AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L502.2251687.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2022, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I, II, III, IV und V wird als unbegründet abgewiesen.
2. In Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI wird dieser ersatzlos behoben.
3. In Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII wird festgestellt, dass dieser zu lauten hat:
„Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“
4. In Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII wird dieser ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich am 27.08.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 28.08.2021 erfolgte seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Dabei legte er seinen türkischen Personalausweis vor, welcher behördlich sichergestellt wurde. In der Folge wurde das Verfahren zugelassen.
3. Einem im Behördenakt einliegenden Aktenvermerk der Landespolizeidirektion (LPD) Salzburg vom 06.12.2021 zufolge wurde der Personalausweis für unbedenklich befunden.
4. Am 12.01.2022 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu seinem Antrag niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde ihm auch das Länderinformationsblatt des BFA zum Herkunftsstaat ausgefolgt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme dazu eingeräumt, worauf er verzichtete.
5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 12.01.2022 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung des BFA über den Antrag auf internationalen Schutz des BF wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG wurde gegen ihn ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII).
6. Mit Information des BFA vom 13.01.2022 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
7. Gegen den ihm am 17.01.2022 persönlich zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 09.02.2022 binnen offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben. Zugleich wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt und eine Einstellungszusage sowie eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs in Vorlage gebracht.
8. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 14.02.2022 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das Beschwerdeverfahren der nun zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen, wo der gg. Verfahrensakt am 15.02.2022 einlangte.
9. Am 18.02.2022 langte im Wege des BFA eine Vollmachtsbekanntgabe seiner nunmehrigen anwaltlichen Vertretung samt eines als Folgeantrag bezeichneten Schriftstückes ein.
10. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist türkischer Staatsangehöriger und gehört der kurdischen Volksgruppe sowie der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Er ist ledig und kinderlos.
Er wurde in der Türkei geboren und stammt aus XXXX , wo er fünf Jahre die Volksschule besuchte. Im Jahr 2006 zog er gemeinsam mit seinen Eltern nach Ankara, wo sein Vater ein Geschäft eröffnete. Die Familie kehrte in das Heimatdorf zurück, nachdem sich sein Vater zur Beendigung seiner selbständigen Tätigkeit infolge eines Angriffs auf sein Geschäft im Jahr 2011 gezwungen sah. Er lebte bis zu seinem 18. Lebensjahr bei seiner Familie und zog dann nach Istanbul, wo er in einer gemieteten Unterkunft wohnte.
Er war in der Türkei in der Gastronomie als Kellner und Koch und in einem Hotel erwerbstätig und half im Geschäft seines Vaters aus. Seine zuletzt in Istanbul ausgeübte Erwerbstätigkeit wurde wegen fehlender Einigung über die Arbeitszeiten aufgelöst. Er war danach drei Monate arbeitssuchend und kehrte wieder zu seinen Eltern in den Heimatort zurück, von denen er unterstützt wurde, und half seinem Vater.
In der Türkei leben seine Eltern, drei Brüder, drei Schwestern und mehrere weitere Verwandte sowie seine Freundin. Seine Eltern wohnen nach wie vor im Heimatort in einem ca. 130m² großen familieneigenen Haus gemeinsam mit zwei seiner Geschwister. Seine vier älteren Geschwister sind bereits verheiratet und haben eigene Haushalte gegründet. Er steht mit seinen Verwandten in der Türkei in regelmäßigem Kontakt. Seine Eltern und die bei ihnen wohnhaften Geschwister arbeiten in der Landwirtschaft und bewirtschaften Felder.
Er verließ die Türkei im August 2021 auf legale Weise auf dem Luftweg nach Serbien. Von dort ausgehend setzte er seine schlepperunterstützte Weiterreise auf dem Landweg über Ungarn nach Österreich fort, wo er am 27.08.2021 im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte und hält sich seither hier aufhält.
Er spricht Kurdisch als Muttersprache, sehr gut Türkisch und gut Englisch. Er verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse und hat keine Sprachkurse besucht oder Sprachprüfungen abgelegt. Er hat sich für einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau A1, Teil 1, angemeldet.
Er bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und wohnt in einer organisierten Grundversorgungsunterkunft. Er ist bislang in Österreich keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er verfügt über eine Einstellungszusage als Servicekraft in einem Restaurantbetrieb.
Er ist in Österreich bislang keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und verfügt über keine maßgeblichen familiären oder privaten Anknüpfungspunkte. In Deutschland leben ein Onkel und ein Cousin.
