BVwG L512 2197479-1

BVwGL512 2197479-18.4.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L512.2197479.1.00

 

Spruch:

 

L512 2197479-1/16E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch RAe Grilc, Vouk, Skof GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge „Pakistan“ genannt) stellte am 16.04.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

I.1.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 17.04.2015 Folgendes vor:

Er sei verheiratet, Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er habe die Grundschule und zwei Jahre lang die Universität besucht. Zuletzt sei er Student gewesen. Er habe Pakistan legal verlassen.

Zum Fluchtgrund erklärte der BF, er sei Schiit und deshalb von den Taliban mit dem Tod bedroht worden. Aufgrund des Krieges und der Taliban habe er sein Land verlassen.

Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe der BF Angst um sein Leben [Aktenseite (AS) 17 ff.].

 

I.1.2. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 26.03.2018 zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

Der BF habe in XXXX studiert und XXXX seinen Master gemacht. Abends habe er immer in der Apotheke gearbeitet. Zudem habe er bei NGO’s, wie XXXX und dem Projekt XXXX mitgearbeitet. Im XXXX sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt, habe ein Projekt unterstützt und seinem Vater geholfen. 2013 habe er privat um den Bachelor XXXX angesucht und am XXXX geheiratet. Sechs Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt sei die afghanische Grenze und in drei Himmelsrichtungen die Taliban. Die Taliban würden immer wieder aus Afghanistan kommen und habe der Cousin des BF dann engeren Kontakt zu den Taliban gehabt. Der Vater des BF habe das nicht gewollt und den Cousin aufgefordert mit diesen Menschen keinen Kontakt zu haben. Am XXXX sei dann sein Vater erschossen und ihr Haus zerstört worden. Die Mutter sei von den Taliban mit einem Holzstück am Kopf verletzt worden. Der Cousin habe alles beschlagnahmt, was dem BF gehört habe und habe der Cousin alles mit den Taliban gemeinsam gemacht. Nach dem Vorfall sei der BF mit seiner Familie nach XXXX für zwei Tage in eine Moschee gefahren. Dann habe er ca. 20 Tage in einem Flüchtlingscamp verbracht. Der BF habe dort einen Kollegen seines Vaters getroffen und habe dieser die Familie mitgenommen. Zudem habe die Familie Unterstützung von der NGO IDPS erhalten und sei dort registriert. Die Taliban würden generell keine Schiiten mögen und diese umbringen und sei dieses Problem schon länger als 2007 akut (AS 53 ff.).

I.1.3. Mit Schreiben vom 30.03.2018 erstattete der BF eine Stellungnahme zu seiner Einvernahme vor dem BFA am 26.03.2018 und konkretisierte bzw. erläuterte sein dortiges Vorbringen.

 

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

 

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen aufgrund des gesteigerten Vorbringens und mangels Aktualität als unglaubwürdig.

 

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1a FPG vorliegen würden.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung, wegen des Vorliegens von groben Verfahrensmängel und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde erhoben (AS 331 ff.).

 

I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Gleichzeitig mit der Ladung vom 13.12.2021 wurden dem BF aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

 

I.4.1. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

 

I.5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer

 

Die Identität des BF steht fest.

 

Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sowie der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung. Er stammt aus dem Dorf XXXX in der XXXX , Provinz Khyber Pakhtunkhwa spricht die Sprachen Paschtu, Urdu und Englisch. Der BF hat in Pakistan zehn Jahre lang die Schule besucht. Anschließend hat der BF in XXXX studiert und sein Studium im Jahr XXXX mit einem Master in XXXX abgeschlossen. Vom 26.09.2011 bis 31.12.2011 hat der BF für eine Non-Governmental-Organisation (NGO) namens XXXX gearbeitet. Danach kehrte er in sein Heimatdorf zurück, wo er vom Oktober 2012 bis März 2014 für das Projekt „ XXXX “ tätig war und auch seinem Vater geholfen hat. Neben seinem Studium hat der BF vom März 2004 bis Dezember 2006 auch als XXXX gearbeitet und im Jahr 2013 den XXXX erhalten.

 

Am XXXX hat der BF geheiratet und entstammen dieser Ehe zwei Töchter. Die Ehegattin und die Töchter des BF sind nach wie vor in Pakistan aufhältig. Die Eltern des BF sowie eine Schwester sind bereits verstorben. Zwei Schwestern des BF leben ebenfalls in Pakistan. Mit Verwandten in Pakistan steht der BF in Kontakt. Der BF verfügt im Herkunftsstaat über gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist arbeitsfähig.

 

Im April 2015 reiste der BF illegal in das Bundesgebiet ein, stellte einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. In Österreich leben keine Verwandten des BF.

 

Der BF besuchte mehrerer Deutschqualifizierungsmaßnahmen und spricht auf dem Niveau B2 die deutsche Sprache (Bestätigung XXXX vom 27.06.2018).

 

Der BF verfügt seit 10.05.2019 über die Gewerbeberechtigung „Güterbeförderung“ und ist seit 05.12.2020 selbständig als Paketzusteller tätig. Vom 10.05.2019 bis 05.12.2020 war das Gewerbe ruhend gestellt.

 

Vom 17.04.2015 bis Dezember 2020 bezog der BF Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber.

 

Der BF nahm an verschiedenen Integrationsmaßnahmen teil, ist in einem Seniorenzentrum ehrenamtlich tätig und besuchte das XXXX , wo Personen mit Fluchthintergrund an Deutschkursen teilnehmen, um später in ein ordentliches Studium einzusteigen (Schreiben XXXX vom 18.01.2022, diverse Unterstützungsschreiben, Freiwilligenpass vom 20.03.2018, Schreiben XXXX vom 12.03.2018, Bestätigung XXXX vom 22.01.2016).

 

Der BF pflegt in Österreich freundschaftliche und soziale Kontakte.

 

Der ist kein Mitglied in einem Verein und absolvierte keine Ausbildung in Österreich.

 

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Covid-19

Letzte Änderung: 16.06.2021

In Pakistan wurden bisher mehr als 882.900 Infektionen mit dem Virus Covid-19 sowie mehr als 19.700 Todesfälle bestätigt (Stand 18.5.2021). Laut lokalen Medienberichten mit Verweis auf das Gesundheitsministerium, wurden bisher etwa 3,9 Millionen Menschen landesweit geimpft (Einwohner

gesamt: 220 Millionen). Hauptsächlich wurden Personen, die im Gesundheitsbereich tätig sind und Personen über 50 Jahre geimpft. Am 17. Mai 2021 hat man mit der Impfregistrierung für die Altersgruppe der 30 bis 49-Jährigen begonnen. Am gleichen Tag hat Pakistan die Covid-Maßnahmen nach der landesweiten Sperre vom 8. bis 16. Mai gelockert und Geschäften, Märkten und Büros unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln die Öffnung erlaubt. Märkte und Geschäfte dürfen nun wieder bis 20 Uhr öffnen. Das pakistanische National Command and Operation Center hat zudem festgehalten, dass touristische Aktivitäten im Land weiterhin untersagt seien. Öffentliche städtische und interprovinzielle Verkehrsmittel haben ihren Betrieb wiederaufgenommen, dürfen jedoch nur mit einer maximal 50 prozentigen Belegung operieren. Auch wenn sich die Covid-19-Situation aktuell etwas entspannt, warnen die Behörden, dass das Gesundheitssystem noch immer unter Druck stehe und Krankenhäuser stark belegt seien (ÖB 18.5.2021).

Pakistan hat am2.2.2021 mit seinem nationalen Impfprogramm gegen das Coronavirus begonnen. In dem südasiatischen Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern werden zunächst Beschäftigte des Gesundheitswesens geimpft, gefolgt von älteren Menschen. Dazu waren etwa eine halbe Million Impfdosen des chinesischen Unternehmens Sinopharm mit einem Militärflugzeug aus Peking nach Pakistan gebracht worden. Das Land hat zudem 17 Millionen Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca bestellt, die im Lauf des Monats Februar 2021 geliefert werden sollen. Nach einer einer Ende Januar 2021 veröffentlichten Umfrage des Instituts Gallup, will sich fast die Hälfte aller Pakistaner nicht impfen lassen (ÄfW 2.2.2021). Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021). Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen

PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das „COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program“ (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021; vgl. WKO 18.2.2021).

 

Quellen:

• ÄfW - Ärztekammer für Wien (2.2.2021): Pakistan startet mit Coronaimpfung, https://www.

medinlive.at/gesundheitspolitik/pakistan-startet-mit-corona-impfungen, Zugriff 26.2.2021

• IMF - International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan,

https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P ,

Zugriff 28.1.2021

• ÖB - Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (18.5.2021): Kurzbericht zur Entwicklung

der Covid-19-Situation in Pakistan, per E-Mail, Zugriff 11.6.2021

• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Pakistan,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-pakistan.html , Zugriff

26.2.2021

 

Politische Lage

Letzte Änderung: 16.06.2021

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 26.3.2021). Die vormaligen FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite des Kaschmir (AA 26.3.2021). Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik. Bei den Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter technische Verbesserungen bei der Verwaltung des Wahlprozesses durch die pakistanische Wahlkommission feststellten, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich der Einmischung von Militär und Geheimdiensten im Vorfeld der Wahlen, die zu ungleichen Wahlbedingungen führten. Einige politische Parteien behaupteten auch erhebliche Unregelmäßigkeiten am Wahltag (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019). Neben den geopolitischen und geostrategischen Faktoren ist das Ungleichgewicht der Regierungsinstitutionen innerhalb des pakistanischen Staates Ursache für die kontinuierliche Regierungskrise und die strukturelle Gewalt im Land. Das pakistanische Militär spielt eine überaus wichtige und dominante Rolle in der Nuklearmacht Pakistan. Es ist disproportional groß (es vereinnahmt ein Viertel des gesamten Haushalts) und deshalb übermächtig, während die zivilen Institutionen, wie z.B. die Bürokratie, die Justiz, die Polizei und die politischen Parteien, permanent unterfinanziert sind. Die Interventionen des Militärs in Politik und Wirtschaft hat diese Organisation im Laufe der Geschichte immer stärker gemacht (GIZ 9.2020). Seit 12. April 2021 brachen nach Verhaftung des Anführers der fundamentalistischen Partei Tehreek- e-Labbaik Pakistan (TLP), mehrtägige und landesweite Proteste aus. Tausende Unterstützer der für die Förderung der Blasphemiegesetzgebung im Land bekannten TLP demonstrierten in den größeren Städten gegen die Position des französischen Präsidenten Macron in Reaktion auf die Enthauptung eines Lehrers in der Nähe von Paris im November 2020. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Am 16. April 2021 sperrte die pakistanische Internetregulierungsbehörde (Pakistan Telecommunication Authority, PTA) den Zugriff auf sämtliche soziale Netzwerke für mehrere Stunden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, um über das Internet verbreitete neuerliche Aufrufe und Propaganda der TLP zu unterbinden. Am 18. April kam es zu weiteren Ausschreitungen in Lahore (Punjab), wo TLP-Anhänger auch ein Polizeirevier stürmten und ein halbes Dutzend Sicherheitskräfte als Geiseln nahmen (BAMF 19.4.2021). Schließlich hat die Regierung die TLP, die als eine sunnitische politisch-religiöse Hardliner-Gruppe gilt und für ihre gewalttätige Unterstützung der drakonischen Blasphemiegesetze des Landes bekannt ist, verboten. Das Verbot kam drei Tage nachdem TLP-Anhänger aufgrund der Verhaftung von Anführer Saad Hussain Rizvi in ganz Pakistan auf die Straße gegangen waren (UCA News 16.4.2021; vgl. DW 15.4.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.3.2021): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.

auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010

, Zugriff 14.4.2021

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (Stand: 14.4.2021) Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakis

tansicherheit/204974#content_0, Zugriff 14.4.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes,

https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=sho

uld&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublic

ationDate&sort_order=desc&content=briefing%20notes, Zugriff 22.4.2021

• DW - Deutsche Welle (15.4.2021): Pakistan protests: Why the Islamist TLP party is now a

major political force, https://www.dw.com/en/pakistan-protests-why-the-islamist-tlp-party-i

s-now-a-major-political-force/a-57214719, Zugriff 17.5.2021

• EASO - European Asylum Support Office (10.2019): Pakistan Security Situation, https://

www.ecoi.net/en/file/local/2019113/2019_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf

, Zugriff 22.4.2021

• ET - The Express Tribune (25.5.2018): Senate passes FATA-KP merger bill with 71-5 vote,

https://tribune.com.pk/story/1718734/1-ppp-pti-set-throw-weight-behind-k-p-fata-merger

-bill-senate/ , Zugriff 14.4.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal

- Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/ges

chichte-staat/ , Zugriff 9.3.2021

• HRW - Human Rights Watch (28.7.2018): Controversial Election in Pakistan, https://www.

hrw.org/news/2018/07/28/controversial-election-pakistan, Zugriff 14.4.2021

• UCA News (16.4.2021): Pakistan bans TLP for engaging in terrorism, https://www.ucan

ews.com/news/pakistan-bans-tlp-for-engaging-in-terrorism/92133# , Zugriff 17.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

14.4.2021

 

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 23.06.2021

Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020). Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021).

Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Die 20 Aktionspunkte des NAP haben seither unterschiedliche Erfolge erzielt. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass der NAP bei der Bekämpfung des gewalttätigen und gewaltfreien Extremismus im Land nur geringe Erfolge erzielt hat. Extremistische Literatur ist online und offline in Hülle und Fülle vorhanden und die Verherrlichung von Terroristen und ihren Taten geht weiter. Auch zur Unterstützung des politischen Versöhnungsprozesses in Belutschistan wurde bisher nichts Wesentliches unternommen (FES 12.2020; vgl. GIZ 9.2020).

Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. 220 Menschen kamen bei diesen Anschlägen ums Leben - ein Rückgang von 38% im Vergleich zu 2019. Eine Verteilung dieser Terroranschläge nach ihren Urhebern legt nahe, dass sogenannte religiös inspirierte militante Gruppen wie die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), ihre Splittergruppen Hizbul Ahrar und Jamaat-ul Ahrar, sowie andere militante Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Taliban-Gruppen, Lashkar-e-Islam und ISIS-nahe Gruppen die meisten Terroranschläge verübten. Anschläge nationalistisch aufständischer Gruppen der Belutschen und Sindhi verübten weitere Anschläge. In KP wurden dabei die meisten Terroranschläge in Pakistan verübt, mehrheitlich im Stammesgebiet Nord-Waziristan. Während die Mehrheit dieser Anschläge auf Sicherheitskräfte abzielte, waren auch Zivilisten, Stammesälteste, politische Führer/Mitarbeiter und Schiiten Ziele der Anschläge. Nach KP war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terrorismus durch verschiedene aufständische Gruppen der Belutschen wie die Baloch Liberation Army (BLA), die Balochistan Liberation Front (BLF), Lashkar-e-Balochistan, die Baloch Republican Army (BRA) und die United Baloch Army (UBA) usw. betroffen (PIPS 2021; vgl. USDOS 30.3.2021, AA 29.9.2020).

Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und des mit ihnen verbundenen Haqqani-Netzwerks, sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT (Lashkar-e Taiba) und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM (Jaish-e Mohammad), von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020; vgl. CEP o.D.). Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021). Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021). Quelle: ACLED o.D.; UCDP Candidate o.D.; UCDP GED o.D. Farbig hervorgehoben: Hauptstadtregion. UCDP weist sicherheitsrelevante Vorfälle in den ehem. FATA eigens aus, hier wurden sie zur besseren Vergleichbarkeit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hinzugezählt. Anmerkung: ACLED und UCDP erfassen sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung, wobei sich die festgelegten Kriterien der beiden Organisationen voneinander unterscheiden. Dies trägt zur unterschiedlichen Höhe bei den dargestellten Fallzahlen bei (ACLED 2020; UCDP 2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.5.2021): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise

(Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-a

mt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_0,

Zugriff 14.5.2021

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb

er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista

n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.4.2021

• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2020): ACLED Codebook, https:

//acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Codeb

ook_2019FINAL.docx.pdf , Zugriff 10.3.2021

• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (o.D.): ACLED Data, http://www.

acleddata.com/data/ , Zugriff 26.2.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes,

https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=sho

uld&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublic

ationDate&sort_order=desc&content=briefing%20notes&page=2 , Zugriff 14.5.2021

• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.

counterextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 28.4.2021

• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s

ituation.pdf , Zugriff 14.4.2021

• FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing

the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/

web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf , Zugriff 9.3.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal

- Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ ,

Zugriff 9.3.2021

• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:

//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,

Zugriff 2.3.2021

• UCDP Candidate - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Candidate Events Dataset

Version 20.01.20.12 (global), https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 2.3.2021

• UCDP GED - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Georeferenced Event Dataset

(GED) Global version 20.1, https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 4.3.2021

• UCDP - Uppsala Conflict Data Program (2020): UCDP Candidate Events Dataset CodebookVersion

1.1, https://ucdp.uu.se/downloads/candidateged/ucdp-candidate-codeboo

k%201.1.pdf , Zugriff 10.3.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 -

Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 14.4.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

15.4.2021

 

Relevante Terrorgruppen

Letzte Änderung: 23.06.2021

Der pakistanische Staat hat den islamischen Extremismus als strategisches Instrument zur Förderung seiner Interessen in der Region immer wieder eingesetzt. Insbesondere hat er Aktivitäten militanter extremistischer Gruppen, die sich gegen indische Interessen richten, geduldet und manchmal auch unterstützt bzw. auch Gruppen unterstützt, die in Afghanistan operieren, um den indischen Einfluss dort zu unterbinden. Zu den extremistischen Gruppen, die Pakistan in der Vergangenheit toleriert oder unterstützt hat, gehören Lashkar-e-Taiba (LeT), Harakat-ul-Mujahideen (HuM), Hizb-ul-Mujahideen (HM), die Mullah-Nazir-Gruppe, Jaish-e-Mohammed (JeM) sowie die afghanischen Taliban und das mit ihnen verbundene Haqqani-Netzwerk. Den Großteil seiner Antiterroroperationen hat Pakistan auf Gruppen konzentriert, die den pakistanischen Staat herausfordern und stürzen wollen. Zu diesen Gruppen, die eine direktere Bedrohung für den Staat darstellen, gehören die Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP), eine Untergruppe der pakistanischen Taliban und die tödlichste der einheimischen pakistanischen Extremistengruppen; al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS); Jamaat-ul Ahrar (JuA); und Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) (CEP o.D.). Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-Terrorismus-Gerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020). Folgend ein Auszug relevanter extremistischer

 

Gruppen:

Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurückgelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020; vgl. CEO o.D., PIPS 2021).

