AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L512.2209702.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Enthofer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge „Pakistan“ genannt) stellte am 09.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zuvor reiste der BF ohne gültiges Reisedokument in die XXXX an. Gegen den BF wurde daraufhin eine Einreiseverweigerung erlassen.
I.1.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 09.06.2018 zusammengefasst Folgendes vor:
Er sei ledig, gehöre der islamischen Glaubensgemeinschaft und der Volksgruppe der Punjabi an. Zuletzt sei er ein XXXX gewesen. Er habe illegal Pakistan verlassen und habe XXXX erreichen wollen, da dies ein sicheres Land sei.
Zum Fluchtgrund befragt, erklärte der BF, er gehöre zu einer kleinen islamischen Unterströmung (Ahmadiyya) und sei deshalb mehrere Male – selbst von seinen Verwandten - angegriffen worden. Diese Religionsgruppe sei in Pakistan nicht willkommen, weshalb Ahmadiyya von Sunniten angegriffen und getötet werden würden. Sie hätten auch den BF töten wollen [Aktenseite (AS) 5 ff.].
I.1.2. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 25.09.2018 zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:
Der BF sei XXXX konvertiert und jetzt Ahmadiyya. Gebürtige Ahmadiyya hätten auch Probleme, aber wenn jemand konvertiere, bekomme er die Todesstrafe. Den BF habe lediglich sein Vater unterstützt, der aber XXXX verstorben sei. Die restliche Familie sei gegen den BF. Ein Cousin des BF sei Mitglied bei „Khatam e Nabovat“. Der Cousin sowie der Onkel des BF seien beide streng religiöse Personen und gegen den BF gewesen. XXXX sei der BF von seinem Cousin und Freunden von diesem geschlagen worden. Der ältere Bruder des BF habe auch den Cousin unterstützt, weshalb der BF nichts zu essen bekommen und der BF selbst kochen habe müssen. Der Bruder des BF und die Schwägerin hätten zum BF oft gesagt, dass dieser das Haus verlassen solle. Eines Tages sei der BF vom Präsidenten von „Khatam e Nabovat“ angerufen worden und habe dieser ein Treffen vorgeschlagen, was der BF abgelehnt habe, weil er gewusst habe, dass er geschlagen werde. Zwei- oder dreimal habe der BF in seinem Geschäft auch XXXX für einen Priester repariert, was später nicht bezahlt worden sei. Der Cousin des BF habe den BF bei der Polizei angezeigt, weil er die Religion verlassen habe und sei der BF am XXXX von seiner Familie rausgeschmissen worden. Der BF sei daraufhin zu einem Freund nach XXXX gegangen, wo ihm ein Onkel die Polizei hingeschickt habe. Der BF sei nicht zu Hause gewesen, als die Polizei gekommen sei und nach XXXX gegangen. Dort habe der BF seinen Cousin und den Präsidenten von „Khatam e Nabovat“ gesehen, weshalb er entschieden habe, Pakistan zu verlassen (AS 95 ff.).
I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.) (AS 605 ff.).
I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF eine asylrelevante Verfolgung aufgrund des widersprüchlichen Vorbringens nicht glaubhaft darlegen hat können.
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1a FPG vorliegen würden (AS 605 ff.).
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben (AS 743 ff.).
I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrenspartei zu einer mündlichen Verhandlung.
I.5. Mit Schriftsatz vom 09.01.2022 erstatte die Vertretung des BF ein ergänzendes Vorbringen.
I.6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation bezüglich seiner Person Stellung zu nehmen. Dem BF wurden die Länderfeststellungen zu Pakistan mit Schreiben vom 10.12.2021 übermittelt und ihm in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahem eingeräumt.
I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführer
Die Identität des BF steht fest. Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya sowie der Volksgruppe der Rajput. Er stammt aus XXXX in der Provinz Punjab und hat 10 Jahre die Schule sowie 2 Jahre ein College besucht. Der BF spricht die Sprachen Urdu, Punjabi, Englisch und Deutsch. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich der BF mit einem Geschäft für XXXX
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF ist Drittstaatsangehöriger, leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist arbeitsfähig.
Der BF verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat (2 Brüder und eine Schwester) und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die Brüder des BF wohnen in XXXX und die Schwester in XXXX . Ein Bruder ist Anwalt und einer ist Polizist. Die Schwester des BF geht noch zur Schule. Die Eltern des BF sind bereits verstorben
Im Juni 2018 reiste der BF illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither hält sich der BF durchgehend in Österreich auf.
In Österreich lebt ein Cousin des BF. Mit diesem besteht kein gemeinsamer Wohnsitz und überwiegend telefonischer Kontakt.
Der BF bezog bis Februar 2022 Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber und war von 09.09.2021 bis 15.09.2021, 21.09.2021 bis 17.10.2021 und 04.10.2021 bis 30.11.2021 geringfügig sowie von 01.12.2021 bis 19.01.2022 Vollzeit beschäftigt.
Der BF hat Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht und spricht auf einfachem Niveau die deutsche Sprache. Der BF hat zuletzt einen Deutschkurs auf A2 Niveau besucht, jedoch bis dato keine diesbezügliche Prüfung abgelegt.
Der BF ist Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich und engagiert sich bei Veranstaltungen ehrenamtlich innerhalb der Gemeinschaft. Der BF hat aktuell die Funktionen „Mohtamin Amoomi“ (Zuständigkeit für Sicherheit der Räumlichkeiten während Veranstaltungen) inne und hatte davor die Funktionen „Mohtamim Tableegh“ (Verkündung und Verbreitung der Ahmadiyya Lehre durch Jugendliche) und „Moatmad Majlis“ (Assistenz des lokalen Jugendleiters in XXXX ) inne. Im Zuge der Jahresversammlung war der BF für das Flaggenhissen und für den Aufbau verantwortlich.
Der BF war in Österreich ehrenamtlich tätig und verfügt über freundschaftliche und soziale Kontakte. Der BF lernt derzeit für die Theorieprüfung für die LKW-Prüfung.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der BF legte der zuständigen Bezirkshauptmannschaft einen totalgefälschten Führerschein vor. Es kam zu keiner Verurteilung.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:
Covid-19
Letzte Änderung: 16.06.2021
In Pakistan wurden bisher mehr als 882.900 Infektionen mit dem Virus Covid-19 sowie mehr als 19.700 Todesfälle bestätigt (Stand 18.5.2021). Laut lokalen Medienberichten mit Verweis auf das Gesundheitsministerium, wurden bisher etwa 3,9 Millionen Menschen landesweit geimpft (Einwohner
gesamt: 220 Millionen). Hauptsächlich wurden Personen, die im Gesundheitsbereich tätig sind und Personen über 50 Jahre geimpft. Am 17. Mai 2021 hat man mit der Impfregistrierung für die Altersgruppe der 30 bis 49-Jährigen begonnen. Am gleichen Tag hat Pakistan die Covid-Maßnahmen nach der landesweiten Sperre vom 8. bis 16. Mai gelockert und Geschäften, Märkten und Büros unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln die Öffnung erlaubt. Märkte und Geschäfte dürfen nun wieder bis 20 Uhr öffnen. Das pakistanische National Command and Operation Center hat zudem festgehalten, dass touristische Aktivitäten im Land weiterhin untersagt seien. Öffentliche städtische und interprovinzielle Verkehrsmittel haben ihren Betrieb wieder aufgenommen, dürfen jedoch nur mit einer maximal 50 prozentigen Belegung operieren. Auch wenn sich die Covid-19-Situation aktuell etwas entspannt, warnen die Behörden, dass das Gesundheitssystem noch immer unter Druck stehe und Krankenhäuser stark belegt seien (ÖB 18.5.2021).
Pakistan hat am2.2.2021 mit seinem nationalen Impfprogramm gegen das Coronavirus begonnen. In dem südasiatischen Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern werden zunächst Beschäftigte des Gesundheitswesens geimpft, gefolgt von älteren Menschen. Dazu waren etwa eine halbe Million Impfdosen des chinesischen Unternehmens Sinopharm mit einem Militärflugzeug aus Peking nach Pakistan gebracht worden. Das Land hat zudem 17 Millionen Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca bestellt, die im Lauf des Monats Februar 2021 geliefert werden sollen. Nach einer einer Ende Januar 2021 veröffentlichten Umfrage des Instituts Gallup, will sich fast die Hälfte aller Pakistaner nicht impfen lassen (ÄfW 2.2.2021). Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021). Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen
PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das „COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program“ (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021; vgl. WKO 18.2.2021).
Quellen:
• ÄfW - Ärztekammer für Wien (2.2.2021): Pakistan startet mit Coronaimpfung, https://www.
medinlive.at/gesundheitspolitik/pakistan-startet-mit-corona-impfungen, Zugriff 26.2.2021
• IMF - International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan,
https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P ,
Zugriff 28.1.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (18.5.2021): Kurzbericht zur Entwicklung
der Covid-19-Situation in Pakistan, per E-Mail, Zugriff 11.6.2021
• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Pakistan,
https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-pakistan.html , Zugriff
26.2.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 16.06.2021
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 26.3.2021). Die vormaligen FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite des Kaschmir (AA 26.3.2021). Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik. Bei den Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter technische Verbesserungen bei der Verwaltung des Wahlprozesses durch die pakistanische Wahlkommission feststellten, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich der Einmischung von Militär und Geheimdiensten im Vorfeld der Wahlen, die zu ungleichen Wahlbedingungen führten. Einige politische Parteien behaupteten auch erhebliche Unregelmäßigkeiten am Wahltag (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019). Neben den geopolitischen und geostrategischen Faktoren ist das Ungleichgewicht der Regierungsinstitutionen innerhalb des pakistanischen Staates Ursache für die kontinuierliche Regierungskrise und die strukturelle Gewalt im Land. Das pakistanische Militär spielt eine überaus wichtige und dominante Rolle in der Nuklearmacht Pakistan. Es ist disproportional groß (es vereinnahmt ein Viertel des gesamten Haushalts) und deshalb übermächtig, während die zivilen Institutionen, wie z.B. die Bürokratie, die Justiz, die Polizei und die politischen Parteien, permanent unterfinanziert sind. Die Interventionen des Militärs in Politik und Wirtschaft hat diese Organisation im Laufe der Geschichte immer stärker gemacht (GIZ 9.2020). Seit 12. April 2021 brachen nach Verhaftung des Anführers der fundamentalistischen Partei Tehreek- e-Labbaik Pakistan (TLP), mehrtägige und landesweite Proteste aus. Tausende Unterstützer der für die Förderung der Blasphemiegesetzgebung im Land bekannten TLP demonstrierten in den größeren Städten gegen die Position des französischen Präsidenten Macron in Reaktion auf die Enthauptung eines Lehrers in der Nähe von Paris im November 2020. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Am 16. April 2021 sperrte die pakistanische Internetregulierungsbehörde (Pakistan Telecommunication Authority, PTA) den Zugriff auf sämtliche soziale Netzwerke für mehrere Stunden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, um über das Internet verbreitete neuerliche Aufrufe und Propaganda der TLP zu unterbinden. Am 18. April kam es zu weiteren Ausschreitungen in Lahore (Punjab), wo TLP-Anhänger auch ein Polizeirevier stürmten und ein halbes Dutzend Sicherheitskräfte als Geiseln nahmen (BAMF 19.4.2021). Schließlich hat die Regierung die TLP, die als eine sunnitische politisch-religiöse Hardliner-Gruppe gilt und für ihre gewalttätige Unterstützung der drakonischen Blasphemiegesetze des Landes bekannt ist, verboten. Das Verbot kam drei Tage nachdem TLP-Anhänger aufgrund der Verhaftung von Anführer Saad Hussain Rizvi in ganz Pakistan auf die Straße gegangen waren (UCA News 16.4.2021; vgl. DW 15.4.2021).
Quellen:
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• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (Stand: 14.4.2021) Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakis
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• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes,
https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=sho
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• DW - Deutsche Welle (15.4.2021): Pakistan protests: Why the Islamist TLP party is now a
major political force, https://www.dw.com/en/pakistan-protests-why-the-islamist-tlp-party-i
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• EASO - European Asylum Support Office (10.2019): Pakistan Security Situation, https://
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• ET - The Express Tribune (25.5.2018): Senate passes FATA-KP merger bill with 71-5 vote,
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• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal
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• HRW - Human Rights Watch (28.7.2018): Controversial Election in Pakistan, https://www.
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• UCA News (16.4.2021): Pakistan bans TLP for engaging in terrorism, https://www.ucan
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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
14.4.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020). Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021).
Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Die 20 Aktionspunkte des NAP haben seither unterschiedliche Erfolge erzielt. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass der NAP bei der Bekämpfung des gewalttätigen und gewaltfreien Extremismus im Land nur geringe Erfolge erzielt hat. Extremistische Literatur ist online und offline in Hülle und Fülle vorhanden und die Verherrlichung von Terroristen und ihren Taten geht weiter. Auch zur Unterstützung des politischen Versöhnungsprozesses in Belutschistan wurde bisher nichts Wesentliches unternommen (FES 12.2020; vgl. GIZ 9.2020).
Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. 220 Menschen kamen bei diesen Anschlägen ums Leben - ein Rückgang von 38% im Vergleich zu 2019. Eine Verteilung dieser Terroranschläge nach ihren Urhebern legt nahe, dass sogenannte religiös inspirierte militante Gruppen wie die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), ihre Splittergruppen Hizbul Ahrar und Jamaat-ul Ahrar, sowie andere militante Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Taliban-Gruppen, Lashkar-e-Islam und ISIS-nahe Gruppen die meisten Terroranschläge verübten. Anschläge nationalistisch aufständischer Gruppen der Belutschen und Sindhi verübten weitere Anschläge. In KP wurden dabei die meisten Terroranschläge in Pakistan verübt, mehrheitlich im Stammesgebiet Nord-Waziristan. Während die Mehrheit dieser Anschläge auf Sicherheitskräfte abzielte, waren auch Zivilisten, Stammesälteste, politische Führer/Mitarbeiter und Schiiten Ziele der Anschläge. Nach KP war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terrorismus durch verschiedene aufständische Gruppen der Belutschen wie die Baloch Liberation Army (BLA), die Balochistan Liberation Front (BLF), Lashkar-e-Balochistan, die Baloch Republican Army (BRA) und die United Baloch Army (UBA) usw. betroffen (PIPS 2021; vgl. USDOS 30.3.2021, AA 29.9.2020).
Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und des mit ihnen verbundenen Haqqani-Netzwerks, sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT (Lashkar-e Taiba) und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM (Jaish-e Mohammad), von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020; vgl. CEP o.D.). Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021). Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021). Quelle: ACLED o.D.; UCDP Candidate o.D.; UCDP GED o.D. Farbig hervorgehoben: Hauptstadtregion. UCDP weist sicherheitsrelevante Vorfälle in den ehem. FATA eigens aus, hier wurden sie zur besseren Vergleichbarkeit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hinzugezählt. Anmerkung: ACLED und UCDP erfassen sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung, wobei sich die festgelegten Kriterien der beiden Organisationen voneinander unterscheiden. Dies trägt zur unterschiedlichen Höhe bei den dargestellten Fallzahlen bei (ACLED 2020; UCDP 2020).
Quellen:
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(Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-a
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• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
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• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2020): ACLED Codebook, https:
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• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes,
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• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.
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• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:
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• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal
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• UCDP Candidate - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Candidate Events Dataset
Version 20.01.20.12 (global), https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 2.3.2021
• UCDP GED - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Georeferenced Event Dataset
(GED) Global version 20.1, https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 4.3.2021
• UCDP - Uppsala Conflict Data Program (2020): UCDP Candidate Events Dataset CodebookVersion
1.1, https://ucdp.uu.se/downloads/candidateged/ucdp-candidate-codeboo
k%201.1.pdf , Zugriff 10.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 -
Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 14.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
15.4.2021
Relevante Terrorgruppen
Letzte Änderung: 23.06.2021
Der pakistanische Staat hat den islamischen Extremismus als strategisches Instrument zur Förderung seiner Interessen in der Region immer wieder eingesetzt. Insbesondere hat er Aktivitäten militanter extremistischer Gruppen, die sich gegen indische Interessen richten, geduldet und manchmal auch unterstützt bzw. auch Gruppen unterstützt, die in Afghanistan operieren, um den indischen Einfluss dort zu unterbinden. Zu den extremistischen Gruppen, die Pakistan in der Vergangenheit toleriert oder unterstützt hat, gehören Lashkar-e-Taiba (LeT), Harakat-ul-Mujahideen (HuM), Hizb-ul-Mujahideen (HM), die Mullah-Nazir-Gruppe, Jaish-e-Mohammed (JeM) sowie die afghanischen Taliban und das mit ihnen verbundene Haqqani-Netzwerk. Den Großteil seiner Antiterroroperationen hat Pakistan auf Gruppen konzentriert, die den pakistanischen Staat herausfordern und stürzen wollen. Zu diesen Gruppen, die eine direktere Bedrohung für den Staat darstellen, gehören die Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP), eine Untergruppe der pakistanischen Taliban und die tödlichste der einheimischen pakistanischen Extremistengruppen; al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS); Jamaat-ul Ahrar (JuA); und Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) (CEP o.D.). Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-Terrorismus-Gerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020). Folgend ein Auszug relevanter extremistischer
Gruppen:
Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurückgelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020; vgl. CEO o.D., PIPS 2021).
Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaat-ul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Angriffsziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2021, CEP o.D.).
Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des „Wilayat Pakistan“ (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).
Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).
Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich.
Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft.
Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).
Quellen:
• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.
counterextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 28.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s
ituation.pdf , Zugriff 28.4.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,
Zugriff 28.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 -
Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 28.4.2021
Belutschistan
Letzte Änderung: 23.06.2021
Nach Khyber Pakhtunkhwa war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terroranschlägen betroffen. Verschiedene aufständische Gruppen aus Belutschistan als auch religiös inspirierte militante Gruppen wie die TTP, Hizbul Ahrar, ISIS-Mitglieder und einige ähnliche, unbekannte Militante waren Berichten zufolge an den meisten Anschlägen in Belutschistan beteiligt.
Insgesamt ereigneten sich Terroranschläge in 14 Bezirken der Provinz (PIPS 2021). Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die pakistanischen Taliban (TTP) sowie belutschische Separatisten. Beide verübten 2020 eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte. Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle (AA 29.9.2020). Die Provinz Belutschistan ist mit vielfältigen Problemen konfrontiert, wie z.B. religiös motivierter Gewalt, militanten islamistischen Angriffen und einem separatistischen Aufstand. Diese Konflikte werden durch die Beteiligung mehrerer ausländischer Staaten, wie China, Indien und Iran, die ein wirtschaftliches oder politisches Interesse an der Provinz haben, zusätzlich erschwert. Der Bau von Militärkasernen in Belutschistan und der Ausbau des Hafens Gwadar durch China wurden zum Anlass für Konflikte. Bewaffnete belutschische Gruppen konnten in den letzten zwei Jahren eine Reihe von gewaltsamen Angriffen auf chinesische Interessen in der Region verüben. Im Juni 2020 verschärften sich die Zusammenstöße zwischen dem pakistanischen Militär und den belutschischen Aufständischen aufgrund einer Zunahme von Anschlägen, die von belutschischen Gruppen verübt wurden. Die Armee führte eine Militäroperation - die Ground Zero Clearance Operation - durch, die darauf abzielte, die Stützpunkte militanter belutschischer Gruppen in den Grenzgebieten zum Iran zu zerstören (EASO 10.2020; vgl. GIZ 9.2020).
Angeheizt wird der Aufstand in Belutschistan immer wieder durch gewaltsames Verschwindenlassen
und außergerichtliche Tötungen (EASO 10.2020; vgl. HRCP 4.2020). Einige ethnische und religiöse Gruppen erklären, dass die Behörden ihre Mitglieder aufgrund ihrer politischen Zugehörigkeit oder ihres Glaubens inhaftiert haben. Im Rahmen des Gesetzespakets Aghaz-e-Haqooq („Beginn der Rechte“) von 2009 für Belutschistan kündigte die Regierung eine allgemeine Amnestie für alle politischen Gefangenen, Führer und Aktivisten im Exil sowie für diejenigen an, die angeblich an „staatsfeindlichen“ Aktivitäten beteiligt waren. Trotz der Amnestieangebote
geht die illegale Inhaftierung von belutschischen Führern und das Verschwindenlassen von belutschischen Bürgern weiter. Die föderale Untersuchungskommission für erzwungenes Verschwindenlassen in Belutschistan erklärte, dass von 483 Fällen, die zwischen März 2011 und März 2020 gemeldet wurden, noch 164 Fälle anhängig sind. Menschenrechtsaktivisten hingegen sehen die Zahlen der Kommission als unzuverlässig und die Zahl der verbleibenden Fälle deutlich höher (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s
ituation.pdf , Zugriff 15.4.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 9.3.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal
- Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/ges
chichte-staat/ , Zugriff 9.3.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,
Zugriff 9.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
15.4.2021
Khyber Pakhtunkhwa
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Sicherheitslage hat sich in vier der sieben Bezirke der Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts (KPTDs) im Jahr 2020 weiter verschlechtert. Eine Zunahme an Vorfällen im Zusammenhang mit Aufständischen und den daraus resultierenden Opfern wurde in den Bezirken Bajaur, Khyber, Nord-Waziristan und Süd-Waziristan der KPTDs beobachtet. Insgesamt wurde im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der militanten Vorfälle und der Opfer beobachtet, wobei Nord-Waziristan und Süd-Waziristan als am meisten betroffen gelten (FRC 1.2021; vgl. PIPS 2021). In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 beobachtete PIPS insgesamt 100 Vorfälle, von denen 49 als terroristische Anschläge in der Provinz genannt wurden. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 fanden in folgenden Bezirken von KP die meisten terroristischen Angriffe statt: Nord-Waziristan, Bajaur und Peshawar (EASO 10.2020). Andererseits führten die pakistanischen Sicherheitskräfte im Rahmen der laufenden Militäroperation mit dem Codenamen Radd-ul-Fasad im Jahr 2020 in den neu zusammengeschlossenen Bezirken nachrichtendienstliche Operationen (IBOs) durch, um der zunehmenden Militanz entgegenzuwirken. 2020 wurden insgesamt 28 IBOs verzeichnet. Obwohl IBOs in allen Stammesbezirken von KP durchgeführt wurden, blieben Nord-Waziristan, Süd-Waziristan, Khyber und Bajaur der Hauptfokus dieser Anti-Terrorismus (CT) Operationen (FRC 1.2021; vgl. PIPS 2021). Auf operativer Ebene leitete das Militär diese taktischen Operationen. Dadurch wurde die Fähigkeit der Militanten zur Ausführung größerer Angriffe im Laufe der Jahre reduziert. Allerdings gab es in letzter Zeit ein beunruhigendes Wiederaufleben dschihadistischer Militanter und sektiererischer Extremisten. In Gebieten von KP wie Nord-Waziristan und Bajaur, gab es in den letzten Monaten militante Aktivitäten, und sektiererische Extremisten haben auch in mehreren Städten Kundgebungen abgehalten. Seit dem Start des NAP hat die Regierung 18 Organisationen verboten und 88 Personen sanktioniert, ihr Eigentum beschlagnahmt und ihre Bankkonten eingefroren (FES 12.2020).
Quellen:
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s
ituation.pdf , Zugriff 9.3.2021
• FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing
the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/
web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf , Zugriff 9.3.2021
• FRC - FATA Research Center (7.1.2021): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual
Security Report 2020, https://frc.org.pk/news/kptds-annual-security-report-2020/ ; Zugriff
9.3.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,
Zugriff 9.3.2021
Punjab und Islamabad
Letzte Änderung: 23.06.2021
Insgesamt fanden im Jahr 2020 in Punjab sieben (7) Terroranschläge statt, die fünf Todesopfer und 59 Verletzte forderten. Mit Ausnahme eines Anschlags, der von der aufständischen Gruppe der Belutschen (BLA) in Tehsil Sadiqabad im Bezirk Rahim Yar Khan im Süden des Punjab verübt wurde, konzentrierten sich alle anderen Anschläge auf Rawalpindi und wurden von den pakistanischen Taliban, einschließlich der TTP und ihrer Abspaltungen Jamaat-ul Ahrar und Hizbul Ahrar, die sich im August 2020 wieder der TTP anschlossen, verübt. Während fünf dieser Anschläge im Punjab offenbar Zivilisten zum Ziel hatten, richtete sich ein Anschlag gegen die Polizei und ein weiterer gegen eine Gaspipeline (PIPS 2021).
Quellen:
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,
Zugriff 29.4.2021
Sindh
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Provinz Sindh liegt im Südosten Pakistans. Gemäß Zahlen der letzten Volkszählung von 2017 beträgt die Bevölkerung von Sindh 47,9 Millionen. Die Provinzhauptstadt Karatschi ist die größte Stadt Pakistans mit etwa 15 bis 20 Millionen Einwohnern. Aufgrund des wirtschaftlichen Potenzials der Stadt zieht Karatschi Migration aus allen wichtigen ethnischen und sprachlichen Gruppen Pakistans an. Die Bevölkerung besteht aus Muhajir und Paschtunen, Punjabi, Sindhi und Belutschen (EASO 10.2020). In der Provinz Sindh gab es 18 Terroranschläge. Elf dieser Anschläge wurden von nationalistischen Aufständischen verübt, darunter zehn Anschläge der nationalistischen Sindhi-Gruppen Sindhudesh Revolution Army (SDRA) und Sindhudesh Liberation Army (SDLA), und ein Anschlag wurde von einer aufständischen Gruppe der Belutschen, BLA, auf die Börse von Karatschi verübt. Die Hälfte der aus Sindh gemeldeten Angriffe richtete sich gegen Sicherheits- und Ordnungskräfte (darunter ein Angriff, der sektiererisch motiviert war), weitere vier zielten auf Zivilisten, und zwei Angriffe trafen Mitglieder der sunnitischen Gemeinschaft (PIPS 2021). Grundsätzlich besteht auch weiterhin landesweit – auch in Großstädten wie Karatschi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten. Gewaltkriminalität (Raub, Mord) wird im gesamten Land beobachtet, insbesondere auch in Karatschi. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und andere Straßenkriminalität kommen in Karatschi vor (AA 14.5.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.5.2021): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistannode/
pakistansicherheit/204974#content_1 , Zugriff 14.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): EASO Informationsbericht über das
Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/1
0_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 9.3.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,
Zugriff 9.3.2021
Kaschmir: Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das von Pakistan kontrollierte Gebiet von Kaschmir besteht aus Azad Jammu und Kaschmir (AJK; allgemein Azad Kaschmir genannt) und Gilgit-Baltistan. Die Mehrheit in AJK ist muslimisch. Das Territorium Kaschmir ist ein umstrittenes Gebiet, das zwischen Indien, Pakistan und China aufgeteilt ist, aber in seiner Gesamtheit von Pakistan und Indien beansprucht wird. Indien wirft Pakistan vor, militante Gruppen wie JeM, LeT und Hizb-ul-Mujahideen (HM) zu unterstützen, und dass diese ihre Operationsbasen in der Region AJK hätten. Das Gebiet ist weniger durch terroristische Anschläge als vielmehr durch die latent vorhandenen Spannungen (wiederholte Grenzverletzungen und Militäraktionen) zwischen Pakistan und Indien entlang der Line of Control (LoC), der provisorischen Grenze zwischen den beiden Staaten geprägt (EASO 10.2020). Die Situation an der Grenze zu Indien bleibt dennoch volatil (EASO 10.2020). Mehrere in Pakistan ansässige extremistische Gruppen, darunter Lashkar-e-Taiba (LeT), Jaish-e-Mohammed (JeM), Harakat-ul-Mujahideen (HuM) und Hizb-ul-Mujahideen (HM), führen Angriffe auf indische Ziele im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir durch, der 45% der gesamten Kaschmirregion ausmacht. So wurden bei einem Selbstmordattentat am 14. Februar 2019 im Pulwama-Distrikt von Jammu und Kaschmir mindestens 40 indische paramilitärische Polizisten getötet, und es kam zu Indiens erstem direkten Luftangriff auf Pakistan seit 1971, als das Land ein sogenanntes JeM-Ausbildungslager bombardierte (CEP o.D.). Nach pakistanischen Angaben ist es an der LoC (Line of Control) im Jahr 2020 zu fast 3.000 Verletzungen des Waffenstillstands gekommen. Auf der pakistanischen Seite sind durch die Grenzkonflikte in diesem Jahr mehr als zwei Dutzend Menschen getötet und über 200 verletzt worden. Nach Militärangaben haben sich Indien und Pakistan mittlerweile darauf verständigt, den grundsätzlich geltenden Waffenstillstand an der durch Kaschmir verlaufenden Grenzlinie strikter einzuhalten. Auf beiden Seiten der Grenzlinie wurden 2020 durch Verstöße gegen den Waffenstillstand entlang der Line of Control Soldaten und Zivilisten getötet bzw. verletzt (BAMF 1.3.2021). In Islamabad, Gilgit-Baltistan und AJK wurden im Jahr 2020 keine terroristischen Anschläge
verübt (PIPS 2021).
