VwGH 2000/20/0241

VwGH2000/20/024121.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des RG in T, geboren am 12. Mai 1975, vertreten durch Mag. Wilhelm Lackner, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Hauptstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. März 2000, Zl. 214.001/0-IX/27/99, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger, reiste am 27. Oktober 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und beantragte am 3. November 1999 die Gewährung von Asyl.

Der Beschwerdeführer gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 8. November 1999 an, seine Heimat, die Ukraine, deshalb verlassen zu haben, weil in seiner Heimatgemeinde S ein Privatkrieg zwischen den Mitgliedern der russisch-orthodoxen und jener der griechisch-katholischen Kirche herrsche. Die russisch-orthodoxen Einwohner, zu denen auch der Beschwerdeführer gehöre, würden von den griechisch-katholischen belästigt und schikaniert, da diese wollten, dass die Russisch-Orthodoxen ihre Glaubensrichtung änderten. Da der Vater des Beschwerdeführers Pope sei, sei seine Familie davon besonders betroffen. Zu den angegebenen Belästigungen und Schikanen näher befragt, gab der Beschwerdeführer an, die Griechisch-Katholischen hätten immer wieder im betrunkenen Zustand Schlägereien vor der russisch-orthodoxen Kirche und dem Haus des Beschwerdeführers begonnen. Weiters sei man als Russisch-Orthodoxer auf der Straße beschimpft und attackiert worden, und zwar hauptsächlich abends. Dieser Zustand bestehe seit 1995. Die Polizei habe auf Grund entsprechender Anzeigen Ermittlungen durchgeführt, es sei jedoch dabei nichts herausgekommen. Probleme mit den staatlichen Behörden habe der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus der Ukraine nicht gehabt. Er sei niemals festgenommen worden oder in Haft gewesen. Der Beschwerdeführer gab an, nicht an einen anderen ukrainischen Ort gezogen zu sein, weil er allein wäre und seinen Unterhalt mangels Arbeit nicht hätte finanzieren können. Auf die Frage, wo sich seine Familie derzeit aufhalte, gab der Beschwerdeführer an, dass mit Ausnahme seiner Schwester, die in eine andere Stadt gezogen sei, alle in S lebten.

Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 10. November 1999 ab. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. Sie legte ihren Feststellungen die Angaben des Beschwerdeführers zu Grunde und führte aus, dieser habe am 21. September 1997 die Ukraine verlassen, weil er einerseits als "Mitglied der russisch-orthodoxen Volksgruppe seines Heimatortes sowie insbesondere als Sohn des russisch-orthodoxen Popen Belästigungen seitens der griechisch-katholischen Einwohner seines Heimatortes ausgesetzt" gewesen sei, andererseits aber auch deshalb, weil er nach dem Ende seiner Beschäftigung in einer Zuckerfabrik seit Ende November 1996 arbeitslos gewesen sei und keine neue Arbeit habe finden können. Dies ergebe sich aus seinen Angaben hinsichtlich seines bisherigen beruflichen Werdeganges sowie aus seinen Ausführungen über sein Asylverfahren in der Slowakei.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass die vom Beschwerdeführer geschilderten Belästigungen keine asylrelevante Intensität erreichten und ihm darüber hinaus die Einreise in andere Landesteile seines Heimatstaates offen stünden. Dem Beschwerdeführer sei es ferner nicht gelungen, durch ausreichende konkrete Angaben eine aktuelle Bedrohungssituation im Sinne des § 57 FrG darzutun.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde ihren aus § 28 AsylG resultierenden Ermittlungspflichten nicht nachgekommen sei. Wäre der Beschwerdeführer entsprechend belehrt und darauf hingewiesen worden, dass zur Genehmigung seines Asylantrages die Schilderung konkreter Vorfälle erforderlich sei, so hätte er "unzählige konkrete Vorfälle geschildert". Ebenso hätte er konkret die Gefährdungen angeben können, die er im Falle seiner Rückkehr in die Ukraine zu erwarten hätte.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil nicht jede Verfahrensverletzung zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides führt. Dazu kommt es vielmehr nur dann, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist sie in der Beschwerde konkret darzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 98/20/0579). Dem konnte der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entsprechen, weil er es auch in der Beschwerde verabsäumte, konkrete, ihn selbst betreffende asylrelevante Verfolgungshandlungen zu schildern.

Die Beschwerde vermisst ferner Feststellungen darüber, dass die Polizei in der Ukraine entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die von den Griechisch-katholischen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Zwar trifft es zu, dass eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vorliegt, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern u.a. auch dann gegeben sein kann, wenn der Staat nicht gewillt ist, von "Privatpersonen" ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zl. 99/20/0208). Eine solche Zurechenbarkeit privater Verfolgungshandlungen zum ukrainischen Staat lässt sich den Angaben des Beschwerdeführers jedoch nicht entnehmen, hat doch die ukrainische Polizei sehr wohl die Anzeigen wegen der behaupteten Vorfälle aufgenommen und entsprechende Ermittlungen durchgeführt. Aus dem bloßen Umstand, dass "dabei nichts herausgekommen" sei, kann ohne weitere Hinweise auf asylrelevante Gründe für diesen Mißerfolg keine dem Staat zuzurechnende Verfolgung abgeleitet werden.

Wenn der Beschwerdeführer die Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der russisch-orthodoxen und jener der griechisch-katholischen Kirche auch mit "Privatkrieg" bezeichnet hat, so ist seinen weiteren Ausführungen zu entnehmen, dass es sich um Belästigungen und Schikanen in Form von Schlägereien in betrunkenem Zustand, von Beschimpfungen und nicht näher konkretisierten weiteren Angriffen handelte. Daraus kann jedoch im gesamten Zusammenhang der Darlegungen des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Großteil seiner Familie, insbesondere sein Vater, nach wie vor in seiner Heimatgemeinde befindet, keine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne des dem § 7 AsylG zu Grunde liegenden Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitet werden. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858). Der belangten Behörde kann in inhaltlicher Sicht nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer geschilderten Belästigungen nicht als asylrelevant erachtet hat und in weiterer Folge auch davon ausgegangen ist, dass keine Gefährdungen im Sinne des § 57 FrG vorliegen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. September 2000

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