Er leidet an keiner gravierenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung und ist voll arbeitsfähig.
Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Er hat seinen Herkunftsstaat nicht aufgrund individueller Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte verlassen und ist auch bei einer Rückkehr in die Türkei nicht der Gefahr einer solchen ausgesetzt. Er war in der Türkei lediglich Diskriminierungen wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt.
1.3. Er ist bei einer Rückkehr in die Türkei auch aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt und findet dort eine hinreichende Existenzgrundlage vor. Er leidet unter keinen gravierenden Erkrankungen.
1.4. Zur aktuellen Lage in der Türkei werden die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid auch der gg. Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und der von ihm vorgelegten Beweismittel sowie durch die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters, des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister und des Grundversorgungsdatensystems.
2.2. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht aufgrund des insoweit unstrittigen Akteninhaltes fest.
2.3. Identität und Staatsangehörigkeit des BF waren anhand des von ihm vorgelegten und als unbedenklich eingestuften nationalen Identitätsdokumentes feststellbar (AS 39ff; AS 55).
Die Feststellungen zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Ausreise aus der Türkei sowie in Österreich im Gefolge derselben, zu seiner Schulbildung, zu seiner Erwerbstätigkeit, zu seinem Gesundheitszustand, zu den Lebensumständen seiner Verwandten im Herkunftsstaat, zu seiner legalen Ausreise und zum Reiseverlauf, zu seinen Sprachkenntnissen, zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit, zum Bezug von Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergaben sich in schlüssiger Weise in der Zusammenschau seiner eigenen Angaben vor dem BFA, den vorgelegten Beweismitteln und den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.
Die Feststellung zum Ausreisezeitpunkt stützt sich auf seine Angaben in der Erstbefragung, da davon ausgegangen werden kann, dass sein Erinnerungsvermögen zu diesem Zeitpunkt noch besser war, als zum Zeitpunkt der behördlichen Einvernahme am 12.01.2022, wo er vermeinte, erst vor etwa vier Monaten aus der Türkei ausgereist zu sein (AS 75).
Dass er mit seinen in Österreich wohnhaften Cousins eine besondere Nahebeziehung führt oder ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen besteht, wurde von ihm nicht behauptet, sodass festzustellen war, dass er in Österreich über keine maßgeblichen familiären Anknüpfungspunkte verfügt.
Angesichts seiner erst kurzen Aufenthaltsdauer war auch davon auszugehen, dass er noch über keine intensiven Bindungen zu einzelnen Personen in Österreich verfügt. Das BVwG teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei den vom BF genannten Freundschaften allenfalls um bloße Bekanntschaften handelt (AS 149).
2.4. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro oben gelangte das erkennende Gericht aufgrund folgender Erwägungen:
2.4.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 28.08.2021 brachte er, zu seinen Antragsgründen befragt, im Wesentlichen vor, dass er Kurde sei und in der Türkei keine Rechte habe. Aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit sei er bei der Arbeits- und Wohnungssuche diskriminiert worden. Auch das Erlernen seiner Muttersprache sei ihm in der Schule verweigert worden. Aufgrund der Diskriminierungen habe er sich zur Flucht entschlossen.
Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA am 12.01.2022 führte er zu seinen Fluchtgründen aus, dass er in der Türkei unter schlechten Lebensbedingungen gelebt habe und aufgrund seines kurdischen Namens diskriminiert worden sei. Er wiederholte die erlebten Diskriminierungen bei der Arbeits- und Wohnungssuche und schilderte Großteils die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei. Des Weiteren führte er aus, dass ein Freund von ihm im Jahr 2015 von türkischen Jugendlichen angegriffen und getötet worden sei, da dieser bei einer Haltestelle auf Kurdisch telefoniert habe. Auch er und seine Familie seien aufgrund ihrer kurdischen Abstammung in Ankara mit Anfeindungen konfrontiert gewesen. Er sei in der Schule von seinen Mitschülern diskriminiert und das Geschäft seines Vaters sei 2011 zerstört worden. Trotz polizeilicher Anzeige habe man ihnen nicht geholfen, die Täter ausfindig zu machen und sie zur Rechenschaft zu ziehen. Sein Vater sei gezwungen gewesen sein Geschäft zu schließen und mussten sie wieder in ihr Heimatdorf zurückkehren. Um eine bessere Lebensqualität für ihn zu schaffen und in Freiheit leben zu können habe er sich dazu entschlossen nach Österreich zu kommen, da man hier Menschenrechte achte.