Quellen:
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes,
https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=sho
uld&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublic
ationDate&sort_order=desc&content=briefing%20notes&page=2 , Zugriff 29.4.2021
• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.
counterextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 29.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): EASO Informationsbericht über das
Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/1
0_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 28.4.2021
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,
Zugriff 9.3.2021
NATO-Abzug Afghanistan - Mögliche Auswirkungen auf Pakistan
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan und Afghanistan teilen sich eine 2.640 Kilometer lange Landgrenze. Die mit dem NATOTruppenabzug einhergehende Instabilität in Afghanistan könnte vor allem auf die pakistanischen Stammesgebiete deutliche Auswirkungen haben. Auch in der Vergangenheit war dieses Gebiet wiederholt Schauplatz von Kämpfen zwischen Extremisten und Sicherheitskräften, wobei es zur Vertreibung der lokalen Bevölkerung kam (z.B. Militäroperation im Swat-Tal 2009, Kämpfe in Nordwaziristan). Die Vertriebenen suchten vielfach Zuflucht in angrenzenden Gebieten, indem sie z.B. in Lagern oder bei Verwandten lebten. 2015 wurden von den Vereinten Nationen mehr als 1,2 Millionen Binnenvertriebene wegen Kämpfen in den Stammesgebieten registriert. Nach dem NATO-Truppenabzug könnten extremistische Gruppen, wie etwa die afghanischen Taliban, das Vakuum nutzen und die pakistanischen Stammesgebiete verstärkt als Rückzugsort nutzen und hierbei die lokale Bevölkerung vertreiben. Zudem ist es wahrscheinlich, dass afghanische Flüchtlinge in Pakistan nach dem NATO-Truppenabzug keine schnelle Heimkehr in Erwägung ziehen. In Pakistan leben bereits jetzt rund 2,8 Millionen dokumentierte und nicht dokumentierte afghanische Flüchtlinge. Nur etwa die Hälfte der Flüchtlinge sind registriert, der Rest lebt ohne Dokumente, hauptsächlich in den nordöstlichen Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Südwest-Belutschistan, die an Afghanistan grenzen. In der südlichen Provinz Sindh, deren Hauptstadt Karatschi ist, leben circa 500.000 afghanische Flüchtlinge. Laut dem UNHCR wurden seit 2002 mehr als 3,8 Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeführt, aber viele kehrten aufgrund anhaltender Gewalt, Arbeitslosigkeit, mangelnder Bildung und medizinischer Einrichtungen nach Pakistan zurück. Nach dem Abzug der NATO-Truppen wird erwartet, dass nur ein kleiner Teil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan in ihr Land zurückkehren wird. Insofern wird Pakistan auch in Zukunft eine anhaltend hohe Anzahl von afghanischen Flüchtlingen im Land beherbergen bzw. ist allenfalls mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Auch wenn Pakistan sich bei den Afghanistan-Friedensverhandlungen für einen zeitlichen Plan für die Rückkehr und Wiedereingliederung afghanischer Flüchtlinge in ihre Heimat einsetzt, ist die Umsetzung dieses Ziels wenig greifbar (VB 10.5.2021).
Quellen:
• VB - VB des BMI in Islamabad/Bangkok [Österreich] (10.5.2021): Bericht: NATO-Truppenabzug
aus Afghanistan und mögliche Auswirkungen auf Pakistan, Auskunft per Email
Rechtsschutz, Justizwesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber laut NGOs und Rechtsexperten unterliegt die Justiz oft externen Einflüssen, wie z.B. der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemie-Fällen und der öffentlichen Politisierung von hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen zu entlasten, weil sie Selbstjustiz befürchten (USDOS 30.3.2021). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020). Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark
benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es derzeit noch eigene Justizsysteme (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Einzelpersonen können gegen Entscheidungen der FSC Berufung bei der Shariat Appellate Bench des Obersten Gerichtshofs einlegen, wobei noch eine weitere Berufung durch den Obersten Gerichtshof zugelassen werden kann. Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts (USDOS 30.3.2021). Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Berichte über Korruption im Justizsystem hielten sich hartnäckig, einschließlich Berichten, dass Gerichtsmitarbeiter Zahlungen verlangten, um Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Untere Gerichte blieben Berichten zufolge korrupt, ineffizient und unterlagen dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten (USDOS 30.3.2021). Die Regierung stellte staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt werden, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. Für andere Fälle wird keine regelmäßige rechtliche Vertretung zur Verfügung gestellt. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 4.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
15.4.2021
Militärgerichte
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf einen Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche es Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht
stehende Zivilisten zu prozessieren. Nach einer Verlängerung des Mandats dieser Gerichte im Jahr 2017 endeten deren Tätigkeiten endgültig mit Ende März 2019 (ICJ 1.4.2019). Ende März 2019 lief das Mandat der Militärgerichtshöfe für Terrorismusverfahren gegen Zivilisten aus, es existieren jedoch weiterhin sog. Anti Terrorism Courts (ATC) zur Verurteilung Terrorismusverdächtiger, die Angeklagten nur unzureichende Rechte einräumen (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Weiters werden die ATCs für die gerichtliche Verhandlung hochkarätiger Fälle benutzt, auch dann, wenn diese keine Verbindung zum Terrorismus hatten. Menschenrechtsaktivisten kritisieren dieses parallele System und behaupten, es sei anfälliger für politische Manipulation (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 29.4.2021
• ICJ - International Commission of Jurists (1.4.2019): Pakistan: as military courts lapse,
Government must prioritize reform of the criminal justice system, https://www.icj.org/paki
stan-as-military-courts-lapse-government-must-prioritize-reform-of-the-criminal-justice-sy
stem/#:~:text=Military%20courts%20were%20first%20empowered;a%20period%20of%
20two%20years , Zugriff 30.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
29.4.2021
Informelle Rechtsprechungssysteme
Letzte Änderung: 24.06.2021
In ländlichen Gebieten Pakistans bestehen auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den ehemals semi-autonomen Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali eine bedeutende Rolle. Dieser wird bei Unrechtsfällen vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden. Diese neben dem formellen Rechtssystem bestehenden ad hoc-Gerichte führen unter anderem zu einem Rechtspluralismus, der Opfer von Verfolgung, insbesondere Frauen, stark benachteiligt (ÖB 12.2020; vgl. AA 29.9.2020, USDOS 30.3.2021).
Informelle Konfliktlösungsmechanismen umfassen die traditionellen, tribal und patriarchalisch geprägten „Panchayat“ (mehrheitlich in Punjab und Sindh vorzufinden) und „Jirga“ (mehrheitlich in Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Balochistan vorzufinden). Diese informellen Mechanismen üben in vielen Fällen eine komplementäre Rolle zum formalen Rechtssystem aus. Andererseits stehen sie manchmal im Widerspruch zum formalen pakistanischen Gesetz, was durchaus auch zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führen kann (GIZ 9.2020). Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es trotz gesetzlichen Verbots verbreitet, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben. Jirgas sind in Pakistan generell auch außerhalb paschtunischer Gebiete nach wie vor weit verbreitet (neben den ehem. FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab). Diese wenden neben Stammes- auch Schariarecht an. Ähnliche Systeme existieren auch unter Hindus (Panchayat); daneben üben in Sindh und Punjab vereinzelt Grundbesitzer zum Teil richterliche Funktionen aus. Als weitere sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung) zu nennen, die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden (ÖB 12.2020).
Sektion 302 des pakistanischen Strafgesetzbuchs (Pakistan Penal Code, PPC) sieht zwar hohe Haftstrafen für Verbrechen vor, die im Zusammenhang mit einer wahrgenommenen Verletzung der Familienehre begangen wurden. Allerdings enthält das Strafgesetz auch Erleichterungen. So können Erben/Nachkommen der Getöteten dem Täter verzeihen (Qisas, geregelt in Sektion 309 PPC) und/oder ein Blutgeld als Entschädigung akzeptieren (Diyat, geregelt in Sektion 310 PPC). Diese Rechtsprinzipien des islamischen Rechts ermöglichen es Nachkommen eines Verstorbenen, den Täter der Strafverfolgung zu entziehen. Da dieser in der Regel aus dem familiären Umfeld stammt, kann in der Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden, dass der staatliche Strafanspruch nicht durchgesetzt wird (BAMF 5.2020). Mit dem erklärten Ziel der Reduzierung von sog. Ehrenmorden verabschiedete das pakistanische Parlament am 6.10.2016 ein Änderungsgesetz zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung. Damit alleine ist jedoch keine grundlegende Verbesserung der Situation aufgrund des 2004 verabschiedeten Honour Killing Act eingetreten (AA 29.9.2020). Traditionelle Gesetze zur Entschädigung für körperlichen Schmerz oder Sachbeschädigung (Qisas und Diyat) erlauben weiterhin Vereinbarungen zwischen den beiden Parteien, die auf Vergebung, Entschädigung
oder anderen Formen der Beilegung beruhen, die oft gegen die Interessen der Frauen wirken (DAFT 20.2.2019). Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hergabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings bisher nicht verhindern konnte (ÖB 12.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.3.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan Lage der Ahmadis und Schiiten sowie Ehrverbrechen im Kontext der islamisch geprägten Strafgesetzgebung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 10.3.2021
• DAFT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOper
ator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 10.3.2021
• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/ges
chichte-staat/, Zugriff 10.3.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff 4.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
19.4.2021
Justizwesen in den ehemaligen FATA
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die 31. Verfassungsänderungsgesetz vom 25.5.2018 sieht die Zusammenlegung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) sowie der Stammesgebiete unter Provinzverwaltung (KP, Belutschistan und Punjab) vor. Dadurch soll das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem landesweit ausgeweitet werden (ÖB 12.2020). Nach dem Aufheben der Frontier Crimes Regulation (FCR) trat die FATA Interim Governance Regulation 2018 (FIGR) für die Tribal Districts der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in Kraft (FRC 15.1.2019; vgl. Dawn 31.10.2018). Diese sieht eine (bis zu) zweijährige Übergangsphase für die endgültige Zusammenlegung der FATA mit KP vor (ÖB 12.2020).
Die Ausweitung des Rechtssystems auch auf die Tribal Districts bleibt eine Herausforderung. Die Umstellung trifft auf starken Widerstand von Stammeseliten. Diese praktizieren ihre Form der Justiz seit Jahrhunderten und müssen auf das formelle Recht erst eingeschult werden. Außerdem muss eine Infrastruktur für Gerichte und andere Behörden aufgebaut werden (FRC 15.1.2019). Trotz der Aufhebung der FATA-Interims-Governance-Verordnung und des Rechtskodex der Frontier Crimes Regulations in den ehemaligen FATA waren Urteile durch informelle Justizsysteme eine gängige Praxis. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Art und Weise, wie Jirgas und Panchayats vorgehen, verfassungswidrig ist. Gleichzeitig schränkte das Gericht ihre Zuständigkeit ein - und zwar auf Schlichtung, Mediation, Verhandlung oder Versöhnung bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen. Die betroffenen Parteien müssen der Zuständigkeit zustimmen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• Dawn (31.10.2018): Court declares Fata interim regulation unconstitutional, https://www.
dawn.com/news/1442474 , Zugriff 14.5.2021
• FRC - FATA Research Center (15.1.2019): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual
Security Report 2018, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2019/01/1-Revied-Draft-of-Se
curity-Report-2018-converted-final.pdf , Zugriff 14.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 14.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
29.4.2021
Politischer und rechtlicher Aufbau Gilgit-Baltistan und Azad-Jammu Kaschmir
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan kontrolliert die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK) auf der pakistanischen Seite Kaschmirs (AA 26.3.2021). Die Gebiete haben eine gewählte Versammlung und eine Regierung mit begrenzter Autonomie (FH 4.3.2020; vgl. UKHO 12.2020). Ihnen fehlen jedoch die parlamentarische Vertretung und andere Rechte pakistanischer Provinzen. Weder AJK noch Gilgit-Baltistan sind im pakistanischen Parlament vertreten. Die pakistanischen Bundesinstitutionen haben einen überwiegenden Einfluss auf die Sicherheit, auf Justiz und auf die meisten wichtigen politischen Angelegenheiten. Die Politik innerhalb der beiden Gebiete wird sorgfältig gesteuert, um die Idee eines eventuellen Beitritts Kaschmirs zu Pakistan zu fördern. Die Bundesregierung, die Armee und die Geheimdienste sind in AJK und Gilgit-Baltistan sehr präsent (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Gilgit-Baltistan Government Order 2018, die von der Bundesregierung eingeführt wurde, machte den administrativen Einfluss des Staates in der entmachteten Region Gilgit-Baltistan noch stärker und zog immense Kritik von politischen Parteien und der Öffentlichkeit nach sich (HRCP 4.2020). Gemäß einer Entscheidung des pakistanischen Supreme Court vom Jänner 2019 kann die Region so lange nicht als verfassungsmäßiger Teil Pakistans anerkannt werden, bis der Kaschmir-Konflikt gelöst ist (FH 4.3.2020). Beide Gebiete haben nominell unabhängige Justizsysteme, aber die Bundesregierung spielt bei Richterbesetzungen eine gewichtige Rolle. Bei politisch heiklen Fällen dürfen die Gerichte von Gilgit-Baltistan und AJK nicht unabhängig von der pakistanischen Exekutive agieren. Gilgit-Baltistan und AJK haben beide ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister Pakistans auf Empfehlung des Gouverneurs ernannt. Das Justizsystem in beiden Territorien umfasst grundlegende Rechte und Garantien, darunter Strafverteidiger und Berufung (FH 4.3.2020). Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie jede politische Aktivität, die als konträr zur pakistanischen Kaschmirpolitik angesehen wird, sind eingeschränkt. Es gibt Berichte zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 4.3.2020). Eine aussagekräftige Dokumentation zur formellen Beurteilung der Menschenrechtslage in AJK ist nicht verfügbar, da es in AJK keine ausgewiesenen Menschenrechtsgruppen oder Einzelpersonen gibt, die Menschenrechtsverletzungen überwachen (HRCP 4.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.3.2021): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.
auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010
, Zugriff 14.5.2021
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Pakistani Kaschmir, https:
//www.ecoi.net/de/dokument/2030907.html , Zugriff 14.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 29.4.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (12.2020): Country Policy and Information Note
Pakistan: Political parties and affiliation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041947/Pakis
tan-Political_parties_and_affiliation-CPIN.v1.0_December_2020_.pdf , Zugriff 29.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
29.4.2021
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer sowie militärischen und paramilitärischen Hilfstruppen wie dem Frontier Corps (FC) und den Rangers, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020). Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).
Straflosigkeit ist bei den Sicherheitskräften ein erhebliches Problem. Die Regierung bietet nur begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021). Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DFAT 20.2.2019).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information
Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&cou
ntry%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=sho
uld&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 30.4.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s
ituation.pdf , Zugriff 30.4.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
ghts-in-2019-20190503.pdf , 30.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
15.4.2021
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 24.06.2021
Folter ist gemäß pakistanischer Verfassung verboten und wird seitens der Regierung offiziell verurteilt (AA 29.9.2020), allerdings enthält das Strafgesetzbuch keinen speziellen Abschnitt gegen Folter. Das Strafgesetzbuch verbietet kriminelle Gewaltanwendung und Übergriffe; es gab jedoch Berichte, dass Sicherheitskräfte, einschließlich der Geheimdienste, Personen in Gewahrsam gefoltert und misshandelt haben (USDOS 30.3.2021; vgl. OMCT 3.2021, HRW 13.1.2021). Folter im Polizeigewahrsam ist jedoch bislang nicht strafbar. Die Strafverfolgung ist landesweit generell so unzureichend, dass bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge Täter so gut wie nie verurteilt wurden. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die im Februar 2020 eingebrachte „Torture and Custodial Death (Prevention and Punishment) Bill“, die Folter erstmalig zum Straftatbestand machen würde, kommt im parlamentarischen Verfahren aktuell nicht vom Fleck (AA 29.9.2020). Folter durch die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden ist in Pakistan so endemisch und systematisch, dass sie weitgehend gängige Praxis ist. Folter wird als unvermeidlicher Teil der Strafverfolgung in Pakistan akzeptiert, und Folterern wird Straffreiheit gewährt durch eine Kombination aus soziokultureller Akzeptanz, fehlenden unabhängigen Aufsichts- und Ermittlungsmechanismen, weit verbreiteten Befugnissen zur Festnahme und Inhaftierung, Verfahrenslücken und unwirksamen Schutzmaßnahmen, einschließlich des Versäumnisses Pakistans, Folter unter Strafe zu stellen (OMCT 3.2021). Artikel 156(d) der Polizeiverordnung 2002 sieht Strafen gegen jeden Polizeibeamten vor, der einer Person in seinem Gewahrsam „Gewalt oder Folter“ zufügt. Die Vorschrift bestraft jedoch nur Handlungen von Polizeibeamten und erstreckt sich nicht auf andere Beamte und enthält keine Definition von Folter. Die Polizeiverordnung von 2002 wurde erlassen, um ein System der unabhängigen Überwachung der Arbeit der Polizei einzuführen. Die Verordnung sah die Einrichtung von Rechenschaftsmechanismen für die Meldung von Polizeimissbrauch vor. Auf Bezirks- und Provinzebene wurden einige Kommissionen für öffentliche Sicherheit und Polizeibeschwerden eingerichtet. In Ermangelung funktionierender Überwachungsstellen, die Beschwerden über Folter entgegennehmen können, müssen sich die Opfer an die Polizei wenden, um einen First Information Report (FIR) zu registrieren. Allerdings werden solche Beschwerden gegen Foltervorwürfe durch die Polizei von dieser selbst durchgeführt. Die Polizei kann sich jedoch weigern,
Anzeigen gegen andere Mitglieder der Polizei zu erstatten. Ist dies der Fall, kann das Opfer die Angelegenheit vor einen Friedensrichter bringen, der aber nur anordnen kann, dass die Polizei die Anzeige erstattet (OMCT 3.2021). Das Strafgesetzbuch verbietet kriminelle Gewaltanwendung und Übergriffe; es gab jedoch Berichte, dass Sicherheitskräfte, einschließlich der Geheimdienste, Personen in Gewahrsam gefoltert und misshandelt haben. Straflosigkeit ist ein erhebliches Problem bei Sicherheitskräften - aufgrund von Politisierung, Korruption und einem Mangel an effektiven Mechanismen zur Untersuchung von Übergriffen. Die Regierung bietet begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
• OMCT - World Organisation Against Torture (3.2021): Criminalising Torture in Pakistan:The
Need for an Effective Legal Framework, https://www.omct.org/site-resources/images/Pak
istan-report.pdf , Zugriff 22.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
14.4.2021
Korruption
Letzte Änderung: 24.06.2021
Von der international tätigen Compliance-Plattform wird das Risiko, mit Korruption konfrontiert zu werden, für folgende Bereiche als hoch eingestuft: Justizsystem, Polizei, öffentlicher Dienst, Steuer-, Grund- und Zollverwaltung sowie öffentliche Beschaffung (GAN Integrity 10.2020). Nach den Effizienz- und Disziplinarvorschriften muss sich ein Beamter einer Untersuchung stellen, wenn er der Korruption oder finanzieller Unregelmäßigkeiten beschuldigt wird. Eine Person, die wegen Korruption verurteilt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren, einer Geldstrafe oder beidem rechnen, und die Regierung kann sich alle Vermögenswerte aneignen, die durch korrupte Mittel erlangt wurden (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht also strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen aber nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021; vgl. GAN Integrity 10.2020). Korruption ist in Politik und Regierung allgegenwärtig (GIZ 9.2020) und verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, darunter Bestechung, Erpressung, Nepotismus, Klientelismus und Veruntreuung. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind korrupt, ineffizient und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Pakistan nimmt im Corruption Perceptions Index von Transparency International 2020 Platz 124 von 180 Ländern ein (2019:120) (TI 1.2021). Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Durchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch. Die Regierung setzte im Laufe des Jahres ihre Korruptionsermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung von Führern der Oppositionsparteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari sowie gegen führende Mitglieder anderer Oppositionsparteien, einschließlich der JUI-F, öffentlichkeitswirksame Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021). Das NAB schüchtert weiterhin politische Gegner und Kritiker der Regierung ein, schikaniert sie oder nimmt sie in Haft. Im Februar kritisierte die Europäische Kommission das NAB wegen politischer Voreingenommenheit. Seit den Wahlen 2018 sind demnach nur sehr wenige Fälle von Ministern und Politikern der Regierungspartei verfolgt worden, was als Ausdruck der Parteilichkeit des NAB angesehen wird. Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass das NAB bei der Verhaftung von zwei Oppositionspolitikern, die für 15 Monate ohne glaubwürdige Anklage festgehalten wurden, das Recht auf ein faires Verfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess verletzt hatte (HRW 13.1.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021
• GAN Integrity (last updated 10.2020): Pakistan Corruption Report, https://www.ganintegri
ty.com/portal/country-profiles/pakistan/ , Zugriff 16.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal
- Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ ,
Zugriff 15.4.2021
• TI - Transparency International (1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.
transparency.org/en/cpi/2020/index/pak , Zugriff 9.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
15.4.2021
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 24.06.2021
Zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 29.9.2020). In den meisten Teilen Pakistans werden Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in einem angemessenen Maße gewahrt (BS 29.4.2020). Die NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 29.10.2020). Die Regierung schränkt jedoch zunehmend die Arbeitsmöglichkeiten von NGOs ein, insbesondere von solchen, deren Arbeit Unzulänglichkeiten oder Verfehlungen der Regierung, des Militärs oder der Geheimdienste aufdeckt oder die zu Themen im Zusammenhang mit Konfliktgebieten oder Lobbyarbeit arbeiten. Diese Gruppen sehen sich mit zahlreichen Vorschriften in Bezug auf Reisen, Visa und Registrierung konfrontiert, die ihre Bemühungen um Programme und die Beschaffung von Mitteln behindern (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).
Zudem ist sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen die Arbeit nicht nur in den ehemaligen Stammesgebieten (FATA) sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen von Personen finden in fast allen Gebieten des Landes statt. Die unabhängige NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) schätzt, dass mindestens 2.100 politische Dissidenten und Rechtsaktivisten im Lande vermisst werden, obwohl die tatsächliche Zahl höher sein könnte (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
• BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Pakistan, https://www.
ecoi.net/en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf , Zugriff 16.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 16.4.2021
Ombudsmann
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Amt eines Föderalen Ombudsmannes (Wafaqi Mohtasib) wurde 1983 geschaffen. Der Ombudsmann führt unabhängige Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der Bundesverwaltung („maladministration“) durch. Die Einschaltung des Ombudsmannes ist kostenlos und steht jedem Menschen offen. Der Ombudsmann behandelt jedoch keine Beschwerden, die laufende Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten betreffen. Es gibt unabhängige Ombudsmänner für Steuer-, Versicherungs- und Bankangelegenheiten,
sowie bei Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz (FOP o.D.). Weiters gibt es Ombudsmänner, die von den Provinzen eingesetzt werden und die für Beschwerden gegen die Provinzverwaltungsbehörden zuständig sind (OM PJ o.D.; vgl. OM KP o.D., OM SD o.D.). Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz. Das Sekretariat des föderalen Ombudsmannes für den Schutz vor Belästigung ist durch einen Gesetzesbeschluss des Parlaments im März 2010 eingerichtet worden. Das Gesetz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsman-Institutionen in jeder Provinz (USDOS 30.3.2021; vgl. Dawn 3.1.2019).
Quellen:
• Dawn - (3.1.2019): KP gets first anti-harassment ombudsperson, https://www.dawn.com
/news/1455134 , Zugriff 16.4.2021
• FOP - Federal Ombudsman of Pakistan [Pakistan] (o.D.): Register „About Us“, https:
//www.mohtasib.gov.pk/Detail/N2ExMmNlYmYtZTY1OS00OWI5LWE2YzQtZWQwZTg0Z
Tk5NTdi und https://www.mohtasib.gov.pk/SiteImage/Downloads/Annual%20Reports/a
nnual_report_2020.pd f, Zugriff 16.4.2021
• M KP - Provincial Ombudsman Khyber Pakhtunkhwa [Pakistan] (o.D.): Welcome to Ombudsman
Office Peshawar, Khyber Pakhtunkhwa, https://www.ombudsmankp.gov.pk/ ,
Zugriff 16.4.2021
• OM PJ - Office of the Ombudsman Punjab [Pakistan] (o.D.): Ombudsman’s Message,
http://www.ombudsmanpunjab.gov.pk/ , Zugriff 16.4.2021
• OM SD - Provincial Ombudsman (Mohtasib) Sindh [Pakistan] (o.D.): Message from the
Mohtasib-e-Aala Sindh (Ombudsman Sindh), http://www.mohtasibsindh.gov.pk/ , Zugriff
16.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
16.4.2021
Wehrdienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die pakistanische Armee ist eine Freiwilligenarmee und umfasst die Teilstreitkräfte Heer (mit Nationalgarde), Marine (mit Maritime Security Agency) und Luftwaffe (Pakistan Fiza’ya) (CIA 15.4.2021; vgl. AA 29.9.2020). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden. Armeeangehörige bleiben bis zum Alter von 45 Jahren Reservisten (Offiziere bis 50) und Frauen dienen in allen drei Teilstreitkräften (CIA 15.4.2021). Angehörige religiöser Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 29.9.2020). Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Weitergabe einer Parole an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, die in den drei Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine unterschiedlich gehandhabt wird. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA- Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi
.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asy
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• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (15.4.2021): The World Factbook - Pakistan,
https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/pakistan/#military-and-security , Zugriff
16.4.42021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 24.06.2021
Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).