 

Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaat-ul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Angriffsziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2021, CEP o.D.).

 

Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des „Wilayat Pakistan“ (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).

 

Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).

 

Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich.

 

Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft.

 

Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020; vgl. CEP o.D., PIPS 2021).

 

Quellen:

• CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.

counterextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 28.4.2021

• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s

ituation.pdf , Zugriff 28.4.2021

• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:

//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,

Zugriff 28.4.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 -

Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 28.4.2021

 

Khyber Pakhtunkhwa

Letzte Änderung: 23.06.2021

Die Sicherheitslage hat sich in vier der sieben Bezirke der Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts (KPTDs) im Jahr 2020 weiter verschlechtert. Eine Zunahme an Vorfällen im Zusammenhang mit Aufständischen und den daraus resultierenden Opfern wurde in den Bezirken Bajaur, Khyber, Nord-Waziristan und Süd-Waziristan der KPTDs beobachtet. Insgesamt wurde im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der militanten Vorfälle und der Opfer beobachtet, wobei Nord-Waziristan und Süd-Waziristan als am meisten betroffen gelten (FRC 1.2021; vgl. PIPS 2021). In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 beobachtete PIPS insgesamt 100 Vorfälle, von denen 49 als terroristische Anschläge in der Provinz genannt wurden. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 fanden in folgenden Bezirken von KP die meisten terroristischen Angriffe statt: Nord-Waziristan, Bajaur und Peshawar (EASO 10.2020). Andererseits führten die pakistanischen Sicherheitskräfte im Rahmen der laufenden Militäroperation mit dem Codenamen Radd-ul-Fasad im Jahr 2020 in den neu zusammengeschlossenen Bezirken nachrichtendienstliche Operationen (IBOs) durch, um der zunehmenden Militanz entgegenzuwirken. 2020 wurden insgesamt 28 IBOs verzeichnet. Obwohl IBOs in allen Stammesbezirken von KP durchgeführt wurden, blieben Nord-Waziristan, Süd-Waziristan, Khyber und Bajaur der Hauptfokus dieser Anti-Terrorismus (CT) Operationen (FRC 1.2021; vgl. PIPS 2021). Auf operativer Ebene leitete das Militär diese taktischen Operationen. Dadurch wurde die Fähigkeit der Militanten zur Ausführung größerer Angriffe im Laufe der Jahre reduziert. Allerdings gab es in letzter Zeit ein beunruhigendes Wiederaufleben dschihadistischer Militanter und sektiererischer Extremisten. In Gebieten von KP wie Nord-Waziristan und Bajaur, gab es in den letzten Monaten militante Aktivitäten, und sektiererische Extremisten haben auch in mehreren Städten Kundgebungen abgehalten. Seit dem Start des NAP hat die Regierung 18 Organisationen verboten und 88 Personen sanktioniert, ihr Eigentum beschlagnahmt und ihre Bankkonten eingefroren (FES 12.2020).

 

Quellen:

• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s

ituation.pdf , Zugriff 9.3.2021

• FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing

the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/

web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf , Zugriff 9.3.2021

• FRC - FATA Research Center (7.1.2021): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual

Security Report 2020, https://frc.org.pk/news/kptds-annual-security-report-2020/ ; Zugriff

9.3.2021

• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:

//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,

Zugriff 9.3.2021

 

Punjab und Islamabad

Letzte Änderung: 23.06.2021

Insgesamt fanden im Jahr 2020 in Punjab sieben (7) Terroranschläge statt, die fünf Todesopfer und 59 Verletzte forderten. Mit Ausnahme eines Anschlags, der von der aufständischen Gruppe der Belutschen (BLA) in Tehsil Sadiqabad im Bezirk Rahim Yar Khan im Süden des Punjab verübt wurde, konzentrierten sich alle anderen Anschläge auf Rawalpindi und wurden von den pakistanischen Taliban, einschließlich der TTP und ihrer Abspaltungen Jamaat-ul Ahrar und Hizbul Ahrar, die sich im August 2020 wieder der TTP anschlossen, verübt. Während fünf dieser Anschläge im Punjab offenbar Zivilisten zum Ziel hatten, richtete sich ein Anschlag gegen die Polizei und ein weiterer gegen eine Gaspipeline (PIPS 2021).

 

Quellen:

• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https:

//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf ,

Zugriff 29.4.2021

 

NATO-Abzug Afghanistan - Mögliche Auswirkungen auf Pakistan

Letzte Änderung: 24.06.2021

Pakistan und Afghanistan teilen sich eine 2.640 Kilometer lange Landgrenze. Die mit dem NATOTruppenabzug einhergehende Instabilität in Afghanistan könnte vor allem auf die pakistanischen Stammesgebiete deutliche Auswirkungen haben. Auch in der Vergangenheit war dieses Gebiet wiederholt Schauplatz von Kämpfen zwischen Extremisten und Sicherheitskräften, wobei es zur Vertreibung der lokalen Bevölkerung kam (z.B. Militäroperation im Swat-Tal 2009, Kämpfe in Nordwaziristan). Die Vertriebenen suchten vielfach Zuflucht in angrenzenden Gebieten, indem sie z.B. in Lagern oder bei Verwandten lebten. 2015 wurden von den Vereinten Nationen mehr als 1,2 Millionen Binnenvertriebene wegen Kämpfen in den Stammesgebieten registriert. Nach dem NATO-Truppenabzug könnten extremistische Gruppen, wie etwa die afghanischen Taliban, das Vakuum nutzen und die pakistanischen Stammesgebiete verstärkt als Rückzugsort nutzen und hierbei die lokale Bevölkerung vertreiben. Zudem ist es wahrscheinlich, dass afghanische Flüchtlinge in Pakistan nach dem NATO-Truppenabzug keine schnelle Heimkehr in Erwägung ziehen. In Pakistan leben bereits jetzt rund 2,8 Millionen dokumentierte und nicht dokumentierte afghanische Flüchtlinge. Nur etwa die Hälfte der Flüchtlinge sind registriert, der Rest lebt ohne Dokumente, hauptsächlich in den nordöstlichen Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Südwest-Belutschistan, die an Afghanistan grenzen. In der südlichen Provinz Sindh, deren Hauptstadt Karatschi ist, leben circa 500.000 afghanische Flüchtlinge. Laut dem UNHCR wurden seit 2002 mehr als 3,8 Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeführt, aber viele kehrten aufgrund anhaltender Gewalt, Arbeitslosigkeit, mangelnder Bildung und medizinischer Einrichtungen nach Pakistan zurück. Nach dem Abzug der NATO-Truppen wird erwartet, dass nur ein kleiner Teil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan in ihr Land zurückkehren wird. Insofern wird Pakistan auch in Zukunft eine anhaltend hohe Anzahl von afghanischen Flüchtlingen im Land beherbergen bzw. ist allenfalls mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Auch wenn Pakistan sich bei den Afghanistan-Friedensverhandlungen für einen zeitlichen Plan für die Rückkehr und Wiedereingliederung afghanischer Flüchtlinge in ihre Heimat einsetzt, ist die Umsetzung dieses Ziels wenig greifbar (VB 10.5.2021).

 

Quellen:

• VB - VB des BMI in Islamabad/Bangkok [Österreich] (10.5.2021): Bericht: NATO-Truppenabzug

aus Afghanistan und mögliche Auswirkungen auf Pakistan, Auskunft per Email

 

Rechtsschutz, Justizwesen

Letzte Änderung: 24.06.2021

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber laut NGOs und Rechtsexperten unterliegt die Justiz oft externen Einflüssen, wie z.B. der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemie-Fällen und der öffentlichen Politisierung von hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen zu entlasten, weil sie Selbstjustiz befürchten (USDOS 30.3.2021). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020). Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark

benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es derzeit noch eigene Justizsysteme (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Einzelpersonen können gegen Entscheidungen der FSC Berufung bei der Shariat Appellate Bench des Obersten Gerichtshofs einlegen, wobei noch eine weitere Berufung durch den Obersten Gerichtshof zugelassen werden kann. Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts (USDOS 30.3.2021). Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Berichte über Korruption im Justizsystem hielten sich hartnäckig, einschließlich Berichten, dass Gerichtsmitarbeiter Zahlungen verlangten, um Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Untere Gerichte blieben Berichten zufolge korrupt, ineffizient und unterlagen dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten (USDOS 30.3.2021). Die Regierung stellte staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt werden, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. Für andere Fälle wird keine regelmäßige rechtliche Vertretung zur Verfügung gestellt. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb

er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista

n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021

• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,

Zugriff 4.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

15.4.2021

 

Militärgerichte

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf einen Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche es Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht

stehende Zivilisten zu prozessieren. Nach einer Verlängerung des Mandats dieser Gerichte im Jahr 2017 endeten deren Tätigkeiten endgültig mit Ende März 2019 (ICJ 1.4.2019). Ende März 2019 lief das Mandat der Militärgerichtshöfe für Terrorismusverfahren gegen Zivilisten aus, es existieren jedoch weiterhin sog. Anti Terrorism Courts (ATC) zur Verurteilung Terrorismusverdächtiger, die Angeklagten nur unzureichende Rechte einräumen (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Weiters werden die ATCs für die gerichtliche Verhandlung hochkarätiger Fälle benutzt, auch dann, wenn diese keine Verbindung zum Terrorismus hatten. Menschenrechtsaktivisten kritisieren dieses parallele System und behaupten, es sei anfälliger für politische Manipulation (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb

er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista

n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 29.4.2021

• ICJ - International Commission of Jurists (1.4.2019): Pakistan: as military courts lapse,

Government must prioritize reform of the criminal justice system, https://www.icj.org/paki

stan-as-military-courts-lapse-government-must-prioritize-reform-of-the-criminal-justice-sy

stem/#:~:text=Military%20courts%20were%20first%20empowered;a%20period%20of%

20two%20years , Zugriff 30.4.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

29.4.2021

 

Informelle Rechtsprechungssysteme

Letzte Änderung: 24.06.2021

In ländlichen Gebieten Pakistans bestehen auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den ehemals semi-autonomen Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali eine bedeutende Rolle. Dieser wird bei Unrechtsfällen vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden. Diese neben dem formellen Rechtssystem bestehenden ad hoc-Gerichte führen unter anderem zu einem Rechtspluralismus, der Opfer von Verfolgung, insbesondere Frauen, stark benachteiligt (ÖB 12.2020; vgl. AA 29.9.2020, USDOS 30.3.2021).

Informelle Konfliktlösungsmechanismen umfassen die traditionellen, tribal und patriarchalisch geprägten „Panchayat“ (mehrheitlich in Punjab und Sindh vorzufinden) und „Jirga“ (mehrheitlich in Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Balochistan vorzufinden). Diese informellen Mechanismen üben in vielen Fällen eine komplementäre Rolle zum formalen Rechtssystem aus. Andererseits stehen sie manchmal im Widerspruch zum formalen pakistanischen Gesetz, was durchaus auch zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führen kann (GIZ 9.2020). Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es trotz gesetzlichen Verbots verbreitet, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben. Jirgas sind in Pakistan generell auch außerhalb paschtunischer Gebiete nach wie vor weit verbreitet (neben den ehem. FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab). Diese wenden neben Stammes- auch Schariarecht an. Ähnliche Systeme existieren auch unter Hindus (Panchayat); daneben üben in Sindh und Punjab vereinzelt Grundbesitzer zum Teil richterliche Funktionen aus. Als weitere sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung) zu nennen, die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden (ÖB 12.2020).

Sektion 302 des pakistanischen Strafgesetzbuchs (Pakistan Penal Code, PPC) sieht zwar hohe Haftstrafen für Verbrechen vor, die im Zusammenhang mit einer wahrgenommenen Verletzung der Familienehre begangen wurden. Allerdings enthält das Strafgesetz auch Erleichterungen. So können Erben/Nachkommen der Getöteten dem Täter verzeihen (Qisas, geregelt in Sektion 309 PPC) und/oder ein Blutgeld als Entschädigung akzeptieren (Diyat, geregelt in Sektion 310 PPC). Diese Rechtsprinzipien des islamischen Rechts ermöglichen es Nachkommen eines Verstorbenen, den Täter der Strafverfolgung zu entziehen. Da dieser in der Regel aus dem familiären Umfeld stammt, kann in der Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden, dass der staatliche Strafanspruch nicht durchgesetzt wird (BAMF 5.2020). Mit dem erklärten Ziel der Reduzierung von sog. Ehrenmorden verabschiedete das pakistanische Parlament am 6.10.2016 ein Änderungsgesetz zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung. Damit alleine ist jedoch keine grundlegende Verbesserung der Situation aufgrund des 2004 verabschiedeten Honour Killing Act eingetreten (AA 29.9.2020). Traditionelle Gesetze zur Entschädigung für körperlichen Schmerz oder Sachbeschädigung (Qisas und Diyat) erlauben weiterhin Vereinbarungen zwischen den beiden Parteien, die auf Vergebung, Entschädigung

oder anderen Formen der Beilegung beruhen, die oft gegen die Interessen der Frauen wirken (DAFT 20.2.2019). Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hergabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings bisher nicht verhindern konnte (ÖB 12.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.3.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 24 Pakistan Lage der Ahmadis und Schiiten sowie Ehrverbrechen im Kontext der islamisch geprägten Strafgesetzgebung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf , Zugriff 10.3.2021

• DAFT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOper

ator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 10.3.2021

• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/pakistan/ges

chichte-staat/, Zugriff 10.3.2021

• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff 4.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

19.4.2021

 

Justizwesen in den ehemaligen FATA

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die 31. Verfassungsänderungsgesetz vom 25.5.2018 sieht die Zusammenlegung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) sowie der Stammesgebiete unter Provinzverwaltung (KP, Belutschistan und Punjab) vor. Dadurch soll das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem landesweit ausgeweitet werden (ÖB 12.2020). Nach dem Aufheben der Frontier Crimes Regulation (FCR) trat die FATA Interim Governance Regulation 2018 (FIGR) für die Tribal Districts der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in Kraft (FRC 15.1.2019; vgl. Dawn 31.10.2018). Diese sieht eine (bis zu) zweijährige Übergangsphase für die endgültige Zusammenlegung der FATA mit KP vor (ÖB 12.2020).

Die Ausweitung des Rechtssystems auch auf die Tribal Districts bleibt eine Herausforderung. Die Umstellung trifft auf starken Widerstand von Stammeseliten. Diese praktizieren ihre Form der Justiz seit Jahrhunderten und müssen auf das formelle Recht erst eingeschult werden. Außerdem muss eine Infrastruktur für Gerichte und andere Behörden aufgebaut werden (FRC 15.1.2019). Trotz der Aufhebung der FATA-Interims-Governance-Verordnung und des Rechtskodex der Frontier Crimes Regulations in den ehemaligen FATA waren Urteile durch informelle Justizsysteme eine gängige Praxis. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Art und Weise, wie Jirgas und Panchayats vorgehen, verfassungswidrig ist. Gleichzeitig schränkte das Gericht ihre Zuständigkeit ein - und zwar auf Schlichtung, Mediation, Verhandlung oder Versöhnung bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen. Die betroffenen Parteien müssen der Zuständigkeit zustimmen (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• Dawn (31.10.2018): Court declares Fata interim regulation unconstitutional, https://www.

dawn.com/news/1442474 , Zugriff 14.5.2021

• FRC - FATA Research Center (15.1.2019): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual

Security Report 2018, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2019/01/1-Revied-Draft-of-Se

curity-Report-2018-converted-final.pdf , Zugriff 14.5.2021

• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,

Zugriff 14.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

29.4.2021

 

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer sowie militärischen und paramilitärischen Hilfstruppen wie dem Frontier Corps (FC) und den Rangers, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020). Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).