2.4.2. Die belangte Behörde gelangte auf der Grundlage dieses Vorbringens zum Ergebnis, dass er weder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner politischen Überzeugungen, seines Glaubens noch seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe seitens des Staates oder Dritter verfolgt worden sei. Mangels Vorstrafen und Fahndungsmaßnahmen gegen ihn habe er keine staatlichen Sanktionen zu befürchten. Er habe die Türkei ausschließlich deshalb verlassen um sich Diskriminierungen zu entziehen und seine wirtschaftliche Lage zu verbessern.
2.4.3. Der Einschätzung der belangten Behörde vermochte sich das BVwG im Lichte der folgenden Erwägungen im Ergebnis anzuschließen.
In Übereinstimmung mit dem BFA war auf kein konkretes individuelles Verfolgungsgeschehen aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit zu schließen. Dass allfällige Diskriminierungen aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit in beruflicher Hinsicht kein existenzbedrohendes Ausmaß erreichten, stellte schon das BFA zutreffend unter Hinweis auf den Umstand fest, dass es ihm nach seinen eigenen Angaben zufolge stets möglich war einer Arbeit nachzugehen.
Zu beachten war dabei, dass er seiner Darlegung nach jedenfalls in Istanbul bei kurdisch stämmigen Arbeitgebern eine Arbeit gefunden hätte, wenn er sich um Arbeit bemüht hätte (AS 72). Ähnlich verhielt es sich bei seinen Schilderungen im Hinblick auf den Wohnungsmarkt. So war es ihm durchaus möglich in Istanbul bei einem Kurden eine Unterkunft zu mieten.
Jedenfalls mangelte es den von ihm geschilderten Ereignissen an der erforderlichen Intensität für deren Qualifikation als Verfolgungshandlungen. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). § 2 Abs. 1 Z. 11 AsylG 2005 umschreibt „Verfolgung“ als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter – unter anderem – Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083). Allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, weisen für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung auf. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl. VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; VwGH 23.05.1995, 94/20/0808), sind hinzunehmen.
Seine erlittenen Diskriminierungen in der Schule, bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche erreichten diese erforderliche Intensität nicht. Im Übrigen gab er in der Einvernahme ausdrücklich an, dass sein Leben in der Türkei nicht in Gefahr sei (AS 70). Auch die Kumulierung der erlittenen Diskriminierungen erreicht entgegen der Ansicht des BF nicht jenes Maß, das für das Vorliegen einer indidviduellen Verfolgung erforderlich ist.
Im Hinblick auf die geschilderte – seiner Ansicht nach rechtswidrige – polizeiliche Kontrolle (AS 68) war auszuführen, dass gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Anhaltungen, Verhöre und Befragungen für sich allein (wenn sie ohne weitere Folgen bleiben) keine Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen (vgl. VwGH 29.10.1993, 93/01/0859; VwGH 16.01.1996, 95/20/0196). Nichts Anderes kann daher auch für die von ihm ins Treffen geführte polizeiliche Kontrolle gelten, bei welcher es – neben einer Durchsuchung und Ausweiskontrolle – weder zu einer Festnahme noch zu sonstigen Konsequenzen für ihn kam. Aus diesem Vorbringen war daher ebenso mangels ausreichender Eingriffsintensität kein als individuelle Verfolgung zu qualifizierendes Szenario zu gewinnen.
Letztlich ist auch festzuhalten, dass die herangezogenen Länderberichte keine ausreichenden Anhaltspunkte enthalten, dass alle Kurden in der Türkei gleichermaßen einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt wären. Zwar kann eine wirtschaftliche Benachteiligung einer ethnischen oder sozialen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, grundsätzlich asylrelevant sein (vgl. VwGH 30.04.1997, 95/01/0529). Mit Blick auf die Länderberichte konnte aber auch nicht festgestellt werden, dass der kurdischen Bevölkerungsgruppe in der Türkei jegliche Existenzgrundlage entzogen wird.