Dennoch kommt es regelmäßig zu Verletzungen der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte
wie z.B. die Schikanierung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, Anwälten und Journalisten, weil sie Regierungsbeamte und die Politik kritisierten. Die Behörden setzen drakonische Gesetze zur Terrorismusbekämpfung ein, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, und gehen streng gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen vor, die sich kritisch zu Regierungsmaßnahmen oder -politik äußern. Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender-Personen sind weiterhin Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, wobei die Behörden es oft versäumen, angemessenen Schutz zu bieten oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung versäumte es, die Strafverfolgungsbehörden für schwerwiegende Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen - selbst als neue Vorwürfe über Folter und außergerichtliche Tötungen aufkamen. Die pakistanischen Behörden gehen hart gegen Mitglieder und Anhänger von Oppositionsparteien vor. Mehrere Oppositionsführer - darunter ehemalige Staatsoberhäupter und Kabinettsminister - werden weiterhin wegen politisch motivierter Korruptionsvorwürfe strafrechtlich verfolgt (HRW 13.1.2021).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet. Bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle (AA 29.9.2020). Der Einsatz von Verschwindenlassen zur Bestrafung von Dissens kommt immer verbreiteter zur Anwendung, wobei auch schon Menschen von Geheimdiensten am helllichten Tag aus städtischen Zentren entführt wurden. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, Studenten und Journalisten, die außerhalb ihrer Gemeinschaften kaum bekannt waren (AI 7.4.2021; vgl. HRCP 4.2020). Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu Menschenrechtsproblemen bei - wenn auch in geringerem Maße als vor 2020. Nichtsdestotrotz tragen Gewalt, Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nichtstaatliche Akteure, zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei. Es mangelte an staatlicher Rechenschaftspflicht, und Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob offiziell oder inoffiziell - fördert. Die Behörden bestrafen nur selten Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 30.3.2021). Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 neu eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 30.3.2021). Die COVID-19-Pandemie stellt die wirtschaftliche und soziale Lage im Land vor neue Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird das Vorgehen gegen Beschäftigte im Gesundheitssektor genannt. Nach friedlichen Protesten wegen der Zustände in den Krankenhäusern wurden mehrere Dutzend Personen für mehrere Stunden vorübergehend festgenommen: allein am 6. April 2020 etwa mehr als 50 Menschen nach friedlichen Protesten in Quetta (Belutschistan). Auch war diese Personengruppe an ihrem Arbeitsplatz gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Des Weiteren wird die Verfolgung von religiösen Minderheiten nach den Blasphemiegesetzen genannt, sowie die von nichtstaatlichen Akteuren verübten, strafrechtlich häufig nicht verfolgten, gewaltsamen Übergriffe aus religiösen Motiven oder wegen des Geschlechts (BAMF 19.4.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https:
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• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument
/2048601.html , Zugriff 22.4.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes,
https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=ab7209f5eb&country%5B%5D=pak&c
ountryOperator=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y
&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 14.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
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• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 10.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
22.4.2021
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz sieht Meinungsfreiheit vor, auch für die Presse, aber es gibt verfassungsmäßige Einschränkungen. Darüber hinaus führen Drohungen, Schikanen, Entführungen, Gewalt und Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur üben (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Ein Klima der Angst behindert weiterhin die Medienberichterstattung über Übergriffe sowohl der staatlichen Sicherheitskräfte als auch militanter Gruppen. Journalisten, die Drohungen und Angriffen ausgesetzt sind, haben zunehmend zur Selbstzensur gegriffen. Medien werden von den Behörden unter Druck gesetzt, Regierungsinstitutionen oder die Justiz nicht zu kritisieren. In mehreren Fällen im Jahr 2020 blockierten staatliche Aufsichtsbehörden Kabelbetreiber und Fernsehsender, die kritische Programme ausgestrahlt hatten (HRW 23.1.2021; vgl. RSF 20.4.2021). Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben zwar den Bürgern, öffentlich Kritik an der Regierung zu üben, aber Gerichtsentscheidungen haben die Verfassung dahingehend ausgelegt, dass Kritik am Militär und an der Justiz verboten sei (USDOS 30.3.2021). Der Einfluss des militärischen Establishments und des Nachrichtendienstes (ISI) hat zugenommen. Es hat viele Fälle von Zensur gegeben. Journalisten, die Themen aufgriffen, die vom Militär als tabu erachtet wurden, wurden vom Nachrichtendienst (ISI) organisierten Schikanierungskampagnen ausgesetzt (RSF 20.4.2021). Generell gibt es eine Vielzahl von Einzelinterventionen im Medienbereich und gegen einzelne unliebsame Journalisten. Unabhängige Berichterstattung aus Gebieten, in denen sich die pakistanische Armee oder Geheimdienste im Einsatz befinden, wird grundsätzlich stark reglementiert oder unterbunden. Dies gilt zuletzt besonders für die früheren Stammesgebiete FATA. Das Militär und Geheimdienste zwingen Journalisten zu Selbstzensur (AA 29.9.2020; vgl. ÖB 12.2020). Die Behörden haben die Kontrolle über Medien verschärft. Medienmitarbeiter berichten über zunehmende Nötigung und Zensur. Zwar wurde dies seitens der Regierung verneint, Journalisten, die kritische Beiträge veröffentlichen, sind jedoch Schikanen, Einschüchterungen, Zensur und sogar Verhaftungen ausgesetzt (AI 7.4.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Internet und soziale Medien haben in den vergangenen Jahren weiteren Raum für eine kritische journalistische Debatte geschaffen, die jedoch zunehmend eingeschränkt wird. Im Rahmen des seit 2016 geltenden und sehr vage gefassten Prevention of Electronic Crimes Act 2016 ist die Pakistan Telecommunication Authority (PTA) befugt, jegliche Inhalte zu löschen, die im Sinne des Gesetzes als falsch erachtet werden. Dazu gehören u.a. Inhalte, die sich gegen den Islam, gegen die Integrität, Sicherheit und Verteidigung Pakistans richten bzw. bei Hassreden. Von diesen Befugnissen, insbesondere zur Blockade von Internetseiten, macht die pakistanische Regierung umfangreich Gebrauch. Ende Jänner 2020 beschloss die Regierung neue, restriktive Richtlinien zur Kontrolle sozialer Medien (AA 29.9.2020). Angriffe auf Journalisten gehen primär von Extremisten aber auch regelmäßig von staatlichen Akteuren aus. Besonders seitens des Militärapparats wird (gelegentlich in Verbindung mit Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung) Druck auf Medien ausgeübt. Trotzdem werden pakistanische Medien in der tagespolitischen Berichterstattung unter den freiesten in Asien eingestuft
(ÖB 12.2020). Um im pakistanisch verwalteten Kaschmir zu publizieren, mussten die Medienbesitzer die Erlaubnis des Kaschmir-Rates und des Ministeriums für Kaschmir-Angelegenheiten einholen, und
die Journalisten mussten sich weitgehend auf Informationen verlassen, die von der Regierung und dem Militär bereitgestellt wurden. Es gab Beschränkungen für die Übertragung von Inhalten indischer Medien (USDOS 30.3.2021). Blasphemiegesetze schränken das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf Angelegenheiten der Religion und der religiösen Lehre ein. Nach dem Strafgesetzbuch beinhalten die Strafen für eine Verurteilung wegen Blasphemie die Todesstrafe für „Schändung des Propheten Mohammed“, lebenslange Haft für „Schändung, Beschädigung oder Entweihung des Korans“ und 10 Jahre Haft für „Beleidigung der religiösen Gefühle eines anderen“. Die Gerichte setzen die Blasphemiegesetze auch durch, und obwohl die Behörden noch keine Person wegen Blasphemie hingerichtet haben, führen Anschuldigungen wegen Blasphemie oft zu Selbstjustiz
und Lynchjustiz durch den Mob. Die Regierung schränkt einige sprachliche und symbolische Äußerungen auf der Grundlage der Bestimmungen über Hassreden und Terrorismus ein (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument
/2048601.html , Zugriff 14.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 1.3.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 4.5.2021
• RSF - Reporters Sans Frontières (20.4.2021): RSF 2021 Index: Censorship and disinformation
virus hits Asia-Pacific, https://www.ecoi.net/en/document/2049673.html#alert ,
Zugriff 27.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
22.4.2021
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung: 24.06.2021
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, können aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden (USDOS 30.3.2021). Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung oder durch Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 29.9.2020). Die HCRP (Human Rights Commission of Pakistan) berichtet von Hindernissen Gewerkschaften zu gründen, Beschränkungen und Möglichkeiten der Auflösung von Streiks und der Möglichkeit seine Arbeit zu verlieren, was die gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern auf allen Ebenen erschwert. Infolgedessen blieb der Spielraum für Tarifverhandlungen über menschenwürdige Löhne und sichere Arbeitsbedingungen begrenzt (HRCP 30.4.2020; vgl. FH 2020). Das Versäumnis der Regierung, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und friedliche Demonstranten zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, führt de facto zu Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020)
Obwohl für die ehemaligen FATA derselbe Rechtsrahmen gilt wie für den Rest des Landes, verhängen die zivilen und militärischen Behörden weiterhin Kollektivstrafen im Rahmen der Westpakistanischen Verordnung zur Aufrechterhaltung des Friedens und von Abschnitt 144 des Strafgesetzbuches. Diese Regeln ermöglichen es den Behörden effektiv, die langjährige Praxis der Aussetzung des Versammlungs- und Rederechts in den neu zusammengelegten Gebieten fortzusetzen (USDOS 30.3.2021). Im Laufe des Jahres 2019 schränkten die Behörden die Versammlungsfreiheit für einige Gruppen ein, obwohl sie sich gegenüber anderen Demonstrationen, einschließlich der Demonstrationen der politischen Opposition und der religiösen Rechten, als relativ tolerant erwiesen (FH 2020). So ist es beispielsweise den Ahmadi-Muslimen im Allgemeinen untersagt, Konferenzen und Versammlungen abzuhalten (USDOS 30.3.2021).
Opposition
Politische Parteien können weitgehend frei operieren. Jedoch üben Militär und Geheimdienste Druck auf unllebsame Parteien aus – so etwa vor den Nationalversammlungswahlen. Mehrere große Parteien, zahlreiche kleinere Parteien und Unabhängige nehmen an den Wahlen teil und sind im Parlament und in den Provinzparlamenten vertreten. Die politische Opposition wird nicht eingeschränkt. Allerdings werden politische Auseinandersetzungen mitunter auch mit Gewalt ausgetragen (FH 2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Regierung setzte im Laufe des Jahres 2020 ihre Korruptionsuntersuchungen und die selektive strafrechtliche Verfolgung von Führern oppositioneller politischer Parteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 23.1.2021, AA 29.9.2020). Insgesamt hat der Staat den Raum zur öffentlichen kritischen Debatte und für die Zivilgesellschaft in Pakistan weiter eingeschränkt („shrinking space“). Aktuelles Beispiel ist der Umgang mit der PTM („Bewegung zum Schutz der Paschtunen“), die sich im Frühling 2018 als friedliche
Protestbewegung gegen die Diskriminierung von Paschtunen in Pakistan formiert hatte. Der Sicherheitsapparat geht teils mit harter Hand gegen die Bewegung vor, immer wieder kommt es zu zeitweiligen Verhaftungen ihrer Führer (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
• FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhou
se.org/country/pakistan/freedom-world/2020 , Zugriff 14.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (30.4.2020): State of Human Rights in
2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Hu
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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
15.4.2021
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 24.06.2021
DieBedingungen in den Gefängnissen sind oft extrem schlecht. Überbelegung bleibt ein ernstes Problem, vor allem aufgrund struktureller Probleme im Strafrechtssystem, die wiederum zu einer hohen Rate an Untersuchungshäftlingen führen. Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden waren im August 2020 landesweit 82.139 Gefangene in 116 Gefängnissen inhaftiert. Die vorgesehene Kapazität dieser Gefängnisse beträgt 64.099, womit die Belegung 28% über der Kapazität liegt (USDOS 30.3.2021). Die Gefängnisse in Pakistan sind nach wie vor sehr stark überbelegt, mit einer Belegungsrate von 133,8%. Der Anteil der Untersuchungs- und Strafgefangenen an der gesamten Gefängnispopulation beträgt 62,1%. Überbelegung, unhygienische Bedingungen und schlechte medizinische Einrichtungen für Gefangene blieben ein ständiges Problem, was ihre Anfälligkeit für Tuberkulose, HIV/AIDS und Hepatitis, neben anderen Krankheiten (HRCP 2020). Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind also generell sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und der NGO HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Die medizinische Versorgung ist auch hinsichtlich der Behandlung psychisch kranker Häftlinge unzureichend (AA 29.9.2020). Die unzureichende Ernährung und medizinische Versorgung in den Gefängnissen führt weiterhin zu chronischen Gesundheitsproblemen. Unterernährung bleibt ein Problem, insbesondere für Insassen, die nicht in der Lage sind, ihre Ernährung durch Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind die sanitären Anlagen, die Belüftung, die Beleuchtung und der Zugang zu Trinkwasser unzureichend (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Im Laufe des Jahres 2020 setzten die Gefängnisabteilungen von Punjab, Sindh und Khyber Pakhtunkhwa den Bau ihrer eigenen Gefängnisakademien fort und konzentrierten sich dabei auf moderne Gefängnismanagementtechniken, die die Menschenrechte fördern und gewalttätigem Extremismus entgegenwirken (USDOS 30.3.2021). Es gibt Ombudspersonen für Gefangene, mit einer Zentralstelle in Islamabad und Büros in jeder Provinz. Die Generalinspektoren der Gefängnisse besuchen in unregelmäßigen Abständen die Haftanstalten, um die Bedingungen zu überwachen und Beschwerden zu bearbeiten. Laut Gesetz müssen die Gefängnisbehörden den Gefangenen und Inhaftierten erlauben, sich ohne Zensur bei den Justizbehörden zu beschweren und eine Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe über unmenschliche Bedingungen zu verlangen. Es gibt jedoch Berichte, wonach Gefangene davon absehen, Beschwerden einzureichen, um Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden zu vermeiden. Internationalen Organisationen wird der Zugang zu Gefängnissen in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan untersagt (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2020): State of Human Rights in 2019,
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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
14.4.2021
Todesstrafe
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Todesstrafe wird in Pakistan vollstreckt. Der Staat veröffentlicht keine offizielle Statistik zur Todesstrafe. Die Todesstrafe kann bei 27 verschiedenen Straftatbeständen verhängt werden, darunter Blasphemie, Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als einem Kilogramm Rauschgift, Vergewaltigung und terroristischer Anschlag mit Todesfolge. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen. Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Im Falle der Aburteilung ziviler Terrorverdächtiger hat sich der Oberste Gerichtshof durch Entscheidung vom 5.8.2015 das Recht vorbehalten, Urteile der Militärgerichte nach bestimmten Kriterien zu überprüfen (AA 29.9.2020). In Pakistan wurden zum ersten Mal seit der Wiederaufnahme im Dezember 2014 keine Hinrichtungen gemeldet (AI 4.2021; vgl. HRCP 3.5.2021). Gemäß Daten aus Presseberichten wurde die Todesstrafe im Jahr 2020 an mindestens 177 Personen verhängt - ein deutlicher Rückgang gegenüber mindestens 578 Personen im Jahr 2019 (HRCP 3.5.2021). Auch Amnesty International verzeichnete im Jahr 2020 eine deutlich geringere Anzahl von Todesurteilen als in den Vorjahren - allerdings zählt die Organisation nur 49. Der Rückgang könnte mit einer Lücke in den Gerichtsverfahren aufgrund der Covid-19-Pandemie zusammenhängen. Zwei der registrierten Todesurteile wurden wegen „Blasphemie“ verhängt, 19 von Anti-Terrorismus-Gerichten und sieben von Model Criminal Trial Courts, speziellen Gerichten, die 2019 eingerichtet wurden, um den Rückstau an Strafverfahren abzuarbeiten (AI 4.2021. Am 17. Juni hob das Oberste Gericht von Peshawar die Verurteilungen von 196 Personen auf, die von Militärgerichten angeklagt und in den meisten Fällen zum Tode verurteilt worden waren (AI 4.2021). Das Gesetz verbietet die Anwendung der Todesstrafe für Minderjährige, dennoch verurteilen Gerichte Kinder nach dem Antiterrorismusgesetz zum Tode. Dabei erschwert der Mangel an zuverlässigen Unterlagen die Bestimmung des Alters möglicher Minderjähriger (USDOS 30.3.2021). Seit 1990 verbietet § 295 PPC (Pakistan Penal Code) das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, die Entweihung des Korans und die Beleidigung des Propheten Mohammed. Diese Rechtsnorm sieht selbst bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. Oftmals wird erstinstanzlich auf Druck von Extremisten die Todesstrafe verhängt, diese wurde bislang jedoch noch nie vollstreckt und häufig durch ein höheres Gericht wieder aufgehoben (AA 29.9.2020). Die Regierung stellt einen staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt sind, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. In anderen Fällen bietet sie keine regelmäßige rechtliche Vertretung an. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, bei welchen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen geht, versäumen es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
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• AI - Amnesty International (4.2021): Death Sentences and Executions 2020, https://www.
ecoi.net/en/file/local/2049793/ACT5037602021ENGLISH.PDF , Zugriff 30.4.2021
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30.4.2021
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Laut provisorischer Volkszählung von 2017 sind 96% der ca. 210 Millionen Einwohner Pakistans Sunniten oder Schiiten. Laut Regierungsangaben setzen sich die restlichen 4% aus Ahmadi Muslimen, Christen, Hindus, Zoroastriern, Bahai, Sikhs, Buddhisten, Kalasha, Kihal und Jainisten zusammen. Ca. 80-85% der muslimischen Einwohner Pakistans sind Sunniten und 15-20% Schiiten (USDOS 10.6.2020; vgl. CIA 4.5.2021). Laut Verfassung sind Angehörige der Qadiani oder der Lahori-Gruppe (Ahmadis) keine Muslime (USDOS 10.6.2020; vgl. ACCORD 3.2021). Artikel 2 der pakistanischen Verfassung erklärt den (sunnitischen) Islam zur Staatsreligion. Artikel 227 der pakistanischen Verfassung bindet das Rechtssystem an das islamische Recht. Der Shari’ah Act 1991 hat die Scharia zum höchsten Gesetz in Pakistan gemacht. Somit sind alle Gesetze in Pakistan im Einklang mit der Scharia auszulegen (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen und diese auch zu wechseln. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung (AA 29.9.2020). Allerdings werden Mitglieder von religiösen Minderheiten regelmäßig Opfer von religiös motivierten Übergriffen, die vor allem von sunnitisch-extremistischen Gruppierungen verübt oder veranlasst werden. Die Provinzen Belutschistan und Sindh verzeichnen die meisten Vorfälle. Radikal-islamistische Gruppierungen in Pakistan stellen nicht die einzige Gefahr für religiöse Minderheiten dar. Diese sehen sich zusätzlich einer existenziellen Bedrohung durch Organisationen ausgesetzt, die religiöse Intoleranz politisch instrumentalisieren, indem sie Anschuldigungen wegen Verstoßes gegen Religionsstraftaten, wie etwa die in Pakistan strafbare „Prophetenbeleidigung“ oder Gotteslästerung (Blasphemie), auffallend häufig gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorbringen. Die zumeist haltlosen Anschuldigungen haben nicht nur strafrechtliche Verfolgung und teilweise jahrelange schuldlose Inhaftierung zur Konsequenz, sondern
werden auch zum Anlass genommen, Menschenmengen gegen die Beschuldigten oder deren Gemeinschaft zu mobilisieren (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Die Bestimmungen des Blasphemie-Gesetzes gelten weiterhin. Diese bieten einen Vorwand für Gewalt gegen religiöse Minderheiten und macht letztere anfällig für willkürliche Verhaftung und Verfolgung. Auf Blasphemie steht zwingend die Todesstrafe, und Ende 2020 saßen immer noch 40 Menschen in der Todeszelle. Mitglieder der Ahmadia-Religionsgemeinschaft sind nach wie vor ein Hauptziel für Verfolgungen nach den Blasphemiegesetzen sowie nach speziellen Anti-Ahmadi-Gesetzen. Militante Gruppen und die islamistische politische Partei Tehreek-e-Labbaik (TLP) beschuldigen Ahmadis, sich „als Muslime auszugeben“. Das pakistanische Strafgesetzbuch wiederum erachtet „sich als Muslime ausgeben“ als Straftatbestand. Im Mai 2020 schloss die Regierung Ahmadis von der neuen Nationalen Kommission für Minderheiten aus, welche eigentlich die Rechte der Minderheiten des Landes schützen soll (HRW 13.1.2021; vgl.GIZ 9.2020). Während die vagen und weit gefassten Blasphemiegesetze in den vergangenen Jahren dazu benutzt wurden, die am stärksten marginalisierten Menschen in der Gesellschaft ins Visier zu nehmen, wurde ihre Anwendung 2020 auf Künstler, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ausgeweitet (AI 7.4.2021). Für Apostasie – Abfall vom Islam – gibt es in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung. Allerdings wird Apostasie von vielen Klerikern als Form der Blasphemie erachtet und kann daher die Todesstrafe nach sich ziehen. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie in keiner Weise (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 10.6.2020, BAMF 5.2020). Die systematische Durchsetzung von Blasphemie- und Anti-Ahmadiyya-Gesetzen und das Versäumnis der Behörden, auf Zwangskonversionen religiöser Minderheiten - einschließlich Hindus, Christen und Sikhs - zum Islam einzugehen, schränkt die Religions- und Glaubensfreiheit stark ein (USCIRF 4.2020).
Die Regierung setzt ihren 2014 begonnenen National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus und sektiererischen Extremismus und Hassreden fort. Organisationen der Zivilgesellschaft und Religionsführer erklären, dass sich die Sicherheit an religiösen Orten durch verstärkte Schutzmaßnahmen der Sicherheitskräfte wesentlich gebessert hat. Die US-Regierung setzt die Ausbildung für Polizeibeamte bezüglich Menschenrechte und dem Umgang mit religiösen Minderheiten fort (USDOS 10.6.2020). Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen. Die Religionszugehörigkeit wird in Reisepässen angegeben und das religiöse Bekenntnis muss am Antragsformular für Identitätskarten angegeben werden (USDOS 10.6.2020). Gemäß Verfassung dürfen Personen bei der Anstellung im öffentlichen Dienst nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Im Bundesdienst gilt eine 5%-Quote für Minderheiten. Diese Quote wird laut Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt. Die meisten Minderheitengruppen berichten dementsprechend von Diskriminierungen bei Anstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst sowie bei der Aufnahme an Hochschulen. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, allerdigs steigen Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in einen höheren Dienstgrad als Oberst auf. Minderheitenvertreter berichten, dass die Regierung bei der Sicherung von Minderheitenrechten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent ist und Minderheiten vor gesellschaftlicher und staatlicher Diskriminierung nicht ausreichend geschützt werden (USDOS 10.6.2020). Der Oberste Gerichtshof richtete einen Sondergerichtsausschuss zwecks Anhörung von Petitionen im Zusammenhang mit Rechten von Minderheiten ein und ernannte einen Kommissar, der die Umsetzung von Urteilen durch den Gerichtshof selbst überwachen soll. Während das Ministerium für Recht und Justiz offiziell für die Gewährleistung der gesetzlichen Rechte aller Bürger verantwortlich ist, übernimmt das Ministerium für Menschenrechte in der Praxis weiterhin die Hauptverantwortung für den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten. Die National Commission on Human Rights (NCHR) ist ebenfalls mit der Untersuchung von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen beauftragt. Sie hat aber zu wenig Macht, um Forderungen durchzusetzen. Zudem blieb die NCHR für eine zweite Amtszeit von vier Jahren ohne neues Mandat und am Jahresende 2019 ohne neue Kommissare (USDOS 10.6.2020). Nach Angaben der Nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (NCJP) haben sich während der COVID-19-Pandemie Vorfälle gehäuft, bei denen Christen und andere religiöse Minderheiten bei der Verteilung von Schutzausrüstungen und humanitären Hilfen benachteiligt worden sind. Aus entsprechenden Berichten geht hervor, dass islamische Organisationen und Moscheegemeinden Christen bei der Verteilung von Lebensmitteln und anderen Nothilfen in ländlichen Gebieten der Provinz Punjab zurückgewiesen hätten. Am 5. Mai 2020 hat die Nationalversammlung die Gründung einer Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities, NCM) beschlossen. Diese soll für die Überwachung der Rechte von religiösen Minderheiten im muslimischen Land zuständig und Anlaufstelle für Beschwerden sein. Auch kann diese Kommission, die aus Interessenvertretern der Christen, Hindus, Sikhs, Zoroastern und Anhängern der polytheistischen Religion der Kalasha besteht, Gesetzesvorschläge einbringen. Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinschaft, die Schätzungen zufolge bis zu fünf Millionen im Land lebende Mitglieder hat, sind hingegen nicht vertreten. Zur Begründung wurde von staatlicher Seite ausgeführt, dass Ahmadis nicht als „Minderheit“ zu definieren seien (BAMF 5.2020).
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Muslime
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die beiden Hauptzweige des Islams, das Schiitentum und das Sunnitentum, teilen sich in Pakistan in mehrere Untergruppen auf. Bei den Sunniten sind dies die Barelvis [auch Ahle Sunnat wal Jama’at] mit ungefähr 60 % Anteil; die Deobandis mit ungefähr 35 % und mit ca. 5 % die Ahl-e Hadith (Salafi). Religiöse Intoleranz und Gewalt findet auch zwischen den muslimischen Denominationen und innerhalb der sunnitischen Konfession statt, z. B. zwischen der Barelvi-Sekte, die erheblichen Sufi-Einfluss aufweist und der Deobandi-Sekte, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014; vgl. ACCORD 3.2021). Die schiitische Bevölkerung Pakistans wird auf 20 bis 50 Millionen Menschen geschätzt. Die Mehrheit der Schiiten in Pakistan gehört den Zwölfer-Schiiten an, andere Subsekten sind Nizari-Ismailiten, Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Die Schiiten sind im ganzen Land verteilt und stellen in der semi-autonomen Region Gilgit-Baltistan die Bevölkerungsmehrheit. Viele urbane Zentren in Pakistan beheimaten große Schia-Gemeinden. Manche Schiiten leben in Enklaven in den Großstädten, sind aber ansonsten gut integriert (UKHO 6.2020). Mitglieder der schiitischen Bevölkerungsgruppen, insbesondere der ethnischen Hazara, werden durch die mit den Sicherheitsmaßnahmen einhergehenden Einschränkungen, die wegen der auf sie verübten Übergriffe getroffen worden sind, erheblich in ihrem Alltagsleben eingeschränkt. In Quetta, der Hauptstadt der Provinz Belutschistan, leben Hazara in „Hazara Town“ genannten Enklaven. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen und der damit einhergehenden faktischen Abgeschiedenheit herrschen dort prekäre Verhältnisse, die zusätzlich von ökonomischer Ausbeutung gekennzeichnet sind (BAMF 5.2020). Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder körperlich noch sprachlich von den Sunniten. Schiitische Muslime dürfen ihren Glauben frei ausüben. Es gibt keine Berichte über systematische staatliche Diskriminierung gegen Schiiten. Schiiten sind in der Regierung und im öffentlichen Dienst gut vertreten (UKHO 6.2020). Die öffentliche Wahrnehmung von Schiiten in Pakistan ist tendenziell besser als in manchen Ländern des Mittleren Ostens und des Maghreb mit mehrheitlich sunnitischer Bevölkerung. Allerdings werden Schiiten von einem nicht unerheblichen Bevölkerungsanteil - tendenziell Deobandis - und radikal-islamistischen sunnitischen Gruppierungen als Glaubensabtrünnige bzw. Ungläubige angesehen (BAMF 5.2020). Obwohl der Terrorismus in den letzten Jahren zurückgegangen ist, bleibt Pakistan eine Basis für extremistische Gruppen wie die pakistanischen Taliban und Lashkar-e-Jhangvi. Diese Gruppen haben neben Nicht-Muslimen oft auch schiitische und sufische Muslime im Visier (USCIRF 4.2020). Religiös/konfessionell motivierte bzw. intrakonfessionelle Gewalt führen weiterhin zu zahlreichen Todesfällen. Die meisten Opfer finden sich unter schiitischen und sunnitischen Muslimen, die von radikalen sunnitischen oder anderen islamistischen Terrororganisationen attackiert werden. Zu vielen Anschlägen auf Schiiten bekennt sich die radikal-sunnitische, antischiitische Terrororganisation Lashkar-e-Jhangvi (AA 29.9.2020; vgl. UKHO 6.2020). Es gibt zwar keine Berichte über eine systematische Diskriminierung schiitischer Muslime durch den Staat, aber es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen während der Muharram (islamische religiöse Feier) im Zusammenhang mit Verstößen gegen die öffentliche Ordnung (UKHO 6.2020). Einige Bundes- und Provinzbehörden schränken rund um das schiitische Muharram-Fest die Bewegungsfreiheit von Klerikern, die dafür bekannt sind, konfessionelle Gewalt zu propagieren, ein (USDOS 10.6.2020; vgl. HRCP 3.2019). Rund um schiitische Prozessionen in größeren Städten in den Provinzen Punjab, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan kommen zusätzliche Sicherheitskräfte zum Einsatz - darunter etwa auch für schiitische Hazara-Gemeinschaften in Quetta (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
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• ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation
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• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport
24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf ,
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• BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation [Österreich]
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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-201
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• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note
Pakistan: Shia Muslims, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background
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• USCIRF - US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): United
States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report Pakistan,
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• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious
Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am
11.5.2021
Ahmadis
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiya teilt sich in die Qadiani-Gruppe (Ahmadiya Muslim Jamaat) und die wesentlich kleinere Lahore-Gruppe (Ahmadiya Anjuman Ischaʽat-i-Islam Lahore) (BFA 10.2014). Es gibt keine zuverlässigen Statistiken zur Anzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft. Der größeren Qadiani-Gruppe gehören in Pakistan schätzungsweise 600.000 bis 5 Millionen Mitglieder an; viele Ahmadis lassen sich nicht registrieren. Die Mitgliederzahl der kleineren Lahore-Gruppe wird auf rund 30.000 Anhänger weltweit geschätzt, von ihnen sollen 5.000 bis 10.000 Mitglieder in Pakistan leben. Das Hauptquartier der Ahmadi in Pakistan befindet sich in Rabwah (offizieller Name Chenab Nagar). 90-95 % der Einwohner der Stadt, ca. 60.000-70.000 Menschen, sind Ahmadis. Weitere wichtige Ansiedlungen der Ahmadis befinden sich in Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karatschi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala (UKHO 3.2019). Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiya wird von muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz. Durch diese speziell gegen sie gerichtete, diskriminierende Gesetzgebung haben Ahmadis zwar den Status einer religiösen Minderheit, gleichzeitig ist es ihnen aber ausdrücklich verboten, sich als Muslime zu bezeichnen oder auszugeben. Dieses Verbot ist im Pakistanischen Strafgesetzbuch (§ 298c PPC) niedergelegt und mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (AA 29.9.2020). Sämtliche Publikationen der Ahmadiya-Gemeinschaft sind in Pakistan verboten. Ahmadis können grundsätzlich keine nach außen wirksamen, öffentlichen Versammlungen abhalten (BAMF 5.2020). Eine objektiv meinungsbildende Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft kommt im öffentlichen Diskurs nicht vor. Vielmehr wird eine gegen Ahmadis gerichtete Rhetorik in sozialen und Printmedien, bei Versammlungen oder Freitagsgebeten sowie im Alltag auf Plakaten verbreitet (BAMF 5.2020). Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen, berichtet wird aber weiterhin über Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis (AA 29.9.2020). Gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi-Propaganda sind weit verbreitet. Der Einsatz von Hassreden gegen Ahmadis wird von den Medien oftmals unkritisch behandelt. Gegen Ahmadi-Geschäftsleute aller gesellschaftlichen Klassen erfolgen auch Kampagnen zum wirtschaftlichen Ausschluss bis hin zu Morddrohungen (UKHO 3.2019; vgl. GIZ 9.2020). Die Diskriminierung der religiösen Minderheit der Ahmadis durch das Verhalten der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung hält an. Vereinzelt kommen auch Maßnahmen staatlicher Stellen vor (AA 29.9.2020). Die Ahmadis werden wegen der rechtlichen Diskriminierung und wachsenden religiösen Intoleranz als vulnerabelste Gruppe in Pakistan erachtet. Sie sind einem hohen Risiko staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dadurch werden ihre Möglichkeiten zur freien Religionsausübung und zur politischen und sozialen Partizipation eingeschränkt. Auch das Risiko sozialer Diskriminierung und Gewalt gegen Ahmadis ist aufgrund großer Protestveranstaltungen der Khatm-e-Nabuwat-Bewegung in den Jahren 2017 und 2018 gestiegen (DFAT 20.2.2019). Mitglieder der Ahmadi erfahren wegen ihres Glaubens also sowohl staatliche als auch gesellschaftliche Diskriminierung und Verfolgung in Form von Übergriffen auf Einzelpersonen, deren Eigentum sowie auf Gemeindeeinrichtungen. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu
Angriffen auf Gebetsstätten der Gemeinschaft (BAMF 5.2020; vgl. BAMF 19.4.2021). Der inkonsequente Schutz und die offizielle Diskriminierung von Ahmadis besteht weiterhin. Die Polizei ist
beim Schutz vor bzw. beim Ermitteln in Fällen von Gewalt gegen Ahmadis ineffektiv. Aus Angst vor einer Verfolgung aufgrund der Anti-Ahmadi- oder Blasphemiegesetze zögern Ahamdis oft, Vorfälle der Polizei zu melden. Der Staat scheint weder willig noch fähig, wirksamen Schutz zu bieten (UKHO 3.2019). Die Blasphemie-Gesetzgebung wird dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den
verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz (AA 29.9.2020). Während die Behörden Schritte unternommen haben, um einige Personen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, halten sich die erstinstanzlichen Gerichte weiterhin bei Blasphemiefällen nicht an grundlegende Beweisstandards (UKHO 3.2019). Der Personalausweis (Computerized National Identity Card / CNIC) identifiziert dessen Besitzer nicht als Ahmadi, da diese Information nicht auf der Karte angegeben ist. Bei Beantragung der CNIC muss die eigene Religion angegeben werden. Personen, die sich als Muslime verzeichnen lassen wollen, müssen eine Deklaration unterschreiben, in der sie den Propheten der Ahmadis verurteilen (UKHO 3.2019). Im Reisepass wird als Religionszugehörigkeit „Ahmadi“ angegeben, wenn der Antragsteller sich als solcher deklariert (USDOS 10.6.2020). Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie sich selbst als Muslime verstehen und deshalb nicht für die Listenplätze der Parteien für nichtmuslimische Minderheiten kandidieren (AA 29.9.2020). Viele Ahmadis boykottieren den politischen Prozess und nahmen an den Parlamentswahlen 2018 nicht teil (USDOS 10.6.2020). Es ist möglich, dass ein Nicht-Ahmadi-Muslim Ahmadi-Muslim wird. Es kommt zwar gelegentlich vor, aber nicht mehr so regelmäßig und so häufig wie in der Vergangenheit. Es gibt keine besondere Zeremonie, die mit dem Übertritt in die Ahmadi-Gemeinschaft verbunden ist, aber es gibt definitiv ein Verfahren. Dieses Verfahren war in der Vergangenheit präzise und offen, aber da die pakistanischen Gesetze Konvertierungen behindern, ist es nicht mehr möglich, das Verfahren in Pakistan akribisch zu befolgen. In einer sicheren Bekehrungssituation erhält die Person ein Baiat-Formular (Initiationsformular), das ausgefüllt und unterschrieben werden muss. Dieses Formular wird danach vom Präsidenten des Ortsverbandes der Gemeinschaft (je nach Struktur des Ortsverbandes als lokaler Sadr oder Amir bezeichnet) beglaubigt und vom Distriktpräsidenten (Amir) gegengezeichnet. Letzterer leitet es an den Hauptsitz der Gemeinschaft in Rabwah weiter. Anschließend wird das Formular an Hazrat Khalifa tul Masih (Oberster Leiter der weltweiten Ahmadiya-Muslimischen Jamaat) in Großbritannien zur Genehmigung geschickt. Die Genehmigung wird anderweitig an alle Betroffenen übermittelt. Unter den gegenwärtigen Umständen ist es in Pakistan nicht mehr möglich, die einzuführende Person schriftlich zu informieren, wie es in der Vergangenheit in der Gemeinschaft üblich war. In problematischen Situationen wird ein Teil des Verfahrens beiseite gelegt und der Person mitgeteilt, dass ihre Initiation akzeptiert wurde und er oder sie sich als Ahmadi-Muslim betrachten sollte. Schließlich ist der Glaube eine Sache des Glaubens und des Herzens. Der Beitritt zur Ahmadiya-Gemeinschaft durch Unterzeichnung eines Einweihungsformulars ist nur ein Verwaltungsverfahren, das unter Umständen geändert werden kann (VB 3.10.2020).