Straflosigkeit ist bei den Sicherheitskräften ein erhebliches Problem. Die Regierung bietet nur begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021). Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DFAT 20.2.2019).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021

• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information

Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&cou

ntry%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=sho

uld&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 30.4.2021

• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s

ituation.pdf , Zugriff 30.4.2021

• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri

ghts-in-2019-20190503.pdf , 30.4.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

15.4.2021

 

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 24.06.2021

Folter ist gemäß pakistanischer Verfassung verboten und wird seitens der Regierung offiziell verurteilt (AA 29.9.2020), allerdings enthält das Strafgesetzbuch keinen speziellen Abschnitt gegen Folter. Das Strafgesetzbuch verbietet kriminelle Gewaltanwendung und Übergriffe; es gab jedoch Berichte, dass Sicherheitskräfte, einschließlich der Geheimdienste, Personen in Gewahrsam gefoltert und misshandelt haben (USDOS 30.3.2021; vgl. OMCT 3.2021, HRW 13.1.2021). Folter im Polizeigewahrsam ist jedoch bislang nicht strafbar. Die Strafverfolgung ist landesweit generell so unzureichend, dass bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge Täter so gut wie nie verurteilt wurden. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die im Februar 2020 eingebrachte „Torture and Custodial Death (Prevention and Punishment) Bill“, die Folter erstmalig zum Straftatbestand machen würde, kommt im parlamentarischen Verfahren aktuell nicht vom Fleck (AA 29.9.2020). Folter durch die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden ist in Pakistan so endemisch und systematisch, dass sie weitgehend gängige Praxis ist. Folter wird als unvermeidlicher Teil der Strafverfolgung in Pakistan akzeptiert, und Folterern wird Straffreiheit gewährt durch eine Kombination aus soziokultureller Akzeptanz, fehlenden unabhängigen Aufsichts- und Ermittlungsmechanismen, weit verbreiteten Befugnissen zur Festnahme und Inhaftierung, Verfahrenslücken und unwirksamen Schutzmaßnahmen, einschließlich des Versäumnisses Pakistans, Folter unter Strafe zu stellen (OMCT 3.2021). Artikel 156(d) der Polizeiverordnung 2002 sieht Strafen gegen jeden Polizeibeamten vor, der einer Person in seinem Gewahrsam „Gewalt oder Folter“ zufügt. Die Vorschrift bestraft jedoch nur Handlungen von Polizeibeamten und erstreckt sich nicht auf andere Beamte und enthält keine Definition von Folter. Die Polizeiverordnung von 2002 wurde erlassen, um ein System der unabhängigen Überwachung der Arbeit der Polizei einzuführen. Die Verordnung sah die Einrichtung von Rechenschaftsmechanismen für die Meldung von Polizeimissbrauch vor. Auf Bezirks- und Provinzebene wurden einige Kommissionen für öffentliche Sicherheit und Polizeibeschwerden eingerichtet. In Ermangelung funktionierender Überwachungsstellen, die Beschwerden über Folter entgegennehmen können, müssen sich die Opfer an die Polizei wenden, um einen First Information Report (FIR) zu registrieren. Allerdings werden solche Beschwerden gegen Foltervorwürfe durch die Polizei von dieser selbst durchgeführt. Die Polizei kann sich jedoch weigern,

Anzeigen gegen andere Mitglieder der Polizei zu erstatten. Ist dies der Fall, kann das Opfer die Angelegenheit vor einen Friedensrichter bringen, der aber nur anordnen kann, dass die Polizei die Anzeige erstattet (OMCT 3.2021). Das Strafgesetzbuch verbietet kriminelle Gewaltanwendung und Übergriffe; es gab jedoch Berichte, dass Sicherheitskräfte, einschließlich der Geheimdienste, Personen in Gewahrsam gefoltert und misshandelt haben. Straflosigkeit ist ein erhebliches Problem bei Sicherheitskräften - aufgrund von Politisierung, Korruption und einem Mangel an effektiven Mechanismen zur Untersuchung von Übergriffen. Die Regierung bietet begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021

• OMCT - World Organisation Against Torture (3.2021): Criminalising Torture in Pakistan:The

Need for an Effective Legal Framework, https://www.omct.org/site-resources/images/Pak

istan-report.pdf , Zugriff 22.3.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

14.4.2021

 

Korruption

Letzte Änderung: 24.06.2021

Von der international tätigen Compliance-Plattform wird das Risiko, mit Korruption konfrontiert zu werden, für folgende Bereiche als hoch eingestuft: Justizsystem, Polizei, öffentlicher Dienst, Steuer-, Grund- und Zollverwaltung sowie öffentliche Beschaffung (GAN Integrity 10.2020). Nach den Effizienz- und Disziplinarvorschriften muss sich ein Beamter einer Untersuchung stellen, wenn er der Korruption oder finanzieller Unregelmäßigkeiten beschuldigt wird. Eine Person, die wegen Korruption verurteilt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren, einer Geldstrafe oder beidem rechnen, und die Regierung kann sich alle Vermögenswerte aneignen, die durch korrupte Mittel erlangt wurden (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht also strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen aber nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021; vgl. GAN Integrity 10.2020). Korruption ist in Politik und Regierung allgegenwärtig (GIZ 9.2020) und verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, darunter Bestechung, Erpressung, Nepotismus, Klientelismus und Veruntreuung. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind korrupt, ineffizient und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Pakistan nimmt im Corruption Perceptions Index von Transparency International 2020 Platz 124 von 180 Ländern ein (2019:120) (TI 1.2021). Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Durchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch. Die Regierung setzte im Laufe des Jahres ihre Korruptionsermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung von Führern der Oppositionsparteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari sowie gegen führende Mitglieder anderer Oppositionsparteien, einschließlich der JUI-F, öffentlichkeitswirksame Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021). Das NAB schüchtert weiterhin politische Gegner und Kritiker der Regierung ein, schikaniert sie oder nimmt sie in Haft. Im Februar kritisierte die Europäische Kommission das NAB wegen politischer Voreingenommenheit. Seit den Wahlen 2018 sind demnach nur sehr wenige Fälle von Ministern und Politikern der Regierungspartei verfolgt worden, was als Ausdruck der Parteilichkeit des NAB angesehen wird. Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass das NAB bei der Verhaftung von zwei Oppositionspolitikern, die für 15 Monate ohne glaubwürdige Anklage festgehalten wurden, das Recht auf ein faires Verfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess verletzt hatte (HRW 13.1.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021

• GAN Integrity (last updated 10.2020): Pakistan Corruption Report, https://www.ganintegri

ty.com/portal/country-profiles/pakistan/ , Zugriff 16.4.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021

• GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal

- Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ ,

Zugriff 15.4.2021

• TI - Transparency International (1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.

transparency.org/en/cpi/2020/index/pak , Zugriff 9.3.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

15.4.2021

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 24.06.2021

Zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 29.9.2020). In den meisten Teilen Pakistans werden Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in einem angemessenen Maße gewahrt (BS 29.4.2020). Die NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 29.10.2020). Die Regierung schränkt jedoch zunehmend die Arbeitsmöglichkeiten von NGOs ein, insbesondere von solchen, deren Arbeit Unzulänglichkeiten oder Verfehlungen der Regierung, des Militärs oder der Geheimdienste aufdeckt oder die zu Themen im Zusammenhang mit Konfliktgebieten oder Lobbyarbeit arbeiten. Diese Gruppen sehen sich mit zahlreichen Vorschriften in Bezug auf Reisen, Visa und Registrierung konfrontiert, die ihre Bemühungen um Programme und die Beschaffung von Mitteln behindern (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Zudem ist sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen die Arbeit nicht nur in den ehemaligen Stammesgebieten (FATA) sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen von Personen finden in fast allen Gebieten des Landes statt. Die unabhängige NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) schätzt, dass mindestens 2.100 politische Dissidenten und Rechtsaktivisten im Lande vermisst werden, obwohl die tatsächliche Zahl höher sein könnte (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021

• BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Pakistan, https://www.

ecoi.net/en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf , Zugriff 16.4.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 16.4.2021

 

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 24.06.2021

Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).

Dennoch kommt es regelmäßig zu Verletzungen der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte

wie z.B. die Schikanierung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, Anwälten und Journalisten, weil sie Regierungsbeamte und die Politik kritisierten. Die Behörden setzen drakonische Gesetze zur Terrorismusbekämpfung ein, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, und gehen streng gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen vor, die sich kritisch zu Regierungsmaßnahmen oder -politik äußern. Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender-Personen sind weiterhin Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, wobei die Behörden es oft versäumen, angemessenen Schutz zu bieten oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung versäumte es, die Strafverfolgungsbehörden für schwerwiegende Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen - selbst als neue Vorwürfe über Folter und außergerichtliche Tötungen aufkamen. Die pakistanischen Behörden gehen hart gegen Mitglieder und Anhänger von Oppositionsparteien vor. Mehrere Oppositionsführer - darunter ehemalige Staatsoberhäupter und Kabinettsminister - werden weiterhin wegen politisch motivierter Korruptionsvorwürfe strafrechtlich verfolgt (HRW 13.1.2021).

Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet. Bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle (AA 29.9.2020). Der Einsatz von Verschwindenlassen zur Bestrafung von Dissens kommt immer verbreiteter zur Anwendung, wobei auch schon Menschen von Geheimdiensten am helllichten Tag aus städtischen Zentren entführt wurden. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, Studenten und Journalisten, die außerhalb ihrer Gemeinschaften kaum bekannt waren (AI 7.4.2021; vgl. HRCP 4.2020). Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu Menschenrechtsproblemen bei - wenn auch in geringerem Maße als vor 2020. Nichtsdestotrotz tragen Gewalt, Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nichtstaatliche Akteure, zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei. Es mangelte an staatlicher Rechenschaftspflicht, und Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob offiziell oder inoffiziell - fördert. Die Behörden bestrafen nur selten Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 30.3.2021). Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 neu eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 30.3.2021). Die COVID-19-Pandemie stellt die wirtschaftliche und soziale Lage im Land vor neue Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird das Vorgehen gegen Beschäftigte im Gesundheitssektor genannt. Nach friedlichen Protesten wegen der Zustände in den Krankenhäusern wurden mehrere Dutzend Personen für mehrere Stunden vorübergehend festgenommen: allein am 6. April 2020 etwa mehr als 50 Menschen nach friedlichen Protesten in Quetta (Belutschistan). Auch war diese Personengruppe an ihrem Arbeitsplatz gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Des Weiteren wird die Verfolgung von religiösen Minderheiten nach den Blasphemiegesetzen genannt, sowie die von nichtstaatlichen Akteuren verübten, strafrechtlich häufig nicht verfolgten, gewaltsamen Übergriffe aus religiösen Motiven oder wegen des Geschlechts (BAMF 19.4.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021

• AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument

/2048601.html , Zugriff 22.4.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes,

https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=ab7209f5eb&country%5B%5D=pak&c

ountryOperator=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y

&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 14.5.2021

• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri

ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 30.4.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 10.3.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

22.4.2021

 

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 24.06.2021

Das Gesetz sieht Meinungsfreiheit vor, auch für die Presse, aber es gibt verfassungsmäßige Einschränkungen. Darüber hinaus führen Drohungen, Schikanen, Entführungen, Gewalt und Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur üben (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Ein Klima der Angst behindert weiterhin die Medienberichterstattung über Übergriffe sowohl der staatlichen Sicherheitskräfte als auch militanter Gruppen. Journalisten, die Drohungen und Angriffen ausgesetzt sind, haben zunehmend zur Selbstzensur gegriffen. Medien werden von den Behörden unter Druck gesetzt, Regierungsinstitutionen oder die Justiz nicht zu kritisieren. In mehreren Fällen im Jahr 2020 blockierten staatliche Aufsichtsbehörden Kabelbetreiber und Fernsehsender, die kritische Programme ausgestrahlt hatten (HRW 23.1.2021; vgl. RSF 20.4.2021). Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben zwar den Bürgern, öffentlich Kritik an der Regierung zu üben, aber Gerichtsentscheidungen haben die Verfassung dahingehend ausgelegt, dass Kritik am Militär und an der Justiz verboten sei (USDOS 30.3.2021). Der Einfluss des militärischen Establishments und des Nachrichtendienstes (ISI) hat zugenommen. Es hat viele Fälle von Zensur gegeben. Journalisten, die Themen aufgriffen, die vom Militär als tabu erachtet wurden, wurden vom Nachrichtendienst (ISI) organisierten Schikanierungskampagnen ausgesetzt (RSF 20.4.2021). Generell gibt es eine Vielzahl von Einzelinterventionen im Medienbereich und gegen einzelne unliebsame Journalisten. Unabhängige Berichterstattung aus Gebieten, in denen sich die pakistanische Armee oder Geheimdienste im Einsatz befinden, wird grundsätzlich stark reglementiert oder unterbunden. Dies gilt zuletzt besonders für die früheren Stammesgebiete FATA. Das Militär und Geheimdienste zwingen Journalisten zu Selbstzensur (AA 29.9.2020; vgl. ÖB 12.2020). Die Behörden haben die Kontrolle über Medien verschärft. Medienmitarbeiter berichten über zunehmende Nötigung und Zensur. Zwar wurde dies seitens der Regierung verneint, Journalisten, die kritische Beiträge veröffentlichen, sind jedoch Schikanen, Einschüchterungen, Zensur und sogar Verhaftungen ausgesetzt (AI 7.4.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Internet und soziale Medien haben in den vergangenen Jahren weiteren Raum für eine kritische journalistische Debatte geschaffen, die jedoch zunehmend eingeschränkt wird. Im Rahmen des seit 2016 geltenden und sehr vage gefassten Prevention of Electronic Crimes Act 2016 ist die Pakistan Telecommunication Authority (PTA) befugt, jegliche Inhalte zu löschen, die im Sinne des Gesetzes als falsch erachtet werden. Dazu gehören u.a. Inhalte, die sich gegen den Islam, gegen die Integrität, Sicherheit und Verteidigung Pakistans richten bzw. bei Hassreden. Von diesen Befugnissen, insbesondere zur Blockade von Internetseiten, macht die pakistanische Regierung umfangreich Gebrauch. Ende Jänner 2020 beschloss die Regierung neue, restriktive Richtlinien zur Kontrolle sozialer Medien (AA 29.9.2020). Angriffe auf Journalisten gehen primär von Extremisten aber auch regelmäßig von staatlichen Akteuren aus. Besonders seitens des Militärapparats wird (gelegentlich in Verbindung mit Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung) Druck auf Medien ausgeübt. Trotzdem werden pakistanische Medien in der tagespolitischen Berichterstattung unter den freiesten in Asien eingestuft

(ÖB 12.2020). Um im pakistanisch verwalteten Kaschmir zu publizieren, mussten die Medienbesitzer die Erlaubnis des Kaschmir-Rates und des Ministeriums für Kaschmir-Angelegenheiten einholen, und

die Journalisten mussten sich weitgehend auf Informationen verlassen, die von der Regierung und dem Militär bereitgestellt wurden. Es gab Beschränkungen für die Übertragung von Inhalten indischer Medien (USDOS 30.3.2021). Blasphemiegesetze schränken das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf Angelegenheiten der Religion und der religiösen Lehre ein. Nach dem Strafgesetzbuch beinhalten die Strafen für eine Verurteilung wegen Blasphemie die Todesstrafe für „Schändung des Propheten Mohammed“, lebenslange Haft für „Schändung, Beschädigung oder Entweihung des Korans“ und 10 Jahre Haft für „Beleidigung der religiösen Gefühle eines anderen“. Die Gerichte setzen die Blasphemiegesetze auch durch, und obwohl die Behörden noch keine Person wegen Blasphemie hingerichtet haben, führen Anschuldigungen wegen Blasphemie oft zu Selbstjustiz

und Lynchjustiz durch den Mob. Die Regierung schränkt einige sprachliche und symbolische Äußerungen auf der Grundlage der Bestimmungen über Hassreden und Terrorismus ein (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,

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• RSF - Reporters Sans Frontières (20.4.2021): RSF 2021 Index: Censorship and disinformation

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Zugriff 27.4.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

22.4.2021

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 24.06.2021

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, können aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden (USDOS 30.3.2021). Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung oder durch Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 29.9.2020). Die HCRP (Human Rights Commission of Pakistan) berichtet von Hindernissen Gewerkschaften zu gründen, Beschränkungen und Möglichkeiten der Auflösung von Streiks und der Möglichkeit seine Arbeit zu verlieren, was die gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern auf allen Ebenen erschwert. Infolgedessen blieb der Spielraum für Tarifverhandlungen über menschenwürdige Löhne und sichere Arbeitsbedingungen begrenzt (HRCP 30.4.2020; vgl. FH 2020). Das Versäumnis der Regierung, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und friedliche Demonstranten zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, führt de facto zu Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020)

Obwohl für die ehemaligen FATA derselbe Rechtsrahmen gilt wie für den Rest des Landes, verhängen die zivilen und militärischen Behörden weiterhin Kollektivstrafen im Rahmen der Westpakistanischen Verordnung zur Aufrechterhaltung des Friedens und von Abschnitt 144 des Strafgesetzbuches. Diese Regeln ermöglichen es den Behörden effektiv, die langjährige Praxis der Aussetzung des Versammlungs- und Rederechts in den neu zusammengelegten Gebieten fortzusetzen (USDOS 30.3.2021). Im Laufe des Jahres 2019 schränkten die Behörden die Versammlungsfreiheit für einige Gruppen ein, obwohl sie sich gegenüber anderen Demonstrationen, einschließlich der Demonstrationen der politischen Opposition und der religiösen Rechten, als relativ tolerant erwiesen (FH 2020). So ist es beispielsweise den Ahmadi-Muslimen im Allgemeinen untersagt, Konferenzen und Versammlungen abzuhalten (USDOS 30.3.2021).