In der Beschwerdeschrift wurde erstmals vorgebracht, dass es zu einem tätlichen Überfall auf ihn kam, wobei er von fünf Personen zu Boden geschlagen, sein Handy zerstört und ihm Geld abgenommen worden sei. Er habe diesen Vorfall bei der Polizei gemeldet, jedoch seien die Polizisten untätig geblieben, da er Kurde sei (AS 207). Dass er diesen Überfall auf seine Person bei der Erstbefragung und bei der etwa dreieinhalbstündigen Einvernahme – in der er im Übrigen auch über seine Mitwirkungspflicht ausdrücklich belehrt wurde – unerwähnt gelassen hat, spricht zunächst gegen die Glaubhaftigkeit dieses neuen Vorbringens. Darüber hinaus unterliegt dieses neue Vorbringen aber schon dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren, denn, dass einer der Ausnahmetatbestände des § 20 BFA-G zur Anwendung kommen könnte, wurde in der Beschwerde nicht dargelegt.
Aus Sicht des erkennenden Gerichtes galt es überdies zu bedenken, dass seine Eltern und seine sechs Geschwister sowie weitere Verwandte unbehelligt in der Türkei leben und arbeiten können. Dies war auch seinen Ausführungen zu entnehmen (AS 66 und 74).
Das BFA zeigte auch zu Recht auf, dass der Zerstörung des Geschäftes seines Vaters in Ankara im Jahr 2011 mangels eines zeitlichen Konnexes für seine Ausreise im Jahr 2021 keine Relevanz zukam. Daran ändert – wie in der Beschwerde eingewendet wurde (AS 213) – auch die damalige Minderjährigkeit des BF nichts. Die Voraussetzung der wohlbegründeten Furcht wird nämlich in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0430, siehe auch VwGH 30.08.2007, Zl. 2006/19/0400). Als ausreisekausales Ereignis legte der BF die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses dar (AS 75), sodass auch kein Konnex mit dem Vorfall im Jahr 2011 festzustellen war. Dass die Diskriminierungen im Zeitraum 2011 bis 2021 die erforderliche Intensität für eine Verfolgungshandlung nicht erreichten, wurde bereits aufgezeigt. Auch der Verlust des Arbeitsplatzes bewirkte keine existenzbedrohende Notlage und bestand für ihn die Möglichkeit dieser Situation entgegen zu wirken. Seiner Darlegung nach hätte er in Istanbul bei kurdisch stämmigen Arbeitgebern jedenfalls eine Arbeit gefunden, wenn er sich um Arbeit bemüht hätte (AS 72).
Zutreffend hielt das BFA auch fest, dass sein Fluchtvorbringen im Hinblick auf seine politische Gesinnung als bloß spekulativ zu werten war (AS 146). Dass es zu Verfolgungshandlungen aufgrund seiner politischen Gesinnung kam, wurde von ihm nicht einmal behauptet. Schließlich hat er selbst vorgebracht, dass er wegen seiner inoffiziellen Mitgliedschaft bei der HDP und der vereinzelten Teilnahme an legalen Demonstrationen keine Probleme mit den türkischen Behörden hatte (AS 71). Insofern in der Beschwerde nunmehr Gegenteiliges behauptet wurde, nämlich, dass er als Anhänger und Unterstützer der HDP Gefahr laufen würde bei der Einreise sanktioniert zu werden (AS 206), war festzuhalten, dass diese bloße vage Behauptung keine substantiierte Bestreitung des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes darstellt. Die Beschwerdeschrift führte nicht aus, inwiefern der BF die HDP konkret unterstützt habe. Eine plausible Erklärung, wie überhaupt die staatlichen Organe Rückschlüsse auf seine Demonstrationsteilnahme ziehen hätten können oder welches konkrete Verfolgungsinteresse an ihm bestehen würde, blieb gänzlich offen. Dass ihm eine exponierte Stellung bei den Demonstrationen zugekommen wäre, wurde nicht behauptet. Der BF gab schließlich selbst an, an sehr wenigen, noch dazu legalen Demonstrationen teilgenommen zu haben und deswegen keine Probleme mit den türkischen Behörden gehabt zu haben. Das BFA hat daher zu Recht eine Verfolgungsgefahr aufgrund der politischen Gesinnung des BF verneint.
Soweit in der Beschwerdeschrift vermeint wurde, dass ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung durch strafrechtliche Verfolgung drohen würde (AS 206), war festzustellen, dass diese Behauptung aktenwidrig war. Vielmehr gab er schon bei der Erstbefragung an auf legale Weise die Türkei verlassen zu haben (AS 5). Als Identitätsnachweis habe er seinen türkischen Personalausweis bei sich gehabt, welcher von der belangten Behörde auch sichergestellt wurde. Auch in der behördlichen Einvernahme gab er an, dass der Flug von der Türkei bis nach Serbien legal erfolgt sei (AS 76). Er betonte mehrmals nicht gegen die Gesetze in der Türkei verstoßen zu haben (AS 68 und AS 70). Damit war auch seine spätere Aussage, dass er sich einen gefälschten Reisepass beschafft habe und mit diesem ausgereist sei (AS 76), nicht in Einklang zu bringen.