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Gemeinschaft, Auskunft per E-Mail
Christen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Mit Juli 2020 wurde die christliche Bevölkerung Pakistans auf ca. 1,59%, also ca. 3,7 Millionen Menschen, geschätzt. Die Provinz Punjab hat dabei den größten Christenanteil, wobei die Mehrheit von ihnen in und um Lahore lebt (UKHO 2.2021). Etwa 60% der Christen sind Katholiken, 40% gehören protestantische Konfessionen an (AA 29.9.2020). Die Verfassung besagt, dass Minderheiten gleichberechtigte Bürger Pakistans sind und sich frei zu ihrer Religion bekennen und ihre Gebetsstätten besuchen können. Es gibt keine Gesetze, die Christen diskriminieren, wenngleich eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung fehlt. Christen haben ihre eigenen Gesetze bezüglich Ehe und Scheidung. Christliche Feste werden offiziell anerkannt und gefeiert. Christen haben im Allgemeinen Zugang zu ihren Gebetsstätten. Religiöse Symbole und Dekorationen werden offen zur Schau gestellt und Bibeln und andere christliche Literatur werden in christlichen Buchläden verkauft. Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interreligiöse Harmonie konzentriert sich zwar hauptsächlich auf muslimische Angelegenheiten, unterstützt aber auch religiöse Minderheiten finanziell. Im Oktober 2020 kündigte die Regierung einen Plan zur Einrichtung von Räten für interreligiöse Harmonie im ganzen Land an, um religiöse Toleranz zu fördern (UKHO 2.2021). Die meist der sozialen Unterschicht angehörende christliche Minderheit in Pakistan wird folglich weniger durch staatliche Gesetze, als durch ein in Teilen der pakistanischen Gesellschaft bestehendes Klima der Intoleranz diskriminiert - und wird dabei auch Opfer religiös motivierter Gewalt. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist weit verbreitet. Es gibt so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Auf dem Lande befindet sich die Mehrzahl der Christen als einfache Pächter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern. Christen werden überdurchschnittlich oft Opfer von Vorwürfen bzgl. Blasphemie sowie von radikalislamischer Gewalt (AA 29.9.2020). Die Blasphemiegesetze, die schwere Strafen nach sich ziehen, gelten für alle religiösen Gruppen, werden unverhältnismäßig oft gegen religiöse Minderheiten, einschließlich der Christen, eingesetzt. Es gibt Berichte über Christen, die unter den Blasphemiegesetzen verhaftet und angeklagt wurden. Zwischen 2001 und 2019 gab es 16 Verurteilungen von Christen wegen Blasphemie. Während die Verurteilungen im Jahr 2020 weitergingen, wurde 2015 berichtet, dass über 80 % der Blasphemie-Fälle in der Berufung aufgehoben wurden. Freisprüche erfolgen jedoch oft erst nachdem der Angeklagte bereits Jahre im Gefängnis verbracht hat (UKHO 2.2021). Es gibt regelmäßig Berichte, wonach christliche Frauen und Mädchen, meist im Alter zwischen 12 und 25, Opfer von Entführungen, Zwangskonvertierungen zum Islam und Zwangsverheiratungen mit muslimischen Männern werden (UKHO 9.2018; vgl. AA 29.9.2020). Anders als in den vergangenen Jahren gab es 2019 keine Berichte über Christen, die im Visier bewaffneter, religiös motivierter Gruppen standen. Die Zahl solcher Angriffe ging also weiter zurück, was mit einem allgemeinen Rückgang der Zahl an Terroranschlägen einherging. Allerdings variieren die Daten zu religiös motivierten Angriffen, da es bei den relevanten Organisationen keine einheitliche Definition derartiger Angriffe gibt (USDOS 10.6.2020). Speziell im Hinblick auf Christen wird für die Sicherheit der Kirchen durch die Polizei gesorgt, was das Risiko von Angriffen verringert und manchmal die eigenen Sicherheitsvorkehrungen der Gemeinden ergänzt. Die Regierung hat auch Schritte unternommen, um die Möglichkeiten von Terrorgruppen einzuschränken, die sich speziell gegen die allgemeine Öffentlichkeit und religiöse Minderheiten richten (UKHO 2.2021).
Quellen:
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Hindus
Letzte Änderung: 24.06.2021
Laut Angaben des pakistanischen Statistikbüros sind 1,6% der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans Hindus [ca. 3,3 Millionen]; der Bevölkerungsanteil der Hindus in Sindh liegt bei 6,51% (PBS o.D.). Nach Angaben des Pakistan Hindu Council wird die Zahl der Hindus in Pakistan hingegen auf acht Millionen bzw. 4% der Bevölkerung geschätzt. Demnach leben 94% davon im Sindh, und die Hindus machen dort 17% der Gesamtbevölkerung aus (PHC o.D.). Viele Hindus leben in der südlichen Provinz Sindh in schuldknechtschaftlichen Arbeitsbeziehungen zu ihren jeweiligen Großgrundbesitzern (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Sie sind zwar keiner systematischen Verfolgung von staatlicher Seite ausgesetzt, jedoch kommt der Staat seiner Schutzpflicht nicht ausreichend nach bzw. finden Hindus in ländlichen Regionen, wo Großgrundbesitzer einer Strafverfolgung entgehen können, nur begrenzten staatlichen Schutz. Ungefähr 80% der hinduistischen Frauen besitzen keinen Personalausweis und können damit ihr aktives Wahlrecht nicht wahrnehmen. Generell werden Hindus aber weniger durch staatliche Gesetze, als durch ein in Teilen der pakistanischen Gesellschaft bestehendes Klima der Intoleranz diskriminiert. Sie werden dabei auch Opfer religiös motivierter Gewalt (AA 29.9.2020). Entführungen von hinduistischen Mädchen zum Zweck von Lösegeldforderungen sowie zur Zwangskonvertierung kommen im unteren Sindh häufig vor. Entführte Mädchen werden oft verheiratet und zum Islam zwangskonvertiert (DFAT 20.2.2019; vgl. BAMF 26.4.2021). Der Hindu Marriage Act 2017, welcher den Sindh Hindus Marriage Act 2016 komplementiert, kodifiziert erstmalig das Eherecht und die Registrierung von Ehen unter Hindus. Er gilt als politisches Zeichen gegen eine weitere Marginalisierung religiöser Minderheiten (AA 29.9.2020) und soll die Praktiken erzwungener Ehen und Konversionen, von denen Hindus überproportional betroffen sind, einschränken (DFAT 20.2.2019; vgl. USDOS 10.6.2020). Im August 2019 legten Vertreter der muslimischen, hinduistischen, christlichen, Sikh- und Baha’i-Gemeinschaften dem Premierminister eine Resolution vor, in der sie zusätzlichen Schutz für religiöse Minderheiten und Frauen forderten. Die Resolution forderte u.a. die landesweite Anhebung des Mindestheiratsalters für Frauen von 16 auf 18 Jahre, die Einrichtung eines Ministeriums für religiöse Minderheiten, und eine 5%-Quote bei nationalen und internationalen Bildungsstipendien für Minderheiten, Verhinderung der Diskriminierung von Minderheiten, und einen besonderen Schutz hinsichtlich des Missbrauchs der Blasphemie-Gesetze (USDOS 10.6.2020).
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Konversion und Apostasie
Letzte Änderung: 24.06.2021
Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert zumindest verfassungsrechtlich die freie Religionsausübung. Die gesellschaftliche Realität sieht allerdings anders aus. Die Rechtsordnung schränkt nicht die Freiheit ein, die Religion zu wechseln. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern, in denen Apostasie - der Abfall vom Islam - in Anlehnung an den Koran mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine entsprechende strafrechtliche Bestimmung. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie aber in keiner Weise. Personen, die sich vom Islam abwenden, vertreten dies in aller Regel nicht öffentlich. Eine eventuelle Gefahr für Leib und Leben besteht v. a. dann, wenn sich der Betroffene besonders exponiert (AA 29.9.2020; vgl UKHO 2.2021). Es besteht die Gefahr, dass extremistische religiöse Gruppen, die von Fällen (angeblicher) Blasphemie oder Apostasie erfahren, an Muslimen oder Angehörigen religiöser Minderheiten Lynchjustiz üben (AA 29.9.2020). Die Situation ist für eine Person, von der bekannt ist, dass sie vom Islam zum Christentum konvertiert ist, viel schwieriger als für eine Person, die als Christ geboren wurde. In Pakistan ist es selten, dass eine Person offen zum Christentum konvertiert, da es wahrscheinlich ist, dass die Konversion einer Person innerhalb ihrer Gemeinschaft bekannt wird, was mögliche Auswirkungen hat. Im Allgemeinen ist die Gesellschaft extrem feindselig gegenüber Konvertiten zum Christentum. Ein Mullah kann eine Fatwa erlassen, die ein Todesurteil gegen einen Konvertiten fordert, der als Abtrünniger betrachtet wird. Menschen, von denen bekannt ist, dass sie
zum Christentum konvertiert sind, erleiden Gewalt, Einschüchterung und schwere Diskriminierung durch nichtstaatliche Akteure. Eine solche Behandlung ist in ganz Pakistan weit verbreitet (UKHO 2.2021). Die Ehe eines nicht-muslimischen Paares wird ungültig, wenn die Frau zum Islam konvertiert;
hingegen bleibt die Ehe gültig, wenn der Mann zum Islam konvertiert. Kinder, die einer nichtmuslimischen Ehe entstammen, gelten als illegitim und verlieren ihren Erbanspruch, wenn die Mutter zum Islam konvertiert. Die einzige Möglichkeit, die Ehe und die Kinder zu legitimieren ist, dass der Mann ebenfalls zum Islam konvertiert. Konvertieren beide muslimischen Eltern zu einer anderen Religion, werden deren Kinder als illegitim angesehen. Der Regierung wäre es erlaubt, die Vormundschaft für diese Kinder zu übernehmen (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
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Blasphemiegesetze
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan gehört zu den Ländern mit den schärfsten Blasphemiegesetzen. Der überwiegende Teil der pakistanischen Gesellschaft unterstützt diese. Seit 1990 verbietet § 295a des Strafgesetzbuches das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, § 295b die Entweihung des Koran und § 295c die Beleidigung des Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht selbst bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. In den meisten Fällen wird auf Druck von Extremisten im erstinstanzlichen Urteil die Todesstrafe verhängt; Berufungsgerichte heben solche Urteile aber oft wieder auf (AA 29.9.2020). So wurde bislang kein Todesurteil in einem Blasphemiefall vollstreckt (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 12.2020). Während die vagen und weit gefassten Blasphemiegesetze in den vergangenen Jahren dazu benutzt wurden, die am stärksten marginalisierten Menschen in der Gesellschaft ins Visier zu nehmen, wurde ihre Anwendung 2020 auf Künstler, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ausgeweitet (AI 7.4.2021). Denn Blasphemiegesetze schränken das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf Angelegenheiten der Religion und der religiösen Lehre ein. Die Gerichte setzen die Blasphemiegesetze durch, und obwohl die Behörden noch keine Person wegen Blasphemie hingerichtet haben, führen Anschuldigungen wegen Blasphemie oft zu Selbstjustiz und Lynchjustiz durch den Mob (USDOS 30.3.2021). Das Risiko, Opfer eines Blasphemievorwurfs zu werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab und muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Zu den relevanten Faktoren gehören der Wohnort, ob es sich um ein städtisches oder ländliches Gebiet handelt, und das Bildungsniveau der Person, ihr finanzieller und beruflicher Status und das Ausmaß öffentlicher religiöser Aktivitäten wie Predigten. Diese Faktoren sind nicht erschöpfend. Nichtstaatliche Akteure, die Blasphemiegesetze gegen Christen anwenden, sind oft durch Bosheit, persönliche oder geschäftliche Streitigkeiten, Auseinandersetzungen um Land und Eigentum motiviert. Auch bestimmte politische Ereignisse können solche Anschuldigungen auslösen (UKHO 2.2021). Oft stehen also persönliche Motive hinter den Vorwürfen. Echte Beweise liegen in den seltensten Fällen vor. Die Verurteilungen wegen angeblicher Blasphemie stützen sich oft ausschließlich auf Zeugenaussagen (BAMF 5.2020). Insgesamt ist zu beobachten, dass zwar Muslime die numerische Mehrheit der wegen Blasphemie Inhaftierten bilden, dass aber gleichzeitig religiöse Minderheiten im Verhältnis zu ihrem geringen Anteil an der Bevölkerung überproportional betroffen sind (USDOS 30.3.2021). NGOs berichten, dass viele der Blasphemie beschuldigte Personen für längere Zeit in Einzelhaft bleiben, manchmal für mehr als ein Jahr. Die Regierung behauptet, diese Behandlung diene der Sicherheit des Einzelnen angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass Gefangene, die der Blasphemie beschuldigt werden, Bedrohungen durch die allgemeine Gefängnisbevölkerung ausgesetzt sind (USDOS 30.3.2021). Außerdem können Personen, denen „Prophetenbeleidigung“ vorgeworfen wird, kaum Rechtsbeistand finden. Pflichtverteidiger lehnen die Annahme der Fälle nicht selten ab oder verfolgen das Mandanteninteresse aus Furcht vor persönlichen Konsequenzen nicht ernsthaft (BAMF 5.2020). Blasphemie-Vorwürfe geben immer wieder Anlass oder Vorwand für Mob-Gewalt oder Mordanschläge. Eine Person, die einmal wegen Blasphemie verurteilt worden ist, wird auch nach einem Freispruch durch ein Berufungsgericht vielfach von extremistischen Organisationen verfolgt. Insbesondere bei Angehörigen religiöser Minderheiten geraten zudem auch Familienangehörige von Angeklagten häufig ebenfalls ins Visier von Extremisten und erhalten z.B. anonyme Drohungen (AA 29.9.2020). Die Polizei griff in der Vergangenheit bei mehreren Gelegenheiten ein, um die Gewalt eines Mobs gegen Personen zu unterdrücken, die der Blasphemie beschuldigt wurden. Allerdings werden von der Polizei bei Ermittlungen in Blasphemie-Fällen nicht immer die richtigen Verfahren angewandt, untergeordnete Gerichte wenden nicht immer die richtigen Beweisstandards an und Richter zögern oft, Blasphemie-Fälle zu entscheiden, weil sie gewalttätige Vergeltung fürchten (UKHO 2.2021). Häufig erhebt die Polizei gegen Personen, die falsche
Blasphemievorwürfe äußern, keine Anklage (USDOS 10.6.2020). Besonders radikal tritt in der Öffentlichkeit die Gruppe Tehreek-e -Labbaik Pakistan (TLP) sowohl für die Beibehaltung der Blasphemie-Gesetzgebung als auch in Zusammenhang mit Blasphemie-Anschuldigungen auf. In den letzten drei Jahren hat die TLP regelmäßig Kundgebungen in der Hauptstadt Islamabad und in der punjabischen Provinzhauptstadt Lahore abgehalten (BAMF 5.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
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• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument
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• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport
24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf ,
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• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
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Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan hat eine pluralistische Gesellschaft mit unzähligen religiösen und ethno-linguistischen Identitäten. Die pakistanischen Minderheiten lassen sich im Wesentlichen in die Kategorien „ethnisch
und sprachlich“ sowie „religiös“ einteilen. Der Begriff „Minderheit“ wird in der Verfassung der Islamischen Republik Pakistan von 1973 an mehreren Stellen verwendet, es gibt jedoch keine Definition dieses Begriffs. Aufeinanderfolgende Bundesregierungen haben die Position vertreten, dass Minderheiten innerhalb Pakistans notwendigerweise religiös sind und dass es keine ethnischen oder sprachlichen Minderheiten oder indigene Völker gibt. Zu den ethnischen Minderheiten, die auch offiziell anerkannt sind, gehören Sindhis (14,1%), Paschtunen oder Pakhtuns (15,42%, Volkszählung 2006), Mohajirs (7,57%), Belutschen (3,57%). Zu den religiösen Minderheiten gehören Christen (1,59%, Volkszählung 1998), Ahmadis (0,22%, Volkszählung 1998), Hindus (1,6%, Volkszählung 1998), Schiiten, Isma’ilis, Bohras, Parsen und Sikhs. Zu den am stärksten marginalisierten Gruppen gehören die Hazaras, eine ethnische Gruppe mongolisch-türkischer Herkunft, die eine persische Sprache spricht (MRGI 6.2019). Vier große und zahlreiche kleine und kleinste ethnische Gruppen finden sich in Pakistan. Zu den großen gehören die Punjabis, Sindhis, Baluchis und Paschtunen. Soziale Beziehungen
und Gruppierungen sind in Pakistan stark vertikal, also hierarchisch orientiert. Typisch für das hierarchische Prinzip in südasiatischen Gesellschaften ist auch das Kastensystem, das zwar abgeschafft wurde, aber immer noch in der Gesellschaft vorzufinden ist. Besonders bei den Paschtunen in Khyber Pakhtunkhwa und den Baluchen in Baluchistan, aber auch in den Provinzen Sindh und Punjab, finden sich noch Stammesstrukturen, die zu hierarchischen Verhältnissen führen können (GIZ 9.2020).
Quellen:
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Zugriff 12.5.2021
Belutschen
Letzte Änderung: 24.06.2021
DieBelutschen sind die Ureinwohner von Belutschistan, das zwischen der pakistanischen Provinz Belutschistan und dem iranischen Belutschistan aufgeteilt ist. Die Mehrheit der Belutschen lebt in der Provinz Belutschistan in Pakistan. Belutschistan ist die größte aller Provinzen des heutigen Pakistans. Die sozioökonomischen Bedingungen der Belutschen sind miserabel, über 50% leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Belutschen sind mehrheitlich Sunniten und folgen der Hanafi-Rechtsschule (MRGI aktualisiert 6.2018). Etwa sieben belutschische Aufstandsgruppen sind in Belutschistan aktiv, wobei die Belutschische Befreiungsarmee (BLA) und die Belutschische Befreiungsfront (BLF) als die Hauptakteure von Aufständischen gelten (PIPS 2020). Die BLA kämpft für mehr Autonomie der Provinz Belutschistan und für die Eindämmung des chinesischen Einflusses in der Region; sie wurde 2006
von Pakistan und im Juli 2019 von den USA als terroristische Vereinigung eingestuft (BAMF 8.7.2019).
Menschenrechtsorganisationen berichten, dass einige Behörden belutschische Menschenrechtsaktivisten sowie belutschische Nationalisten willkürlich oder ohne Haftbefehl verschwinden lassen oder diese verhaften. Im Rahmen des Gesetzespakets Aghaz-e-Haqooq („Beginn
der Rechte“) von 2009 für Belutschistan kündigte die Regierung eine allgemeine Amnestie für alle politischen Gefangenen, Führer und Aktivisten im Exil sowie für diejenigen an, die angeblich an „staatsfeindlichen“ Aktivitäten beteiligt waren. Trotz dieser Amnestieangebote setzt sich die illegale Inhaftierung von belutschischen Führern und das Verschwindenlassen von belutschischen Bürgern (darunter Terrorverdächtige aber auch etwa Lehrer, Menschenrechtsaktivitsten und Politiker) fort. Die föderale Untersuchungskommission für erzwungenes Verschwindenlassen in Belutschistan gibt an, dass von 483 Fällen, die zwischen März 2011 und März 2020 gemeldet wurden, noch 164 Fälle anhängig seien. Menschenrechtsaktivisten erklären, dass die Zahlen der Kommission unzuverlässig sind und die Zahl der verbleibenden Fälle höher ist als berichtet. Eine Gruppe gibt an, dass von den mehr als 5.000 seit 2018 verschwundenen Personen nur 450 wieder gefunden wurden (USDOS 30.3.2021). Die Klagen der Belutschen rühren von ihren wirtschaftlichen Entbehrungen her. Belutschistan verfügt über wirtschaftliche Ressourcen, die von den aufeinanderfolgenden Bundesregierungen ausgebeutet wurden, ohne dass der Beitrag Belutschistans zur nationalen Wirtschaft gebührend gewürdigt oder in Form von Geld oder finanziellen Maßnahmen entschädigt wurde (MRGI aktualisiert 6.2018).
Quellen:
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.7.2019): Briefing Notes,
Dokument liegt im Archiv der Staatendokumentation auf, Zugriff 12.5.2021
• MRGI - Minority Rights Group International (aktualisiert 6.2018): Pakistan - Baluchis; https:
//minorityrights.org/minorities/baluchis-2/ , Zugriff 12.5.2021
• PIPS - Pak Institute of Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.
pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf , Zugriff 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
12.5.2021
Hazara
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Hazara sind eine ethnische Gruppe eurasischer Herkunft und überwiegend schiitische Muslime. Sie unterscheiden sich äußerlich von den meisten anderen Pakistanis (EASO 8.2015). Die meisten praktizieren den schiitischen Islam, aber einige wenige sind Sunniten. Die Hazaras unterscheiden sich von anderen Schiiten in Pakistan durch ihre Sprache und ihre Gesichtszüge. Die meisten Hazaras leben in Afghanistan, aber auch in Pakistan gibt es eine große Hazara-Bevölkerung (MRGI 6.2019). Quellen schätzen die Zahl der Hazara in Pakistan auf 600.000 bis eine Million Menschen, die sich hauptsächlich in Quetta (Hauptstadt von Belutschistan) und Karatschi konzentrieren. Viele Hazara sind aufgrund der dort gegen sie gerichteten Gewalt von Quetta in andere pakistanische Städte gezogen, allen voran nach Karatschi. Innerhalb Quettas leben Hazara vor allem in zwei Enklaven (UKHO 11.2019). Hazara sehen sich aufgrund ihrer Religion einem Risiko von Angriffen durch Aufständische ausgesetzt. Ihre eindeutige Identität erhöht dieses Risiko. Sicherheitsmaßnahmen in und um die Hazara-Enklaven in Quetta verringern das Risiko eines Angriffs, obwohl Bewegungen außerhalb dieser Gebiete, selbst unter Bewachung, dieses Risiko erhöhen. Insgesamt ist jedoch die Zahl der Sicherheitsvorfälle und der Opfer in den Hazara-Enklaven im Vergleich zu der in Pakistan lebenden Bevölkerung gering. Hazara, die außerhalb von Quetta und Belutschistan leben, neigen dazu, unter der Allgemeinbevölkerung zu leben, um das Risiko einer ethnischer Zuordnung und von Angriffen zu verringern (UKHO 11.2019; vgl. MRGI 6.2019). Trotzdem sind Hazara aufgrund der Bedrohungslage weitgehend auf zwei von Hazara bewohnte Enklaven in Quetta beschränkt. Dies beschränkt erheblich ihre Möglichkeiten, sich frei zu
bewegen, Arbeit zu finden oder eine höhere Bildung zu erlangen. Hazara berichten, dass die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen ihre Wohngebiete in Ghettos verwandelt haben, was wiederum zu wirtschaftlicher Ausbeutung geführt hat. Hazara geben an, dass Regierungsbehörden sie bei der Ausstellung von Personalausweisen und Pässen diskriminieren. Die Behörden sorgten für mehr Sicherheit bei schiitischen religiösen Prozessionen, beschränkten die öffentlichen Gottesdienste jedoch auf die Hazara-Enklaven (USDOS 30.3.2021; vgl. HRCP 4.2020). Es sind einige höher gebildete Hazara beim Staat angestellt. Einige führen Geschäfte außerhalb der Enklaven. Innerhalb ihrer Enklaven haben sie Zugang zu Ausbildungsstätten und medizinischer Versorgung. Von staatlicher Seite gibt es keine diskriminierenden Gesetze, Richtlinien oder Vorgehen gegen die Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion (UKHO 11.2019).
