OGH 5Ob216/15y

OGH5Ob216/15y18.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. R***** P*****, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dipl.‑Ing. D***** K*****, 2. Mag. J***** K*****, 3. Dr. H***** K*****, 4. E***** J*****, 5. E***** P*****, 6. Ing. M***** F*****, 7. Dr. H***** K*****, 8. W***** W*****, 9. E***** S*****, 10. S***** Z*****, 11. C***** K*****, sowie die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** laut Grundbuch, die 1. bis 6., 8. und 11. Antragsgegner vertreten durch Dr. Bernhard Eder, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beschlussanfechtung nach §§ 24 Abs 6, 29 WEG (§ 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Juli 2015, GZ 40 R 88/15k‑39, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 23. Jänner 2014, GZ 23 Msch 9/13b‑31, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00216.15Y.0518.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die 1. bis 6., 8. und 11. Antragsgegner sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 435,73 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 72.62 EUR Umsatzsteuer) und die mit 756,29 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 87,05 EUR Umsatzsteuer und 234 EUR Pauschalgebühr) zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien. Mit Umlaufbeschluss vom 24. September 2013 (Bekanntgabe durch den Verwalter) hat die Eigentümergemeinschaft (mit einer Mehrheit von 64,76 %) folgenden Beschluss gefasst:

„Die Eigentümergemeinschaft stimmt der Errichtung eines Stegs mit überdachtem Fahrradabstellplatz laut Plan vom 1. Februar 2012 des Dipl.‑Ing. K*****, Wohnungseigentümer der Top Nr. 1 im Hause R*****, unter der Voraussetzung der behördlichen Bewilligung sowie Kostenübernahme des gesamten Vorhabens durch den Antragsteller, Herrn Dipl.‑Ing. K*****, unter Mitnutzungsberechtigung aller Miteigentümer im Haus zu.“

Die Antragstellerin beantragte, diesen Beschluss für rechtsunwirksam bzw nichtig zu erklären oder aufzuheben. Gegenstand der vom Erstantragsgegner initiierten Beschlussfassung sei eine Verfügungshandlung über allgemeine Teile der Liegenschaft, die außerhalb des Regelungsbereichs des § 29 Abs l WEG liege. Die im Beschluss geplante Maßnahme greife in massiver Weise in die Anteilsrechte der anderen Wohnungseigentümer ein, weil damit eine als „Steg“ bezeichnete Allgemeinfläche des Hofs de facto der alleinigen Benützung und Verfügung des Erstantragsgegners überlassen werde. Für die Beschlussfassung sei daher Einstimmigkeit erforderlich.

Die 1. bis 6., 8. und 11. Antragsgegner beantragten die Abweisung des Antrags. Die Beschlussfassung sei rechtmäßig erfolgt. Die Schaffung eines Fahrradständers stelle keinen Eingriff in das Eigentumsrecht des einzelnen Wohnungseigentümers an der gemeinsamen Sache dar und der zu errichtende Holzsteg sei für jedermann zugänglich. Der Erstantragsgegner beanspruche nicht dessen ausschließliche Benutzung. Bei der beschlossenen Maßnahme handle es sich lediglich um eine Modifikation eines Bauvorhabens aus dem Jahre 1998, dem die damaligen Miteigentümer der Liegenschaft bereits ihre Zustimmung erteilt hätten.