Abschließend war anzumerken, dass der als „Folgeantrag“ bezeichneten schriftlichen Eingabe seiner anwaltlichen Vertretung vom 16.02.2022 – welche nach der Bestimmung des § 17 Abs. 8 AsylG als Beschwerdeergänzung gilt – kein substantiiertes Vorbringen zu entnehmen war. Es wurde lediglich vorgebracht, dass sich nachträglich neue Asylgründe ergeben hätten, welche dies seien, wurde nicht ausgeführt (OZ 4).
Aus Sicht des BVwG kam das BFA zu Recht zum Schluss, dass den erlittenen Diskriminierungen des BF kein Verfolgungscharakter zukommt und er die Türkei aus wirtschaftlichen Gründen und um sich eine bessere Zukunft hierorts aufbauen zu wollen verlassen hat.
2.5. Dass es aktuell in der Türkei keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt ebendort jeden, sohin auch den BF, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war ebenso als notorisch anzusehen wie dies aus den Feststellungen der belangten Behörde zu gewinnen war.
2.6. Die Annahme, dass der BF bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wäre, als er etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, stützte schon die belangte Behörde zu Recht darauf, dass er im Herkunftsstaat über Verwandte verfügt, deren Unterstützung er nötigenfalls in Anspruch nehmen kann. Seine Eltern verfügen über ein Haus und haben ihn in der Vergangenheit bereits unterstützt. Abgesehen davon handelt es sich bei ihm um einen arbeitsfähigen Mann mit Berufserfahrung, der daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat neuerlich für seinen Unterhalt sorgen wird können. Schließlich gab er auch selbst an bei entsprechenden Bemühungen einen Arbeitsplatz finden zu können. Dass er unter allfälligen gravierenden Erkrankungen leiden würde, wurde von ihm nicht ins Treffen geführt und ist auch sonst nicht hervorgekommen.
2.7. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei stellten sich in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang. Der BF ist diesen trotz ihm eingeräumter Möglichkeit zur Stellungnahme nicht substantiiert entgegengetreten, auch in der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen.
Eine Auseinandersetzung mit den in der Beschwerde angeführten Länderberichten zu Haftbedingungen in türkischen Justizanstalten und zur Situation kurdischer Politiker oder Unterstützer der kurdischen Oppositionspartei HDP war mangels Relevanz für den gegenständlichen Fall nicht erforderlich. Zudem stellt die bloße Vorlage weiterer Länderberichte in der Beschwerde keine substantiierte Bestreitung des von der Verwaltungsbehörde angenommenen Sachverhalts dar (VwGH 17.05.2018, Ra 2018/20/0168).
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.
Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.
Zu A)
1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
1. 2. Aus den vom BF aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit erlittenen Diskriminierungen war keine asylrelevante Verfolgung abzuleiten, da diese nicht jene Intensität erreichten, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt in der Türkei als unzumutbar anzusehen war (vgl. VwGH 23.05.1995, 94/20/0808).
Auch der Verlust seines Arbeitsplatzes, der ihn letztlich zur Ausreise aus der Türkei bewog, mangelte es an der für die Asylgewährung erforderlichen Eingriffsintensität.
Die Schilderung der Zerstörung des Geschäftes seines Vaters in Ankara im Jahr 2011 stellte schon mangels zeitlicher Nähe zur Ausreise kein geeignetes Vorbringen dar um auf eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung schließen zu können (vgl. VwGH 30.08.2007, 2006/19/0400).
Mit dem Vorbringen der Ermordung eines Freundes brachte er keine gegen ihn gerichtete individuelle Verfolgungshandlung vor.
Schließlich sind auch keine stichhaltigen Hinweise für eine Gruppenverfolgung der Kurden in der Türkei hervorgekommen. Dass im Hinblick auf die kurdische Bevölkerungsgruppe von einer Schutzunfähigkeit bzw. –unwilligkeit des Herkunftslandes auszugehen ist, kam mit Blick auf die Länderberichte nicht hervor.
Auch eine Verfolgungsgefahr wegen seiner behaupteten politischen Gesinnung hat die belangte Behörde zu Recht verneint.