Quellen:
• EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Länderinformationen (COI) -
Pakistan Länderüberblick, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/BZ041549
8DEN1.pdf , Zugriff 12.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 12.5.2021
• MRGI - Minority Rights Group International (6.2019): Pakistan, https://minorityrights.org/c
ountry/pakistan/ , Zugriff 12.5.2021
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (11.2019): Country policy and information note
Pakistan: Hazaras, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system
/uploads/attachment_data/file/851253/Pakistan_-_Hazaras_-_CPIN_-_v2.1__Novembe
r_2019_.pdf , Zugriff 12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
12.5.2021
Paschtunen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Viele Pakistanis assoziieren die Aktivitäten von Aufständischen im Land mit Paschtunen, die auf beiden Seiten der pakistanisch-afghanischen Grenze leben (DW 20.3.2017). Weil die pakistanische Taliban-Bewegung vornehmlich eine paschtunische Bewegung ist, sind viele Paschtunen durch eine Art Sippenhaft als „Islamisten“ oder „militante Kämpfer“ gebrandmarkt worden (EASO 10.2018). Zudem hegen Teile der pakistanischen Elite Ressentiments gegen die Paschtunen, weil diese zur Gründungszeit Pakistans separatistischen Bestrebungen anhingen. Dabei hat die Idee einer Vereinigung der paschtunisch besiedelten Gebiete zu einem „Groß-Paschtunistan“ unter den pakistanischen Paschtunen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Afghanistan kaum noch Anhänger (DW 20.3.2017). Im Zuge des Kampfes gegen islamistische Aufständische kam es seitens der Sicherheitskräfte zu einem ethnischen Profiling von Paschtunen, insbesondere von Angehörigen einkommensschwacher Gruppen (DW 20.3.2017). Im Rahmen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ kam es zu Übergriffen an sowie zu Verschleppungen und außergerichtlichen Tötungen von Paschtunen (EASO 10.2018). Im Jahr 2018 erlebte Pakistan den Aufstieg des Pashtun Tahafuz Movement (Pashtun Protection Movement / PTM). Diese Bürgerrechtsbewegung fordert Schutz und Rechte für die paschtunische Minderheit im Land. Hierzu gehören etwa die Aufklärung von außergerichtlichen Tötungen, ein Ende willkürlicher Angriffe und Misshandlungen, die Rückkehr verschwundener Personen und die Räumung von Landminen in den ehemaligen Stammesgebieten (EASO 10.2019; vgl. AI 27.5.2019; UKHO 12.2020). Der Bewegung PTM geht es vornehmlich um die Aufklärung von an Paschtunen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung begangenen Menschenrechtsverletzungen durch das Militär, vorwiegend im Gebiet entlang der afghanischen Grenze. Kritik am einflussreichen Militär ist in Pakistan jedoch heikel. Gegen Mitglieder des PTM wird nicht selten der Vorwurf der Terrorismusfinanzierung und Unterstützung der pakistanischen Taliban
(Tehreek-e-Taliban Pakistan, TTP) erhoben (BAMF 19.4.2021). Ab Frühjahr 2019 haben die pakistanischen Behörden ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert. Die Behörden setzen ihre Maßnahmen gegen Mitglieder der PTM fort. Es kam mitunter zur Folterung und zur Tötung von Führungsmitgliedern der PTM. In einem Fall, namentlich am 26.5.2019 in Nord-Waziristan, kam es bei einer Demonstration auch zur Tötung von 13 PTM-Demonstranten. Nach diesem Ereignis ging die Regierung hart gegen die PTM vor und verhaftete viele Führungskräfte der Gruppe sowie Unterstützer der Basis. PTM-Aktivisten konnten zwar viele dieser Verhaftungen vor Gericht erfolgreich anfechten; allerdings werden einige der danach Freigelassenen seither vermisst (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 27.5.2019). Im Laufe des Jahres (2020) mobilisierte die PTM ihre überwiegend ethnischen paschtunischen Anhänger zur Teilnahme an Sitzstreiks und Demonstrationen, um Gerechtigkeit zu fordern und gegen Übergriffe der staatlichen Sicherheitskräfte zu protestieren. Nach der Zusage der Regierung, 2019 härter gegen die PTM vorzugehen, ging die Zahl der Proteste und Kundgebungen landesweit zurück. Die PTM-Aktivisten arbeiteten weiter, wenn auch nach der Verhaftung der meisten der wichtigsten Anführer der Bewegung unter viel größerer Beobachtung (USDOS 30.3.2021; vgl. AI 27.5.2019).
Quellen:
• AI - Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings,
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-kil
lings/ , Zugriff 12.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021): Briefing Notes
- Pakistan, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum
/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw16-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff
14.5.2021
• DW - Deutsche Welle (20.3.2017): Why Pakistan associates terrorism with Pashtuns and
Afghans, https://www.dw.com/en/why-pakistan-associates-terrorism-with-pashtuns-andafghans/
a-38024338 , Zugriff 14.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2019): EASO Informationsbericht über das
Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019113/201
9_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf , Zugriff 12.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das
Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/1446962/122
6_1539768050_pakistan-security-situation-2018.pdf , Zugriff 12.5.2021
53
• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (12.2020): Country Policy and Information Note
Pakistan: Political parties and affiliation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041947/Pakis
tan-Political_parties_and_affiliation-CPIN.v1.0_December_2020_.pdf , Zugriff 14.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
12.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights
Practices 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html , Zugriff
14.5.2021
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Rolle der Frau in Pakistan wird in erster Linie von einer islamischen Gesellschaft geprägt, in der weite Teile einer sehr konservativen Denkweise anhängen. Dem setzen sich vor allem Frauen aus der wirtschaftlichen Oberschicht entgegen, denen es z.T. gelingt, wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft zu erringen (AA 29.9.2020). Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber die Behörden setzen diese Bestimmung nicht durch. Frauen sind mit Diskriminierung im Beruf, Erb-, Familien- und Eigentumsrecht sowie im Justizsystem konfrontiert (USDOS 30.3.2021). Dies gilt unter anderem aufgrund der Anwendung der Scharia, die in Teilen des materiellen und prozessualen Rechts vorrangig zur Anwendung kommt (AA 29.9.2020). Das Familienrecht gibt klare Richtlinien mit Bezug auf Schutz für Frauen im Falle einer Scheidung, Unterhaltsleistungen, sowie das Sorgerecht für minderjährige Kinder vor (USDOS 30.3.2021). Rechtliche Bestimmungen, die Frauen benachteiligen, finden sich u. a. im pakistanischen Strafgesetz, dem Staatsangehörigkeitsrecht und in der Gesetzgebung zum Schutz der Frau (AA 29.9.2020). Frauen nehmen als Mitglieder politischer Parteien aktiv am politischen Geschehen teil. In ländlichen Gebieten halten kulturelle und traditionelle Barrieren Frauen oft davon ab, zu wählen. Gemäß dem 2017 verabschiedeten neuen Wahlgesetz müssen Frauen mindestens 5% der Kandidatenplätze einer Partei bekommen. Wenn weniger als 10% der Frauen ihre Stimme abgeben, wird davon ausgegangen, dass die Frauenstimmen unterdrückt wurden, wobei dann das Ergebnis für den betreffenden Wahlkreis annulliert wird. Es gibt 60 Sitze in der Nationalversammlung und 17 Sitze im Senat, die für Frauen reserviert sind. Die Behörden reservierten 132 der 779 Sitze in den Provinzversammlungen für Frauen und ein Drittel der Sitze in den Gemeinderäten. Frauen beteiligten sich aktiv als Parteimitglieder, aber sie waren nicht immer erfolgreich bei der Sicherung von Führungspositionen innerhalb der Parteien, abgesehen von den Frauenflügeln (USDOS 30.3.2021). Gewalt gegen Frauen und Mädchen - einschließlich Vergewaltigung, Mord, Säureangriffe, häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung - ist nach wie vor ein ernstes Problem in ganz Pakistan (HRW 23.1.2021). Hunderte von Fällen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wurden im Laufe des Jahres gemeldet. Nur wenige, wenn überhaupt, wurden die Täter zur Rechenschaft gezogen (AI 7.4.2021). Auch Kinderheirat ist nach wie vor ein ernstes Problem in Pakistan: 21% der Mädchen werden vor dem 18. Lebensjahr verheiratet, 3% vor dem 15. Frauen, die
religiösen Minderheiten angehören, sind besonders gefährdet, zwangsverheiratet zu werden. Die Regierung hat wenig getan, um solche Zwangsheiraten zu verhindern (HRW 23.1.2021). Der Strafrahmen für Vergewaltigung reicht von 10 bis 25 Jahren Haft sowie einer Geldstrafe bis hin zur Todesstrafe. Das Gesetz stellt Vergewaltigung in der Ehe nicht ausdrücklich unter Strafe. Im Jahr 2016 wurde die gesetzliche Definition von Vergewaltigung, die bis dahin den Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen unter 16 Jahren umfasste, auch auf Buben erweitert. Obwohl Vergewaltigungen häufig vorkommen, werden sie nur selten angezeigt, und bei Anzeigen sind Strafverfolgungen selten. Die Polizei nimmt manchmal Bestechungsgelder von Tätern an, missbraucht oder bedroht Opfer. Manchmal wird von Opfern verlangt, die Anzeige fallen zu lassen - insbesondere wenn es sich bei den mutmaßlichen Tätern um einflussreiche Gemeindeführer handelt. Darüber hinaus werden Vergewaltigungsvorwürfe oft durch außergerichtliche Maßnahmen gelöst, wobei das Opfer gezwungen wird, den Täter zu heiraten. Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament ein neues Anti-Vergewaltigungsgesetz, das die Abnahme von DNS, den Datenschutz des Opfers und das Recht auf juristische Vertretung vorsieht. Die Zahl an medizinischen Tests nach einer Vergewaltigung nimmt zu, in vielen Gebieten ist das medizinische Personal jedoch dazu nicht ausreichend geschult (USDOS 30.3.2021). Bei Vergewaltigung kann sowohl nach pakistanischem Strafgesetzbuch als auch nach den „Hudood“-Verordnungen durch eine Anzeige und unter Beiziehung forensischer und medizinischer Indizien das Gerichtsverfahren eröffnet werden. Über die Anklage entscheidet ein Richter (AA 29.9.2020). Ehebruch wurde aus den Hudood-Verordnungen (diese Gesetze von 1979 sehen die Anwendung von Körperstrafen des islamischen Strafrechts für eine Reihe von Straftaten vor, z.B. Diebstahl) entfernt und als „Unzucht“ in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Ehebruch wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafe geahndet, die hierfür vorgesehene Todesstrafe wird nicht mehr verhängt. Für eine Anzeige werden hohe verfahrensrechtliche Hürden aufgestellt. Eine Verhaftung kann nur auf richterliche Anordnung erfolgen; Freilassung auf Kaution ist möglich (AA 29.9.2020). Kein spezifisches Bundesgesetz verbietet häusliche Gewalt, die weit verbreitet ist. Die Polizei kann Taten häuslicher Gewalt gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches
zu Körperverletzung als Straftat anklagen. Streit um die Mitgift oder andere Familienstreitigkeiten führen manchmal zum Tod oder zur Verstümmelung durch Verbrennung oder Säure (USDOS 30.3.2021). Frauen sind ernsten Schwierigkeiten ausgesetzt, Misshandlungen anzuzeigen. Polizei und Gerichte sind abgeneigt, Fälle häuslicher Gewalt zu verfolgen, da diese als Familienprobleme angesehen werden. Statt Anzeigen aufzunehmen, ermutigt die Polizei die Streitparteien, sich zu versöhnen und schickt Missbrauchsopfer regelmäßig zu den sie misshandelnden Familienangehörigen zurück. Um den sozialen Normen entgegenzuwirken, die Opfer davon abhalten, geschlechtsspezifische Gewalt anzuzeigen, wurden Frauenpolizeistationen mit weiblichen Angestellten eingerichtet. Sie sollen Frauen einen sicheren Zufluchtsort für Anzeigen bieten. Den Einrichtungen mangelt es aber an Personal und Ausstattung (USDOS 30.3.2021). In den Provinzen Sindh (2013), Belutschistan (2014) und Punjab (2016) wurden Gesetze gegen häusliche Gewalt verabschiedet (Dawn 13.2.2019). Die Regierung unterhält ein Krisenzentrum für Frauen in Notlagen, das misshandelte Frauen an NGOs zur Unterstützung weitervermittelt. Weiters gibt es zahlreiche staatliche Shaheed-Benazir-Bhutto-Frauenschutzzentren, die temporären Schutz, rechtliche Hilfe sowie medizinische und psychologische Betreuung bieten. Von diesen werden die Frauen in eines von landesweit mehreren hundert, von den Provinzen verwalteten Dar-ul-Aman (Frauen- und Kinderzentren) weitergeleitet. Dort wird Unterkunft und medizinische Versorgung gewährt, allerdings gibt es keine rechtliche oder psychologische Beratung. Viele der staatlichen Zentren sind überfüllt und nicht ausreichend mit Ressourcen und Personal ausgestattet. Es gibt Fälle, in denen Frauen in staatlichen Schutzhäusern missbraucht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder gedrängt wurden, zu ihren Misshandlern zurückzukehren. Manchmal wurde Frauen in Zentren zur Prostitution gezwungen (USDOS 30.3.2021). NGOs gewähren nicht nur Schutz in Frauenhäusern, sondern leisten auch Rechtsbeistand, engagieren sich für eine Ausbildung der Frauen und versuchen, eine gütliche Verhandlungslösung herbeizuführen und in weiterer Folge eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen (ÖB 12.2020). Z.B. bietet die private Edhi Foundation Unterstützung in vielen sozialen Bereichen - u.a. auch Unterkunft für Frauen, die häuslicher Gewalt entkommen sind. In landesweit 18 sogenannten Edhi Homes sind 8.500 Personen untergebracht (Edhi o.D.).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.4.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument
/2048601.html , Zugriff 14.4.2021
• Dawn - (13.2.2019): Domestic violence, https://www.dawn.com/news/1463533 , Zugriff
14.5.2021
• Edhi Foundation – (o.D.): Edhi Homes & Orphanage Centres, https://edhi.org/edhi-home
s-orphanage-centres/ , Zugriff 14.5.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 3.3.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 26.4.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
12.5.2021
Blutfehden, Ehrverbrechen und andere relevante traditionelle Praktiken
Letzte Änderung: 24.06.2021
Blutracheist vor allem im ländlichen Bereich Pakistans noch immer ein verbreitetes Phänomen. Die meisten Fälle dürfte es in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa geben, Blutfehden kommen aber auch in den ländlichen Gebieten Sindhs und Punjabs vor. Auslöser für Blutfehden zwischen Familien sind Ehrverletzungen, die aus einem Mord eines Angehörigen, der Respektlosigkeit gegenüber einem weiblichen Familienmitglied, einer Beleidigung, Verletzung von Eigentumsrechten (Bewässerungskanäle, Land) etc. bestehen können. Das Konzept der Ehre (ghairat), das vor allem in der paschtunischen Bevölkerung Khyber Pakhtunkhwas besonders stark ausgeprägt ist, verlangt es, eine Ehrverletzung zu rächen. Blutfehden führen oft dazu, dass Familien über Generationen miteinander verfeindet sind und in ständiger Angst davor leben, dass eines ihrer Familienmitglieder aus Rache getötet wird (ÖB 12.2020). In den einstigen, seit 2018 in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliederten Stammesgebieten FATA, die bisher de facto nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen „Jirga“-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Während sich männliche Angeklagte mit Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden. 2017 wurde die Rechtsprechung in den Stammesgebieten jedoch dem
Peshawar High Court unterworfen. Der Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen in den ehemaligen Stammesgebieten und die Umsetzung des Reformprozesses stehen jedoch noch ganz am Anfang (AA 29.9.2020). Eine wesentliche Neuerung ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat). Bis zur Einführung des Gesetzes konnte die Familie der Ermordeten dem Täter vergeben, was zur automatischen Straffreiheit des Täters führte und damit einer strafrechtlichen Verfolgung entgegenstand. Der Implementierung der Anti Honour Killings Bill steht die große Bedeutung des informellen Justizwesens in vielen ländlichen und von Stammesstrukturen geprägten Teilen Pakistans entgegen (ÖB 12.2020). Das Gesetz über Ehrenmorde aus dem Jahr 2004 (Honour Killing Act), sowie das Gesetz zur Verhütung frauenfeindlicher Praktiken aus dem Jahr 2011 und das Strafrechtsänderungsgesetz (Straftaten im Namen oder unter dem Vorwand der Ehre) aus dem Jahr 2016 stellen „Ehrentötungen“ (Karo Mari) unter Strafe (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Unter „Ehrenmord“ wird der Mord an Männern oder Frauen verstanden, die beschuldigt werden, soziale Tabus gebrochen zu haben. Frauen und Mädchen, die beispielsweise angeblich Kontakt zu fremden Männern haben, eine unerlaubte Beziehung unterhalten, sich einer Zwangsheirat widersetzen oder vergewaltigt wurden, laufen Gefahr, von ihren Angehörigen getötet oder mittels ätzender Chemikalien schwer verletzt zu werden (BAMF 5.2020). Gemäß Angaben einer Quelle werden jedes Jahr etwa 1.000 Frauen bei sogenannten Ehrenmorden getötet (HRW 23.1.2021). Eine andere Quelle berichtet, dass trotz der bestehenden Gesetze 2020 Hunderte von Frauen Opfer sogenannter Ehrenmorde wurden. Viele Fälle werden zudem nicht gemeldet und bleiben ungestraft - nicht zuletzt, weil sich viele dieser Verbrechen innerhalb der Familie zutragen. In vielen Fällen gestatten die Behörden den an dem angeblichen „Ehrenverbrechen“ beteiligten Männern zu fliehen. Polizei und NGOs berichteten, dass
die zunehmende Berichterstattung in den Medien es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, gegen derartige Verbrechen vorzugehen (USDOS 30.3.2021). Blutfehden führen oft dazu, dass Familien über Generationen miteinander verfeindet sind und in ständiger Angst davor leben, dass eines ihrer Familienmitglieder aus Rache getötet wird. Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es üblich, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben. Die Zwangsverheiratung eines Mädchens kann dabei nicht nur als Sühne für einen erfolgten Mord, sondern auch für andere Ehrverletzungen, die von dessen Vater, Bruder oder Onkel begangen wurden, erfolgen. Der Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 stellt diese Praxis des badla-a-sulh (auch: wanni oder swara; Gabe eines Mädchens/einer Frau zur Beilegung
von Streitigkeiten) unter Strafe von bis zu sieben Jahren Haft. Auch Zwangsverheiratung ist darin mit bis zu sieben Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Trotz des Verbots ist die Praxis noch immer weit verbreitet. Es fehlen offizielle Statistiken, laut der NGO CAMP dürften aber 20% aller Fälle von Gewalt gegen Frauen auf swara/wanni zurückzuführen sein. Es gibt allerdings eine Reihe von NGOs, die sich um solche Frauen kümmern, sowie staatliche Einrichtungen wie Crisis Center for Women in Distress und Shaheed Benazir Bhutto Centers for Women, die jeweils einer kurzfristigen Erstbetreuung dienen, wie auch rund 200 Frauenhäuser (Dar-ul-Aman). Ferner können sich Opfer allenfalls direkt an die Human Rights Cell des Supreme Court wenden (ÖB 12.2020). Das Gesetz zur Bekämpfung der Ausbeutung und Diskriminierung von Frauen („Prevention of Anti-Women Practices Act“) vom 15.11.2011 zielt v.a. auf Zwangsehen, den Brauch der „Verheiratung mit dem Koran“ und den Ausschluss vom Erbrecht ab (AA 29.9.2020). Sogenannte „verbotene“ Eheschließungen (gegen den Willen der Eltern geschlossene Ehen bzw. Liebesehen; Anm.) sind gemäß pakistanischer Rechtsordnung gültig; auch Frauen können grundsätzlich ohne Einwilligung der Eltern heiraten. Arrangierte Ehen, die allerdings nicht mit Zwangsehen gleichzusetzen sind, sind besonders in ländlichen Gebieten sowie innerhalb der unteren Mittelschicht sowie der Arbeiter- und Bauernklasse nach wie vor üblich. Als Problem könnte sich bei diesen „verbotenen“ Ehen allerdings die Anwendung der Hudood Ordinances wegen Unzucht erweisen, wobei die Polizei hier häufig nicht auf den Schutz der Betroffenen,
sondern vielmehr auf deren Verfolgung bedacht ist. Es existieren in Pakistan keine Institutionen, die vom Staat dezidiert zum Schutz von Personen, die eine solche Art Ehe schlossen, eingerichtet wurden (ÖB 12.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020 ), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Ländereport 24
Pakistan, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum
/Laenderreporte/2020/laenderreport-24-pakistan.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff
10.5.2021
• HRW- Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 10.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 10.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
10.5.2021
Kinder
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan hat das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert. Allerdings mangelt es nach wie vor an einer adäquaten Umsetzung. Menschenrechtsorganisationen sind mit den Berichten der Regierung an das Committee on the Rights of the Child (CRC) nicht zufrieden und erstellen eigene Schattenberichte. Als Erfolge listet das CRC u.a. die folgenden Entwicklungen auf: verbesserte Geburtenregistrierung (aber immer noch nur rund 30%); Bemühungen gegen Prügelstrafen in Schulen; Verabschiedung des Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 zur härteren Bestrafung bestimmter Formen von Kinderzwangsheirat (Wanni, Swara, Budla-asulh); Einrichtung von nationalen und regionalen Kinderschutzzentren, Rehabilitationszentren für ehemalige Kinderarbeiter und Unterkünfte für Waisenkinder (Pakistan Sweet Homes) (ÖB 12.2020). Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist im häuslichen Bereich weit verbreitet, diesbezüglich gibt es keine Gesetzgebung. Außerdem werden solche Fälle nur sehr selten der Polizei gemeldet (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Junge Mädchen und Buben, die als Hausangestellte arbeiten, werden misshandelt und haben lange Arbeitszeiten bei ihren Arbeitgebern. Viele dieser Kinder sind Opfer von Menschenhandel (USDOS 30.3.2021). Die Kinderrechtsorganisation Sahil meldete von Jänner bis Juni 2020 durchschnittlich mehr als sechs Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch pro Tag in ganz Pakistan (HRW 23.1.2021). Die Strafen für Kinderehen wurden 2017 deutlich auf fünf bis zehn Jahre Haft verschärft. Bundesgesetze legen das Heiratsalter auf 18 Jahre für Männer und 16 für Frauen fest. Gemäß Provinzgesetz liegt im Sindh das Heiratsalter für beide Geschlechter bei 18 Jahren. Trotz Verbots kommen Kinderehen vor. Es werden viele Fälle angezeigt, aber die Strafverfolgung bleibt eingeschränkt. Gemäß einer repräsentativen landesweiten Erhebung waren fast ein Viertel aller Frauen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet (USDOS 30.3.2021).
Die Verfassung sieht vor, dass für alle Kinder zwischen dem 5. und 16. Lebensjahr eine Schulpflicht samt kostenlosem Schulbesuch besteht. Dennoch stellen die staatlichen Schuleinrichtungen den Eltern oft Kosten für Bücher, Schuluniformen und andere Materialien in Rechnung. Für ehemals binnenvertriebene Kinder ist es schwierig, nach der Rückkehr in die ehemaligen Konfliktzonen Bildungseinrichtungen zu besuchen. Mehr als 1.800 Schulen in den ehemaligen FATA bleiben (Stand 2018) wegen Beschädigungen oder Sicherheitsbedenken geschlossen. Für die Regierung hat der Wiederaufbau der Schulen Priorität und die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, hat sich verringert (USDOS 30.3.2021).
Aufständische Gruppierungen entführen Buben und Mädchen oder bezahlen Eltern Geld, um diese Kinder ab einem Alter von zwölf Jahren als Späher, Kämpfer oder als Selbstmordattentäter einzusetzen. Oftmals werden die Kinder sexuell und körperlich missbraucht und unter psychischen Druck gesetzt, um sie zu überzeugen, dass die Handlungen, die sie begehen, gerechtfertigt sind. Die Regierung betreibt in Swat eine Einrichtung zur Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten, die dort auch Bildung erhalten (USDOS 30.3.2021). Schon vor der Covid-19-Pandemie gingen in Pakistan über 5 Millionen Kinder im Grundschulalter nicht zur Schule, die meisten von ihnen Mädchen. Gründe dafür sind bei Mädchen der Mangel an Schulen, Kosten, Kinderheirat, schädliche Kinderarbeit und geschlechtsspezifische Diskriminierung. Schulschließungen zum Schutz vor der Ausbreitung von Covid-19 betrafen fast 45 Millionen Schüler; schlechte Internetverbindungen innerhalb des Landes behinderten den Onlineunterricht (HRW 23.1.2021). Es gibt mehrere Hilfs- und Kinderrechtsorganisationen, die in den meisten größeren Städten Pakistans tätig sind. Allerdings gibt es nach wie vor kein Pflegeelternmodell. Private Waisen- und Schutzhäuser entsprechen oft nicht den erforderlichen Qualitätsstandards (ÖB 12.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 10.5.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 3.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
12.5.2021
Sexuelle Minderheiten und Geschlechteridentität
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das pakistanische Strafgesetzbuch kriminalisiert weiterhin gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und setzt Männer, die Sex mit Männern haben und Transgender-Personen dem Risiko polizeilicher Übergriffe und anderer Gewalt und Diskriminierung aus (HRW 23.1.2021). Homosexualität ist gem. § 377 PPC („gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr“) verboten; für eine Verurteilung ist der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Haft, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Allerdings sind keine Strafverfahren gegen männliche oder weibliche Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, bekannt. Diese können aber leicht Opfer von Erpressungen seitens der Polizeibehörden werden, sofern ihre Beziehungen bekannt werden. Homosexualität ist in Pakistan gesellschaftlich nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert (AA 29.9.2020). Das pakistanische Gesetz schreibt also strafrechtliche Sanktionen für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen vor. Doch obwohl es sich um eine Straftat handelt, wird Homosexualität im Land nur selten strafrechtlich verfolgt (GIZ 9.2020). Im Jahr 2018 verabschiedete das Parlament das Transgender Persons (Protection of Rights) Act, das einen umfassenden Schutz für Transgender-Personen vorsieht. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Pakistans in einem historischen Urteil von 2009 zugunsten von Bürgerrechten für Transgender-Bürger entschieden, und weitere Gerichtsurteile bestätigten und erhöhten diese Rechte. Allerdings hat Pakistan keine Bürgerrechtsgesetze, die Diskriminierung oder Belästigung aufgrund der sexuellen Orientierung verbieten. Weder gleichgeschlechtliche Ehen noch
bürgerliche Vereinigungen genießen rechtliche Anerkennung und werden kaum jemals im politischen
Diskurs erwähnt (GIZ 9.2020). Diskriminierung und Missbilligung der LGBT-Gruppen und das damit verbundene soziale Stigma sind meist auf religiöse und patriarchalische Überzeugungen zurückzuführen. Dennoch sind Angehörige sexueller Minderheiten in der Lage, sich zu organisieren, zu verabreden und sogar als Paar zusammenzuleben - aber meist nur insgeheim (GIZ 9.2020). Gewalt und Diskriminierung
gegen Angehörige sexueller Minderheiten halten an. Die Verbrechen werden oft nicht gemeldet, und die Polizei unternimmt im Allgemeinen wenig, wenn sie Meldungen erhält. Die Gesellschaft grenzt Transgender, Eunuchen und Intersexuelle generell aus. Die Behörden verweigern Transgender-Personen oft ihren Anteil am Erbe sowie den Zugang zu Schulen und Krankenhäusern. Außerdem haben sie Schwierigkeiten dabei, Unterkünfte anzumieten. Es gibt zwar Gemeinschaften von bekennenden Transgender-Frauen, diese werden aber marginalisiert und häufig Ziel von Gewalt und Belästigung (USDOS 30.3.2021). Nach Angaben lokaler Menschenrechtsgruppen wurden seit 2015 in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa mindestens 65 Transgender-Frauen getötet (HRW 23.1.2021). Im Jahr 2018 verabschiedet das Parlament das Transgender Persons (Protection of Rights)-Gesetz. Das Gesetz gewährt Transgender-Personen das Recht, entsprechend ihrer selbst wahrgenommenen geschlechtlichen Identität anerkannt zu werden. Es sieht Grundrechte vor und verbietet Belästigung und Diskriminierung von Transgender-Personen in den Bereichen Beschäftigung, Wohnung, Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen Diensten. Es gibt jedoch kein solches Gesetz, das die Rechte von lesbischen, schwulen oder bisexuellen Personen schützt. Im Mai 2020 startete die Polizei in Rawalpindi ein Pilotprojekt zum Schutz von Transgender-Personen. Das Projekt mit dem Namen Tahafuz Center wurde am 12. Mai eröffnet und umfasst den ersten Transgender-Opferschutzbeauftragten, der ebenfalls ein Mitglied der Transgender-Gemeinschaft ist (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.5.2021
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal
- Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ ,
Zugriff 4.3.2021
• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 4.3.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
14.5.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (USDOS 30.3.2021). Es gibt einige gesetzliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, den Arbeitsplatz oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. Die Behörden behindern in einigen Teilen des Landes aus Sicherheitsbedenken routinemäßig Reisen bzw. interne Bewegungen. Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt. Sie soll sowohl jene umfassen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellen, als auch jene, gegen die ein Gerichtsverfahren läuft. Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 3.3.2021). Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 30.3.2021). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).