 

Opposition

Politische Parteien können weitgehend frei operieren. Jedoch üben Militär und Geheimdienste Druck auf unllebsame Parteien aus – so etwa vor den Nationalversammlungswahlen. Mehrere große Parteien, zahlreiche kleinere Parteien und Unabhängige nehmen an den Wahlen teil und sind im Parlament und in den Provinzparlamenten vertreten. Die politische Opposition wird nicht eingeschränkt. Allerdings werden politische Auseinandersetzungen mitunter auch mit Gewalt ausgetragen (FH 2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Regierung setzte im Laufe des Jahres 2020 ihre Korruptionsuntersuchungen und die selektive strafrechtliche Verfolgung von Führern oppositioneller politischer Parteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 23.1.2021, AA 29.9.2020). Insgesamt hat der Staat den Raum zur öffentlichen kritischen Debatte und für die Zivilgesellschaft in Pakistan weiter eingeschränkt („shrinking space“). Aktuelles Beispiel ist der Umgang mit der PTM („Bewegung zum Schutz der Paschtunen“), die sich im Frühling 2018 als friedliche

Protestbewegung gegen die Diskriminierung von Paschtunen in Pakistan formiert hatte. Der Sicherheitsapparat geht teils mit harter Hand gegen die Bewegung vor, immer wieder kommt es zu zeitweiligen Verhaftungen ihrer Führer (AA 29.9.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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• FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhou

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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (30.4.2020): State of Human Rights in

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• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

15.4.2021

 

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 24.06.2021

DieBedingungen in den Gefängnissen sind oft extrem schlecht. Überbelegung bleibt ein ernstes Problem, vor allem aufgrund struktureller Probleme im Strafrechtssystem, die wiederum zu einer hohen Rate an Untersuchungshäftlingen führen. Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden waren im August 2020 landesweit 82.139 Gefangene in 116 Gefängnissen inhaftiert. Die vorgesehene Kapazität dieser Gefängnisse beträgt 64.099, womit die Belegung 28% über der Kapazität liegt (USDOS 30.3.2021). Die Gefängnisse in Pakistan sind nach wie vor sehr stark überbelegt, mit einer Belegungsrate von 133,8%. Der Anteil der Untersuchungs- und Strafgefangenen an der gesamten Gefängnispopulation beträgt 62,1%. Überbelegung, unhygienische Bedingungen und schlechte medizinische Einrichtungen für Gefangene blieben ein ständiges Problem, was ihre Anfälligkeit für Tuberkulose, HIV/AIDS und Hepatitis, neben anderen Krankheiten (HRCP 2020). Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind also generell sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und der NGO HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Die medizinische Versorgung ist auch hinsichtlich der Behandlung psychisch kranker Häftlinge unzureichend (AA 29.9.2020). Die unzureichende Ernährung und medizinische Versorgung in den Gefängnissen führt weiterhin zu chronischen Gesundheitsproblemen. Unterernährung bleibt ein Problem, insbesondere für Insassen, die nicht in der Lage sind, ihre Ernährung durch Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind die sanitären Anlagen, die Belüftung, die Beleuchtung und der Zugang zu Trinkwasser unzureichend (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020). Im Laufe des Jahres 2020 setzten die Gefängnisabteilungen von Punjab, Sindh und Khyber Pakhtunkhwa den Bau ihrer eigenen Gefängnisakademien fort und konzentrierten sich dabei auf moderne Gefängnismanagementtechniken, die die Menschenrechte fördern und gewalttätigem Extremismus entgegenwirken (USDOS 30.3.2021). Es gibt Ombudspersonen für Gefangene, mit einer Zentralstelle in Islamabad und Büros in jeder Provinz. Die Generalinspektoren der Gefängnisse besuchen in unregelmäßigen Abständen die Haftanstalten, um die Bedingungen zu überwachen und Beschwerden zu bearbeiten. Laut Gesetz müssen die Gefängnisbehörden den Gefangenen und Inhaftierten erlauben, sich ohne Zensur bei den Justizbehörden zu beschweren und eine Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe über unmenschliche Bedingungen zu verlangen. Es gibt jedoch Berichte, wonach Gefangene davon absehen, Beschwerden einzureichen, um Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden zu vermeiden. Internationalen Organisationen wird der Zugang zu Gefängnissen in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan untersagt (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2020): State of Human Rights in 2019,

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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

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14.4.2021

 

Todesstrafe

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die Todesstrafe wird in Pakistan vollstreckt. Der Staat veröffentlicht keine offizielle Statistik zur Todesstrafe. Die Todesstrafe kann bei 27 verschiedenen Straftatbeständen verhängt werden, darunter Blasphemie, Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als einem Kilogramm Rauschgift, Vergewaltigung und terroristischer Anschlag mit Todesfolge. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen. Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Im Falle der Aburteilung ziviler Terrorverdächtiger hat sich der Oberste Gerichtshof durch Entscheidung vom 5.8.2015 das Recht vorbehalten, Urteile der Militärgerichte nach bestimmten Kriterien zu überprüfen (AA 29.9.2020). In Pakistan wurden zum ersten Mal seit der Wiederaufnahme im Dezember 2014 keine Hinrichtungen gemeldet (AI 4.2021; vgl. HRCP 3.5.2021). Gemäß Daten aus Presseberichten wurde die Todesstrafe im Jahr 2020 an mindestens 177 Personen verhängt - ein deutlicher Rückgang gegenüber mindestens 578 Personen im Jahr 2019 (HRCP 3.5.2021). Auch Amnesty International verzeichnete im Jahr 2020 eine deutlich geringere Anzahl von Todesurteilen als in den Vorjahren - allerdings zählt die Organisation nur 49. Der Rückgang könnte mit einer Lücke in den Gerichtsverfahren aufgrund der Covid-19-Pandemie zusammenhängen. Zwei der registrierten Todesurteile wurden wegen „Blasphemie“ verhängt, 19 von Anti-Terrorismus-Gerichten und sieben von Model Criminal Trial Courts, speziellen Gerichten, die 2019 eingerichtet wurden, um den Rückstau an Strafverfahren abzuarbeiten (AI 4.2021. Am 17. Juni hob das Oberste Gericht von Peshawar die Verurteilungen von 196 Personen auf, die von Militärgerichten angeklagt und in den meisten Fällen zum Tode verurteilt worden waren (AI 4.2021). Das Gesetz verbietet die Anwendung der Todesstrafe für Minderjährige, dennoch verurteilen Gerichte Kinder nach dem Antiterrorismusgesetz zum Tode. Dabei erschwert der Mangel an zuverlässigen Unterlagen die Bestimmung des Alters möglicher Minderjähriger (USDOS 30.3.2021). Seit 1990 verbietet § 295 PPC (Pakistan Penal Code) das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, die Entweihung des Korans und die Beleidigung des Propheten Mohammed. Diese Rechtsnorm sieht selbst bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. Oftmals wird erstinstanzlich auf Druck von Extremisten die Todesstrafe verhängt, diese wurde bislang jedoch noch nie vollstreckt und häufig durch ein höheres Gericht wieder aufgehoben (AA 29.9.2020). Die Regierung stellt einen staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt sind, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. In anderen Fällen bietet sie keine regelmäßige rechtliche Vertretung an. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, bei welchen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen geht, versäumen es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

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• AI - Amnesty International (4.2021): Death Sentences and Executions 2020, https://www.

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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.5.2021): State of Human Rights in 2020,

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• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

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30.4.2021

 

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 24.06.2021

Laut provisorischer Volkszählung von 2017 sind 96% der ca. 210 Millionen Einwohner Pakistans Sunniten oder Schiiten. Laut Regierungsangaben setzen sich die restlichen 4% aus Ahmadi Muslimen, Christen, Hindus, Zoroastriern, Bahai, Sikhs, Buddhisten, Kalasha, Kihal und Jainisten zusammen. Ca. 80-85% der muslimischen Einwohner Pakistans sind Sunniten und 15-20% Schiiten (USDOS 10.6.2020; vgl. CIA 4.5.2021). Laut Verfassung sind Angehörige der Qadiani oder der Lahori-Gruppe (Ahmadis) keine Muslime (USDOS 10.6.2020; vgl. ACCORD 3.2021). Artikel 2 der pakistanischen Verfassung erklärt den (sunnitischen) Islam zur Staatsreligion. Artikel 227 der pakistanischen Verfassung bindet das Rechtssystem an das islamische Recht. Der Shari’ah Act 1991 hat die Scharia zum höchsten Gesetz in Pakistan gemacht. Somit sind alle Gesetze in Pakistan im Einklang mit der Scharia auszulegen (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen und diese auch zu wechseln. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung (AA 29.9.2020). Allerdings werden Mitglieder von religiösen Minderheiten regelmäßig Opfer von religiös motivierten Übergriffen, die vor allem von sunnitisch-extremistischen Gruppierungen verübt oder veranlasst werden. Die Provinzen Belutschistan und Sindh verzeichnen die meisten Vorfälle. Radikal-islamistische Gruppierungen in Pakistan stellen nicht die einzige Gefahr für religiöse Minderheiten dar. Diese sehen sich zusätzlich einer existenziellen Bedrohung durch Organisationen ausgesetzt, die religiöse Intoleranz politisch instrumentalisieren, indem sie Anschuldigungen wegen Verstoßes gegen Religionsstraftaten, wie etwa die in Pakistan strafbare „Prophetenbeleidigung“ oder Gotteslästerung (Blasphemie), auffallend häufig gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorbringen. Die zumeist haltlosen Anschuldigungen haben nicht nur strafrechtliche Verfolgung und teilweise jahrelange schuldlose Inhaftierung zur Konsequenz, sondern

werden auch zum Anlass genommen, Menschenmengen gegen die Beschuldigten oder deren Gemeinschaft zu mobilisieren (BAMF 5.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Die Bestimmungen des Blasphemie-Gesetzes gelten weiterhin. Diese bieten einen Vorwand für Gewalt gegen religiöse Minderheiten und macht letztere anfällig für willkürliche Verhaftung und Verfolgung. Auf Blasphemie steht zwingend die Todesstrafe, und Ende 2020 saßen immer noch 40 Menschen in der Todeszelle. Mitglieder der Ahmadia-Religionsgemeinschaft sind nach wie vor ein Hauptziel für Verfolgungen nach den Blasphemiegesetzen sowie nach speziellen Anti-Ahmadi-Gesetzen. Militante Gruppen und die islamistische politische Partei Tehreek-e-Labbaik (TLP) beschuldigen Ahmadis, sich „als Muslime auszugeben“. Das pakistanische Strafgesetzbuch wiederum erachtet „sich als Muslime ausgeben“ als Straftatbestand. Im Mai 2020 schloss die Regierung Ahmadis von der neuen Nationalen Kommission für Minderheiten aus, welche eigentlich die Rechte der Minderheiten des Landes schützen soll (HRW 13.1.2021; vgl.GIZ 9.2020). Während die vagen und weit gefassten Blasphemiegesetze in den vergangenen Jahren dazu benutzt wurden, die am stärksten marginalisierten Menschen in der Gesellschaft ins Visier zu nehmen, wurde ihre Anwendung 2020 auf Künstler, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ausgeweitet (AI 7.4.2021). Für Apostasie – Abfall vom Islam – gibt es in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung. Allerdings wird Apostasie von vielen Klerikern als Form der Blasphemie erachtet und kann daher die Todesstrafe nach sich ziehen. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie in keiner Weise (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 10.6.2020, BAMF 5.2020). Die systematische Durchsetzung von Blasphemie- und Anti-Ahmadiyya-Gesetzen und das Versäumnis der Behörden, auf Zwangskonversionen religiöser Minderheiten - einschließlich Hindus, Christen und Sikhs - zum Islam einzugehen, schränkt die Religions- und Glaubensfreiheit stark ein (USCIRF 4.2020).

Die Regierung setzt ihren 2014 begonnenen National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus und sektiererischen Extremismus und Hassreden fort. Organisationen der Zivilgesellschaft und Religionsführer erklären, dass sich die Sicherheit an religiösen Orten durch verstärkte Schutzmaßnahmen der Sicherheitskräfte wesentlich gebessert hat. Die US-Regierung setzt die Ausbildung für Polizeibeamte bezüglich Menschenrechte und dem Umgang mit religiösen Minderheiten fort (USDOS 10.6.2020). Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen. Die Religionszugehörigkeit wird in Reisepässen angegeben und das religiöse Bekenntnis muss am Antragsformular für Identitätskarten angegeben werden (USDOS 10.6.2020). Gemäß Verfassung dürfen Personen bei der Anstellung im öffentlichen Dienst nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Im Bundesdienst gilt eine 5%-Quote für Minderheiten. Diese Quote wird laut Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt. Die meisten Minderheitengruppen berichten dementsprechend von Diskriminierungen bei Anstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst sowie bei der Aufnahme an Hochschulen. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, allerdigs steigen Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in einen höheren Dienstgrad als Oberst auf. Minderheitenvertreter berichten, dass die Regierung bei der Sicherung von Minderheitenrechten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent ist und Minderheiten vor gesellschaftlicher und staatlicher Diskriminierung nicht ausreichend geschützt werden (USDOS 10.6.2020). Der Oberste Gerichtshof richtete einen Sondergerichtsausschuss zwecks Anhörung von Petitionen im Zusammenhang mit Rechten von Minderheiten ein und ernannte einen Kommissar, der die Umsetzung von Urteilen durch den Gerichtshof selbst überwachen soll. Während das Ministerium für Recht und Justiz offiziell für die Gewährleistung der gesetzlichen Rechte aller Bürger verantwortlich ist, übernimmt das Ministerium für Menschenrechte in der Praxis weiterhin die Hauptverantwortung für den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten. Die National Commission on Human Rights (NCHR) ist ebenfalls mit der Untersuchung von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen beauftragt. Sie hat aber zu wenig Macht, um Forderungen durchzusetzen. Zudem blieb die NCHR für eine zweite Amtszeit von vier Jahren ohne neues Mandat und am Jahresende 2019 ohne neue Kommissare (USDOS 10.6.2020). Nach Angaben der Nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (NCJP) haben sich während der COVID-19-Pandemie Vorfälle gehäuft, bei denen Christen und andere religiöse Minderheiten bei der Verteilung von Schutzausrüstungen und humanitären Hilfen benachteiligt worden sind. Aus entsprechenden Berichten geht hervor, dass islamische Organisationen und Moscheegemeinden Christen bei der Verteilung von Lebensmitteln und anderen Nothilfen in ländlichen Gebieten der Provinz Punjab zurückgewiesen hätten. Am 5. Mai 2020 hat die Nationalversammlung die Gründung einer Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities, NCM) beschlossen. Diese soll für die Überwachung der Rechte von religiösen Minderheiten im muslimischen Land zuständig und Anlaufstelle für Beschwerden sein. Auch kann diese Kommission, die aus Interessenvertretern der Christen, Hindus, Sikhs, Zoroastern und Anhängern der polytheistischen Religion der Kalasha besteht, Gesetzesvorschläge einbringen. Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinschaft, die Schätzungen zufolge bis zu fünf Millionen im Land lebende Mitglieder hat, sind hingegen nicht vertreten. Zur Begründung wurde von staatlicher Seite ausgeführt, dass Ahmadis nicht als „Minderheit“ zu definieren seien (BAMF 5.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

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• HRW - Human Rights Watch (23.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

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Muslime

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die beiden Hauptzweige des Islams, das Schiitentum und das Sunnitentum, teilen sich in Pakistan in mehrere Untergruppen auf. Bei den Sunniten sind dies die Barelvis [auch Ahle Sunnat wal Jama’at] mit ungefähr 60 % Anteil; die Deobandis mit ungefähr 35 % und mit ca. 5 % die Ahl-e Hadith (Salafi). Religiöse Intoleranz und Gewalt findet auch zwischen den muslimischen Denominationen und innerhalb der sunnitischen Konfession statt, z. B. zwischen der Barelvi-Sekte, die erheblichen Sufi-Einfluss aufweist und der Deobandi-Sekte, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014; vgl. ACCORD 3.2021). Die schiitische Bevölkerung Pakistans wird auf 20 bis 50 Millionen Menschen geschätzt. Die Mehrheit der Schiiten in Pakistan gehört den Zwölfer-Schiiten an, andere Subsekten sind Nizari-Ismailiten, Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Die Schiiten sind im ganzen Land verteilt und stellen in der semi-autonomen Region Gilgit-Baltistan die Bevölkerungsmehrheit. Viele urbane Zentren in Pakistan beheimaten große Schia-Gemeinden. Manche Schiiten leben in Enklaven in den Großstädten, sind aber ansonsten gut integriert (UKHO 6.2020). Mitglieder der schiitischen Bevölkerungsgruppen, insbesondere der ethnischen Hazara, werden durch die mit den Sicherheitsmaßnahmen einhergehenden Einschränkungen, die wegen der auf sie verübten Übergriffe getroffen worden sind, erheblich in ihrem Alltagsleben eingeschränkt. In Quetta, der Hauptstadt der Provinz Belutschistan, leben Hazara in „Hazara Town“ genannten Enklaven. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen und der damit einhergehenden faktischen Abgeschiedenheit herrschen dort prekäre Verhältnisse, die zusätzlich von ökonomischer Ausbeutung gekennzeichnet sind (BAMF 5.2020). Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder körperlich noch sprachlich von den Sunniten. Schiitische Muslime dürfen ihren Glauben frei ausüben. Es gibt keine Berichte über systematische staatliche Diskriminierung gegen Schiiten. Schiiten sind in der Regierung und im öffentlichen Dienst gut vertreten (UKHO 6.2020). Die öffentliche Wahrnehmung von Schiiten in Pakistan ist tendenziell besser als in manchen Ländern des Mittleren Ostens und des Maghreb mit mehrheitlich sunnitischer Bevölkerung. Allerdings werden Schiiten von einem nicht unerheblichen Bevölkerungsanteil - tendenziell Deobandis - und radikal-islamistischen sunnitischen Gruppierungen als Glaubensabtrünnige bzw. Ungläubige angesehen (BAMF 5.2020). Obwohl der Terrorismus in den letzten Jahren zurückgegangen ist, bleibt Pakistan eine Basis für extremistische Gruppen wie die pakistanischen Taliban und Lashkar-e-Jhangvi. Diese Gruppen haben neben Nicht-Muslimen oft auch schiitische und sufische Muslime im Visier (USCIRF 4.2020). Religiös/konfessionell motivierte bzw. intrakonfessionelle Gewalt führen weiterhin zu zahlreichen Todesfällen. Die meisten Opfer finden sich unter schiitischen und sunnitischen Muslimen, die von radikalen sunnitischen oder anderen islamistischen Terrororganisationen attackiert werden. Zu vielen Anschlägen auf Schiiten bekennt sich die radikal-sunnitische, antischiitische Terrororganisation Lashkar-e-Jhangvi (AA 29.9.2020; vgl. UKHO 6.2020). Es gibt zwar keine Berichte über eine systematische Diskriminierung schiitischer Muslime durch den Staat, aber es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen während der Muharram (islamische religiöse Feier) im Zusammenhang mit Verstößen gegen die öffentliche Ordnung (UKHO 6.2020). Einige Bundes- und Provinzbehörden schränken rund um das schiitische Muharram-Fest die Bewegungsfreiheit von Klerikern, die dafür bekannt sind, konfessionelle Gewalt zu propagieren, ein (USDOS 10.6.2020; vgl. HRCP 3.2019). Rund um schiitische Prozessionen in größeren Städten in den Provinzen Punjab, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan kommen zusätzliche Sicherheitskräfte zum Einsatz - darunter etwa auch für schiitische Hazara-Gemeinschaften in Quetta (USDOS 10.6.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 11.5.2021

• ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation

(3.2021): Pakistan: Religious Minorities, https://www.ecoi.net/en/file/local/2047750/ACC

ORD-Pakistan-Religious-Minorities-March-2021.pdf , Zugriff 11.5.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport

24 Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031016/laenderreport-24-pakistan.pdf ,

Zugriff 11.5.2021

• BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation [Österreich]

(10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives, https://www.ecoi.net/en/file/local

/1095862/1729_1413272641_pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021

• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-201

8-English-1.pdf , Zugriff 11.5.2021

• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note

Pakistan: Shia Muslims, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background

_and_IFA-CPIN-v1.0_June_2020_.pdf , Zugriff 11.5.2021

• USCIRF - US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): United

States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2028972/Pakistan.pdf , Zugriff 11.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious

Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031283.html , Zugriff am

11.5.2021

 

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 24.06.2021

Pakistan hat eine pluralistische Gesellschaft mit unzähligen religiösen und ethno-linguistischen Identitäten. Die pakistanischen Minderheiten lassen sich im Wesentlichen in die Kategorien „ethnisch

und sprachlich“ sowie „religiös“ einteilen. Der Begriff „Minderheit“ wird in der Verfassung der Islamischen Republik Pakistan von 1973 an mehreren Stellen verwendet, es gibt jedoch keine Definition dieses Begriffs. Aufeinanderfolgende Bundesregierungen haben die Position vertreten, dass Minderheiten innerhalb Pakistans notwendigerweise religiös sind und dass es keine ethnischen oder sprachlichen Minderheiten oder indigene Völker gibt. Zu den ethnischen Minderheiten, die auch offiziell anerkannt sind, gehören Sindhis (14,1%), Paschtunen oder Pakhtuns (15,42%, Volkszählung 2006), Mohajirs (7,57%), Belutschen (3,57%). Zu den religiösen Minderheiten gehören Christen (1,59%, Volkszählung 1998), Ahmadis (0,22%, Volkszählung 1998), Hindus (1,6%, Volkszählung 1998), Schiiten, Isma’ilis, Bohras, Parsen und Sikhs. Zu den am stärksten marginalisierten Gruppen gehören die Hazaras, eine ethnische Gruppe mongolisch-türkischer Herkunft, die eine persische Sprache spricht (MRGI 6.2019). Vier große und zahlreiche kleine und kleinste ethnische Gruppen finden sich in Pakistan. Zu den großen gehören die Punjabis, Sindhis, Baluchis und Paschtunen. Soziale Beziehungen

und Gruppierungen sind in Pakistan stark vertikal, also hierarchisch orientiert. Typisch für das hierarchische Prinzip in südasiatischen Gesellschaften ist auch das Kastensystem, das zwar abgeschafft wurde, aber immer noch in der Gesellschaft vorzufinden ist. Besonders bei den Paschtunen in Khyber Pakhtunkhwa und den Baluchen in Baluchistan, aber auch in den Provinzen Sindh und Punjab, finden sich noch Stammesstrukturen, die zu hierarchischen Verhältnissen führen können (GIZ 9.2020).

 

Quellen:

• MRGI - Minority Rights Group International (6.2019): Pakistan, https://minorityrights.org/c

ountry/pakistan/ , Zugriff 12.5.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal

- Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ ,

Zugriff 12.5.2021

 

Paschtunen

Letzte Änderung: 24.06.2021

Viele Pakistanis assoziieren die Aktivitäten von Aufständischen im Land mit Paschtunen, die auf beiden Seiten der pakistanisch-afghanischen Grenze leben (DW 20.3.2017). Weil die pakistanische Taliban-Bewegung vornehmlich eine paschtunische Bewegung ist, sind viele Paschtunen durch eine Art Sippenhaft als „Islamisten“ oder „militante Kämpfer“ gebrandmarkt worden (EASO 10.2018). Zudem hegen Teile der pakistanischen Elite Ressentiments gegen die Paschtunen, weil diese zur Gründungszeit Pakistans separatistischen Bestrebungen anhingen. Dabei hat die Idee einer Vereinigung der paschtunisch besiedelten Gebiete zu einem „Groß-Paschtunistan“ unter den pakistanischen Paschtunen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Afghanistan kaum noch Anhänger (DW 20.3.2017). Im Zuge des Kampfes gegen islamistische Aufständische kam es seitens der Sicherheitskräfte zu einem ethnischen Profiling von Paschtunen, insbesondere von Angehörigen einkommensschwacher Gruppen (DW 20.3.2017). Im Rahmen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ kam es zu Übergriffen an sowie zu Verschleppungen und außergerichtlichen Tötungen von Paschtunen (EASO 10.2018). Im Jahr 2018 erlebte Pakistan den Aufstieg des Pashtun Tahafuz Movement (Pashtun Protection Movement / PTM). Diese Bürgerrechtsbewegung fordert Schutz und Rechte für die paschtunische Minderheit im Land. Hierzu gehören etwa die Aufklärung von außergerichtlichen Tötungen, ein Ende willkürlicher Angriffe und Misshandlungen, die Rückkehr verschwundener Personen und die Räumung von Landminen in den ehemaligen Stammesgebieten (EASO 10.2019; vgl. AI 27.5.2019; UKHO 12.2020). Der Bewegung PTM geht es vornehmlich um die Aufklärung von an Paschtunen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung begangenen Menschenrechtsverletzungen durch das Militär, vorwiegend im Gebiet entlang der afghanischen Grenze. Kritik am einflussreichen Militär ist in Pakistan jedoch heikel. Gegen Mitglieder des PTM wird nicht selten der Vorwurf der Terrorismusfinanzierung und Unterstützung der pakistanischen Taliban

(Tehreek-e-Taliban Pakistan, TTP) erhoben (BAMF 19.4.2021). Ab Frühjahr 2019 haben die pakistanischen Behörden ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert. Die Behörden setzen ihre Maßnahmen gegen Mitglieder der PTM fort. Es kam mitunter zur Folterung und zur Tötung von Führungsmitgliedern der PTM. In einem Fall, namentlich am 26.5.2019 in Nord-Waziristan, kam es bei einer Demonstration auch zur Tötung von 13 PTM-Demonstranten. Nach diesem Ereignis ging die Regierung hart gegen die PTM vor und verhaftete viele Führungskräfte der Gruppe sowie Unterstützer der Basis. PTM-Aktivisten konnten zwar viele dieser Verhaftungen vor Gericht erfolgreich anfechten; allerdings werden einige der danach Freigelassenen seither vermisst (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 27.5.2019). Im Laufe des Jahres (2020) mobilisierte die PTM ihre überwiegend ethnischen paschtunischen Anhänger zur Teilnahme an Sitzstreiks und Demonstrationen, um Gerechtigkeit zu fordern und gegen Übergriffe der staatlichen Sicherheitskräfte zu protestieren. Nach der Zusage der Regierung, 2019 härter gegen die PTM vorzugehen, ging die Zahl der Proteste und Kundgebungen landesweit zurück. Die PTM-Aktivisten arbeiteten weiter, wenn auch nach der Verhaftung der meisten der wichtigsten Anführer der Bewegung unter viel größerer Beobachtung (USDOS 30.3.2021; vgl. AI 27.5.2019).

 

Quellen:

• AI - Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings,

https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-kil

lings/ , Zugriff 12.5.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021): Briefing Notes

- Pakistan, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum

/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw16-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff

14.5.2021

• DW - Deutsche Welle (20.3.2017): Why Pakistan associates terrorism with Pashtuns and

Afghans, https://www.dw.com/en/why-pakistan-associates-terrorism-with-pashtuns-andafghans/

a-38024338 , Zugriff 14.5.2021

• EASO - European Asylum Support Office (10.2019): EASO Informationsbericht über das

Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019113/201

9_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf , Zugriff 12.5.2021

• EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das

Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/en/file/local/1446962/122

6_1539768050_pakistan-security-situation-2018.pdf , Zugriff 12.5.2021

53

• UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (12.2020): Country Policy and Information Note

Pakistan: Political parties and affiliation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041947/Pakis

tan-Political_parties_and_affiliation-CPIN.v1.0_December_2020_.pdf , Zugriff 14.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

12.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights

Practices 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html , Zugriff

14.5.2021

 

Blutfehden, Ehrverbrechen und andere relevante traditionelle Praktiken

Letzte Änderung: 24.06.2021

Blutracheist vor allem im ländlichen Bereich Pakistans noch immer ein verbreitetes Phänomen. Die meisten Fälle dürfte es in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa geben, Blutfehden kommen aber auch in den ländlichen Gebieten Sindhs und Punjabs vor. Auslöser für Blutfehden zwischen Familien sind Ehrverletzungen, die aus einem Mord eines Angehörigen, der Respektlosigkeit gegenüber einem weiblichen Familienmitglied, einer Beleidigung, Verletzung von Eigentumsrechten (Bewässerungskanäle, Land) etc. bestehen können. Das Konzept der Ehre (ghairat), das vor allem in der paschtunischen Bevölkerung Khyber Pakhtunkhwas besonders stark ausgeprägt ist, verlangt es, eine Ehrverletzung zu rächen. Blutfehden führen oft dazu, dass Familien über Generationen miteinander verfeindet sind und in ständiger Angst davor leben, dass eines ihrer Familienmitglieder aus Rache getötet wird (ÖB 12.2020). In den einstigen, seit 2018 in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliederten Stammesgebieten FATA, die bisher de facto nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen „Jirga“-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Während sich männliche Angeklagte mit Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden. 2017 wurde die Rechtsprechung in den Stammesgebieten jedoch dem

Peshawar High Court unterworfen. Der Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen in den ehemaligen Stammesgebieten und die Umsetzung des Reformprozesses stehen jedoch noch ganz am Anfang (AA 29.9.2020). Eine wesentliche Neuerung ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat). Bis zur Einführung des Gesetzes konnte die Familie der Ermordeten dem Täter vergeben, was zur automatischen Straffreiheit des Täters führte und damit einer strafrechtlichen Verfolgung entgegenstand. Der Implementierung der Anti Honour Killings Bill steht die große Bedeutung des informellen Justizwesens in vielen ländlichen und von Stammesstrukturen geprägten Teilen Pakistans entgegen (ÖB 12.2020). Das Gesetz über Ehrenmorde aus dem Jahr 2004 (Honour Killing Act), sowie das Gesetz zur Verhütung frauenfeindlicher Praktiken aus dem Jahr 2011 und das Strafrechtsänderungsgesetz (Straftaten im Namen oder unter dem Vorwand der Ehre) aus dem Jahr 2016 stellen „Ehrentötungen“ (Karo Mari) unter Strafe (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Unter „Ehrenmord“ wird der Mord an Männern oder Frauen verstanden, die beschuldigt werden, soziale Tabus gebrochen zu haben. Frauen und Mädchen, die beispielsweise angeblich Kontakt zu fremden Männern haben, eine unerlaubte Beziehung unterhalten, sich einer Zwangsheirat widersetzen oder vergewaltigt wurden, laufen Gefahr, von ihren Angehörigen getötet oder mittels ätzender Chemikalien schwer verletzt zu werden (BAMF 5.2020). Gemäß Angaben einer Quelle werden jedes Jahr etwa 1.000 Frauen bei sogenannten Ehrenmorden getötet (HRW 23.1.2021). Eine andere Quelle berichtet, dass trotz der bestehenden Gesetze 2020 Hunderte von Frauen Opfer sogenannter Ehrenmorde wurden. Viele Fälle werden zudem nicht gemeldet und bleiben ungestraft - nicht zuletzt, weil sich viele dieser Verbrechen innerhalb der Familie zutragen. In vielen Fällen gestatten die Behörden den an dem angeblichen „Ehrenverbrechen“ beteiligten Männern zu fliehen. Polizei und NGOs berichteten, dass

die zunehmende Berichterstattung in den Medien es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, gegen derartige Verbrechen vorzugehen (USDOS 30.3.2021). Blutfehden führen oft dazu, dass Familien über Generationen miteinander verfeindet sind und in ständiger Angst davor leben, dass eines ihrer Familienmitglieder aus Rache getötet wird. Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es üblich, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben. Die Zwangsverheiratung eines Mädchens kann dabei nicht nur als Sühne für einen erfolgten Mord, sondern auch für andere Ehrverletzungen, die von dessen Vater, Bruder oder Onkel begangen wurden, erfolgen. Der Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 stellt diese Praxis des badla-a-sulh (auch: wanni oder swara; Gabe eines Mädchens/einer Frau zur Beilegung

von Streitigkeiten) unter Strafe von bis zu sieben Jahren Haft. Auch Zwangsverheiratung ist darin mit bis zu sieben Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Trotz des Verbots ist die Praxis noch immer weit verbreitet. Es fehlen offizielle Statistiken, laut der NGO CAMP dürften aber 20% aller Fälle von Gewalt gegen Frauen auf swara/wanni zurückzuführen sein. Es gibt allerdings eine Reihe von NGOs, die sich um solche Frauen kümmern, sowie staatliche Einrichtungen wie Crisis Center for Women in Distress und Shaheed Benazir Bhutto Centers for Women, die jeweils einer kurzfristigen Erstbetreuung dienen, wie auch rund 200 Frauenhäuser (Dar-ul-Aman). Ferner können sich Opfer allenfalls direkt an die Human Rights Cell des Supreme Court wenden (ÖB 12.2020). Das Gesetz zur Bekämpfung der Ausbeutung und Diskriminierung von Frauen („Prevention of Anti-Women Practices Act“) vom 15.11.2011 zielt v.a. auf Zwangsehen, den Brauch der „Verheiratung mit dem Koran“ und den Ausschluss vom Erbrecht ab (AA 29.9.2020). Sogenannte „verbotene“ Eheschließungen (gegen den Willen der Eltern geschlossene Ehen bzw. Liebesehen; Anm.) sind gemäß pakistanischer Rechtsordnung gültig; auch Frauen können grundsätzlich ohne Einwilligung der Eltern heiraten. Arrangierte Ehen, die allerdings nicht mit Zwangsehen gleichzusetzen sind, sind besonders in ländlichen Gebieten sowie innerhalb der unteren Mittelschicht sowie der Arbeiter- und Bauernklasse nach wie vor üblich. Als Problem könnte sich bei diesen „verbotenen“ Ehen allerdings die Anwendung der Hudood Ordinances wegen Unzucht erweisen, wobei die Polizei hier häufig nicht auf den Schutz der Betroffenen,

sondern vielmehr auf deren Verfolgung bedacht ist. Es existieren in Pakistan keine Institutionen, die vom Staat dezidiert zum Schutz von Personen, die eine solche Art Ehe schlossen, eingerichtet wurden (ÖB 12.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020 ), https:

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n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Ländereport 24

Pakistan, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum

/Laenderreporte/2020/laenderreport-24-pakistan.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff

10.5.2021

• HRW- Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 10.5.2021

• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,

Zugriff 10.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

10.5.2021

 

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 24.06.2021

Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (USDOS 30.3.2021). Es gibt einige gesetzliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, den Arbeitsplatz oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. Die Behörden behindern in einigen Teilen des Landes aus Sicherheitsbedenken routinemäßig Reisen bzw. interne Bewegungen. Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt. Sie soll sowohl jene umfassen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellen, als auch jene, gegen die ein Gerichtsverfahren läuft. Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 3.3.2021). Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 30.3.2021). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).

 

Quellen:

• FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi

.net/de/dokument/2052851.html; Zugriff 9.6.2021

• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri

ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 10.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

10.5.2021

 

Meldewesen

Letzte Änderung: 24.06.2021

Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad haben ein System für die Registrierung der Bewohner. In den Provinzen Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und den ehemaligen FATA konnten laut IRBC keine Infos über solche Registrierungssyteme gefunden werden. In allen vier Provinzen besteht jedoch eine Meldepflicht. Die Gesetze werden allerdings nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Bezirksleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Bezirken verantwortlich (IRB 23.1.2018). Bei gemieteten Räumlichkeiten ist es die Pflicht des Mieters oder Vermieters oder auch des Immobilienhändlers, der Polizei zusammen mit dem Mietvertrag vollständige Angaben über den

Mieter zu machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRB 23.1.2018).