Eine in der Beschwerdeschrift behauptete strafrechtliche Konsequenz wegen einer vermeintlich illegalen Ausreise war schon deshalb auszuschließen, weil festzustellen war, dass er die Türkei auf legale Weise verlassen hat.
Die belangte Behörde kam daher zu Recht zum Ergebnis, dass der BF weder bis zur Ausreise einer individuellen Verfolgung durch staatliche Organe oder Dritte im Herkunftsstaat ausgesetzt war noch der Gefahr einer solchen für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.
1.3. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.
Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
2.2. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den BF nicht vorlagen:
Stichhaltige Hinweise darauf, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, kamen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervor.
Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Gerichts oben liegen im gg. Fall auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme einer die physische Existenz des BF nur unzureichend sichernden Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), vor. Dies zum einen angesichts seiner eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit und zum anderen in Anbetracht der familiären Anknüpfungspunkte des BF. Seinem Vorbringen zu den Lebensumständen vor der Ausreise konnte nicht entnommen werden, dass diese von einer fehlenden Lebensgrundlage geprägt gewesen wären.
Es kamen auch keine gravierenden akuten Erkrankungen des BF hervor. Ein, die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigendes Krankheitsbild liegt daher nicht vor.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.
Auch konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
2.3. Vor diesem Hintergrund erwies sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gg. Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend, und geht auch das BVwG in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung des BF in dessen Herkunftsstaat aus.
2.4. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.1. § 10 AsylG lautet:
(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
§ 57 AsylG lautet:
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.
§ 58 AsylG lautet:
(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(5a) Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 abweichend von Abs. 5 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege beim Bundesamt einzubringen. Bei Stattgebung des Antrags kann der Aufenthaltstitel abweichend von Abs. 12 auch zu eigenen Handen zugestellt werden.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG, BGBl. I Nr. 54/2021, über einen Lichtbildausweis verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.
§ 52 FPG lautet:
(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.
§ 9 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.
Art. 8 EMRK lautet:
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
§ 55 FPG lautet:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.
3.2. Der gg. Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurden vom BFA zu Recht gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, die dagegen vom BF erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen. Die Einreise des BF in das Gebiet der europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Der Aufenthalt des BF stützte sich danach bloß auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer seines nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet mehr vor und fällt er damit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.
Es lagen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 war diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts der BF auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Wie der Verfassungsgerichtshof in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:
die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),
die Bindungen zum Heimatstaat,
die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie
auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).
In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).
Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).
Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
3.4. Der BF ist ledig und kinderlos. Es kam nicht hervor, dass er mit seinen in Österreich wohnhaften Cousins eine besondere Nahebeziehung führt oder ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen besteht, sodass in Ermangelung familiärer Anknüpfungspunkte des BF in Österreich lediglich sein bislang entstandenes Privatleben zu beachten war.
Er hält sich seit seiner unrechtmäßigen Einreise im August 2021 bis dato in Österreich auf. Ihm kam seither nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zu. Sein per se erst kurzer Aufenthalt in Österreich war überdies dadurch in seinem Gewicht abgeschwächt, dass er seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrages jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung des Aufenthalts ausgehen.
Er hat in Österreich bislang keinen Deutschkurs besucht und keine Sprachprüfung absolviert. Eine außergewöhnliche Integration in sprachlicher Hinsicht konnte nicht erkannt werden. Daran vermochte auch die Anmeldung zu einem Deutschkurs auf dem Sprachniveau A1 nichts zu ändern.
Er bestreitet seinen hiesigen Lebensunterhalt seit der Antragstellung ausschließlich durch den Bezug von Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er ist bislang weder einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit noch einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen. Er verfügt zwar über eine Einstellungszusage als Servicekraft in einem Restaurantbetrieb, angesichts der erst kurzen Aufenthaltsdauer vermochte die vorgelegte unverbindliche Einstellungszusage das Gewicht der persönlichen Interessen des BF am Verbleib in Österreich jedoch nicht maßgeblich verstärken. Außerdem kann einer Einstellungszusage nicht jenes Gewicht beigemessen werden wie einer bereits verwirklichten beruflichen Integration, zumal diese Einstellungszusage auf die Zukunft gerichtet und naturgemäß mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist
Eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende außergewöhnliche Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht war daher nicht feststellbar.
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, 98/18/0420).