Quellen:
• FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi
.net/de/dokument/2052851.html; Zugriff 9.6.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 10.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
10.5.2021
Meldewesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad haben ein System für die Registrierung der Bewohner. In den Provinzen Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und den ehemaligen FATA konnten laut IRBC keine Infos über solche Registrierungssyteme gefunden werden. In allen vier Provinzen besteht jedoch eine Meldepflicht. Die Gesetze werden allerdings nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Bezirksleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Bezirken verantwortlich (IRB 23.1.2018). Bei gemieteten Räumlichkeiten ist es die Pflicht des Mieters oder Vermieters oder auch des Immobilienhändlers, der Polizei zusammen mit dem Mietvertrag vollständige Angaben über den
Mieter zu machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRB 23.1.2018).
Quellen:
• PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.o
rg/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021
• IRB - Immigration and Refugee Board [Kanada] (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration
systems, including implementation; whether authorities share information on tenant regis-
63
tration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html , Zugriff
10.5.2021
IDPs und Flüchtlinge
IDPs
Letzte Änderung: 24.06.2021
In seinem „2020 Global Report on Internal Displacement“ gab das International Displacement Monitoring Centre (IDMC) an, dass sich die Gesamtzahl der konflikt- und gewaltbedingten Binnenvertriebenen in Pakistan zum 31. Dezember 2019 auf 106.000 beläuft. Daneben kommt es immer wieder zu innergemeinschaftlichen Konflikten, die ebenfalls Ursache von Vertreibungen sein können. Bis zum 9. Juli 2020 galten noch 16.780 Familien als vertrieben. Die meisten davon sind aus dem Stammesgebiet Nord-Waziristan gefolgt vom Stammesgebiet Khyber (EASO 10.2020). Seit 2008 kam es aufgrund von militanten Aktivitäten und Militäroperationen in Khyber Pakhtunkhwa und den ehemaligen FATA zu großen Bevölkerungsverschiebungen. Die Rückkehr wurde unter verbesserten Sicherheitsbedingungen fortgesetzt. Die Regierung und UN-Organisationen wie der UNHCR, UNICEF und das Welternährungsprogramm arbeiten zusammen, um den vom Konflikt Betroffenen zu helfen und jene zu schützen, die im Allgemeinen bei Gastfamilien, in gemieteten Unterkünften oder - in geringerem Umfang - in Lagern leben (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 12.2020). Rund ein Drittel der registrierten IDPs hatte Schätzungen von UNOCHA zufolge Anfang 2016 keinen Zugang zu Trinkwasser, zwei Dritteln fehlte es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betrafen die oft unzureichende Unterbringung, die mangelnden Bildungs- (69 % der minderjährigen IDPs gehen nicht zur Schule) und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die ungenügende Infrastruktur (Stromversorgung, sanitäre Einrichtungen, etc.). Aktuelle Zahlen dazu liegen nicht vor, aufgrund der großen Zahl an Rückkehrern kann aber von einer Verbesserung der humanitären Lage ausgegangen werden (ÖB 12.2020). Es gibt keine Berichte über unfreiwillige Rückkehrer. Berichten zufolge wollen viele Binnenvertriebene in ihre Heimat zurückkehren, trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur, Unterkünften und verfügbaren Dienstleistungen sowie der strengen Kontrolle, die die Sicherheitskräfte durch umfangreiche Kontrollpunkte über die Bewegungen der Rückkehrer ausüben. Andere IDP-Familien zögern ihre Rückkehr hinaus oder entscheiden sich dafür, dass einige Familienmitglieder in den besiedelten Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa bleiben, wo ein regulärer Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und anderen sozialen Diensten möglich ist. Für Binnenvertriebene, die nicht zurückkehren wollen oder können, koordiniert die Regierung die Unterstützung mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen (USDOS 30.3.2021). Die geordnete Rückführung der IDPs in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 7.5.2021
• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s
ituation.pdf , Zugriff 7.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 7.5.2021
• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
7.5.2021
Afghanische Flüchtlinge
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan beherbergt drei Kategorien von Afghanen: (1) registrierte Bevölkerung (Inhaber einer gültigen POR (Proof of Registration)-Karte) - 1,435.445 Millionen; (2) neu dokumentierte Inhaber afghanischer Staatsbürgerkarten - 0,75 Millionen sowie (3) Afghanen ohne Papiere (übrig) - 0,75 Millionen (Schätzung) (VB 6.5.2021; vgl. UNHCR last updated 31.12.2020). Nach anderen Angaben besitzen 800.000 afghanische Staatsangehörige eine Afghan Citizen Card (ACC), die ihnen einen legalen Aufenthaltstitel bietet (AA 29.9.2020). Der größte Teil der Flüchtlinge lebt in den zwei am schwächsten entwickelten Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (58%) und Belutschistan (23%). Knapp 70% leben außerhalb der Flüchtlingslager und setzen die bereits belasteten lokalen Systeme öffentlicher Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit) und den Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck (UNHCR 6.7.2020). Anläßlich der Covid-19-Krise kam es zu einer relativ umfassenden und ebenso ungeregelten Rückreisewelle von Pakistan nach Afghanistan, weshalb die genauen Zahlen derzeit schwer zu eruieren sind (ÖB 12.2020). Am 15. April 2021 wurde der Beginn der Umsetzung des DRIVE-Programmes (Documentation Renewal and Information Verification Exercise) eingeläutet. Hierbei handelt es sich um ein Programm der pakistanischen Regierung, das gemeinsam mit UNHCR in den nächsten (zumindest) sechs Monaten umgesetzt werden soll. Ziel dabei ist es, dass afghanische Flüchtlinge in Pakistan, die bisher Inhaber einer Proof of Registration (POR)-Karte mit Ablaufdatum 31. Dezember
2015 waren, eine neue Registrierungskarte ausgestellt bekommen. Registrierte Flüchtlinge erhalten
sogenannte neue „Smartcards“, die die Fähigkeit haben, auch biometrische Daten zu speichern. Diese Karten, die zwei Jahre gültig sind, sind auch technologisch kompatibel mit Systemen, die in Pakistan zur Verifizierung von Identitäten von Staatsangehörigen für den Zugang zu Dienstleistungen verwendet werden. Bei der Neuausstellung werden zudem Fertigkeiten, das Bildungsniveau sowie die sozioökonomischen Umstände afghanischer Flüchtlinge erfasst, um dieser Personengruppe – laut Behördenangaben – eine gezieltere Unterstützung in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Lebensunterhalt zukommen zu lassen. Ziel des DRIVE-Programms ist es, dass in einer landesweiten Überprüfung 1,4 Millionen afghanischen Flüchtlingen in Pakistan derartige neue Smartcards ausgestellt werden (VB 6.5.2021; vgl. UNHCR 15.4.2021). Aufgrund der COVID-19-Situation wurde für etwa drei Millionen afghanische Flüchtlinge eine Verlängerung des Aufenthalts für ein Jahr (bis zum 30. Juni 2021) beschlossen. Dabei sind auch die ungefähr 1,4 Millionen afghanischen Flüchtlinge mit der POR-Karte erfasst (VB 6.5.2021). Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um mindestens 1,4 Millionen Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern und anderen betroffenen Personen Schutz und Hilfe zu bieten. In Ermangelung eines nationalen Rechtsrahmens für Flüchtlinge führt der UNHCR im Rahmen seines Mandats die Bestimmung des Flüchtlingsstatus durch. Es gibt kein formales Dokument, das es Flüchtlingen erlaubt, legal zu arbeiten, aber es gibt kein Gesetz, das es Flüchtlingen verbietet, im Land
zu arbeiten. Viele Flüchtlinge arbeiten als Tagelöhner oder auf informellen Märkten, und die lokalen Arbeitgeber beuten die Flüchtlinge auf dem informellen Arbeitsmarkt oft mit niedrigen oder unbezahlten Löhnen aus. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet und nehmen unterbezahlte und unerwünschte Arbeit an. Ein Drittel der registrierten afghanischen Flüchtlinge lebt in einem der 54 Flüchtlingsdörfer, die restlichen zwei Drittel leben in den Aufnahmegemeinden in ländlichen und städtischen Gebieten. Es gibt keine Berichte über Flüchtlinge, denen der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen aufgrund ihrer Nationalität verweigert wurde. Im Jahr 2019 erlaubte die Regierung afghanischen Flüchtlingen, mit ihren POR-Karten Bankkonten zu eröffnen (USDOS 30.3.2021). Die Lage registrierter Flüchtlinge ist aufgrund ihres legalen Aufenthaltsstatus in der Regel geprägt von höherer Rechtssicherheit und einem verbesserten Zugang zu Unterstützungsangeboten des UNHCR sowie zu bestimmten Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit). Fälle zwangsweiser Rückführungen von PoR-Karteninhabern nach Afghanistan sind nicht bekannt, bei ACC Karteninhabern
und nicht-dokumentierten afghanischen Staatsangehörigen finden diese jedoch statt (AA 29.9.2020).
IOM Pakistan sammelt Daten über die Abwanderung undokumentierter afghanischer Migranten an den Grenzübergängen Torkham und Chaman. Während des Berichtszeitraums (11.-24. April 2021) wurden 13% der Rückkehrer als schutzbedürftige Personen eingestuft, hauptsächlich ältere Menschen und chronisch Kranke. In Pakistan waren die von den Rückkehrern angegebenen Hauptbeschäftigungen: ungelernte Arbeitskräfte (65%), Facharbeiter (29%), Geschäftsleute (3%) und Studenten (3%). Die durchschnittlichen Kosten für die Reise von Pakistan nach Afghanistan beliefen sich auf 11.330 PKR (61,14 EURO) pro Familie. Die drei größten Herausforderungen, die die Rückkehrer in Afghanistan erwarteten, waren: sich um den Lebensunterhalt kümmern (26%), sich in einer neuen Stadt einleben (26%) und Einkommensmöglichkeiten finden (26%) (IOM 30.4.2021). (reliefweb: BI-WEEKLY FLOW MONITORING REPORT)
Quellen:
• – AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Beric
ht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamisch
en_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff
6.5.2021
– ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht
Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_202
0_12.pdf , Zugriff 26.4.2021
– IOM - International Organization for Migration (30.4.2021): Flow Monitoring - Spontaneous
Returns of Undocumented Afghans from Pakistan (11 - 24 April 2021),
https://reliefweb.int/report/pakistan/flow-monitoring-spontaneous-returns-undo
cumented-afghans-pakistan-11-24-april-2021 , Zugriff 7.5.2021
– UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.4.2021): Pakistan
launches ‘drive’ to issue smartcards to registered Afghan refugees, https://www.un
hcr.org/news/press/2021/4/6077e1044/pakistan-launches-drive-issue-smartcards-r
egistered-afghan-refugees.html , Zugriff 6.5.2021
– UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (last updated 31.12.2020):
Operational Portal Refugee Situation Pakistan, https://data2.unhcr.org/en/country/p
ak , Zugriff 6.5.2021
– UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (6.7.2020): The Support
Platform for the Solutions Strategy for Afghan Refugees: a Partnership for Solidarity
and Resilience, https://reliefweb.int/report/afghanistan../support-platform-solutionsstrategy -
afghan-refugees-partnership-solidarity-and , Zugriff 7.5.2021
– USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human
Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff
7.5.2021
– VB des BMI in Islamabad/Bangkok [Österreich] (6.5.2021): Anfrage der BFA Staatendokumentation:
Afghanische Flüchtlinge in Pakistan, Auskunft per Email
Grundversorgung
Letzte Änderung: 24.06.2021
In Pakistan gibt es über 63 Millionen Arbeitskräfte mit einer Arbeitslosenquote von fast 6%. Die Mehrheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist im Dienstleistungssektor (38%) und in der Landwirtschaft
(37%) beschäftigt. 60% der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert. Insgesamt arbeiten fast 72% der Erwerbstätigen im informellen Sektor. Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde durch Nachfrage- und Angebotsschocks als Folge der COVID-19-Krise hart getroffen. Das Center for Labor Research (CLR) schätzt die strukturelle Arbeitslosigkeit in Pakistan auf drei bis fünf Millionen, die temporäre Arbeitslosigkeit als Folge der Pandemie auf 10,5 Millionen (IOM 30.3.2021). Pakistan gehört zu den Entwicklungsländern, in denen die Urbanisierung schnell voranschreitet. In wirtschaftlicher Hinsicht führen das rasche Bevölkerungswachstum und Covid-19 zu steigendem Druck auf Ressourcen, Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommensverteilung, Armut und sozialen Schutz (IOM 30.3.2021). Derzeit machen der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel, der industrielle Sektor etwa ein Viertel, Handel und Dienstleistung ca. 50% des BIP aus. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40% der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60% der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020). Nach Angaben des Pakistan Bureau of Statistics stieg der Verbraucherpreisindex zwischen Mai 2019 und Mai 2020 um 8,2%. Die Lebensmittelinflation ist um 10,94% für städtische Verbraucher und 13,73% für ländliche Verbraucher seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie angestiegen. Insgesamt ist die Ernährungsunsicherheit sehr hoch - 20 bis 30% der Bevölkerung (40 bis 62 Millionen Menschen) sind in irgendeiner Form von Ernährungsunsicherheit betroffen. Schätzungsweise 36,43 Millionen Menschen sind dauerhaft und chronisch von Ernährungsunsicherheit bedroht. Weitere 2,45 Millionen Menschen könnten infolge widriger Umstände in Ernährungsunsicherheit geraten (IOM 30.3.2021). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (LIPortal 9.2020). Die pakistanische Regierung bietet Projekte zur Unterstützung von Arbeitslosen an, z. B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Es gibt auch eine Arbeitslosenunterstützung für Absolventen & MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen. Eine weitere Möglichkeit wird durch ein Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) geboten, um ein Unternehmen zu gründen, mittels Projekten, die jährlich von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken
angekündigt werden. Weiters gibt es für die Unterstützung von Arbeitslosen zwei bestehende Mechanismen: Das Tameer-e-Pakistan-Programm wird als Maßnahme zur Armutsbekämpfung initiiert, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; das Programm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021; vgl. IOM 2019). Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92% des Bruttoinlandsprodukts (LIPortal 9.2020). Im aktuellen Human Development Index 2020 von UNDP, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, liegt Pakistan auf Rang 154 (Rang 152 im Jahr 2019) (UNDP 15.12.2020).
Quellen:
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- Pakistan -Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan
/wirtschaft-entwicklung/#c39827 , Zugriff 7.5.2021
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socioeconomic
situation in Pakistan, Email 30.3.2021
• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan
2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf , Zugriff
7.5.2021
• UNDP - United Nations Development Programme (15.12.2020): Human Development
Report 2020, http://hdr.undp.org/en/2020-report , Zugriff 31.3.2021
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die pakistanische Verfassung garantiert „soziale Gerechtigkeit“ für alle ohne Diskriminierung. Das DWCP (decent work country programme) (2016-22) soll die Herausforderung angehen, die bestehenden Sozialschutzsysteme zu erweitern und nachhaltiger zu gestalten. Die bestehenden Sozialschutzsysteme schließen die Beschäftigten in der informellen Wirtschaft aus indem sie nur die Bedürfnisse der Beschäftigten in der formellen Wirtschaft abdecken. Die am stärksten benachteiligten Gruppen - wie arme Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Wanderarbeiter - bleiben oft in einem andauernden Kreislauf von Armut und Verwundbarkeit gefangen (ILO o.D.). Auch wenn Pakistan bei der Armutsbekämpfung wichtige Fortschritte gemacht hat, gibt es weiterhin erhebliche Unterschiede in den Armutsraten zwischen ländlichen (30,7%) und städtischen Gebieten (12,5%), wobei die Armut in den städtischen Gebieten schneller zurückgegangen ist. Traditionelle Geldtransferprogramme hatten einen beträchtlichen Anteil an den Sozialschutzausgaben für Arbeitnehmer des formellen Sektors, und es gab eine erhebliche Verlagerung von Sicherheitsnetzen zu den Nicht-Armen (TWB 15.12.2020).
Auf Bundesebene wurde mit dem Benazir Income Support Programme Act (2010) BISP eine autonome Struktur etabliert, deren Umsetzungskompetenz sich auf das gesamte Land erstreckt. Das Planning & Development Department (P&DDs) jeder Provinz ist die Verwaltungsabteilung, die für die Koordination des Sozialschutzes in der Provinz verantwortlich ist. In allen vier Provinzen gibt es Sozialabteilungen, die für viele Initiativen im Zusammenhang mit der Pflege, der sozialen Fürsorge und der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Sozialschutzprogramme in Pakistan umfassen z.B. das Government Servants’ Pension-cum-Gratuity Scheme für Beamte, die Employees’ Old Age Benefits Institution (EOBI) mit Programmen wie dem Old Age Pension, Invalidity Pension, Survivors’ Pension and Old Age Grants. Weiters sind Einrichtungen wie der Workers’ Welfare Fund, Zakat and Ushr, welches Sozialhilfe für die Armen und Ausgegrenzten bietet, Bait-ul-Maal, welches finanzielle Unterstützung und Sachleistungen für die „bedürftigen Armen“, insbesondere für Minderheiten, die von Zakat nicht bedient wurden, bietet, und das BISP zu nennen (ILO 2019). Das BISP - Pakistans größte einzelne Sicherheitsnetz- und bedingungslose Geldtransferinitiative - konzentriert sich auf die Unterstützung und Stärkung armer Frauen (ILO 2019). Es zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch gestärkt werden (ILO 2017; vgl. TWB 15.12.2020). Die wohl bedeutendste Sicherheitsnetz-Initiative ist das bedingungslose Geldtransferprogramm der Bundesregierung im Rahmen des BISP. Dieses sieht einen Zuschuss von 1.600 PKR/Pakistanische Rupie (ca. 9 Euro) pro Monat für Haushalte vor, die im nationalen Register einen Wert von unter 16 PMT(Proxy Means Test-PMT; Berechnung zur Armutsschwelle) aufweisen (ILO 2019). Weitere verfügbare Leistungen sind Wohnkolonien für Arbeiter in Industriegebieten, die vom Workers’ Welfare Fund bereitgestellt werden. Konsumgüter werden im ganzen Land in speziellen Verkaufsstellen der Utility Stores Corporation und in den vom Workers’ Welfare Fund betriebenen Fair-Price-Shops in Industriegebieten zu ermäßigten Preisen angeboten (ILO 2019). Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (SSA o.D.). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019). Wie für Personen im erwerbsfähigen Alter gibt es auch für ältere Menschen in Pakistan keine universellen Systeme. Alle Staatsbediensteten erhalten bei Eintritt in den Ruhestand eine Rente, ebenso wie die Mitarbeiter von Unternehmen, die bei der Employees’ Old Age Benefits Institution (ESSI) registriert sind. Die ESSI der Provinzen bieten auch eine Renteneinrichtung für die Familien von Arbeitnehmern, die bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen. Die Sozialversicherungseinrichtungen der Provinzen für Arbeitnehmer bieten eine Reihe von Dienstleistungen für gering bezahlte Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen an. Finanziert durch eine Abgabe - d.h. eine zusätzliche Abgabe von 6-7% der Lohnsumme, die vom Arbeitgeber gezahlt wird - auf die Lohnsumme, die bei der Regierung hinterlegt wird, bieten die ESSIs Mutterschafts- und Krankheitsleistungen, Leistungen bei Invalidität und Verletzungen sowie Leistungen für Witwen/Witwer. Die Sozialämter in allen Provinzen verwalten eine Reihe von Diensten für bedürftige Erwachsene, darunter Zentren für Frauen, die Missbrauch und/oder häusliche Gewalt überlebt haben,
Heime für ältere Menschen und Heime für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Die Hochschulbildung wird von der Higher Education Commission (HEC) unterstützt, die eine Reihe von Stipendienprogrammen für Studenten aus entlegenen Gebieten und solche, die einen Bedarf an Unterstützung nachweisen können, finanziert. Mehrere Bait-ul-Maal-Programme sind ebenfalls relevant, wie z.B. finanzielle Unterstützung, Heiratszuschüsse und Bildungsstipendien – ebenso wie Bildungsstipendien, die von Zakat-Abteilungen angeboten werden (ILO 2019). Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft anhand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2019). Die Ausgaben für Pensionen sind im öffentlichen Sektor Pakistans recht hoch. Der pakistanische Entwurf des Nationalen Rahmenwerks für Sozialschutz nennt einen Wert von 3,9% des BIP für die Ausgaben für den Sozialschutz auf nationaler Ebene. Nach einer konservativen Schätzung belaufen sich die Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz in einem repräsentativen Jahr auf etwa 405,6 Mrd. PKR (ca. 2 Milliarden Euro). Insgesamt werden die
Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz durch das BISP dominiert. Zwei Komponenten des Programms (Bedingungslose Geldtransfers und Waseela-e-Taleem) machen fast 98% der Gesamtausgaben im Rahmen der föderalen Sozialhilfeprogramme aus (ILO 2019). Die Edhi Foundation ist - nach eigenen Angaben - die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edhi o.D.). Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Bezirken der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D). Tab.: Leistungsempfänger und Ausgaben für Sozialschutz auf Bundesebene (Anm.: Auf Provinzebene gibt es zusätzliche Programme) (ILO 2019)
Quellen:
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• ILO - International Labour Organization (o.D.): Social security in Pakistan, https://www.ilo.
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• ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in
Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamaba
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• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan
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• SSA - Social Security Administration [USA] (o.D.): Social Security Programs Throughout
the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2
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• WB - World Bank (15.12.2020): Responsive Social Protection Program and Systems to
Serve Pakistan’s Poorest People, https://www.worldbank.org/en/results/2020/12/09/re
sponsive-social-protection-program-and-systems-to-serve-pakistans-poorest-people ,
Zugriff 7.5.2021
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 24.06.2021
Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle in der Gesundheitsversorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen gekennzeichnet, mit einem Mangel an medizinischen Fachkräften, Krankenschwestern, Sanitätern
und qualifiziertem Gesundheitspersonal, insbesondere in den Randgebieten (TSOP 2020). Generell wurde einmehrstufiges System öffentlicher Gesundheitseinrichtungen eingerichtet. Dieses soll eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu minimalen Kosten auf ambulanter Basis bieten. Die Gesundheitsversorgung liegt in erster Linie in der Verantwortung der Provinzregierungen. Generell sollen die Leistungen in den Notfallzentren der Krankenhäuser kostenlos sein. Die Bundesregierung betreibt außerdem ein kostenloses Impfprogramm im ganzen Land und stellt ein Netzwerk von Lady Health Workers (LHWs) zur Verfügung. Diese Fachkräfte für die medizinische Grundversorgung arbeiten auf Gemeindeebene und bieten Beratung und grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen medizinische Grundversorgung, Familienplanung und Krankheitsprävention an. Während die offizielle Politik zur Gesundheitsversorgung in Pakistan bekräftigt, dass alle diese Leistungen verfügbar sein müssen, sind die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in der Praxis eher schlecht ausgestattet. Die Personalausstattung – insbesondere die Anwesenheit von Ärzten - ist in vielen Einrichtungen unsicher. Eine dringende Herausforderung ist der schlechte Zustand von Ausrüstung und Test- bzw. Analysemöglichkeiten (ILO 2019). Insgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, zu denen öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen gehören - wobei in den privaten, anders als in den öffentlichen, entsprechende Kosten für die Behandlung anfallen. Die von der Regierung neu ins Leben gerufene „Sehat Insaaf Card“-Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus dem unteren sozioökonomischen Sektor die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die „Sehat Insaaf Card“ ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag) und ist ein Jahr gültig. Die Karte deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021). Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73% der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57% in den Städten und 83% am Land (ILO 2017). Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019).
Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017). Als Reaktion auf die schlechte Qualität der Dienstleistungen in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen hat die Regierung Systeme der Sozialversicherung eingeführt, um die Bereitstellung der grundlegenden Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Das jüngste Beispiel ist das Prime Minister’s National Health Programme (PM-NHP), das 2018 in 23 Bezirken in Betrieb genommen wurde und auf 40 Bezirke ausgeweitet werden soll. Das Programm, das zwei Arten von Versicherungsschutz bietet, wird von der pakistanischen Provinzregierung und der Bundesregierung gemeinsam finanziert. Bis heute hat das Programm 1,5 Millionen Familien eingeschrieben. Das PM-NHP deckt Familien ab, die unter eine bestimmte Armutsgrenze im Haushaltsregister fallen. Letzteres wird von der wichtigsten Sozialschutzinitiative der Regierung, dem Benazir Income Support Programme, geführt. Die Programme zur Armutsbekämpfung - wie die Zakat-Initiative und Pakistan Bait-ul-Maal - bieten auch Unterstützung für die grundlegende Gesundheitsversorgung. Sie tun dies in Form von Mitteln, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden; die Krankenhäuser entscheiden dann ihrerseits, welche Patienten für die Versorgung in Frage kommen (ILO 2019). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 29.9.2020). In Punjab wurde im Februar 2019 mit der Verteilung von Krankenversicherungskarten in 36 Bezirken der Provinz begonnen. Die Krankenversicherung umfasst die Behandlung von acht Krankheiten (z.B. Kardiologie, Neurologie usw.) bis zu einem Grenzwert von 720.000 PKR (ca. 3.800 Euro). Die Krankenversicherung gilt sowohl für die öffentlichen als auch privaten Krankenhäuser (HRCP 4.2020). Es gibt staatliche Sozialleistungen für Angestellte in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern und bis zu einem Gehalt von 18.000 PKR (ca. 96 Euro) pro Monat (22.000 PKR/ca. 116 Euro in Punjab) sowie für von ihnen abhängige Personen. Ausgenommen von den Sozialleistungen sind Mitarbeiter in Familienbetrieben und Selbständige. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Eisenbahn sowie Mitglieder der Armee, der Polizei und der örtlichen Verwaltung gibt es eigene Systeme. Begünstigte erhalten allgemeinmedizinische Leistungen, Medikamente, Krankenhausbehandlungen und Krankentransporte. Während der Krankheit werden 75% des Gehalts weiterbezahlt (100% bei Tuberkulose und Krebs; in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa generell 50% Gehaltsfortzahlung). Die Begünstigung setzt sich bei Beendigung des Dienstverhältnisses für sechs Monate oder für die Dauer der Krankheit (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) fort (SSA 3.2019). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Baitul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.). Die nichtstaatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network betreibt landesweit 450 Kliniken, fünf Krankenhäuser sowie ein Universitätskrankenhaus in Karatschi und fördert zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, um den Zugang zur Grundversorgung zu verbessern (AKDN o.D.). In Pakistan sind etwa 400 qualifizierte Psychiater tätig. Die meisten Psychiater gibt es in Städten, obwohl im ganzen Land auch Stellen für Bezirkspsychiater geschaffen wurden. Der Mental Health Atlas 2017 der WHO berichtet, dass es nur vier große psychiatrische Krankenhäuser im Land gibt, mit 344 stationären Einrichtungen und 654 psychiatrischen Einheiten in allgemeinen Krankenhäusern (TSOP 2020). Der Mangel an Psychiatern in peripheren Regionen sowie die Kosten der Behandlung sind für durchschnittliche Menschen unleistbar (Dawn 13.5.2019; vgl. Dawn 15.7.2019). Die Telefonseelsorge Talk2Me ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar und führt 75-90 psychologische Beratungen pro Woche durch (Dawn 13.5.2019). Die Menschen sind aber eher zurückhaltend, wenn es darum geht, zu offenbaren, dass sie eine psychische Krankheit haben. Denn psychische Gesundheitsprobleme sind ein Tabuthema, über das man nicht spricht. Dies wirkt sich ungünstig auf die Qualität der Versorgung von Menschen aus, die an psychischen Krankheiten leiden. Scham aufgrund von psychischen Problemen sowie Vorurteile gegenüber Patienten und Familien halten Menschen davon ab, psychologische Hilfe und psychiatrische Versorgung in Anspruch zu nehmen (TSOP 2020). Zudem genießt die psychische Gesundheit keine hohe Priorität. Außerdem ist durchaus üblich, sich bei körperlichen oder psychischen
Erkrankungen an spirituelle oder traditionelle Heiler zu wenden, da die Menschen psychische Erkrankungen in der Regel als Folge übernatürlicher Einflüsse wahrnehmen. So genannte Glaubensheiler sind eine wichtige Quelle für die Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen in Pakistan, insbesondere für Frauen und Menschen mit geringer Bildung (TSOP 2020). Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (AA 29.9.2020). Tab.: Key initiatives for essential health care (ILO 2019)
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante
Lage in derIslamischen Republik Pakistan (Stand Juni 2020), https://www.ecoi
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l-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stan
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• AKDN - Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan – Health, https://www.akdn.org
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• Dawn (15.7.2019): Pakistan’s silent suicide problem, https://www.dawn.com/news/1494
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Dawn (13.5.2019): Why are more Pakistanis taking their own lives?, https://www.dawn.c
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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
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http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-201
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• IJARP - International Journal of Advanced Research and Publications (10.2017): Healthcare
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Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamaba
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• ILO - International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017–19 -
Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.il
o.org/wcmsp5/groups/public/---dgreportsasia/---dcommro-bangkok/---publilo-islamabad/
documents/publication/wcms_604882737630.pdf , Zugriff 15. 10.2020
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socioeconomic
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System of Pakistan: Lessons Learnt and Way Forward, https://pdfs.semanticscholar.org/1
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• SSA - Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout
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• TSOP - Taiwanese Journal of Psychiatry (2020): Mental Health Care in Pakistan, https:
//e-tjp.org/article.asp?issn=1028-3684;year=2020;volume=34;issue=1;spage=6;epage=
14;aulast=Javed;type=3 , Zugriff 10.6.2021
Poliomyelitis
Letzte Änderung: 07.06.2021
Diese Krankheit kommt nur noch in zwei Ländern vor - Afghanistan und Pakistan - wobei letzteres mit einem Anstieg der Fälle in den letzten Monaten zu kämpfen hat. Pakistan hat seit Anfang des Jahres 2020 68 Polio-Fälle registriert. Jegliche Hoffnung, die Zahlen bis 2020 zu senken, wurde mit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise im März zunichte gemacht. Experten befürchten, dass es in Pakistan in den kommenden Monaten zu mehr Poliofällen kommen könnte, da die Regierung zwischen April und Juli 2020 landesweite Polio-Kampagnen ausgesetzt hat, um sich auf die Bemühungen zur Eindämmung von COVID-19 zu konzentrieren. Die landesweiten Kampagnen zur Ausrottung der Kinderlähmung wurden im August 2020 wieder aufgenommen (DW 15.9.2020). Im Jahr 2019 kam es landesweit zu sieben terroristischen Angriffen auf Polio-Impfteams mit insgesamt 15 Toten (PIPS 5.1.2020; vgl. DW 15.9.2020). Es gibt darüber hinaus einen gewissen Widerstand gegen die Verabreichung von Impfstoffen in der Bevölkerung (HRCP 4.2020; vgl. DW 15.9.2020). Andererseits gibt es auch religiöse Führer, welche die Impfkampagnen unterstützen (Dawn 21.9.2020).