 

Quellen:

• PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.o

rg/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021

• IRB - Immigration and Refugee Board [Kanada] (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration

systems, including implementation; whether authorities share information on tenant regis-

63

tration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html , Zugriff

10.5.2021

 

IDPs

Letzte Änderung: 24.06.2021

In seinem „2020 Global Report on Internal Displacement“ gab das International Displacement Monitoring Centre (IDMC) an, dass sich die Gesamtzahl der konflikt- und gewaltbedingten Binnenvertriebenen in Pakistan zum 31. Dezember 2019 auf 106.000 beläuft. Daneben kommt es immer wieder zu innergemeinschaftlichen Konflikten, die ebenfalls Ursache von Vertreibungen sein können. Bis zum 9. Juli 2020 galten noch 16.780 Familien als vertrieben. Die meisten davon sind aus dem Stammesgebiet Nord-Waziristan gefolgt vom Stammesgebiet Khyber (EASO 10.2020). Seit 2008 kam es aufgrund von militanten Aktivitäten und Militäroperationen in Khyber Pakhtunkhwa und den ehemaligen FATA zu großen Bevölkerungsverschiebungen. Die Rückkehr wurde unter verbesserten Sicherheitsbedingungen fortgesetzt. Die Regierung und UN-Organisationen wie der UNHCR, UNICEF und das Welternährungsprogramm arbeiten zusammen, um den vom Konflikt Betroffenen zu helfen und jene zu schützen, die im Allgemeinen bei Gastfamilien, in gemieteten Unterkünften oder - in geringerem Umfang - in Lagern leben (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 12.2020). Rund ein Drittel der registrierten IDPs hatte Schätzungen von UNOCHA zufolge Anfang 2016 keinen Zugang zu Trinkwasser, zwei Dritteln fehlte es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betrafen die oft unzureichende Unterbringung, die mangelnden Bildungs- (69 % der minderjährigen IDPs gehen nicht zur Schule) und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die ungenügende Infrastruktur (Stromversorgung, sanitäre Einrichtungen, etc.). Aktuelle Zahlen dazu liegen nicht vor, aufgrund der großen Zahl an Rückkehrern kann aber von einer Verbesserung der humanitären Lage ausgegangen werden (ÖB 12.2020). Es gibt keine Berichte über unfreiwillige Rückkehrer. Berichten zufolge wollen viele Binnenvertriebene in ihre Heimat zurückkehren, trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur, Unterkünften und verfügbaren Dienstleistungen sowie der strengen Kontrolle, die die Sicherheitskräfte durch umfangreiche Kontrollpunkte über die Bewegungen der Rückkehrer ausüben. Andere IDP-Familien zögern ihre Rückkehr hinaus oder entscheiden sich dafür, dass einige Familienmitglieder in den besiedelten Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa bleiben, wo ein regulärer Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und anderen sozialen Diensten möglich ist. Für Binnenvertriebene, die nicht zurückkehren wollen oder können, koordiniert die Regierung die Unterstützung mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen (USDOS 30.3.2021). Die geordnete Rückführung der IDPs in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 29.9.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb

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• EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_s

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• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,

Zugriff 7.5.2021

• USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human

Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff

7.5.2021

 

Grundversorgung

Letzte Änderung: 24.06.2021

In Pakistan gibt es über 63 Millionen Arbeitskräfte mit einer Arbeitslosenquote von fast 6%. Die Mehrheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist im Dienstleistungssektor (38%) und in der Landwirtschaft

(37%) beschäftigt. 60% der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert. Insgesamt arbeiten fast 72% der Erwerbstätigen im informellen Sektor. Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde durch Nachfrage- und Angebotsschocks als Folge der COVID-19-Krise hart getroffen. Das Center for Labor Research (CLR) schätzt die strukturelle Arbeitslosigkeit in Pakistan auf drei bis fünf Millionen, die temporäre Arbeitslosigkeit als Folge der Pandemie auf 10,5 Millionen (IOM 30.3.2021). Pakistan gehört zu den Entwicklungsländern, in denen die Urbanisierung schnell voranschreitet. In wirtschaftlicher Hinsicht führen das rasche Bevölkerungswachstum und Covid-19 zu steigendem Druck auf Ressourcen, Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommensverteilung, Armut und sozialen Schutz (IOM 30.3.2021). Derzeit machen der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel, der industrielle Sektor etwa ein Viertel, Handel und Dienstleistung ca. 50% des BIP aus. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40% der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60% der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020). Nach Angaben des Pakistan Bureau of Statistics stieg der Verbraucherpreisindex zwischen Mai 2019 und Mai 2020 um 8,2%. Die Lebensmittelinflation ist um 10,94% für städtische Verbraucher und 13,73% für ländliche Verbraucher seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie angestiegen. Insgesamt ist die Ernährungsunsicherheit sehr hoch - 20 bis 30% der Bevölkerung (40 bis 62 Millionen Menschen) sind in irgendeiner Form von Ernährungsunsicherheit betroffen. Schätzungsweise 36,43 Millionen Menschen sind dauerhaft und chronisch von Ernährungsunsicherheit bedroht. Weitere 2,45 Millionen Menschen könnten infolge widriger Umstände in Ernährungsunsicherheit geraten (IOM 30.3.2021). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (LIPortal 9.2020). Die pakistanische Regierung bietet Projekte zur Unterstützung von Arbeitslosen an, z. B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Es gibt auch eine Arbeitslosenunterstützung für Absolventen & MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen. Eine weitere Möglichkeit wird durch ein Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) geboten, um ein Unternehmen zu gründen, mittels Projekten, die jährlich von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken

angekündigt werden. Weiters gibt es für die Unterstützung von Arbeitslosen zwei bestehende Mechanismen: Das Tameer-e-Pakistan-Programm wird als Maßnahme zur Armutsbekämpfung initiiert, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; das Programm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021; vgl. IOM 2019). Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92% des Bruttoinlandsprodukts (LIPortal 9.2020). Im aktuellen Human Development Index 2020 von UNDP, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, liegt Pakistan auf Rang 154 (Rang 152 im Jahr 2019) (UNDP 15.12.2020).

 

Quellen:

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal

- Pakistan -Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan

/wirtschaft-entwicklung/#c39827 , Zugriff 7.5.2021

• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socioeconomic

situation in Pakistan, Email 30.3.2021

• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan

2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf , Zugriff

7.5.2021

• UNDP - United Nations Development Programme (15.12.2020): Human Development

Report 2020, http://hdr.undp.org/en/2020-report , Zugriff 31.3.2021

 

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die pakistanische Verfassung garantiert „soziale Gerechtigkeit“ für alle ohne Diskriminierung. Das DWCP (decent work country programme) (2016-22) soll die Herausforderung angehen, die bestehenden Sozialschutzsysteme zu erweitern und nachhaltiger zu gestalten. Die bestehenden Sozialschutzsysteme schließen die Beschäftigten in der informellen Wirtschaft aus indem sie nur die Bedürfnisse der Beschäftigten in der formellen Wirtschaft abdecken. Die am stärksten benachteiligten Gruppen - wie arme Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Wanderarbeiter - bleiben oft in einem andauernden Kreislauf von Armut und Verwundbarkeit gefangen (ILO o.D.). Auch wenn Pakistan bei der Armutsbekämpfung wichtige Fortschritte gemacht hat, gibt es weiterhin erhebliche Unterschiede in den Armutsraten zwischen ländlichen (30,7%) und städtischen Gebieten (12,5%), wobei die Armut in den städtischen Gebieten schneller zurückgegangen ist. Traditionelle Geldtransferprogramme hatten einen beträchtlichen Anteil an den Sozialschutzausgaben für Arbeitnehmer des formellen Sektors, und es gab eine erhebliche Verlagerung von Sicherheitsnetzen zu den Nicht-Armen (TWB 15.12.2020).

Auf Bundesebene wurde mit dem Benazir Income Support Programme Act (2010) BISP eine autonome Struktur etabliert, deren Umsetzungskompetenz sich auf das gesamte Land erstreckt. Das Planning & Development Department (P&DDs) jeder Provinz ist die Verwaltungsabteilung, die für die Koordination des Sozialschutzes in der Provinz verantwortlich ist. In allen vier Provinzen gibt es Sozialabteilungen, die für viele Initiativen im Zusammenhang mit der Pflege, der sozialen Fürsorge und der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Sozialschutzprogramme in Pakistan umfassen z.B. das Government Servants’ Pension-cum-Gratuity Scheme für Beamte, die Employees’ Old Age Benefits Institution (EOBI) mit Programmen wie dem Old Age Pension, Invalidity Pension, Survivors’ Pension and Old Age Grants. Weiters sind Einrichtungen wie der Workers’ Welfare Fund, Zakat and Ushr, welches Sozialhilfe für die Armen und Ausgegrenzten bietet, Bait-ul-Maal, welches finanzielle Unterstützung und Sachleistungen für die „bedürftigen Armen“, insbesondere für Minderheiten, die von Zakat nicht bedient wurden, bietet, und das BISP zu nennen (ILO 2019). Das BISP - Pakistans größte einzelne Sicherheitsnetz- und bedingungslose Geldtransferinitiative - konzentriert sich auf die Unterstützung und Stärkung armer Frauen (ILO 2019). Es zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch gestärkt werden (ILO 2017; vgl. TWB 15.12.2020). Die wohl bedeutendste Sicherheitsnetz-Initiative ist das bedingungslose Geldtransferprogramm der Bundesregierung im Rahmen des BISP. Dieses sieht einen Zuschuss von 1.600 PKR/Pakistanische Rupie (ca. 9 Euro) pro Monat für Haushalte vor, die im nationalen Register einen Wert von unter 16 PMT(Proxy Means Test-PMT; Berechnung zur Armutsschwelle) aufweisen (ILO 2019). Weitere verfügbare Leistungen sind Wohnkolonien für Arbeiter in Industriegebieten, die vom Workers’ Welfare Fund bereitgestellt werden. Konsumgüter werden im ganzen Land in speziellen Verkaufsstellen der Utility Stores Corporation und in den vom Workers’ Welfare Fund betriebenen Fair-Price-Shops in Industriegebieten zu ermäßigten Preisen angeboten (ILO 2019). Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (SSA o.D.). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019). Wie für Personen im erwerbsfähigen Alter gibt es auch für ältere Menschen in Pakistan keine universellen Systeme. Alle Staatsbediensteten erhalten bei Eintritt in den Ruhestand eine Rente, ebenso wie die Mitarbeiter von Unternehmen, die bei der Employees’ Old Age Benefits Institution (ESSI) registriert sind. Die ESSI der Provinzen bieten auch eine Renteneinrichtung für die Familien von Arbeitnehmern, die bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen. Die Sozialversicherungseinrichtungen der Provinzen für Arbeitnehmer bieten eine Reihe von Dienstleistungen für gering bezahlte Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen an. Finanziert durch eine Abgabe - d.h. eine zusätzliche Abgabe von 6-7% der Lohnsumme, die vom Arbeitgeber gezahlt wird - auf die Lohnsumme, die bei der Regierung hinterlegt wird, bieten die ESSIs Mutterschafts- und Krankheitsleistungen, Leistungen bei Invalidität und Verletzungen sowie Leistungen für Witwen/Witwer. Die Sozialämter in allen Provinzen verwalten eine Reihe von Diensten für bedürftige Erwachsene, darunter Zentren für Frauen, die Missbrauch und/oder häusliche Gewalt überlebt haben,

Heime für ältere Menschen und Heime für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Die Hochschulbildung wird von der Higher Education Commission (HEC) unterstützt, die eine Reihe von Stipendienprogrammen für Studenten aus entlegenen Gebieten und solche, die einen Bedarf an Unterstützung nachweisen können, finanziert. Mehrere Bait-ul-Maal-Programme sind ebenfalls relevant, wie z.B. finanzielle Unterstützung, Heiratszuschüsse und Bildungsstipendien – ebenso wie Bildungsstipendien, die von Zakat-Abteilungen angeboten werden (ILO 2019). Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft anhand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2019). Die Ausgaben für Pensionen sind im öffentlichen Sektor Pakistans recht hoch. Der pakistanische Entwurf des Nationalen Rahmenwerks für Sozialschutz nennt einen Wert von 3,9% des BIP für die Ausgaben für den Sozialschutz auf nationaler Ebene. Nach einer konservativen Schätzung belaufen sich die Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz in einem repräsentativen Jahr auf etwa 405,6 Mrd. PKR (ca. 2 Milliarden Euro). Insgesamt werden die

Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz durch das BISP dominiert. Zwei Komponenten des Programms (Bedingungslose Geldtransfers und Waseela-e-Taleem) machen fast 98% der Gesamtausgaben im Rahmen der föderalen Sozialhilfeprogramme aus (ILO 2019). Die Edhi Foundation ist - nach eigenen Angaben - die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edhi o.D.). Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Bezirken der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D). Tab.: Leistungsempfänger und Ausgaben für Sozialschutz auf Bundesebene (Anm.: Auf Provinzebene gibt es zusätzliche Programme) (ILO 2019)

 

Quellen:

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• ILO - International Labour Organization (o.D.): Social security in Pakistan, https://www.ilo.

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• ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in

Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamaba

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• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan

2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf , Zugriff

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• SSA - Social Security Administration [USA] (o.D.): Social Security Programs Throughout

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• WB - World Bank (15.12.2020): Responsive Social Protection Program and Systems to

Serve Pakistan’s Poorest People, https://www.worldbank.org/en/results/2020/12/09/re

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Zugriff 7.5.2021

 

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 24.06.2021

Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle in der Gesundheitsversorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen gekennzeichnet, mit einem Mangel an medizinischen Fachkräften, Krankenschwestern, Sanitätern

und qualifiziertem Gesundheitspersonal, insbesondere in den Randgebieten (TSOP 2020). Generell wurde einmehrstufiges System öffentlicher Gesundheitseinrichtungen eingerichtet. Dieses soll eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu minimalen Kosten auf ambulanter Basis bieten. Die Gesundheitsversorgung liegt in erster Linie in der Verantwortung der Provinzregierungen. Generell sollen die Leistungen in den Notfallzentren der Krankenhäuser kostenlos sein. Die Bundesregierung betreibt außerdem ein kostenloses Impfprogramm im ganzen Land und stellt ein Netzwerk von Lady Health Workers (LHWs) zur Verfügung. Diese Fachkräfte für die medizinische Grundversorgung arbeiten auf Gemeindeebene und bieten Beratung und grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen medizinische Grundversorgung, Familienplanung und Krankheitsprävention an. Während die offizielle Politik zur Gesundheitsversorgung in Pakistan bekräftigt, dass alle diese Leistungen verfügbar sein müssen, sind die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in der Praxis eher schlecht ausgestattet. Die Personalausstattung – insbesondere die Anwesenheit von Ärzten - ist in vielen Einrichtungen unsicher. Eine dringende Herausforderung ist der schlechte Zustand von Ausrüstung und Test- bzw. Analysemöglichkeiten (ILO 2019). Insgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, zu denen öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen gehören - wobei in den privaten, anders als in den öffentlichen, entsprechende Kosten für die Behandlung anfallen. Die von der Regierung neu ins Leben gerufene „Sehat Insaaf Card“-Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus dem unteren sozioökonomischen Sektor die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die „Sehat Insaaf Card“ ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag) und ist ein Jahr gültig. Die Karte deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021). Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73% der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57% in den Städten und 83% am Land (ILO 2017). Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019).

Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017). Als Reaktion auf die schlechte Qualität der Dienstleistungen in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen hat die Regierung Systeme der Sozialversicherung eingeführt, um die Bereitstellung der grundlegenden Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Das jüngste Beispiel ist das Prime Minister’s National Health Programme (PM-NHP), das 2018 in 23 Bezirken in Betrieb genommen wurde und auf 40 Bezirke ausgeweitet werden soll. Das Programm, das zwei Arten von Versicherungsschutz bietet, wird von der pakistanischen Provinzregierung und der Bundesregierung gemeinsam finanziert. Bis heute hat das Programm 1,5 Millionen Familien eingeschrieben. Das PM-NHP deckt Familien ab, die unter eine bestimmte Armutsgrenze im Haushaltsregister fallen. Letzteres wird von der wichtigsten Sozialschutzinitiative der Regierung, dem Benazir Income Support Programme, geführt. Die Programme zur Armutsbekämpfung - wie die Zakat-Initiative und Pakistan Bait-ul-Maal - bieten auch Unterstützung für die grundlegende Gesundheitsversorgung. Sie tun dies in Form von Mitteln, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden; die Krankenhäuser entscheiden dann ihrerseits, welche Patienten für die Versorgung in Frage kommen (ILO 2019). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 29.9.2020). In Punjab wurde im Februar 2019 mit der Verteilung von Krankenversicherungskarten in 36 Bezirken der Provinz begonnen. Die Krankenversicherung umfasst die Behandlung von acht Krankheiten (z.B. Kardiologie, Neurologie usw.) bis zu einem Grenzwert von 720.000 PKR (ca. 3.800 Euro). Die Krankenversicherung gilt sowohl für die öffentlichen als auch privaten Krankenhäuser (HRCP 4.2020). Es gibt staatliche Sozialleistungen für Angestellte in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern und bis zu einem Gehalt von 18.000 PKR (ca. 96 Euro) pro Monat (22.000 PKR/ca. 116 Euro in Punjab) sowie für von ihnen abhängige Personen. Ausgenommen von den Sozialleistungen sind Mitarbeiter in Familienbetrieben und Selbständige. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Eisenbahn sowie Mitglieder der Armee, der Polizei und der örtlichen Verwaltung gibt es eigene Systeme. Begünstigte erhalten allgemeinmedizinische Leistungen, Medikamente, Krankenhausbehandlungen und Krankentransporte. Während der Krankheit werden 75% des Gehalts weiterbezahlt (100% bei Tuberkulose und Krebs; in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa generell 50% Gehaltsfortzahlung). Die Begünstigung setzt sich bei Beendigung des Dienstverhältnisses für sechs Monate oder für die Dauer der Krankheit (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) fort (SSA 3.2019). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Baitul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.). Die nichtstaatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network betreibt landesweit 450 Kliniken, fünf Krankenhäuser sowie ein Universitätskrankenhaus in Karatschi und fördert zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, um den Zugang zur Grundversorgung zu verbessern (AKDN o.D.). In Pakistan sind etwa 400 qualifizierte Psychiater tätig. Die meisten Psychiater gibt es in Städten, obwohl im ganzen Land auch Stellen für Bezirkspsychiater geschaffen wurden. Der Mental Health Atlas 2017 der WHO berichtet, dass es nur vier große psychiatrische Krankenhäuser im Land gibt, mit 344 stationären Einrichtungen und 654 psychiatrischen Einheiten in allgemeinen Krankenhäusern (TSOP 2020). Der Mangel an Psychiatern in peripheren Regionen sowie die Kosten der Behandlung sind für durchschnittliche Menschen unleistbar (Dawn 13.5.2019; vgl. Dawn 15.7.2019). Die Telefonseelsorge Talk2Me ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar und führt 75-90 psychologische Beratungen pro Woche durch (Dawn 13.5.2019). Die Menschen sind aber eher zurückhaltend, wenn es darum geht, zu offenbaren, dass sie eine psychische Krankheit haben. Denn psychische Gesundheitsprobleme sind ein Tabuthema, über das man nicht spricht. Dies wirkt sich ungünstig auf die Qualität der Versorgung von Menschen aus, die an psychischen Krankheiten leiden. Scham aufgrund von psychischen Problemen sowie Vorurteile gegenüber Patienten und Familien halten Menschen davon ab, psychologische Hilfe und psychiatrische Versorgung in Anspruch zu nehmen (TSOP 2020). Zudem genießt die psychische Gesundheit keine hohe Priorität. Außerdem ist durchaus üblich, sich bei körperlichen oder psychischen

Erkrankungen an spirituelle oder traditionelle Heiler zu wenden, da die Menschen psychische Erkrankungen in der Regel als Folge übernatürlicher Einflüsse wahrnehmen. So genannte Glaubensheiler sind eine wichtige Quelle für die Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen in Pakistan, insbesondere für Frauen und Menschen mit geringer Bildung (TSOP 2020). Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (AA 29.9.2020). Tab.: Key initiatives for essential health care (ILO 2019)

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante

Lage in derIslamischen Republik Pakistan (Stand Juni 2020), https://www.ecoi

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l-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stan

d_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.5.2021

• AKDN - Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan – Health, https://www.akdn.org

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• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-201

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• IJARP - International Journal of Advanced Research and Publications (10.2017): Healthcare

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Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamaba

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• Kujri Zohra, Zahra Shaheen Premani, Yasmin Mithani (2016): Analysis of the Health Care

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• PBM - Pakistan Bait-ul-Mal [Pakistan] (o.D.): How To Get Assistance, http://www.pbm.go

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• SSA - Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout

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• TSOP - Taiwanese Journal of Psychiatry (2020): Mental Health Care in Pakistan, https:

//e-tjp.org/article.asp?issn=1028-3684;year=2020;volume=34;issue=1;spage=6;epage=

14;aulast=Javed;type=3 , Zugriff 10.6.2021

 

Poliomyelitis

Letzte Änderung: 07.06.2021

Diese Krankheit kommt nur noch in zwei Ländern vor - Afghanistan und Pakistan - wobei letzteres mit einem Anstieg der Fälle in den letzten Monaten zu kämpfen hat. Pakistan hat seit Anfang des Jahres 2020 68 Polio-Fälle registriert. Jegliche Hoffnung, die Zahlen bis 2020 zu senken, wurde mit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise im März zunichte gemacht. Experten befürchten, dass es in Pakistan in den kommenden Monaten zu mehr Poliofällen kommen könnte, da die Regierung zwischen April und Juli 2020 landesweite Polio-Kampagnen ausgesetzt hat, um sich auf die Bemühungen zur Eindämmung von COVID-19 zu konzentrieren. Die landesweiten Kampagnen zur Ausrottung der Kinderlähmung wurden im August 2020 wieder aufgenommen (DW 15.9.2020). Im Jahr 2019 kam es landesweit zu sieben terroristischen Angriffen auf Polio-Impfteams mit insgesamt 15 Toten (PIPS 5.1.2020; vgl. DW 15.9.2020). Es gibt darüber hinaus einen gewissen Widerstand gegen die Verabreichung von Impfstoffen in der Bevölkerung (HRCP 4.2020; vgl. DW 15.9.2020). Andererseits gibt es auch religiöse Führer, welche die Impfkampagnen unterstützen (Dawn 21.9.2020).