Er hat demgegenüber den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurde dort sozialisiert und spricht Kurdisch und Türkisch als Mehrheitssprachen seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem bzw. sehr gutem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort Bezugspersonen in Form seiner Eltern und sechs Geschwister sowie mehrerer Verwandter, aber auch seiner Freundin hat. Er verfügt über Berufserfahrungen als Kellner und Koch und arbeitete in einem Hotel sowie im Geschäft seines Vaters, weshalb auch seine Selbsterhaltungsfähigkeit in der Türkei angenommen werden kann. Es deutet nichts darauf hin, dass es ihm im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Der sohin nur sehr schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.
3.5. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG war daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht bewirkt wird. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.
4. Schließlich sind im Hinblick auf § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine Abschiebung des BF in die Türkei unzulässig wäre (vgl. oben die Erwägungen und Feststellungen zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes).
5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat vorlagen, war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III, IV und V des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
6.1. § 18 BFA-VG lautet:
(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) – (4) [...]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
6.2. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung in Spruchpunkt VI des bekämpften Bescheides über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde auf die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG. Begründend führte sie aus, dass entsprechend dem Vorbringen des BF die Feststellung zu treffen war, dass ihm keine asylrelevante Verfolgung drohe. Er habe sich ausschließlich auf Benachteiligungen von geringfügiger Eingriffsintensität im alltäglichen Leben gestützt. Er habe ausdrücklich angegeben, dass sein Leben nicht in Gefahr sei und er nicht von der Polizei oder vom Staat gesucht werde.
6.3. § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG setzt Art. 31 Abs. 8 lit. 8 der europäischen Verfahrensrichtlinie aus 2013 um, dem zufolge die Mitgliedstaaten das Verfahren zur Prüfung der Angaben von Asylwerbern beschleunigt durchführen können, wenn „der Antragsteller […] nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung der Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz […] anzuerkennen ist, nicht von Belang sind".
Sinngemäß kann dies nur so zu verstehen sein, dass die Angaben eines Asylwerbers von vornherein ungeeignet sein müssen, eine Form internationalen Schutzes herbeizuführen, etwa weil an sie mangels a priori behaupteten Verfolgungscharakters schon keine Schutzgewährung anknüpfen kann.
Selbst wenn der BF in seiner Einvernahme angab, dass sein Leben in der Türkei nicht in Gefahr sei und er nicht von der Polizei gesucht werde (AS 70) und Kurden nicht vom Staat verfolgt werden (AS 74), durfte vor dem Hintergrund seiner sonstigen Angaben nicht der Schluss gezogen werden er habe gar keine Fluchtgründe vorgebracht. So war es erforderlich sich mit den erlittenen Diskriminierungen beweiswürdigend auseinanderzusetzen und war letztlich wegen fehlender Eingriffsintensität von keiner Asylrelevanz auszugehen. Diese Auseinandersetzung in der Entscheidungsbegründung der Behörde zeigt jedoch offenkundig auf, dass Fluchtgründe als solche vorgebracht wurden. Die mangelnde Asylrelevanz der Diskriminierungen kann nicht gleichgesetzt werden mit dem Umstand, dass gar keine Fluchtgründe vorgebracht wurden, sodass sich die gegenständliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als verfehlt erweist.
6.4. In Stattgebung der Beschwerde war daher Spruchpunkt VI ersatzlos zu beheben
6.5. Da Spruchpunkt VI, mit dem einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, behoben wurde, findet § 55 Abs. 1a FPG keine Anwendung mehr.
Nach § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise generell 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung, sofern nicht festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Zwar wurde in der Beschwerde beantragt die Frist für eine freiwillige Ausreise zu verlängern (AS 228), es wurden jedoch keine „besonderen Umstände“ behauptet und waren solche für das Gericht auch nicht erkennbar, sodass daher eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise zu gewähren war.
7.1. § 53 FPG lautet:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
7.2. In Spruchpunkt VIII des bekämpften Bescheides verhängte die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG ein zweijähriges Einreiseverbot gegen den BF.
Sie erachtete diesen Tatbestand angesichts des Umstandes, dass er über keine ausreichenden Barmittel verfüge, für ihn keine Möglichkeit bestehe, auf legalem Weg an Barmittel zu kommen und er Leistungen der Grundversorgung beziehe, als erwiesen. Für ihn sei lediglich die Aufnahme einer Beschäftigung im Rahmen einer Ausnahmebewilligung des AMS möglich, jedoch lasse er es an hinreichenden Deutschkenntnissen missen, weshalb nicht absehbar sei, dass jemand ihn beschäftigen würde. Selbst wenn er kurzfristig einen Arbeitsplatz lukrieren könne, wäre er im Allgemeinen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar.