Quellen:
• Dawn - (21.9.2020): ’Polio vaccine critical for your child’s health’: Religious leaders dispel
rumours, endorse inoculation, https://www.dawn.com/news/1580325/polio-vaccine-critic
al-for-your-childs-health-religious-leaders-dispel-rumours-endorse-inoculation , Zugriff
10.5.2021
• DW - Deutsche Welle (15.9.2020): Why polio continues to be a health risk in Pakistan,
https://www.dw.com/en/why-polio-continues-to-be-a-health-risk-in-pakistan/a-54934680 ,
Zugriff 10.5.2021
• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri
ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 10.5.2021
• PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.1.2020): Pakistan Security Report 2019, https:
//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/01/sr2019.pdf , Zugriff 10.5.2021
Rückkehr
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 29.9.2020). Für pakistanische Staatsangehörige gibt es keine Einreisebeschränkungen, wenn sie freiwillig zurückkehren wollen (IOM 30.3.2021). Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte werden von den Grenzbehörden befragt, um herauszufinden, ob die Person illegal aus Pakistan ausgereist ist bzw. ob strafrechtliche Vorwürfe vorliegen. Wenn keine Vorwürfe vorliegen, wird die Person normalerweise nach einigen Stunden entlassen (DFAT 20.2.2019).
Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben (AA 29.9.2020). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 12.2020). Nach anderen Angaben werden Personen, die illegal ausgereist sind, verhaftet und normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Bei strafrechtlichen Vorwürfen oder wenn im Ausland eine Straftat begangen wurde, wird die Person verhaftet (DFAT 20.2.2019). Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Return and Reintegration Network (ERRIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 29.9.2020). Derzeit gibt es keine von IOM Österreich durchgeführten Reintegrationsprojekte in Pakistan. Allerdings können freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Pakistan durch das ERRIN-Projekt unterstützt werden. Dieses wird von einer NGO in Pakistan durchgeführt und bietet freiwillig und zwangsweise rückgeführten Personen Wiedereingliederungshilfe an, abhängig von ihrer Berechtigung, die von dem jeweiligen europäischen Land festgelegt wird. Einige Organisationen helfen bei der Gründung von Kleinunternehmen, indem sie finanzielle Unterstützung für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, in Form von Krediten oder Mikrokrediten unterstützen, z. B. die KASHF-Stiftung oder die Jinnah Welfare Society (IOM 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021
• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): DFAT Country
Information Report Pakistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-informatio
n-report-pakistan.pdf , Zugriff 10.5.2021
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic
situation in Pakistan, per Email
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 10.5.2021
Dokumente
Letzte Änderung: 07.06.2021
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA). Über 96% der Bürger Pakistans verfügen über biometrische Personalausweise. Die 2012 eingeführte Smart National Identity Card (SNIC) hat auf einem Chip zahlreiche biometrische Merkmale gespeichert und soll bis 2020 die älteren Versionen der NIC vollständig ersetzen. Eine SNIC wird benötigt, um beispielsweise Führerschein oder Reisepass zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte oder Breitbandinternet zu erhalten (PI 1.2019). Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten. Um gefälschte Dokumente zu erlangen, werden meist Bestechungsgelder bezahlt und/oder politischer Einfluss bzw. Kontakte von Familie und Freunden genutzt. Manche Dokumente sind sogar online oder in Märkten erhältlich. Folgende Dokumente werden regelmäßig gefälscht: Zeugnisse, akademische Titel, Empfehlungsschreiben, Geburts-, Todes-, Heirats- und Scheidungsurkunden, finanzielle Belege/Bestätigungen bzw. Kontoauszüge, Besitzurkunden, polizeiliche Dokumente (u.a. First Information Reports / FIRs), Einreise- und Ausreisestempel in Reisepässen sowie ausländische Visa. Überprüfungen der Echtheit von Dokumenten sind zwar möglich, allerdings bestehen in diesem Zusammenhang mehrere Herausforderungen: Vielfach sind Dokumente zwar nicht komplett gefälscht, aber wurden nicht ganz richtig ausgestellt; von verspäteten Eintragungen oder Änderungen sollte z.B. von den Behörden eine Kopie gemacht werden, was nicht immer der Fall ist; in manchen Städten (insbesondere in Gujranwala, Gujrat und Sialkot) kennen die zuständigen Beamten die zu überprüfenden Personen und nehmen Bestechungsgelder an. Es kommt auch vor, dass Auskünfte verweigert werden. Darüber hinaus werden mitunter auch vermeintlich echte und in die Register eingetragene Urkunden ausgestellt, die jedoch inhaltlich nicht oder nur zum Teil richtig sind (z.B. Heiratsurkunden). Die Überprüfungen erfolgen relativ aufwändig über die lokalen Vertrauensanwälte (hoher administrativer Aufwand) (ÖB 12.2020). Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, fiktive oder verfälschte Standesfälle (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung formal echte Urkunden ausgestellt zu bekommen. Merkmale auf modernen Personenstandsurkunden und Reisepässen zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte mühelos unterlaufen werden. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. FIR) dann formal echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen
Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 29.9.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb
er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista
n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,
Zugriff 10.5.2021
• PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.o
rg/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021
Individuell
Ausweichmöglichkeiten
Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen oft das Aufgeben der bisherigen wirtschaftlichen Basis mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land. Selbst Menschen, die die Polizei wegen Mordes sucht, können in einer Stadt unbehelligt leben, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt.
Ahmadis bietet ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie für ihre Gegner sichtbar sind. Zudem besteht die Möglichkeit, in den Schutz größerer Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Menschen handelt, die überregional bekannt geworden sind. Dies sehen auch Vertreter unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit.
Verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit haben generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile - abgesehen von Fällen, die überregional bekannt geworden sind.
Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Allein in der Provinzhauptstadt Quetta leben von den geschätzten 800.000 Mitgliedern der schiitischen Hazara etwa 600.000. Hazara würden wegen ihres Aussehens und ihrer Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazara (ca. 3 Mio.), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazara nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich beschränkt.
Quelle: AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (29.09.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: Juni 2020)
Hepatitis B & C
Medikamente für Hepatitis B und C sind erhältlich. Die Behandlungskosten im öffentlichen Bereich durch einen Arzt in der medizinischen Grundversorgung betragen 5 pakistanische Rupien (PKR), Medikamente sind im Preis inbegriffen.
Quelle: BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation [Österreich] (08.11.2016): Anfragebeantwortung, Pakistan – Hepatitis B & C
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage gerät und von staatlichen Stellen oder seitens Privatpersonen einer Verfolgung ausgesetzt ist und er seine Heimat aufgrund solcher Verfolgung bzw. Bedrohung verlassen hat.
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF sowie zu seinen privaten und familiären Verhältnissen im Heimatland ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität – aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben, seinen Sprach- und Ortskenntnissen und den vorgelegten Identitätsdokumenten.
Die Identität des BF ergibt sich aus den vorgelegten Identitätsdokumenten (ID Card).
Dass der BF an keiner lebensgefährlichen Erkrankung leidet, beruht auf seinen dahingehenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, dem vorgelegten Befund vom 10.01.2022 und der vorgelegten ärztlichen Überweisung, zwecks der Behandlung eines Leistenbruches vom 31.01.2022. Eine lebensbedrohliche Erkrankung ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Es wird zwar durchaus festgehalten, dass beim BF im Zuge einer Sonogragphie des Oberbauches ein Leistenbruch festgestellt wurde, bis dato wurden jedoch keinerlei Therapien bzw. anderweitige medizinische Leistungen verordnet. Daraus ergibt sich, dass es sich offensichtlich um kein akut zu behandelndes medizinisches oder gar lebensbedrohliches Problem handelt. Der BF brachte zudem auch nicht vor, dass nach wie vor eine Behandlungsbedüftigkeit der im Juni 2018 diagnostizierten posttraumatischen Arthrose im Radiokarpalgelenk sowie des Humeruskopfhochstandes (AS 419) besteht. Zudem ergibt sich aus den in das Verfahren integrierten länderkundlichen Feststellungen, dass die medizinische Versorgung in Pakistan grundsätzlich gewährleistet ist und die meisten Krankheiten und medizinischen Probleme behandelbar sind. Eine möglich in Betracht kommende operative Behandlung des Leistenbruches wäre sohin auch in Pakistan möglich. Die Arbeitsfähigkeit des BF folgt aus der Erwerbstätigkeit des BF bis Jänner 2022. Zudem wurde der BF am 01.03.2022 beim Ausüben von unerlaubter Beschäftigung im Betrieb des XXXX von der Finanzpolizei angetroffen (Strafantrag Amt für Betrugsbekämpfung - Finanzpolizei vom 29.03.2022).
Die illegale Einreise nach Österreich sowie die Aufenthaltsdauer des BF lässt sich aus den Unterlagen zur Asylantragstellung, den Angaben des BF sowie einer aktuellen Anfrage aus dem Zentralen Melderegister entnehmen.
Dass ein Cousin des BF in Österreich lebt, mit diesem kein gemeinsamer Wohnsitz besteht, jedoch telefonischer Kontakt, ergibt sich aus den unwiderlegten Angaben des BF.
Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber sind dem Fremdeninformationssystem zu entnehmen. Die Berufstätigkeit des BF in Österreich ist dem Sozialversicherungsauszug zu entnehmen.
Dass der BF Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht hat und auf einfachem Niveau die deutsche Sprache spricht geht aus den vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen hervor. Zudem beruhen die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des BF seinen eigenen Angaben im Verfahren. Ein Zeugnis über die Ablegungen einer Deutschprüfung auf einem bestimmten Niveau wurde nicht vorgelegt.
Die Mitgliedschaft bei der Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich sowie dessen Funktionen innerhalb der Gemeinschaft gehen aus dem Schreiben der Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich vom 26.08.2018 (AS 435) und 09.01.2022 hervor sowie der zeugenschaftlichen Befragung von XXXX .
Die ehrenamtlichen Tätigkeiten BF gehen aus der Vereinbarung der XXXX vom 01.03.2019 sowie der Bestätigung von „ XXXX “ vom 15.06.2021 hervor. Dass der BF über einen Freundschaftskreis verfügt und für die LKW-Führerscheinprüfung lernt, geht aus seinen unwiderlegten Angaben hervor.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit geht aus dem Strafregister hervor. Dass der BF einen totalgefälschten Führerschein vorlegte, ergibt sich aus dem Schreiben der XXXX vom 20.02.2019.
II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.
Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten – immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden – aufzuzeigen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht herangezogenen länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat können zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben, sind jedoch als so umfassend zu qualifizieren, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann.
Sofern der BF in der Beschwerde bzw. im Beschwerdeverfahren diesbezüglich Äußerungen tätigt und Berichte zur Lage der Ahmadiyyas vorlegt, lässt sich nicht erkennen, dass sich daraus eine andere Bewertung der Lage in Pakistan ergibt. Darüber hinaus ist anzuführen, dass sich diese Berichte nicht mit einzelnen individuellen Umständen der Bedrohungslage des BF befassen, sodass sich daraus keine asylrelevante Verfolgung oder die Gewährung des Status des subsidiäre Schutzberechtigten konkret für den BF ergeben. Abgesehen davon zeichnen die zitierten Quellen kein wesentlich anderes Bild, als jene, welche der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Zudem stammen die Berichte teilweise aus dem Jahr 2015 (AS 189), 2016 (AS 349, 383) und 2018 (AS 387), weshalb die Aktualität nicht mehr gegeben ist.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass das zentrale Problem für die innere Sicherheit Pakistans die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt. Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021). Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021). Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021).
Auf Grundlage dieser Länderberichte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in ganz Pakistan gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich in Pakistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist.
Zur Lage der Ahmadiyya allgemein ist festzuhalten, dass sich aus den im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zwar ergibt, dass es zu Übergriffen kommen kann, es ergibt sich hieraus jedoch auch, dass die überwiegende Zahl der Ahmadis in Pakistan unbehelligt lebt. Ahmadis sind über ganz Pakistan verteilt. Die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiya teilt sich in die Qadiani-Gruppe (Ahmadiya Muslim Jamaat) und die wesentlich kleinere Lahore-Gruppe (Ahmadiya Anjuman Ischa'at-i-Islam Lahore) (BFA 10.2014). Der größeren Qadiani-Gruppe gehören in Pakistan schätzungsweise 600.000 bis 5 Millionen Mitglieder an. Die Mitgliederzahl der kleineren Lahore-Gruppe wird auf rund 30.000 Anhänger weltweit geschätzt, von ihnen sollen 5.000 bis 10.000 Mitglieder in Pakistan leben (UKHO 3.2019). Hauptsiedlungsräume der Ahmadis in Pakistan befinden sich in Rabwah (offizieller Name Chenab Nagar). 90-95 % der Einwohner der Stadt, ca. 60.000-70.000 Menschen, sind Ahmadis. Weitere wichtige Ansiedlungen der Ahmadis befinden sich in Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karatschi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala (UKHO 3.2019). Es ist letztlich im Rahmen eines Vergleichs der Anzahl der Ahmadis in Relation zu den dokumentierten Übergriffen festzuhalten, dass Übergriffe zwar möglich, aber nicht maßgeblich wahrscheinlich sind.
In diesem Zusammenhang kann auch aus dem Verweis des BF auf mehrere Quellen (u. a. A Report on Persecution of Ahmadis in Pakistan During the year 2015 sowie verschiedene Zeitungsartikel) welche den BF nicht persönlich betreffen nicht erkannt werden, dass die getroffenen Länderfeststellungen die Lage der Ahmadiyyas tatsachenwidrig darstellen. Derartige erwähnte Diskriminierungen bzw. Übergriffe gegen Ahmadis finden auch in der im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Berichtslage ihren Niederschlag. Dass es derartige Sachlagen im Herkunftsstaat des BF im Allgemeinen geben kann, wird nicht bestritten.
Aus den Länderfeststellungen ergibt sich ebenso, dass Gewaltvorkommen gegen Ahmadiyyas in Pakistan nicht dergestalt sind, dass abgeleitet werden kann, dass jeder Ahmadiyya in Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der landesweiten Gefahr ausgesetzt sei, Opfer solcher Gewalt zu werden; jedoch muss immer der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Es muss zu einer individuellen Prüfung der Ereignisse und Umstände kommen (siehe auch VwGH 20.12.2016, Ra 2016/01/0098).
Es ist und war im Allgemeinen möglich für Ahmadis ihren Glauben auf einer eingeschränkten Basis sowohl im privaten Bereich als auch in der Gemeinschaft in Pakistan auszuüben, ohne das heimische pakistanische Gesetz zu verletzen. Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen (USDOS 10.6.2020). Der Oberste Gerichtshof richtete einen Sondergerichtsausschuss zwecks Anhörung von Petitionen im Zusammenhang mit Rechten von Minderheiten ein und ernannte einen Kommissar, der die Umsetzung von Urteilen durch den Gerichtshof selbst überwachen soll. Während das Ministerium für Recht und Justiz offiziell für die Gewährleistung der gesetzlichen Rechte aller Bürger verantwortlich ist, übernimmt das Ministerium für Menschenrechte in der Praxis weiterhin die Hauptverantwortung für den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten.
Zum Urteil des EuGHs vom 5.9.2012, C-71/11, C-99/11 ist festzustellen, dass in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht wird, dass ein solches Glaubensverbot nur dann eine für die Verfolgungshandlung erforderliche objektive Schwere darstellt, wenn dem BF durch Ausübung seiner Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Diese geforderten Voraussetzungen sind jedoch nach den oa. Feststellungen im gegenständlichen Fall nicht gegeben, sodass der genannten Entscheidung nicht näher nachzugehen ist. Dass es dem BF nicht möglich war, seinen Glauben in seiner Herkunftsregion nicht im gewünschten Umfang im Wesentlichen auszuüben, geht sowohl aus seinen Aussagen als auch aufgrund der vorliegenden - objektiven - Dokumentation der vorherrschenden Verhältnisse nicht glaubwürdig hervor. Somit ist auch nicht erkennbar, inwiefern hier der BF individuelle Sanktionen (Diskriminierung bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung) bei offener Religionsausübung in seinem Heimatland drohen würden. Dem erkennenden Gericht erscheint es in diesem Zusammenhang noch wichtig, festzustellen, dass diese Glaubensfreiheit nicht nur auf die Heimatregion des BF beschränkt, sondern auch in anderen Teilen Pakistans gegeben ist. So stellen neben Rabwah auch Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karatschi, Lahore und Faisalabad, Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala Hauptsiedlungsbegiete der Ahmadis dar (UKHO 3.2019), wo sie überwiegend in Eintracht mit anderen Religionen und von den Behörden unbehelligt leben können.
Auch die Mitgliedschaft bei der Ahmadiyya-Gemeinde ist laut Berichtslage nicht mit Strafe bedroht. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Pakistan nicht bloß die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde von den Blasphemiegesetzen betroffen sind, sondern handelt es sich hierbei um generell-abstrakte Normen, welche sich in Pakistan an jedermann, auch den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften richten und die nicht zielgerichtet ausschließlich oder überwiegend gegen die Ahmadis gerichtet sind.
Auf Grundlage dieser Länderberichte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt sohin auch nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in ganz Pakistan gesprochen werden, dass jeder Angehöriger der Ahmadis, der sich in Pakistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist.
Zur Bewegungsfreiheit in Pakistan in Form einer Verlegung eines Lebensmittelpunktes ist zu bedenken, dass anhand der aktuellen bzw. im Verfahren miteinbezogenen Berichtslage feststeht, dass das Gesetz Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung gewährleistet. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 30.3.2020).
Der BF kann sich der allgemeinen Sicherheitslage in seiner Heimatregion durch Verlegung seines Wohnsitzes entziehen. Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass es sich beim BF um eine "high profile" Person (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) handelt oder er über einen überregionalen Bekanntheitsgrad verfügt. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann, der wenn auch zumindest vorübergehend mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem könnte der BF bei seiner Rückkehr Rückkehrhilfe bzw. Unterstützung von Hilfsorganisationen bzw. Freunden, Bekannten und von der Familie in Pakistan in Anspruch nehmen. Es steht dem BF frei, sich bspw. In Rabwah oder Islamabad niederzulassen.
Ahmadis bietet ein Leben in Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen bietet, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie für ihre Gegner sichtbar sind. Zudem besteht die Möglichkeit, in den Schutz größerer Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Menschen handelt, die überregional bekannt geworden sind. Dies sehen auch Vertreter unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als grundsätzliche Ausweichmöglichkeit. Dass Chenab Nagar im Luft- und anschließend Landweg (über den Flughafen Faisalabad) erreichbar ist, muss als notorisch angesehen werden (siehe diesbezüglich https://en.verymap.net/distances/1167507-7668396/chenab-nagar/faisalabad-international-airport/ ).
Ebenso kann auf Grundlage der herangezogenen Länderberichte die Deckung der Grundbedürfnisse und eine medizinische (Grund-)Versorgung als gewährleistet angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass in Pakistan eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, es geht jedoch aus den Länderfeststellungen nicht hervor, dass die individuelle Versorgungslage für alle Personen – ohne Hinzutreten von besonderen Umständen - gefährdet wäre.
Die Mehrheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist im Dienstleistungssektor (38%) und in der Landwirtschaft (37%) beschäftigt. 60% der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert. Insgesamt arbeiten fast 72% der Erwerbstätigen im informellen Sektor. Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde durch Nachfrage- und Angebotsschocks als Folge der COVID-19-Krise hart getroffen. Pakistan gehört zu den Entwicklungsländern, in denen die Urbanisierung schnell voranschreitet. In wirtschaftlicher Hinsicht führen das rasche Bevölkerungswachstum und Covid-19 zu steigendem Druck auf Ressourcen, Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommensverteilung, Armut und sozialen Schutz (IOM 30.3.2021). Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40% der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60% der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt.
Schätzungsweise 36,43 Millionen Menschen sind dauerhaft und chronisch von Ernährungsunsicherheit bedroht. Weitere 2,45 Millionen Menschen könnten infolge widriger Umstände in Ernährungsunsicherheit geraten (IOM 30.3.2021). Die pakistanische Regierung bietet jedoch Projekte zur Unterstützung von Arbeitslosen an, z. B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Es gibt auch eine Arbeitslosenunterstützung für Absolventen & MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen. Eine weitere Möglichkeit wird durch ein Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) geboten, um ein Unternehmen zu gründen, mittels Projekten, die jährlich von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken angekündigt werden. Weiters gibt es für die Unterstützung von Arbeitslosen zwei bestehende Mechanismen: Das Tameer-e-Pakistan-Programm wird als Maßnahme zur Armutsbekämpfung initiiert, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; das Programm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021; vgl. IOM 2019).
Eine medizinische Grundversorgung ist in Pakistan gewährleistet. Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle in der Gesundheitsversorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen gekennzeichnet, mit einem Mangel an medizinischen Fachkräften, Krankenschwestern, Sanitätern und qualifiziertem Gesundheitspersonal, insbesondere in den Randgebieten (TSOP 2020). In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (AA 29.9.2020). Tab.: Key initiatives for essential health care (ILO 2019). Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind.
Insgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, zu denen öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen gehören - wobei in den privaten, anders als in den öffentlichen, entsprechende Kosten für die Behandlung anfallen. Die von der Regierung neu ins Leben gerufene „Sehat Insaaf Card“-Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus dem unteren sozioökonomischen Sektor die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die „Sehat Insaaf Card“ ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag) und ist ein Jahr gültig. Die Karte deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021).
Die Programme zur Armutsbekämpfung - wie die Zakat-Initiative und Pakistan Bait-ul-Maal - bieten auch Unterstützung für die grundlegende Gesundheitsversorgung. Sie tun dies in Form von Mitteln, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden; die Krankenhäuser entscheiden dann ihrerseits, welche Patienten für die Versorgung in Frage kommen (ILO 2019). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann.
II.2.4. Das Vorbringen des BF – sein Leben sei aufgrund seiner Religionszugehörigkeit in Gefahr – wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens für unglaubwürdig erachtet.
II.2.4.1. Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden.
Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [nunmehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen.
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Der BF wurde im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.
Der BF konnte ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend machen.
II.2.4.2. Der BF brachte im Zuge der Erstbefragung vor, dass er Ahmadiyya sei und deshalb mehrere Male – auch von Verwandten - angegriffen worden sei bzw. getötet werden sollte.
Vor dem BFA führte der BF aus, dass er kein gebürtiger Ahmadiyya sei und er erst XXXX vom Sunnitentum zum Glauben der Ahmadiyya konvertiert sei. Die ganze Familie des BF sei deshalb gegen ihn gewesen und habe ihn nur sein Vater unterstützt, welcher XXXX verstorben sei (AS 99). Im Verlauf der weiteren Einvernahme legte der BF auf die Frage, wann seine Probleme begonnen hätten dar, dass dies XXXX passiert sei (AS 102), wobei er erklärend ausführte, dass sein Vater XXXX verstorben sei und vorher niemand etwas sagen hat können.
Diese zeitliche Divergenz von ca. zwei Jahren deutet bereits darauf hin, dass der BF sich eines konstruierten Vorbringens bedient um eine Verfolgungssituation darzulegen, welche so offenbar nicht stattgefunden hat, ansonsten der BF den Beginn der Verfolgungshandlungen widerspruchsfrei darlegen hätte können. Der BF erweckte durch die unpräzisen Angaben zum Tod seines Vaters in Verbindung mit den beginnenden Verfolgungshandlungen jedenfalls den Eindruck, einen Zusammenhang darstellen zu wollen, den es offenbar nicht gegeben hat.
Der BF beschrieb vor dem BFA auch, dass nach dem Tod seines Vaters alle Verwandten seine Schwester angerufen und ihr gesagt hätten, dass der BF den Islam akzeptieren solle oder er Probleme bekommen werde (AS 100). Seine Schwester sei damals hochschwanger gewesen und habe sich viele Sorgen gemacht, weshalb sie XXXX infolge eines Herzinfarktes verstorben sei. Diese Ausführungen lassen sich jedoch nicht mit jenen in Einklang bringen, welche der BF am 09.06.2018 ihm Rahmen einer Gesundheitsbefragung im PAZ XXXX nach der Einreise in Österreich tätigte. Der BF wurde dabei unter anderem gefragt, ob er an Tuberkulose leide oder litt, woraufhin er antwortete, dass sein Vater, Großvater sowie seine Schwester an Tuberkulose verstorben seien und er deshalb einen Test machen wolle (AS 65). Der BF versuchte sohin erneut darzustellen, dass innerhalb seiner Familie Druck ausgeübt worden sei, weil er zu den Ahmadiyyas konvertiert sei, scheiterte damit jedoch aufgrund der dargelegten Diskrepanzen.
Zu den konkret gegen den BF gerichteten Übergriffen durch seine Familie sprach der BF vor dem BFA im Wesentlichen über zwei Ereignisse. Ein streng religiöser Cousin des BF sowie vier Freunde von diesem hätten den BF XXXX beim Friedhof geschlagen, wobei der BF mit der Hilfe von Dorfbewohnern flüchten habe können. Nach dem Tod seiner Schwester sei XXXX auch die Mutter krank geworden, weshalb der BF zur Apotheke gegangen sei, wo er erneut von seinem Cousin und Freunden von diesem geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden sei. Der Cousin des BF habe auch Anzeige gegen den BF erstattet, weil er die Religion verlassen habe (AS 101) und sei der BF am XXXX von seiner Familie rausgeschmissen worden, woraufhin er zu einem Freund nach XXXX gegangen sei. Der Onkel des BF habe dort die Polizei hingeschickt, der BF sei jedoch nicht zu Hause gewesen und von den Eltern des BF gewarnt worden. Als der BF seinen Cousin sowie XXXX , den Präsidenten von Khatam e Nabovat, in XXXX gesehen habe, sei er ausgereist.
Aus der Anzeigeerstattung des Cousins folgert der BF im Übrigen, dass gegen ihn auch Gerichtsverfahren eingeleitet wurde und ihm die Todesstrafe drohe und legte er zur Untermauerung dieses Vorbringens einen Zeitungsartikel, eine Anzeige sowie einen Antrag auf Einleitung rechtlicher Schritte vor.
Die vorgelegten Beweismittel sind jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem Vorbringen des BF vereinbar. Zunächst fällt auf, dass der BF davon spricht, dass sein Cousin namens XXXX Anzeige gegen ihn erstattet habe. Die vorgelegte Anzeige vom XXXX enthält als „Antragsteller“ jedoch zwei Personen namens XXXX und XXXX und scheint der Namen seines Cousins darin nicht auf. Als Beschuldigte werden Personen namens XXXX , XXXX , XXXX und XXXX angeführt und wird diesen vorgeworfen, dass sie vor einem Geschäft namens „ XXXX “ gepredigt sowie andere mit dem Umbringen bedroht hätten.
Dem Antrag auf Einleitung rechtlicher Schritte ist eine Person namens XXXX als Antragsteller zu entnehmen, wobei es sich dabei offensichtlich um einen (Staats-)Anwalt am Obergericht handelt (AS 473). Unter „Befragte“ (Beschuldigte) werden XXXX sowie zwei unbekannte Personen angeführt und der Sachverhalt folgendermaßen dargestellt:
Am XXXX seien XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX zum Basar „ XXXX “ gegangen, um dort Freunde zu treffen. Sie hätten dort eine Person laut sprechen hören, welche von zwei Personen begleitet worden sei. Der Antragsteller habe angehalten und nach den Namen der Person gefragt, wobei diese Person sich als XXXX ausgegeben habe. XXXX habe die Lehren der Ahmadiyya gepredigt, sei vom Antragsteller gestoppt worden, jedoch habe dieser seine Predigt fortgesetzt.