 

Quellen:

• Dawn - (21.9.2020): ’Polio vaccine critical for your child’s health’: Religious leaders dispel

rumours, endorse inoculation, https://www.dawn.com/news/1580325/polio-vaccine-critic

al-for-your-childs-health-religious-leaders-dispel-rumours-endorse-inoculation , Zugriff

10.5.2021

• DW - Deutsche Welle (15.9.2020): Why polio continues to be a health risk in Pakistan,

https://www.dw.com/en/why-polio-continues-to-be-a-health-risk-in-pakistan/a-54934680 ,

Zugriff 10.5.2021

• HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Ri

ghts-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 10.5.2021

• PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.1.2020): Pakistan Security Report 2019, https:

//www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/01/sr2019.pdf , Zugriff 10.5.2021

 

Rückkehr

Letzte Änderung: 24.06.2021

Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 29.9.2020). Für pakistanische Staatsangehörige gibt es keine Einreisebeschränkungen, wenn sie freiwillig zurückkehren wollen (IOM 30.3.2021). Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte werden von den Grenzbehörden befragt, um herauszufinden, ob die Person illegal aus Pakistan ausgereist ist bzw. ob strafrechtliche Vorwürfe vorliegen. Wenn keine Vorwürfe vorliegen, wird die Person normalerweise nach einigen Stunden entlassen (DFAT 20.2.2019).

Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben (AA 29.9.2020). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 12.2020). Nach anderen Angaben werden Personen, die illegal ausgereist sind, verhaftet und normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Bei strafrechtlichen Vorwürfen oder wenn im Ausland eine Straftat begangen wurde, wird die Person verhaftet (DFAT 20.2.2019). Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Return and Reintegration Network (ERRIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 29.9.2020). Derzeit gibt es keine von IOM Österreich durchgeführten Reintegrationsprojekte in Pakistan. Allerdings können freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Pakistan durch das ERRIN-Projekt unterstützt werden. Dieses wird von einer NGO in Pakistan durchgeführt und bietet freiwillig und zwangsweise rückgeführten Personen Wiedereingliederungshilfe an, abhängig von ihrer Berechtigung, die von dem jeweiligen europäischen Land festgelegt wird. Einige Organisationen helfen bei der Gründung von Kleinunternehmen, indem sie finanzielle Unterstützung für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, in Form von Krediten oder Mikrokrediten unterstützen, z. B. die KASHF-Stiftung oder die Jinnah Welfare Society (IOM 30.3.2021).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb

er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakista

n_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021

• DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): DFAT Country

Information Report Pakistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-informatio

n-report-pakistan.pdf , Zugriff 10.5.2021

• IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic

situation in Pakistan, per Email

• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf ,

Zugriff 10.5.2021

 

Dokumente

Letzte Änderung: 07.06.2021

Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA). Über 96% der Bürger Pakistans verfügen über biometrische Personalausweise. Die 2012 eingeführte Smart National Identity Card (SNIC) hat auf einem Chip zahlreiche biometrische Merkmale gespeichert und soll bis 2020 die älteren Versionen der NIC vollständig ersetzen. Eine SNIC wird benötigt, um beispielsweise Führerschein oder Reisepass zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte oder Breitbandinternet zu erhalten (PI 1.2019). Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten. Um gefälschte Dokumente zu erlangen, werden meist Bestechungsgelder bezahlt und/oder politischer Einfluss bzw. Kontakte von Familie und Freunden genutzt. Manche Dokumente sind sogar online oder in Märkten erhältlich. Folgende Dokumente werden regelmäßig gefälscht: Zeugnisse, akademische Titel, Empfehlungsschreiben, Geburts-, Todes-, Heirats- und Scheidungsurkunden, finanzielle Belege/Bestätigungen bzw. Kontoauszüge, Besitzurkunden, polizeiliche Dokumente (u.a. First Information Reports / FIRs), Einreise- und Ausreisestempel in Reisepässen sowie ausländische Visa. Überprüfungen der Echtheit von Dokumenten sind zwar möglich, allerdings bestehen in diesem Zusammenhang mehrere Herausforderungen: Vielfach sind Dokumente zwar nicht komplett gefälscht, aber wurden nicht ganz richtig ausgestellt; von verspäteten Eintragungen oder Änderungen sollte z.B. von den Behörden eine Kopie gemacht werden, was nicht immer der Fall ist; in manchen Städten (insbesondere in Gujranwala, Gujrat und Sialkot) kennen die zuständigen Beamten die zu überprüfenden Personen und nehmen Bestechungsgelder an. Es kommt auch vor, dass Auskünfte verweigert werden. Darüber hinaus werden mitunter auch vermeintlich echte und in die Register eingetragene Urkunden ausgestellt, die jedoch inhaltlich nicht oder nur zum Teil richtig sind (z.B. Heiratsurkunden). Die Überprüfungen erfolgen relativ aufwändig über die lokalen Vertrauensanwälte (hoher administrativer Aufwand) (ÖB 12.2020). Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, fiktive oder verfälschte Standesfälle (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung formal echte Urkunden ausgestellt zu bekommen. Merkmale auf modernen Personenstandsurkunden und Reisepässen zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte mühelos unterlaufen werden. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. FIR) dann formal echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen

Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 29.9.2020).

 

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCb er_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021

• ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff 10.5.2021

• PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021

 

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage gerät und von staatlichen Stellen oder seitens Privatpersonen einer Verfolgung ausgesetzt ist und er seine Heimat aufgrund solcher Verfolgung bzw. Bedrohung verlassen hat.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, familiäre und private Verhältnisse des BF im Heimatland) ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben des BF, aus seinen Sprach- und Ortskenntnissen, den vorgelegten pakistanischen Zeugnissen, der Heiratsurkunde und der Sterbeurkunde seines Vaters sowie der Bestätigung XXXX vom 24.05.2012, Bestätigung XXXX Public High School vom 19.08.2013, Bestätigung XXXX, ohne Datum, AS 83, Bestätigung College XXXX vom 03.03.2011, Zertifikat XXXX vom 16.06.2014, Bestätigung XXXX vom 09.02.2011, Schreiben XXXX vom 12.03.2018).

 

Die Feststellung zur Identität des BF beruht auf der vorgelegten pakistanischen ID-Card.

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF, konkret, dass der BF an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidet, ergibt sich aus den konstanten Angaben des BF vor dem erkennenden Gericht (VS 4). Aus dem Gesundheitszustand und der selbstständigen Tätigkeit des BF in Österreich folgt auch dessen Arbeitsfähigkeit. Der BF könnte im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat seinen Unterhalt durch berufliche Tätigkeiten, wenn auch anfänglich durch Gelegenheitsjobs, bestreiten. Der BF verfügt über eine universitäre Ausbildung.

Die Aufenthaltsdauer des BF sowie die Asylantragstellung in Österreich sind dem zentralen Melderegister, dem Fremdeninformationssystem, dem Betreuungsinformationssystem sowie den damit übereinstimmenden Angaben des BF zu entnehmen.

 

Die Feststellung, dass der BF keine Verwandten in Österreich hat, leitet sich anhand der unwiderlegten Angaben des BF ab.

 

Die Deutschkenntnisse des BF ergeben sich aus den vorgelegten Prüfungsbestätigungen und den persönlichen Wahrnehmungen der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung.

 

Dass der BF Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber bezog und einer legalen, selbstständigen Arbeit als Paketzusteller in Österreich nachgeht, ergibt sich aus dem Betreuungsinformationssystem, einem aktuellen Sozialversicherungsauszug, einem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem vom 09.08.2019, der Wiederbetriebsmeldung der WKO vom 14.12.2020 und der Bestätigung über die Mitgliedschaft der WKO vom 30.08.2021 sowie den dahingehend übereinstimmenden Angaben des BF.

 

Die ausgeübten ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie die Teilnahme an Bildungs- und Integrationsmaßnahmen gehen aus den vorgelegten Bestätigungen sowie einer zeugenschaftlichen Befragung vor dem BVwG hervor.

 

Das Bestehen von freundschaftlichen und sozialen Kontakte ist den vorgelegten Unterstützungsschreiben, Fotos und den Angaben eines Zeugen, der vor dem erkennenden Gericht diesbezüglich Ausführungen tätigten, die wiederum mit den vorgelegten Unterlagen und dem Sachvortrag des BF in Einklang stehen, zu entnehmen.

 

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF in Österreich geht aus dem Strafregister hervor.

 

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten – immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden – aufzuzeigen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

 

Sofern im Verfahren Berichte über die Sicherheitslage in Pakistan im Zusammenhang mit den Taliban vorgelegt werden, ist nicht erkennbar, dass sich aus diesen Beweismitteln eine andere Bewertung der Lage in Pakistan ergibt. Insbesondere wird durch die vorgelegten Berichte nicht substantiiert dargetan, dass die Länderfeststellungen nicht die tatsächliche Situation darlegen würden. Darüber hinaus ist anzuführen, dass sich diese Berichte nicht mit einzelnen individuellen Umständen der Bedrohungslage des BF befassen, sodass sich daraus eine asylrelevante Verfolgung oder die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten konkret für den BF nicht ergibt.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass das zentrale Problem für die innere Sicherheit Pakistans die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt. Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021). Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021). Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021).

Auf Grundlage dieser Länderberichte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in ganz Pakistan gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich in Pakistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist.

 

Weiters ist auch darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, wonach die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor strafrechtswidrigen bzw. terroristischen Übergriffen und Bedrohungen gegen Privatpersonen zu gewähren.

In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort (AA 29.9.2020).

 

Der BF ist Schiite und geht aus den länderkundlichen Informationen keine systematische Diskriminierung schiitischer Muslime durch den Staat hervor (UKHO 6.2020). Die Schiiten sind im ganzen Land verteilt und stellen in der semi-autonomen Region Gilgit-Baltistan die Bevölkerungsmehrheit. Viele urbane Zentren in Pakistan beheimaten große Schia-Gemeinden. Manche Schiiten leben in Enklaven in den Großstädten, sind aber ansonsten gut integriert (UKHO 6.2020). Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder körperlich noch sprachlich von den Sunniten. Schiitische Muslime dürfen ihren Glauben frei ausüben. Schiiten sind in der Regierung und im öffentlichen Dienst gut vertreten (UKHO 6.2020).

 

Überdies gibt es keinerlei Hinweise, dass die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen ohne Hinzukommen weiterer persönlicher Gefährdungsmerkmale asylrelevant ist. Festzuhalten ist in diesem Kontext, dass Pakistan ein multiethnischer und multireligiöser Staat ist. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten. Dass staatliche Stellen, Volksgruppenzugehörigen der Paschtunen Schutz verweigern bzw. diese verfolgen, kann nicht erkannt werden.

 

Ebenso kann auf Grundlage der vom BFA herangezogenen Länderberichten die Deckung der Grundbedürfnisse als gewährleistet angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass in Pakistan eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, es geht jedoch aus den Länderfeststellungen nicht hervor, dass die individuelle Versorgungslage für alle Personen – ohne Hinzutreten von besonderen Umständen - gefährdet wäre. Die Mehrheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist im Dienstleistungssektor (38%) und in der Landwirtschaft (37%) beschäftigt. 60% der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert. Insgesamt arbeiten fast 72% der Erwerbstätigen im informellen Sektor. Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde durch Nachfrage- und Angebotsschocks als Folge der COVID-19-Krise hart getroffen. Pakistan gehört zu den Entwicklungsländern, in denen die Urbanisierung schnell voranschreitet. In wirtschaftlicher Hinsicht führen das rasche Bevölkerungswachstum und Covid-19 zu steigendem Druck auf Ressourcen, Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommensverteilung, Armut und sozialen Schutz (IOM 30.3.2021). Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40% der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60% der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Schätzungsweise 36,43 Millionen Menschen sind dauerhaft und chronisch von Ernährungsunsicherheit bedroht. Weitere 2,45 Millionen Menschen könnten infolge widriger Umstände in Ernährungsunsicherheit geraten (IOM 30.3.2021). Die pakistanische Regierung bietet jedoch Projekte zur Unterstützung von Arbeitslosen an, z. B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Es gibt auch eine Arbeitslosenunterstützung für Absolventen & MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen. Eine weitere Möglichkeit wird durch ein Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) geboten, um ein Unternehmen zu gründen, mittels Projekten, die jährlich von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken angekündigt werden. Weiters gibt es für die Unterstützung von Arbeitslosen zwei bestehende Mechanismen: Das Tameer-e-Pakistan-Programm wird als Maßnahme zur Armutsbekämpfung initiiert, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; das Programm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021; vgl. IOM 2019).

 

Dass der BF durch individuelle Umstände in diesen Bereichen direkt betroffen ist, brachte er nicht glaubwürdig vor. Zu bedenken ist ebenso in diesem Zusammenhang, dass der BF ein arbeitsfähiger junger Mann ist, der bei seiner Rückkehr wenn auch zumindest vorübergehend seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten bestreiten kann. Zudem könnte der BF Unterstützung von Programmen und staatlicher Seite in Anspruch nehmen. Unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation kann seitens des erkennenden Gerichtes nicht erkannt werden, dass der BF seine Existenz nicht sichern könnte.

 

Zur Bewegungsfreiheit in Pakistan in Form einer Verlegung eines Lebensmittelpunktes ist zu bedenken, dass anhand der aktuellen bzw. im Verfahren miteinbezogenen Berichtslage feststeht, dass das Gesetz Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung gewährleistet. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 11.3.2020).

 

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen oft das Aufgeben der bisherigen wirtschaftlichen Basis mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land. Selbst Menschen, die die Polizei wegen Mordes sucht, können in einer Stadt unbehelligt leben, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt.

 

Der BF kann sich bei Wahrheitsunterstellung seiner Angaben seinen Problemen in seiner Heimatregion durch Verlegung seines Wohnsitzes entziehen. Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass es sich beim BF um eine "high profile" Person (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) handelt oder er über einen überregionalen Bekanntheitsgrad verfügt. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann, der wenn auch zumindest vorübergehend mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem könnte der BF bei seiner Rückkehr Rückkehrhilfe bzw. Unterstützung von Hilfsorganisationen bzw. Freunden, Bekannten und von der Familie in Pakistan in Anspruch nehmen. Es steht dem BF frei, sich bspw. in Islamabad niederzulassen. Zur Sicherheitslage in Islamabad ist auszuführen, dass nach Berichtslage die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, als vergleichsweise sicher gilt.

 

Insgesamt fanden im Jahr 2020 in Punjab sieben (7) Terroranschläge statt. Mit Ausnahme eines Anschlags, der von der aufständischen Gruppe der Belutschen (BLA) in Tehsil Sadiqabad im Bezirk Rahim Yar Khan im Süden des Punjab verübt wurde, konzentrierten sich alle anderen Anschläge auf Rawalpindi (PIPS 2021). Somit erfolgte im Jahr 2020 kein Terroranschlag in Islamabad. Dass Islamabad im Luftweg erreichbar ist, muss als notorisch angesehen werden (siehe diesbezüglich https://www.laenderdaten.info/Asien/Pakistan/flughafen.php ).

Es muss auch in Betracht gezogen werden, dass es bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen, de facto unmöglich ist, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das ho. Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.

 

II.2.4. Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden.

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § § 3 AsylG bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen.

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Der BF wurde im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

Der BF konnte ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend machen.

 

II.2.5. Der BF brachte im Zuge der Erstbefragung vor, dass er von den Taliban mit dem Tode bedroht worden sei, weil er Schiite sei und er sein Land wegen den Taliban und aufgrund des Krieges verlassen habe.