Das Erstgericht sprach aus, dass der angefochtene Beschluss nichtig sei. Dessen Gegenstand sei eine faktisch ausschließliche Nutzungsmöglichkeit allgemeiner Flächen und daher keine Maßnahme der (außerordentlichen) Verwaltung. Zur Schaffung einer Sondernutzung durch den Erstantragsgegner bedürfe es der Einstimmigkeit. Der Umstand, dass dem Erstantragsgegner aufgrund einer einstimmigen Beschlussfassung aus dem Jahr 1998 die Umsetzung des damals angedachten Projekts freistehen würde, ändere insofern nichts, als es sich einerseits um eine teilweise andere Ausgestaltung der Hofnutzung handle, andererseits diese Frage im streitigen Rechtsweg zu klären wäre.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der 1. bis 6., 8. und 11. Antragsgegner Folge und wies den Antrag in Abänderung des Sachbeschlusses des Erstgerichts ab. Die rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer könne keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft sein. Dies hindere eine Beschlussfassung auch dann, wenn das bloß auf Teile der beabsichtigten Maßnahme zutreffe. Wolle ein Wohnungseigentümer eine solch eigennützige Änderung vornehmen, so verpflichte diesen schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer, deren Zustimmung oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Die Zustimmung des einzelnen Wohnungseigentümers könne nicht durch eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft ersetzt werden. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts erweise sich die vom Erstantragsgegner geplante Errichtung eines überdachten, versperrbaren Fahrradständers samt Steg aber nicht als eine solche eigennützige Änderung. Die Errichtung des Fahrradständers würde isoliert betrachtet zweifelsfrei als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizieren sein. Aber auch die bauliche Kombination mit dem der Eingangstüre zum Wohnungseigentumsobjekt des Erstantragsgegners vorgelagerten Steg sei insofern keine eigennützige Maßnahme, als dieser vom Innenhof als Allgemeinfläche für alle Miteigentümer zugänglich sei, diesen mit dem angefochtenen Beschluss eine Nutzungsmöglichkeit ausdrücklich eingeräumt werde und mit der aus Glas oder Polycarbonatplatten herzustellenden Überdachung des Fahrradständers keine Sichtbeeinträchtigung auf den Eingangsbereich verbunden sei. Die Benützbarkeit sei anhand objektiver Kriterien zu beurteilen und hier für alle Miteigentümer in gleicher Weise gegeben, weil der erhöhte, dem Objekt des Erstantragsgegners vorgelagerte Bereich des Stegs oder der Terrasse von der übrigen Allgemeinfläche des Hofs nicht abgetrennt werde. Der Umstand, dass dieser Bereich bei lebensnaher Betrachtung für den Erstantragsgegner einen größeren Nutzen bringe, als für andere Miteigentümer ändere nichts daran, dass dem Erstantragsgegner gerade keine exklusive Nutzungsmöglichkeit eingeräumt werde. Die Errichtung des Stegs samt Fahrradabstellplatz stelle daher eine Verwaltungsmaßnahme dar, die einer Regelung durch Mehrheitsbeschluss zugänglich sei. Dass sich der Erstantragsgegner nunmehr im Rekursverfahren auf den Standpunkt stelle, ihm sei aufgrund eines einstimmigen Beschlusses aus dem Jahr 1998 die alleinige Nutzung gestattet, sei im Verfahren über die Prüfung der Rechtswirksamkeit eines Beschlusses nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG nicht zu prüfen, sondern allenfalls im Streitweg zu klären.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es liege keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vor, ob bei der Beurteilung einer beabsichtigten Veränderung als „eigennützig“ von rein formalen, objektiven Kriterien auszugehen sei, oder aber zu berücksichtigen sei, inwieweit durch die Einräumung von formal gleichen Nutzungsrechten für sämtliche Wohnungseigentümer in Wahrheit einigen Miteigentümern bloß inhaltsleere Nutzungsrechte verschafft würden; dies insbesondere in jenen Fällen, wo reine Verwaltungsmaßnahmen mit Veränderungen, die für sich betrachtet dem § 16 Abs 2 WEG zu unterstellen wären, baulich kombiniert würden.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die 1. bis 6., 8. und 11. Antragsgegner beantragten in ihrer Beantwortung des Revisionsrekurses, diesen zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ist ‑ abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des § 18 Abs 2 WEG ‑ auf Angelegenheiten der Verwaltung beschränkt. Mehrheitsbeschlüsse können und dürfen nur Maßnahmen der Verwaltung zum Gegenstand haben (RIS‑Justiz RS0130070). Jeder Wohnungseigentümer kann nach Maßgabe des § 24 Abs 6 WEG einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit anfechten. In diesem Sinn sind auch Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft wegen Kompetenzüberschreitung anfechtbar (5 Ob 226/14t mwN).