Es fällt auf, dass in der Anzeige der Cousin des BF nicht genannt wird, im Antrag auf Einleitung rechtlicher Schritte zwar der Cousin ( XXXX ), aber auch noch weitere Beteiligte genannt werden. Abgesehen von den Differenzen zu den beteiligten Personen bzw. wer Anzeige erstattet hat, wurde auch der Sachverhalt divergierend dargelegt. Vor dem BFA erklärte der BF noch, dass sein Cousin Anzeige gegen ihn erstattet habe, weil er die Religion verlassen habe (AS 101). Der Anzeige ist zu entnehmen, dass der BF mit zwei namentlich bekannten Personen vor einem Geschäft „ XXXX “ auf der Hauptstraße beim Predigen angetroffen worden sei und dem Antrag auf Einleitung rechtlicher Schritte, dass der BF mit zwei unbekannten Personen in einem Basar namens „ XXXX “ beim Predigen gesehen worden sei. Folglich widersprechen sich die Angaben zur Ursache der Anzeigeerstattung (Religionsaustritt, Predigen in der Hauptstraße, Predigen am Basar), ob der BF von bekannten oder unbekannten Personen begleitet worden sei und, ob er nicht nur gepredigt, sondern andere auch mit dem Umbringen bedroht habe.
Weiters fällt auf, dass der BF in den vorgelegten Beweismitteln einerseits als XXXX (Anzeige) und anderersits als XXXX (Antrag) angeführt wird, was angesichts dessen, dass auch der BF im Verfahren divergierende Angaben zu seiner Identität getätigt hat erwähnenswert erscheint. In der Erstbefragung hat sich der BF als XXXX ausgegeben und vor dem BFA erklärt, dass sein Name falschgeschrieben worden sei und er XXXX heiße. Mit Schreiben vom 20.02.2019 informierte die BH XXXX das BFA darüber, dass der BF um den Austausch seiner pakistanischen Lenkerberechtigung angesucht und unter anderem eine nationale pakistanische ID-Card vorgelegt habe. Daraus würden verschiedene Namensschreibweisen hervorgehen, weshalb eine kriminaltechnische Untersuchung durchgeführt worden sei, welche ergeben habe, dass es sich bei dem pakistanischen Führerschein um eine Totalfälschung handle. Laut pakistanischem Führerschein lautet der Name des BF XXXX und laut pakistanischer ID-Card XXXX . In der mündlichen Verhandlung vor dem BvwG dazu befragt, erklärte der BF, dass er sowohl in der Erstbefragung als auch vor dem BFA angegeben habe, dass sein Name XXXX laute, die Dolmetscherin aber nach der Kaste gefragt habe und er deshalb XXXX angegeben habe (VS 9).
Dazu ist anzumerken, dass der BF in der Erstbefragung und vor dem BFA bestätigte den beigezogenen Dolmetscher zu verstehen (AS 9, 96) bzw. er alles verstanden habe und keine Ergänzungen/Korrekturen vornehmen wolle (AS 17, 105), weshalb aus Sicht der erkennenden Richterin auch keine dahingehenden Bedenken bestehen. Dem Vorbringen des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, es sei zunächst nur die Kaste und nicht sein Nachname protokolliert worden, wird daher kein Glauben geschenkt und geht das erkennende Gericht davon aus, dass es zu keinen Missverständnissen oder Übersetzungsfehlern gekommen ist. Demnach versuchte der BF seinen Nachnamen vor den österreichischen Asylbehörden zu verbergen, und lag das Motiv offenbar darin, seine Identität den vorgelegten Beweismitteln anzupassen, um im Verfahren entsprechende bzw. vermeintliche Vorteile lukrieren zu können. Die Diskrepanzen zwischen dem Inhalt der vorgelegten Beweismittel und den Angaben des BF sowie die Angaben zu seiner Identität sind nicht nur ein Indiz für die mangelnde persönliche Glaubwürdigkeit des BF, sondern sprechen eindeutig auch dagegen, dass gegen den BF in Pakistan Anzeige erstattet und ein Strafverfahren wegen Blasphemie eingeleitet wurde.
Anzumerken ist in diesem Konnex, dass Dokumentenfälschungen laut Berichtslage in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten ist. Um gefälschte Dokumente zu erlangen, werden meist Bestechungsgelder bezahlt und/oder politischer Einfluss bzw. Kontakte von Familie und Freunden genutzt. Manche Dokumente sind sogar online oder in Märkten erhältlich. Folgende Dokumente werden regelmäßig gefälscht: Zeugnisse, akademische Titel, Empfehlungsschreiben, Geburts-, Todes-, Heirats- und Scheidungsurkunden, finanzielle Belege/Bestätigungen bzw. Kontoauszüge, Besitzurkunden, polizeiliche Dokumente (u.a. First Information Reports / FIRs), Einreise- und Ausreisestempel in Reisepässen sowie ausländische Visa.
Zur ins Treffen geführten Konversion des BF zur Religionsgemeinschaft der Ahmadiyyas ist allgemein noch Folgendes anzumerken:
Der BF brachte vor, dass er XXXX konvertiert sei und zunächst einige Jahre unbehelligt in Pakistan gelebt hat, wobei er sich zum Beginn der Probleme bereits in Widersprüche verwickelte, zumal er vor dem BFA einerseits XXXX , dann aber XXXX als Zeitpunkt nannte (AS 99, 102). Zur Konversion selbst gab der BF vor dem BFA lediglich an, dass er dafür nichts Besonderes gemacht habe und er nach Online-Erkundigungen ein Formular unterschrieben habe (AS 102). Befragt, was ein „Baiat“ sei, erklärte der BF, dass man damit die Ahmadiyyas akzeptiere (AS 102). Konvertiert sei er im Übrigen deshalb, weil der Islam keine friedliche Religion sei. Seine Familie habe von der Konversion gewusst und habe er auch immer nur mit Freunden oder seiner Familie über die Ahmadiyyas gesprochen, weil er mit seinen Freunden keine Probleme gehabt habe (AS 104).
In der mündlichen Verhandlung legte der einvernommene Zeuge das Engagement des BF in der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Österreich dar und wurden die ausgeübten Funktionen des BF der gegenständlichen Entscheidung auch zugrunde gelegt. Zum „Baiat“ erklärte der einvernommene Zeuge, dass es sich dabei um die Vorgehensweise zum Beitritt der Ahmadiyya-Gemeinschaft handle. Es werde eine innere Bereitschaft gefordert, zehn Bedingungen (zB die Anerkennung des Gründers, Rechte der Mitmenschen erfüllen, täglich Gebete) müssten erfüllt sein, ein Formular müsse unterschrieben werden und der Kalif müsse den Beitritt genehmigen.
Der BF führte zum Grund für seine Konversion an, dass in der achten Klasse eine Konferenz durch die Khatme-E-Nabuwat abgehalten worden sei und diese vorgetragen hätten, dass die Ahmadiyyas Ungläubige seien. Ein Imam habe zum BF jedoch gesagt, dass der Iman Medi der Wahrhaftige sei, weshalb der BF aus Interesse Übersetzungen von alten Schriften in Urdu zu lesen begonnen habe. Weiters habe er im Koran die Sure Baqara gelesen und sei sein Interesse an den Ahmadiyyas immer stärker geworden. Der BF habe sich auch Videos angesehen und Familienmitglieder seiner Mutter, welche ebenfalls Ahmadiyyas seien, befragt. Ende XXXX sei dem BF dann geraten worden, den Weisen XXXX zu treffen. Dies sei ein Freund seines Cousins und ein Imam in ihrer Ahmadiyya Gemeinschaft. Über diesen Imam habe der BF dann sein Baiat gemacht. Ausgelebt habe der BF die Religion insofern, als er heimlich in die Moschee gegangen sei, wo er an Seminaren, Treffen und sozialen Arbeiten teilgenommen habe. Ab XXXX habe der BF Verkündigungen gemacht, wobei dies nicht öffentlich gemacht worden sei, sondern er nur seinen Freunden die Hayat vom Koran nähergebracht habe. Öffentlich habe er nicht sagen können, dass jemand Ahmadiyya werden soll.
Der BF schilderte seine Motivation zur Konversion, den Vorgang der Konversion selbst („Baiat“) und auch das Ausleben der Religion in Pakistan folglich äußerst differenziert, indem er das „Bait“ zunächst nur als Formular, welches er nach einer Internetrecherche unterfertigte, beschreibt, der Zeuge in der mündlichen Beschwerdeverhandlung jedoch einen gänzlich anderen Ablauf eines solchen „Baiat“ darlegte. Als Motivation für die Konversion brachte der BF zunächst ausschließlich den fehlenden Frieden im Islam vor, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung hingegen einen länger dauernden Prozess, an dessen Ende das „Baiat“ bei einem Imam (und nicht infolge einer Internetrecherche per Formular) stattgefunden habe. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung steigerte der BF sein Vorbringen aber auch dahingehend, dass er nicht nur mit seinen Freunden über die Religion gesprochen habe, sondern auch Veranstaltungen in der Moschee besucht habe. Übereinstimmend sind die Angaben des BF nur dahingehend, dass er seine Religion heimlich ausgelebt und sich nie öffentlich dazu bekannt habe.
Die aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten deuten darauf hin, dass der BF zwar zum Religionsgemeinschaft der Ahmadiyyas konvertiert ist, er diese Religion aber nicht öffentlich ausgelebt hat und sich zu dieser Religion auch nicht öffentlich bekannt hat. Ein aus innerer Überzeugung vollzogener Religionswechsel, welcher vom BF auch nach außen gezeigt wird, ist aufgrund der widersprüchlichen Ausführungen zur Motivation sowie zu den Formalien des Religionswechsels unwahrscheinlich, was auch durch die Angaben des BF, wonach der von XXXX unbehelligt in Pakistan gelebt habe, bestätigt wird. Die vom BF behauptete Strafverfolgung wegen Blasphemie konnte er – wie oben dargelegt – ebenfalls nicht glaubwürdig darlegen und konnte der BF auch nicht nachvollziehbar erklären, weshalb mehrere Familienmitglieder erst mehrere Jahre nach seiner Konversion plötzlich gegen ihn vorgegangen seien. Die Erklärung, dass der Tod seines Vaters, welcher ihn zuvor beschützt habe, der Auslöser gewesen sei, überzeugt angesichts der widersprüchlichen Ausführungen zu dessen Todeszeitpunkt nicht.
Der Vollständigkeitshalber anzumerken ist, dass jede Person in Pakistan im Gegensatz zu anderen islamischen Staaten grundsätzlich die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert zumindest verfassungsrechtlich die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt nicht die Freiheit ein, die Religion zu wechseln. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern, in denen Apostasie - der Abfall vom Islam - in Anlehnung an den Koran mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine entsprechende strafrechtliche Bestimmung.
Ob es infolge der Konversion tatsächlich zu den vom BF behaupteten Übergriffen durch seinen Cousin und Freunden von diesem XXXX gekommen ist, er einen Anruf vom Präsidenten der Khatme-E-Nabuwat- Organisation erhalten habe und ob ein Priester bei ihm im XXXX drei Reparaturen nicht bezahlt habe, kann im Übrigen dahingestellt bleiben, zumal dem BF innerhalb von Pakistan eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (vgl. die Ausführungen dazu in der rechtlichen Beurteilung) und der vorgebrachte Anruf sowie nicht bezahlte Reparaturen weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit die Intensität einer asylrelevanten Verfolgungshandlung (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011) erreichen.
Auch aus dem Nachweis über die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Ahmadiyya Muslim Jamaat und seinen Funktionen innerhalb der Gemeinschaft in Österreich, lässt sich für den BF nichts gewinnen. Der BF hat weder in der Beschwerde, noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung dargetan, dass er sich in irgendeiner Form in leitender Funktion exponiert hat, welche ihn für islamistische Gruppierungen in Pakistan oder andere Gruppierungen interessant machen würde. Aus der vorgelegten Bestätigung vom 09.01.2022 ergibt sich, dass der BF seit 01.11.2021 für die Sicherheit der Räumlichkeiten der Ahmadiyya Muslim Jamaat während den Veranstaltungen zuständig ist. Zuvor (November 2020 bis Oktober 2021) war der BF für die Verbreitung der Ahmadiyya Lehre durch Jugendliche zuständig und hat im Rahmen dessen Bücherstände und Flyerverteilungsaktionen organisiert. Weiters war der BF auch als Assistenz des Jungendleiters in XXXX tätig und hat in dieser Funktion Zusammenkünfte für Jugendliche organisiert, Meetings dokumentiert sowie monatliche Berichte von anderen Amtsinhabern gesammelt und der Zentrale weitergeleitet. Der Zeuge fügte zudem hinzu, dass der BF im Zuge der Generalversammlung für den Aufbau und das Flaggenhissen zuständig war. Weder die aktuelle Tätigkeit, noch jenen in der Vergangenheit belegen daher eine exponierte Stellung oder ein exponiertes religiöses Auftreten nach außen. Außer den organisatorischen und bürokratischen Tätigkeiten wurden keine weiteren Aktivitäten in Bezug auf den Verein dargelegt und ist folglich davon auszugehen, dass der BF keine bedeutende (religiöse) Funktion innerhalb der Ahmadi Gemeinde bekleidet. Auch als Sicherheitskraft hat der BF keine religiöse Position inne und übernimmt damit überwiegend nicht außenwirksame, sondern vereinsinterne Bereiche. Der BF ist bzw. war daher überwiegend nur einfaches Mitglied, weshalb keine Gefährdung des BF aufgrund dieser Mitgliedschaft im Fall seiner Rückkehr nach Pakistan erkannt werden kann. Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF in exponierter Art und Weise nach außen in Erscheinung getreten ist und deshalb ins Blickfeld islamischer Gruppierungen oder staatlicher Stellen geraten ist. Auch wurde derartiges im Beschwerdeverfahren zu keiner Zeit glaubwürdig behauptet.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass anhand der Aussagen des BF eine tiefe religiöse Überzeugung im Hinblick auf den Ahmadiyya Glauben beim BF nicht erkennbar ist und keine solche Beeinträchtigung der Religionsausübung vorliegt, die Verfolgungscharakter aufweist und damit asylrelevant ist.
Es ist davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland die Religion nicht auf eine andere Art und Weise praktizieren wird, als er dies schon vor der Ausreise gemacht hat und dies schon seinerzeit – wie oben dargestellt – zu keinen relevanten Verfolgungshandlungen geführt hat. Für die Annahme einer besonderen inneren religiösen Wertvorstellung, die es dem BF besonders schwermachen würde, von einer im Heimatland verpönten religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, haben sich zu wenige Anhaltspunkte ergeben, zumal er nicht einmal in Österreich einer besonders intensiven religiösen Betätigung nachgeht, woran er aber zumindest hier aufgrund umfassender Religionsfreiheit in keiner Weise gehindert wäre.
Aufgrund obiger Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass der BF zwar den Ahmadiyya angehört, jedoch keinen individuell die Asylrelevanz erreichenden gegen ihn gerichteten Übergriffen aufgrund seiner Religionszugehörigkeit ausgesetzt war.
Für die im Schriftsatz vom 09.02.2022 beantragte Zeugeneinvernahme des XXXX hat sich aus der Sicht der erkennenden Richterin keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt durch die Einvernahme dieses beantragten Zeugen näher zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291). Überdies ist festzuhalten, dass kein Beweisthema genannt wurde und sich aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ein hinreichend schlüssiges Gesamtbild ergibt, sodass im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu den getroffenen Feststellungen gelangt werden konnte (vgl. VwGH 21.03.1991, 90/09/0097; 19.03.1992, 91/09/0187; 16.10.1997, 96/06/0004; 13.09.2002, 99/12/0139; 12.03.1991, 87/07/0054.
Soweit im Schriftsatz vom 09.01.2022, 09.02.2022 bzw. im Beschwerdeschreiben Erhebungen vor Ort im allgemeinen, bzw. zur Ermittlung des dem Vorbringen zu Grunde liegenden Strafaktes und der Rechtslage zur Strafbarkeit der Blasphemie sowie die Einholung eines individualisierten Ländersachverständigengutachtens zur Verifizierung der evident vorliegenden Verfolgungsgefahr und eine zeugenschaftlichen Befragung einer namentlich gemachten Person beantragt wurden ist anzumerken, dass das BVwG angesichts der obigen Beweiswürdigung und der Angaben des BF sowie des Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung unter Einbeziehung der vorgelegten Beweismittel zur Auffassung gelangt, dass bereits ein "ausreichend ermittelter Sachverhalt" vorliegt, der weitere amtswegige Erhebungen nicht erforderlich macht (vgl. VwGH 03.05.2018, Ra 2018/19/0171; 25.02.2019, Ra 2019/19/0017; 19.03.2019, Ra 2018/01/0223; jeweils mwN; zur nicht beantragten Einvernahme eines Pastors vgl. auch VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453, mwN). Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe eines länderkundlichen Sachverständigen, das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes zu bekunden. Dies ist die Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes im Rahmen der beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen.
Soweit das Unterbleiben einer „Vor-Ort-Recherche“ gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat grundsätzlich allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegenstehen (vgl. VwGH 5.8.2019, Ra 2019/20/0307; vgl. näher zu Ermittlungen im Herkunftsstaat VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100 und 0101).
Zudem ist anzumerken, dass der Antrag auf einen zeugenschaftliche Befragung von XXXX als untauglicher Beweisantrag gewertet werden muss. Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174). Das Beweisthema wurde nicht angeführt, d.h. es wurde unterlassen anzuführen, zu welchen relevanten Themenbereichen die Person Auskunft geben kann.
Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass der BF trotz Einräumung einer Fristerstreckung und Zuwarten der Entscheidung keinerlei weiteren Beweismittel für sein Vorbringen vorlegte bzw. auch nicht bekannt gab, warum eine Vorlage nicht möglich ist. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass der BF seinen Sachvortrag nicht belegen kann bzw. will.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:
„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) […]
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
[…]“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
II.3.2.2. Zur Zugehörigkeit des BF zur Religionsgemeinschaft der Ahmadiyyas:
Dazu sei angemerkt, dass laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe allein keinen Grund für die Asylanerkennung darstellt, sofern nicht konkrete gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 29.10.1993, 92/01/1105; 07.11.1995, 94/20/0889). Auch wenn aus den aktuellen Länderberichten hervorgeht, dass gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi Propaganda weit verbreitet und die Ahmadis Ziel von Angriffen durch nicht-staatliche Akteure aus den Bereichen der sunnitischen muslimischen Mehrheitsbevölkerung sind, so lebt doch der weitaus größte Teil der Ahmadis - deren Anzahl in Pakistan auf 400.00 bis zu zwei bis vier Millionen geschätzt wird - friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen.
Daraus, dass die pakistanische Gesellschaft teilweise auch feindlich gegenüber Ahmadis eingestellt sein kann bzw. dass es in Pakistan scharfe Gesetze gegen Blasphemie gibt (zwar wird Ahmadis vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt, sie unterliegen jedoch strengen gesetzlichen Einschränkungen), kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass jeder Ahmadi in Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der landesweiten Gefahr ausgesetzt sei bzw. Opfer von Gewalt wird. Vielmehr geht das erkennende Gericht nach Würdigung und Bewertung der Berichtslage im Wege einer Gesamtschau der maßgeblichen Kriterien davon aus, dass Ahmadis in Pakistan allein aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit, also ohne hinzukommende persönliche Gefährdungsmerkmale, in Pakistan keiner hieran anknüpfenden gruppengerichteten religiösen oder politischen Verfolgung durch extremistische Sunniten, Taliban oder staatliche Stellen ausgesetzt sind. Eine religiöse oder politische Verfolgung durch die derzeitige pakistanische Regierung von Ahmadis ist nach der Auskunftslage nicht ersichtlich.
Auch der Umstand, dass es sich beim BF um einen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya handle, bewirkt sohin für sich allein nicht, dass ihm Asyl zu gewähren wäre, weil sich aus den getroffenen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Angehörige seiner Religion schon alleine wegen dieser Zugehörigkeit Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt wären.
Darüber hinaus ist im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen, dass der BF bei Rückkehr in sein Herkunftsland Pakistan religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung aussetzen.
II.3.2.3. Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:
Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).
Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).
Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage gelegen ist, ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.
Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).
Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).
Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtlinie); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.
Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:
Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass aufgrund der fehlenden Exponiertheit des volljährigen BF, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans sowie ausgehend von der Unglaubwürdigkeit seiner Angaben hinsichtlich der staatlichen Verfolgung durch Verlegung seines Wohnorts in eine Großstadt, wie zB Rabwah, dem religiösen Zentrum der Ahmadis (nahezu 95% der Einwohner sind Ahmadis), den von ihm angegebenen Benachteiligungen als Ahmadi entgehen kann. Dass die angeblichen Verfolger so ein großes Interesse an dem BF haben, dass sie ihn überall in Pakistan suchen würden, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie den BF überall finden könnten, dies auch angesichts der Bevölkerungsdichte ihres Herkunftslandes.
Im gegenständlichen Fall ist somit letztlich davon auszugehen, dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Gefährdung zu rechnen ist bzw. überhaupt nicht die Möglichkeit oder das Interesse besteht, den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden.
Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den BF auf Grund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der BF noch in Pakistan aufhielt.
Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem BF auf Grund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnisse auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der BF somit auch in einer Stadt wie Rabwah über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch seine Reise nach Österreich unter Beweis stellte.
II.3.2.3. Der BF hat seinen Herkunftsstaat letztlich aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen. Diese Gründe stellen jedoch keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Es war daher im Hinblick auf die ausschließlich persönlichen und wirtschaftlichen Beweggründe des BF, den Herkunftsstaat zu verlassen, der Schluss zu ziehen, dass die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nur aus dem Grund erfolgte, sich nach erfolgter Einreise unter Umgehung der den Aufenthalt regelnden Vorschriften den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:
„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. […],
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]“
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränkt.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während durch das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gemäß der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der BF vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) nicht damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, jungen, arbeitsfähigen Mann, welcher über eine langjährige Schulbildung und Berufserfahrung in XXXX verfügt. Eine Arbeitsunfähigkeit konnte nicht festgestellt werden. Es steht dem BF auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Zudem stammt der BF einerseits aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, zumal seine Eltern und Geschwister nach wie vor in Pakistan leben. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und der BF könnte daher Unterstützung durch seine Familie erwarten. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse – etwa eine lebensbedrohende Erkrankung - können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zum Gesundheitszustand des BF:
Der BF leidet an einem Leistenbruch der im Jänner 2022 festgestellt wurde. Bezüglich dieses gesundheitlichen Problemes wurden keinerlei Therapien, Medikamente oder eine Operation in Aussicht gestellt bzw. angeordnet. Derzeit erfolgt diesbezüglich keine Behandlung.
Nach der Rechtsprechung können außergewöhnliche Umstände wie etwa lebensbedrohende Ereignisse - in concreto das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung - ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung dieser Frage unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
Außergewöhnlicher Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (statt aller jüngst VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086). Ein solches Risiko kann beim BF verneint werden.
Entsprechend der getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat besteht in Pakistan eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu minimalen Kosten auf ambulanter Basis. Die von der Regierung neu ins Leben gerufene "Sehat Insaaf Card"-Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus dem unteren sozioökonomischen Sektor die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die "Sehat Insaaf Card" ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag) und ist ein Jahr gültig. Die Karte deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021). Die Programme zur Armutsbekämpfung - wie die Zakat-Initiative und Pakistan Bait-ul-Maal - bieten auch Unterstützung für die grundlegende Gesundheitsversorgung. Sie tun dies in Form von Mitteln, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden; die Krankenhäuser entscheiden dann ihrerseits, welche Patienten für die Versorgung in Frage kommen (ILO 2019). Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden.
Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ist daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall außerordentliche Umstände im Sinne der zuvor zitierten Judikatur des EGMR zu Art 3 EMRK nicht vorliegen.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Erregers ergibt sich unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen auch im Herkunftsland keine Rückkehrgefährdung des BF im Sinne eines realen Risikos.
Bei COVID 19 handelt es sich um keine wahrscheinlich tödlich verlaufende, die Schwelle des Art 3 EMRK tangierende, Krankheit und hat der BF auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich in diesem Zusammenhang ein reales Risiko im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat ergeben würde (vgl. dazu auch VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188-3, Rz 17 – 19). Auch schlechtere wirtschaftliche Aussichten als vor Beginn pandemiebedingter Maßnahmen sind nicht relevant im Sinne von Art 3 EMRK, solange die Sicherung existenzieller Grundbedürfnisse gegeben ist (VwGH 07.09.2020, Ra 2020/20/0314).
Da der BF keiner speziellen Risikogruppe angehört, kann vor dem Hintergrund der COVID 19-Pandemie im Herkunftsstaat des BF weder auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufes, noch auf eine allgemeine oder medizinische unzureichende Versorgungslage geschlossen werden.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der gegenständliche, nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte, Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im obigen Sinn.
Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
II.3.4.2.1. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.
Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,
innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.
II.3.4.3. Der BF reiste im Juni 2018 erstmals nach Österreich und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der BF hat einen Cousin in Österreich, bezog bis Februar 2022 Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber und war von 09.09.2021 bis 15.09.2021, 21.09.2021 bis 17.10.2021 und 04.10.2021 bis 30.11.2021 geringfügig sowie von 01.12.202 bis 19.01.2022 Vollzeit beschäftigt.
Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf einfachem Niveau, pflegt in Österreich soziale Kontakte, ist strafrechtlich unbescholten und war ehrenamtlich tätig. Der BF lernt derzeit für die Theorieprüfung für die LKW-Prüfung.
II.3.4.4. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
II.3.4.5. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:
In Österreich wohnt ein Cousin des BF. Mit diesem besteht kein gemeinsamer Wohnsitz und überwiegend telefonischer Kontakt (VS 22). Merkmale der Abhängigkeit zu diesem Verwandten, die über die üblichen Bindungen zwischen erwachsenen Verwandten hinausgehen, hat der BF nicht angegeben und konnten auch nicht festgestellt werden. Entsprechendes wurde dem Bundesverwaltungsgericht bis zur Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses auch nicht mitgeteilt. Gerade wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand wie etwa ihre familiären Verhältnisse handelt, besteht aber eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 14.02.2002, 99/18/0199; VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Ein entscheidungsrelevantes Familienleben zum Cousin ist daher zu verneinen und bleibt zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung ein Eingriff in deren Privatleben einhergeht.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Der BF hält sich erst seit Juni 2018 durchgängig im Bundesgebiet auf, wobei die Aufenthaltsdauer auch dadurch relativiert wird, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.
Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf einfachem Niveau und hat in Österreich soziale Kontakte, wobei diesbezüglich darauf hinzuweisen ist, dass selbst beim Vorliegen relevanter Deutschkenntnisse und auch einer gewissen sozialen Integration auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen ist, wonach ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Ferner ist anzuerkennen, dass der BF ehrenamtlichen/gemeinnützigen nachging. Der Umstand, dass der BF gemeinnützige Tätigkeiten und Remunerationsarbeiten ausführte, fällt bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung somit nicht besonders stark ins Gewicht, zumal der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ro 2019/01/0003, bereits ausführlich dargelegt hat, dass es maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste.
Ein Anknüpfungspunkt eines Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK des BF stellt seine Erwerbstätigkeit dar, welche jedoch unter Bedachtnahme auf die kurzzeitige Ausübung dieser Erwerbstätigkeit noch keinerlei besondere wirtschaftliche Integration bewirkt bzw. eine intensive geschäftliche Beziehung begründet. Dieser Tätigkeit des BF kommt im Rahmen der Interessensabwägung daher nur eine untergeordnete Bedeutung zu und gilt es zu bedenken, dass der BF sich während der Aufnahme dieser Tätigkeit auch seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich bewusst sein musste.
Auch die Mitgliedschaft bei der XXXX vermag keine besondere Integration in die österreichische Gesellschaft zu belegen. Vielmehr dienen derartige Einrichtungen dazu, dass Fremde, wie der BF, den Kontakt zu ihren Landsleuten erhalten bzw. ihre Kultur und (religiösen) Traditionen aus dem Herkunftsland in Österreich fortführen bzw. ausleben können.
Sofern der BF in Österreich über soziale und freundschaftliche Kontakte verfügt, ist anzuführen, dass ein besonderes Nahe-bzw. Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Personen anhand des Vorbringens des BF nicht erkannt werden konnte. Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Pakistan gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof führt zur sozialen Integration wie folgt aus: Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 31.1.2013, 2011/23/0519).
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420).
Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte und dort sozialisiert wurde, hingegen die gesamte Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Vergleich zu seinem Lebensalter als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal er dort familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Geschwister (zwei Brüder und eine Schwester) hat und er die Sprache des Herkunftsstaates beherrscht.
Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.
Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Im gegenständlichen Fall liegen im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
II.3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen im Beschwerdeverfahren getroffen.
Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
II.3.7. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung, für eine Abschiebung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
II.3.8 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.
Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
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