 

Bei der Einvernahme vor dem BFA schilderte der BF, dass sein Heimatdorf in der Nähe der afghanischen Grenze sei und sich in diesem Gebiet viele Taliban aufhalten würden. Sein Vater sei wohlhabend und besitze dort viele Grundstücke. Ein Cousin des BF habe leider engeren Kontakt zu den Taliban gehabt, was der Vater des BF nicht gewollt habe, weshalb er den Cousin des BF aufgefordert habe, den Kontakt zu beenden. Weiters beschreibt der BF die Taliban als dumme Menschen und Terroristen, welche seine Mutter mit einem Holzstück am Kopf verletzt hätten. Auf die Frage des einvernehmenden Referenten, ob es ein fluchtauslösendes Ereignis gegeben habe, vermeinte der BF, dass sein Vater am XXXX erschossen und ihr Haus sowie ihr Geschäft zerstört worden seien. Das Vermögen des BF habe sein Cousin beschlagnahmt, welcher alles gemeinsam mit den Taliban gemacht habe. In der Stellungnahme vom 30.03.2018 präzisierte der BF sein Vorbringen noch dahingehend, dass sein Cousin seine Mutter bei einer Auseinandersetzung wegen dessen Kooperation mit den Taliban am Kopf verletzt habe und vermeinte ebenfalls, dass am XXXX ihr Haus und Geschäft angegriffen sowie sein Vater dabei erschossen worden sei.

 

Bei einer vergleichenden Betrachtung der Angaben des BF in der Erstbefragung und vor dem BFA fällt auf, dass er zunächst Drohungen seitens der Taliban gegenüber seiner Person sowie die allgemeine schlechte Sicherheitslage aus Ausreisegrund darlegte und erst später einen Übergriff auf seine Mutter sowie auf das Haus und Geschäft der Familie erwähnt, im Zuge dessen sein Vater erschossen worden sei.

Soweit Ungereimtheiten zwischen den Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde von der belangten Behörde ins Kalkül gezogen und letztlich auch vom BVwG beachtet wurden, ist im Hinblick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.6.2012, U 98/12, festzuhalten, dass die vom Höchstgericht aufgezeigten besonderen Aspekte einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht verkannt werden. Es kann jedoch nicht sein, dass den Angaben vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Ausreisegrund generell kein Beweiswert zukommt, sondern sind im Rahmen einer Beweiswürdigung lediglich die Spezifika einer solchen Befragung zu berücksichtigen. Darüber hinaus stellt die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die erste sich dem Antragssteller bietende Möglichkeit dar, vor den Organen jenes Staates, den er für gewillt und befähigt hält ihm Schutz vor Verfolgung zu gewähren, darzulegen aus welchen Gründen er diesen Schutz begehrt.

 

Mit Blick auf diese Erwägungen waren die Angaben des BF in der Erstbefragung im Vergleich mit jenen in der Einvernahme vor der belangten Behörde in maßgeblicher Weise inkonsistent bzw. divergierend. Während er nämlich bei der Erstbefragung lediglich auf die schlechte allgemeine Sicherheitslage und Drohungen gegenüber seiner Person verwiesen hatte, führte er in der nachfolgenden Einvernahme vor dem BFA an, dass die Taliban sein Elternhaus und das Geschäft seines Vaters zerstört und seinen Vater getötet hätten.

 

Diese Steigerung der behaupteten Bedrohungsszenarien ist daher bereits ein wesentliches Indiz dafür, dass der BF einen bloß konstruierten und nicht den Tatsachen entsprechenden Sachverhalt behauptete.

 

Auch das als ausreisekausal dargestellte Ereignis am XXXX konnte der BF nicht gleichlautend wiedergeben. Der Einvernahme vor dem BFA ist zu entnehmen, dass sein Vater erschossen und das Haus sowie das Geschäft zerstört worden seien, weshalb der BF und seine Familie nach XXXX gefahren seien und dort zwei Tag in einer Moschee gewohnt hätten. In der Stellungnahme vom 30.03.2018 konkretisierte der BF sein Vorbringen dahingehend, dass es am XXXX zum Angriff auf ihr Haus gekommen sei, sie aber rechtzeitig von den Leuten im Dorf gewarnt worden seien, weshalb der BF, seine Mutter, seine Schwester und seine Ehegattin zu den Nachbarn fliehen hätten können. Sein Vater habe den Besitz verteidigen wollen und sei dabei erschossen worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erklärte der BF, dass er vor Ort gewesen sei, als sein Vater erschossen worden sei. Er habe gesehen, dass ihr Haus mit einer Rakete angegriffen worden sei und sein Vater auf dem Dach gestanden und zurückgeschossen habe, ansonsten sie alle getötet worden wären. Sein Vater sei dann am Arm getroffen worden und habe zu seiner Familie gesagt, sie solle durch die Seitentüre flüchten. Sie seien dann durch die Seitentüre fortgegangen.

 

Der BF behauptet sohin einerseits, dass die Familie gewarnt worden sei und flüchten habe können, andererseits aber, dass sie bei dem Angriff der Taliban im Haus gewesen und erst geflohen seien, als sein Vater angeschossen worden sei. Der Erklärungsversuch des BF, wonach es sich bei den Ausführungen in der Stellungnahme um ein Missverständnis handle, überzeugt ebenfalls nicht, sollte dieser Schriftsatz doch der Präzisierung seiner Angaben vor dem BFA dienen.

 

Der BF versuchte bereits in der Beschwerde mit der Behauptung, dass vor dem BFA nicht alles so übersetzt worden sei, wie er es gesagt habe, Ungereimtheiten in seinen Angaben zu erklären. Dazu ist anzumerken, dass bei Sichtung des Einvernahmeprotokolls vom 26.03.2018 seitens der erkennenden Richterin zweifelsfrei der Eindruck entstand, dass die Befragung ohne Probleme von statten ging. Die Fragen zum Ausreisegrund, zu den Rückkehrbefürchtungen, zum Leben in Österreich, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat wurden vom BF in nachvollziehbarere Weise beantwortet. Der BF musste nie nachfragen, wurde über die Rolle der Dolmetscherin manuduziert, gab an, der Einvernahmesprache (Urdu) mächtig zu sein und, dass er die Dolmetscherin sehr gut verstehe (AS 53). Darüber hinaus stehen die protokollierten Fragen und Antworten in einem logischen Konnex, so dass nie der Eindruck entstand, dass irgendetwas falsch verstanden worden wäre oder nicht ausreichend beantwortet werden hätte können. Auch wurde dem BF die Einvernahme rückübersetzt und bestätigte er deren Richtigkeit mit seiner Unterschrift (AS 65). Eine Ergänzung wurde ebenfalls protokolliert (AS 65). Es ist daher auszuschließen, dass die Dolmetscherin die Niederschrift unkorrekt oder unvollständig rückübersetzt hat oder überhaupt eine falsche bzw. unrichtige Dolmetschertätigkeit durchgeführt hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG behauptete der BF auch, dass die Dolmetscherin vor dem BFA für ihn unverständliche Hindi Begriffe verwendet habe. Diesbezüglich ist jedoch davon auszugehen, dass beim tatsächlichen Bestehen von Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin der BF dies dem damaligen Referenten zur Kenntnis gebracht hätte.

 

Dem Vorbringen des BF, es sei vor dem BFA zu einer mangelhaften Übersetzung bzw. Rückübersetzung seiner Angaben gekommen, wird daher kein Glauben geschenkt und geht das erkennende Gericht davon aus, dass sämtliche Angaben des BF in seinen Befragungen rückübersetzt wurden und es zu keinen Missverständnissen oder Übersetzungsfehlern gekommen ist.

 

Zur vorgelegten Sterbeurkunde des Vaters des BF ist anzumerken, dass aus der Sterbeurkunde zwar die Todesursache (Verletzung durch Schusswaffen) hervorgeht, daraus jedoch keine Schlüsse auf die Täter bzw. die Umstände der Tat gezogen werden können und somit nicht erkennbar ist, weshalb der Vater des BF Opfer eines Schussattentates wurde. Es kann auch kein Bezug zum BF hergestellt werden. Dies einerseits aufgrund oben dargelegter Widersprüche und weil andererseits davon auszugehen ist, dass dieser Vorfall lediglich die Situation in Pakistan auf Grund der damaligen Sicherheitslage widerspiegelt.

 

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Ehegattin, eine Schwester und die Kinder des BF nach wie vor in Pakistan leben, ohne Drohungen und Übergriffen des Cousins des BF oder der Taliban zu unterliegen. Der BF bestätigte in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG mit seiner Familie über seinen Schwager nach wie vor in Kontakt zu stehen und legte zu keinem Zeitpunkt dar, dass diese irgendwelchen Drohungen ausgesetzt seien (VS 11).

 

Angesichts der Steigerung des Vorbringens sowie des widersprüchlich dargestellten ausreisekausalen Vorbringens, ist es dem BF sohin nicht gelungen, glaubhaft darzulegen, dass er und seine Familie von den Taliban zu Hause angegriffen worden seien und dabei das Haus bzw. Geschäft zerstört sowie der Vater getötet worden seien.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Zu A)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) […]

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

[…]“

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer aktuellen Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

II.3.2.3. Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation hinsichtlich der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren - 57 -

 

Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen - 58 -

 

Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtlinie); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

 

Der BF könnte – bei Wahrunterstellung seines Vorbringens – durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Pakistans, beispielsweise in Großstädte wie Islamabad oder Lahore, einer möglichen Verfolgung entgehen. Dass die angeblichen Verfolger so ein großes Interesse an dem BF haben, dass sie ihn überall in Pakistan suchen würden, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie den BF überall finden könnten, dies auch angesichts der Bevölkerungsdichte ihres Herkunftslandes.

 

Im gegenständlichen Fall ist somit letztlich davon auszugehen, dass auf Grund der fehlenden Exponiertheit des BF, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans und des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Gefährdung zu rechnen ist bzw. überhaupt nicht die Möglichkeit oder das Interesse besteht, den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden.

 

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den BF auf Grund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der BF noch in Pakistan aufhielt.

 

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter oder Freunde deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern. Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem BF auf Grund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnisse auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der BF somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch seine Reise nach Österreich unter Beweis stellte.

 

II.3.2.4. Des Weiteren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem BF als paschtunischen Schiiten eine Gruppenverfolgung droht.

Dass in Pakistan eine generelle und systematische Verfolgung von Schiiten stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage in Pakistan sowie dem Umstand, dass Familienmitglieder des BF nach wie vor in Pakistan wohnhaft sind, nicht abgeleitet werden.

Ausgehend von der festgestellten Ländersituation in Pakistan betreffend Schiiten im Allgemeinen unterliegen Angehörige dieser Religionsgemeinschaft zwar einem gewissen Gefährdungspotential, Opfer von Angriffen und Bombenanschlägen zu werden. Die geschätzt 20 bis 50 Millionen Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft Pakistans sind jedoch in ganz Pakistan verteilt, schiitische und sunnitische Gemeinschaften sind im Allgemeinen integriert und leben im Alltag ohne Probleme Seite an Seite. Die Zahl der Anschläge gegen Schiiten geht seit 2013 kontinuierlich zurück. Und der pakistanische Staat unternimmt große Anstrengungen, die schiitische Minderheit zu schützen, obgleich dadurch nicht jeder Anschlag verhindert werden kann.

 

Vor dem länderspezifischen Hintergrund ergibt sich zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht, dass der BF bei einer Rückkehr nach Pakistan allein schon aufgrund seiner bloßen Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft sowie Volksgruppe der Paschtunen mit der für die Asylgewährung erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste.

 

Der BF hat demnach nicht bereits aufgrund seiner Glaubensrichtung und Volksgruppenzugehörigkeit eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.

 

Auch etwaige sonstige aktuelle persönliche Gefährdungsmerkmale ergeben sich aus dem Vorbringen des BF nicht. Sein Vorbringen, bei einer Rückkehr individuell bedroht und verfolgt zu sein, wurde im Rahmen der Beweiswürdigung als nicht glaubhaft erachtet. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

 

II.3.2.5. Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

 

„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]“

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränkt.

 

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“

Während durch das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gemäß der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der BF vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) nicht damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Dies deshalb, weil der BF in einer in Pakistan gesprochenen Sprache spricht und die Sitten und Gebräuche seines Heimatlandes kennt, zumal er dort im pakistanischen Familienverband aufgewachsen und sozialisiert worden ist. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, jungen, arbeitsfähigen Mann, welcher über einen Schul- und Universitätsausbildung verfügt. Eine Arbeitsunfähigkeit konnte – wie oben näher dargelegt – nicht festgestellt werden. Es steht dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Zudem stammt der BF einerseits aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. In Pakistan sind nach wie vor auch eine Schwester, die Ehegattin sowie die zwei Kinder des BF aufhältig und werden die Ehegattin sowie die Kinder des BF vom Bruder der Ehegattin finanziell unterstützt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der BF – zumindest in der Ankunftszeit – nicht bei seiner Ehegattin Unterkunft nehmen und Hilfe seines Schwagers annehmen kann.

 

Allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens der Gegner des BF könnte dieser durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans entgehen (siehe diesbezügliche Ausführungen unter Punkt II.3.2.3.).

 

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Erregers ergibt sich unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen auch im Herkunftsland keine Rückkehrgefährdung des BF im Sinne eines realen Risikos.

 

Bei COVID 19 handelt es sich um keine wahrscheinlich tödlich verlaufende, die Schwelle des Art 3 EMRK tangierende, Krankheit und hat der Beschwerdeführer auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich in diesem Zusammenhang ein reales Risiko im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat ergeben würde (vgl. dazu auch VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188-3, Rz 17 – 19). Auch schlechtere wirtschaftliche Aussichten als vor Beginn pandemiebedingter Maßnahmen sind nicht relevant im Sinne von Art 3 EMRK, solange die Sicherung existenzieller Grundbedürfnisse gegeben ist (VwGH 07.09.2020, Ra 2020/20/0314).

 

Da der BF keiner speziellen Risikogruppe angehört, kann vor dem Hintergrund der COVID 19-Pandemie im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auch weder auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufes, noch auf eine allgemeine oder medizinische unzureichende Versorgungslage geschlossen werden.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse – etwa eine lebensbedrohende Erkrankung - können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der gegenständliche, nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte, Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im obigen Sinn.

 

Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

 

II.3.4.2.1. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

 

Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.

 

Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,

innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.

 

II.3.4.3. Der BF reiste im April 2015 nach Österreich und hält sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Der BF hat keine Verwandten in Österreich, war gemeinnützig tätig, bezog bis Dezember 2020 Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber und ist seit Dezember 2020 selbstständig als Zusteller tätig. Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2, ist kein Mitglied in einem Verein und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der BF pflegt soziale und freundschaftliche Kontakte in Österreich.

 

II.3.4.4. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

II.3.4.5. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

 

Der BF verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich und wurden diesbezüglich auch keine anderen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung getroffen.

 

Da somit im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Der BF hält sich seit April 2015 in Österreich auf und wird die Aufenthaltsdauer dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.

 

Bei der Gewichtung im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG kann maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass die vom BF gesetzten integrationsbegründenden Schritte vorwiegend in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Daran kann auch die Länge des Verfahrens, mag den BF daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0076).

 

Im Hinblick auf die dargelegten Deutschkenntnisse sowie die freundschaftlichen und sozialen Kontakte des BF, ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Es ist durchaus anzuerkennen, dass der BF diverse ehrenamtlichen/gemeinnützigen Tätigkeiten bzw. Remunerationstätigkeiten nachging. Auch wenn all diese Tätigkeiten zwar den Willen und das Engagement des BF zeigen, sich in Österreich zu integrieren und einen gewissen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, führten sie jedoch nicht zu einer tiefgreifenden nachhaltigen Integration.

 

Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Pakistan gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof führt zur sozialen Integration wie folgt aus: Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 31.1.2013, 2011/23/0519).

 

Der BF ist seit dem 05.12.2020 als Zusteller tätig und finanziert sich damit seinen Lebensunterhalt. Was diese Berufstätigkeit betrifft so ist festzuhalten, dass auch daraus nicht auf eine hinreichende berufliche Integration geschlossen werden kann. Zwar kommt dieser Tätigkeit des BF im Rahmen der Interessensabwägung eine gewisse Bedeutung zu, wobei es zu bedenken gilt, dass der BF sich während der Aufnahme dieser Tätigkeit seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich bewusst sein musste. Diesbezüglich ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen).

 

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte, dort sozialisiert wurde und berufstätig war, hingegen die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Vergleich zu seinem Lebensalter als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal er dort familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Familie hat und er die Sprache des Herkunftsstaates beherrscht.

 

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).

 

Nun wird nicht verkannt, dass der BF Anstrengungen gezeigt hat, sich in Österreich sprachlich, beruflich und sozial zu integrieren, und zwar insbesondere in Form der Erlangung von guten Sprachkenntnissen auf dem Niveau B2-, der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, selbstständige berufliche Tätigkeit und von mehreren durch Unterstützungsschreiben bestätigten Bekanntschaften. Allerdings besteht insgesamt trotzdem noch keine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen, dass den BF wegen seiner Integrationsbemühungen unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste (vgl. zu ähnlichen Konstellationen etwa VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 30.04.2009, 2009/21/0086; 08.07.2009, 2008/21/0533; 25.02.2010, 2010/18/0026 sowie aktuell VwGH 14.01.2020, Ra 2019/01/0361; 23.01.2020, Ra 2019/18/0322; 23.01.2020, Ra 2020/21/0002; 23.01.2020, Ra 2019/21/0306; 04.02.2020, Ra 2020/14/0026jeweils mwN).

In Anbetracht der Dauer des Aufenthaltes in Österreich und der Integration des BF stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Es liegt ein bestehender faktischer Aufenthalt des BF in Österreich vor, welcher durch eine illegale Einreise herbeigeführt wurde und währenddessen sich der Beschwerdeführer – insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides – der Ungewissheit seines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

 

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

II.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Im gegenständlichen Fall liegen im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen im Beschwerdeverfahren getroffen.

 

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

II.3.7. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung, für eine Abschiebung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

II.3.8 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

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