2. Das ABGB definiert den Begriff „Verwaltung“ nicht, sondern setzt ihn voraus. Das WEG 2002 enthält zwar eine demonstrative Aufzählung von Verwaltungsagenden (§§ 28, 29 WEG 2002), aber ebenfalls keine Definition des Begriffs der Verwaltung (5 Ob 226/14t mwN). Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer sind einerseits von bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Teilhaber, andererseits von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Anteile daran zu unterscheiden. Verwaltungshandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um Interessen aller Gemeinschafter geht. Von den bloßen Besitzhandlungen oder Gebrauchshandlungen der einzelnen Miteigentümer heben sie sich dadurch ab, dass mit ihnen Geschäfte der Gemeinschaft besorgt werden, während die Abgrenzung zu den Verfügungen nach den Auswirkungen der Geschäftsführungsakte auf das gemeinschaftliche Gut bzw die Anteile der Miteigentümer vorzunehmen ist. Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts beeinträchtigen könnte; eine Verfügung greift in die Substanz der Gemeinschaftsrechte oder Anteilsrechte ein (RIS-Justiz RS0109188).

3. Verwaltungshandlungen zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0109188 [T12]). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um Interessen aller Gemeinschafter geht (RIS-Justiz RS0109188 [T3]). Die rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer stellt demnach keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft dar (5 Ob 130/08s = RIS-Justiz RS0109188 [T13]; 5 Ob 250/05h, 5 Ob 213/04s, 5 Ob 299/99b). Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, soweit diese einer vorteilhafteren Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts dienlich sind, sind vielmehr vom weiten Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG umfasst; dies gilt selbst dann, wenn davon ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (RIS-Justiz RS0083108 [T1]). Der vorteilhafteren Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts dienliche Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft stellen daher eine Maßnahme der Verfügung des Wohnungseigentümers über sein Objekt dar (5 Ob 250/05h mwN). Will ein Wohnungseigentümer eine derartige Änderung vornehmen, so verpflichtet diesen schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer, deren Zustimmung oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen (RIS-Justiz RS0083156 [T16]). Durch eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft kann die Zustimmung des einzelnen Wohnungseigentümers nicht ersetzt werden. Ein dennoch gefasster Beschluss ist unbefristet anfechtbar (RIS-Justiz RS0083156 [T17]).

4. Wenn Maßnahmen ausschließlich allgemeine Teile betreffen, ist daher zur Abgrenzung zwischen Verwaltung und Änderung nach § 16 Abs 2 WEG und für die wohnugseigentumsrechtliche Verteilung der Kompetenzen danach zu differenzieren, ob eine Maßnahme im alleinigen Interesse eines Wohnungseigentümers oder im Gemeinschaftsinteresse gelegen ist. Dient die Veränderung gemeinschaftlichen Interessen, kommt die Entscheidungskompetenz grundsätzlich der Eigentümergemeinschaft und damit der Mehrheit zu, der Einzelne ist auf seine Minderheitsrechte verwiesen. Dient sie dagegen der Umsetzung bloß individueller Interessen, bedarf es nach § 16 Abs 2 WEG der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer (vgl Vonkilch, Glosse zu immolex 2005, 150/57; Terlitza, Zur Abgrenzung von Verwaltung und Verfügung ‑ eine dogmatische Frage von eminenter praktischer Bedeutung, wobl 2011, Seite 185 [199]; Löcker in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht³ § 18 Rz 27 und § 28 WEG Rz 32).

5. Die hier zu beurteilende Maßnahme kann nur dann der Wahrnehmung gemeinschaftlichen Interessen dienen, wenn der zu errichtende Holzsteg samt Fahrradabstellplatz durch alle Mit- und Wohnungseigentümer zur Benützung offen steht. Dabei kommt es aber nicht allein auf die rechtliche Zulässigkeit der Nutzung an. Die Grenze für die Festlegung des „Rechts“ zur Benützung ist nämlich die objektive Nutzungsmöglichkeit. Dieser Aspekt der objektiven Nutzungsmöglichkeit kann als ein Korrektiv für Fälle erkannt werden, in denen die Wahrnehmung eines eingeräumten Rechts - unter verständiger Berücksichtigung der bestehenden Sach- und Vertragslage - praktisch zwangsläufig an faktischen Umständen scheitern muss (5 Ob 287/07b = RIS-Justiz RS0069987 [T15] = RS0070297 [T8] = RS0109557 [T2]). Die Beurteilung der objektiven Nutzungsmöglichkeit hat dabei ‑ im Sinne der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Kostenbeteiligung an Gemeinschaftsanlagen (vgl RIS‑Justiz RS0083193, RS0083101 [T4], RS0083087 [T8], RS0109557 [T4]) nach der Verkehrsauffassung bzw danach, was dem objektiv nachvollziehbaren vernünftigen Gebrauch dient, zu geschehen; maßgebend ist also eine objektiv nachvollziehbare vernünftige Nutzungsmöglichkeit und nicht die subjektive (tatsächliche) Nutzung. Ein praktisch inhaltsleeres Recht der Miteigentümer begründet in diesem Sinn keine gemeinschaftlichen Interessen.

6. Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist hier die Umgestaltung einer ‑ zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft gehörenden ‑ Hoffläche des Hauses im Bereich vor dem Wohungseigentumsobjekt des Erstantragsgegners durch die Errichtung eines „Holzstegs“ samt Fahrradständer. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist die Ausführung der Überdachung des Fahrradständers in Glas oder Polycarbonat geplant, sodass eine Sichtbarkeit der dahinter liegenden Hausmauer und des Eingangs zum Wohnungseigentumsobjekt des Erstantragsgegners möglich ist. Auf der Hoffläche zwischen dem geplanten Fahrradständer und dem Objekt des Erstantragsgegners soll ein rund 30 Zentimeter hoher Holzsteg mit einer Fläche von 2,12 m x 4,44 m errichtet werden. Für den Erstantragsgegner besteht dadurch die Möglichkeit, aus seinem Objekt vorerst über zwei innerhalb des Objekts liegenden Stufen auf den Holzsteg zu treten, um danach in weiterer Folge vom Holzsteg auf die Hoffläche absteigen zu können. Zwischen den im Fahrradständer abgestellten Fahrrädern und der Hausmauer besteht grundsätzlich ein rund 80 Zentimeter breiter Durchgangsbereich. Soferne die Fahrräder in diesem Ständer abgestellt werden, bestünde nach den Feststellungen aber nur eine faktische Durchgangsmöglichkeit „von wenigen Zentimetern“; dies nach dem - einen Bestandteil des erstgerichtlichen Sachbeschlusses bildenden ‑ Plan offenbar deswegen, weil die Räder den Weg in diesen Durchgangsbereich an der Seite des Fahrradständers entsprechend verengen. Bei Abstellen von auch nur einem Fahrrad neben dem Fahrradständer bestünde faktisch keine Durchgangsmöglichkeit zum Bereich des Stegs. Zusammenfassend stellte das Erstgericht fest, dass durch die beabsichtigte Konstruktion faktisch ein letztlich lediglich für den Bewohner Top Nr l zugänglicher Bereich geschaffen werde, der durch die Fahrradständerüberdachung vom sonstigen Hofbereich abgegrenzt sei. Theoretisch sei ein Zugang zum Holzsteg für die sonstigen Nutzer des Innenhofs möglich.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegner sind diese vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ausreichend (genau), um die objektiv nachvollziehbaren vernünftigen Nutzungsmöglichkeiten abschließend beurteilen zu können. Insbesondere will das Erstgericht mit dem Begriff „faktisch“ nach dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang offenbar die Bedeutung der Qualifikation der Zugangsmöglichkeit als bloß „theoretisch“ in dem Sinn verdeutlichen, dass deren Nutzung lebens- und praxisfremd ist. Anders als ‑ isoliert betrachtet ‑ der Fahrradabstellplatz dient daher der zu errichtende, seiner Funktion nach einer Terrasse gleichende Holzsteg nicht der Wahrnehmung gemeinschaftlicher Interessen, weil den anderen Mit- und Wohnungseigentümern zwar das Recht zu dessen Nutzung zukommt, aber angesichts des durch den Fahrradabstellplatz derart erschwerten Zugangs zu der dem Wohnungseigentumsobjekt des Erstantragsgegners unmittelbar vorgelagerten Hoffläche keine objektiv nachvollziehbare vernünftige Nutzungsmöglichkeit besteht. Dieser der vorteilhafteren Nutzung nur des Wohnungseigentumsobjekts des Erstantragsgegners dienliche Teil der geplanten Maßnahme ist als rein eigennützige Verbauung allgemeiner Teile der Liegenschaft und damit als Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG zu qualifizieren und stellt keine Maßnahme der Verwaltung dar.