Durch das Fehlen nennenswerter Barmittel drohe zudem, dass er zur Herstellung einer Einnahmequelle illegaler Beschäftigung nachgehen und verschiedene Delikte in Erwerbsabsicht begehen oder er dem Sozialsystem zur Last fallen werde.
Des Weiteren werde das Einreiseverbot wegen der missbräuchlichen Asylantragstellung, nämlich ausschließlich zum Zwecke der Umgehung des NAG, verhängt. Es ergebe sich unzweifelhaft, dass ein unbegründeter und missbräuchlicher Asylantrag gestellt worden sei und dadurch jedenfalls auch eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit indiziert sei.
Dem wurde in der Beschwerde im Wesentlichen entgegengehalten, dass der BF nicht rechtsmissbräuchlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Er sei außerdem strafgerichtlich unbescholten. Das Einreiseverbot bestehe weder dem Grunde nach zu Recht noch sei die verhängte Dauer rechtmäßig.
7.3. Nach der hg. Rechtsprechung zu § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349, mwN.).
Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 27.08.2021 war dessen Erstantrag in Österreich. Als Asylwerber hatte er während des Verfahrens Anspruch auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber, wobei er seinen Lebensunterhalt seit der Antragstellung tatsächlich durch diese Leistungen bestreitet. Nach der hg. Rechtsprechung bestätigt zwar der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, geradezu die Annahme, dass der auf die Mittellosigkeit abstellende Tatbestand des (nunmehr) § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 erfüllt ist (vgl. VwGH 07.10.2020, Ra 2020/14/0348, mwN). Allerdings bezog der Verwaltungsgerichtshof die diesbezüglichen Ausführungen auf Fälle, in denen bereits zuvor eine Abweisung des Erstantrages auf internationalen Schutz in Verbindung mit einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergangen war und die Fremden trotz der bestehenden Ausreiseverpflichtung im Bundesgebiet verblieben sind und den weiteren Aufenthalt durch den Leistungsbezug finanzierten. Dies lässt sich folglich auf die gegenständliche Konstellation, mangels rechtskräftiger aufenthaltsbeendender Maßnahme gegen den BF, nicht übertragen, weshalb durch den bloßen Bezug von Leistungen der Grundversorgung im gegenständlichen Fall der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG nicht erfüllt ist.
Auch für die vom BFA in den Raum gestellte Gefahr der Beschaffung von Unterhaltsmitteln aus illegalen Quellen durch ihn fanden sich im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte. Er ist nach wie vor strafgerichtlich unbescholten und bislang keiner illegalen Beschäftigung nachgegangen, weshalb die anderslautenden Mutmaßungen des BFA einer substantiierten Grundlage entbehrten und auch diese Erwägungen der belangten Behörde kein auf § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG gestütztes Einreiseverbot rechtfertigten.
Insoweit das BFA die Verhängung des zweijährigen Einreiseverbotes auch darauf stützte, dass der BF seinen Antrag auf internationalen Schutz rechtsmissbräuchlich gestellt habe, war festzustellen, dass er zwar Fluchtgründe vorgebracht hat, die sich als nicht asylrelevant darstellten, alleine daraus war jedoch eine nicht bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, welche die Erlassung des gg. Einreiseverbotes rechtfertigen konnte, nicht abzuleiten. Stichhaltige Anhaltspunkte, die die Annahme eines Rechtsmissbrauches naheliegen lassen würden (etwa Vortäuschen von Fluchtgründen), waren den Ausführungen der Behörde zudem nicht zu entnehmen und für das Gericht nicht erkennbar. Inwiefern er konkret versucht habe, das NAG Regime zu umgehen, wurde vom Bundesamt nicht ausgeführt.
7.4. Das gg. Einreiseverbot wurde dementsprechend schon dem Grunde nach zu Unrecht erlassen und war Spruchpunkt VIII des angefochtenen Bescheides daher ersatzlos zu beheben.
8. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gg. Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war.
Insofern in der als Folgeantrag bezeichneten schriftlichen Eingabe seines anwaltlichen Vertreters eine „Einvernahme in Anwesenheit“ beantragt wurde (OZ 4), war festzuhalten, dass aus dieser Eingabe nicht ersichtlich wurde, welcher konkrete Sachverhalt dadurch noch hervorkommen hätte sollen.
Eine mündliche Verhandlung hinsichtlich Spruchpunkt VIII konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben.
9. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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