber eine solche des Eingriffs in die Substanz des Eigentumsrechts iSd § 828 ABGB (vgl 6 Ob 90/03h: Errichtung einer Gartenhütte als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung iSd § 834 ABGB).

Im Hinblick auf die Gesamtinteressen der Miteigentümer ist zu bedenken, dass die Almbewirtschaftung aufgrund der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung (s oben) prinzipiell auch im Interesse der Antragsgegnerin gelegen ist und dafür grundsätzlich auch ein Viehunterstand erforderlich ist. Es steht zwar nicht fest, dass der Viehunterstand am ursprünglichen Standort nicht zweckentsprechend wiederzuerrichten gewesen wäre. Sein Verbund mit dem Almgebäude ist hier aber – unabhängig von der Wertsteigerung des Gebäudes – aufgrund der besseren Erreichbarkeit des Viehunterstandes zur Reinigung, Düngersammlung, Melkarbeit uä sinnhafter als eine entfernt gelegene Baulichkeit. Aus der Grundinanspruchnahme ergibt sich insofern kein Nachteil, als die Stelle des früheren Viehunterstandes nicht mehr für einen solchen Bau in Anspruch genommen werden muss und damit andere Nutzungsmöglichkeiten (zB Beweidung) eröffnet. Dass durch den Zubau die Ausübung des Jagdrechts der Antragsgegnerin beeinträchtigt würde, ist nicht ersichtlich. Auch sonstige Interessen, warum sie ihre Zustimmung verweigert, sind nicht erkennbar. In Gesamtbetrachtung der Interessen der Miteigentümergemeinschaft ist die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung des Viehunterstandes daher gerichtlich zu ersetzen.

8. Bezüglich der betonierten Mistlege steht fest, dass sie nunmehr so ausgeführt wurde, dass sie keine Gefahr für umwelt- und naturschutzrechtlich relevante Materien darstellt. Dies entspricht auch einer an die Bezirkshauptmannschaft Schwaz gerichteten Mitteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung (ON 52 S 87 = Bd II AS 185), dass die Düngerstätte mit Jauchengrube „nun den Anforderungen der Verordnung des BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen“ entspricht. Bei der Düngung mit Festmist ist auch die Gefahr der Verunkrautung weniger akut als bei reiner Güllewirtschaft. Es steht fest, dass die Mistlege betriebsnotwendig und ordnungsgemäß angelegt ist. Ausgehend davon, dass die Errichtung der Mistlege nach den Verfahrensergebnissen nicht schon als von der Benützungsvereinbarung gedeckt anzusehen ist, kann danach nicht zweifelhaft sein, dass auch ihre Errichtung zu den Verwaltungsagenden des Almbetriebes gehört, die einer gerichtlichen Zustimmung zugänglich sind. Die Antragsgegnerin hat keine Gründe vorgetragen, die angesichts der Betriebsnotwendigkeit der Mistlege aus der Sicht des Gemeinschaftsinteresses ihrer Errichtung entgegenstehen könnten. Die Inanspruchnahme von Grund ist auch bei einer Güllegrube (mit der Gefahr des Ausrinnens von Jauche) gegeben. Eine Beeinträchtigung des Jagdrechts der Antragsgegnerin durch die Errichtung der Mistlege ist nicht ersichtlich. Auch unter baubewilligungsrechtlichen Aspekten sind keine gegenläufigen Interessen der Antragsgegnerin erkennbar (s die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 lit k Tir Bauordnung 2001 für nicht überdachte ortsübliche Düngerstätten im Freiland). Danach ist auch im Hinblick auf die Mistlege die begehrte gerichtliche Zustimmung zu ihrer Errichtung zu erteilen.

9. Zusammenfassend erweist sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin im Hinblick auf die (nachträgliche) gerichtliche Zustimmung zur Errichtung der Holzhütte und des Zubaus (Terrasse und Lagerraum) als nicht berechtigt, zur Errichtung des Viehunterstandes und der Mistlege dagegen als berechtigt. Dem Revisionsrekurs war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang Folge zu geben.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG iVm § 43 Abs 1 ZPO. Danach sind einer Partei die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu ersetzen, soweit sie mit ihrer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegenüber anderen Parteien, die entgegengesetzte Interessen verfolgt haben, Erfolg hatte. Der – von der Antragstellerin keinen gesonderten Bewertungen unterzogene – Antrag war zur Hälfte erfolgreich (Obsiegen im Hinblick auf zwei von vier Bauwerken). Dies hat die Aufhebung der wechselseitigen Kosten des Verfahrens in allen drei Instanzen, sofern über sie noch nicht abgesprochen wurde, zur Folge, sowie hinsichtlich der Barauslagen iSd § 43 Abs 1 ZPO eine Kostenersatzpflicht von jeweils 50 %, davon für das erstinstanzliche Verfahren 50 % der von der Antragstellerin verzeichneten Kosten für das Sachverständigengutachten abzüglich 50 % der von der Antragsgegnerin verzeichneten Zeugengebühren; für die Rechtsmittelverfahren 50 % der jeweiligen Pauschalgebühr, jedoch ausgehend vom tatsächlich vorgeschriebenen Betrag von 512 EUR für das Verfahren zweiter Instanz und 768 EUR für das Verfahren dritter Instanz.

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