7. Die Beurteilung, dass die Errichtung des „Holzstegs“ nicht der Wahrnehmung gemeinschaftlicher Interessen dient, gilt umso mehr, wenn den anderen Mit- und Wohnungseigentümern aufgrund eines „einstimmigen Beschlusses“ aus dem Jahr 1998 auch gar kein Recht zu dessen Nutzung hätten. Auch die Frage, ob ein Wohnungseigentümer ein ihm durch eine derartige Benützungsregelung in Sondernutzung überlassenen allgemeinen Teil der Liegenschaft baulich verändern darf, also ob ein solcher Anspruch besteht und wie er durchzusetzen ist, ist in analoger Anwendung des § 16 Abs 2 WEG zu beantworten (5 Ob 299/99b; vgl auch 5 Ob 58/99m, 5 Ob 279/08b). Die auf einem alleinigen Nutzungsrecht des Erstantragsgegners aufbauende Argumentation, dass die Zustimmung für eine allfällige Sondernutzung durch ihn von allen Wohnungseigentümern und damit auch dem Rechtsvorgänger der Antragstellerin ohnedies bereits 1998 erteilt worden sei, geht daher ins Leere. Die Qualifikation der Errichtung des „Holzstegs“ als Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG und nicht als Verwaltung ist nicht Folge einer bislang fehlenden (und durch den angefochteten Beschluss auch gar nicht eingeräumten) Sondernutzungsmöglichkeit des Erstantragsgegners.

8. Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft soll demnach dem Erstantragsgegner eine Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG ermöglichen. Die dazu erforderliche Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer kann aber nicht durch eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft ersetzt werden. Eine solche Entscheidung fällt nicht in die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft, sondern als Verfügung über die gemeinschaftliche Sache in die unmittelbare Kompetenz der Teilhaber. Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft ist daher wegen Kompetenzüberschreitung anfechtbar.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die vom Erstantragsgegner angestrebte Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG im Hinblick auf den geplanten Fahrradabstellplatz mit einer Veränderung verbunden ist, die grundsätzlich allgemeine Interessen fördern soll. Stehen mehrere geplante Maßnahmen nach den Umständen des Einzelfalls in einem untrennbaren Zusammenhang, ist von einem einheitlichen Beschlussgegenstand (und nicht von zwei getrennten Beschlussgegenständen) auszugehen, sodass sich die Kompetenzüberschreitung auch auf die isoliert als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizierenden Teil-Maßnahmen erstreckt. Ein solcher untrennbarer Zusammenhang besteht insbesondere dann, wenn nach der aus der Formulierung des Beschlussgegenstands zu schließenden Willensrichtung bei der Beschlussfassung nur die Gesamtmaßnahme als solche Gegenstand der Abstimmung ist, also - wie hier - die (abstrakt vielleicht selbstständigen) Teil-Maßnahmen (konkret) derart miteinander verbunden sind, dass sie nur gemeinsam oder gar nicht umgesetzt werden sollen (vgl 5 Ob 51/15h).

9. Ein Beschluss, mit dem die Zustimmung der einzelnen Wohnungseigentümer zu einer Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG ersetzt werden soll, kann unbefristet bekämpft werden (RIS-Justiz RS0108763 [T3]). Ein solcher Beschluss ist zur Klarstellung der Rechtslage zu beseitigen (vgl 5 Ob 205/12a). In diesem Sinn war der erstgerichtliche Sachbeschluss wiederherzustellen.

10. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Es entspricht der Billigkeit, die sich am Verfahren beteiligenden Antragsgegner zum Kostenersatz gegenüber der jeweils voll obsiegenden Antragsstellerin zu verpflichten. Der Streitgenossenzuschlag für deren Vertretungskosten gebührt nur in Bezug auf Parteien, die tatsächlich im Verfahren einschreiten. Dieser beträgt hier daher (nur) 40 %. Für die nach TP 12a GGG zu bestimmende Pauschalgebühr fällt kein Streitgenossenzuschlag an (§ 19a GGG).

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