European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00046.24H.0826.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I.) Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II.) Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
I. Zur Revision der Beklagten:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Ein Bestandvertrag kommt als Konsensualvertrag durch die Willenseinigung über den Bestandgegenstand und den Bestandzins zustande (RS0020394).
[2] 1.2. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht liegt vor, wenn dieses von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung oder aufgrund einer unvollständigen Wiederholung der mit dem Beweisthema zusammenhängenden Beweise, auf die das Erstgericht entscheidende Feststellungen gestützt hat, abgeht, oder wenn es ohne Beweiswiederholung Feststellungen aufgrund der in erster Instanz aufgenommenen Beweise ergänzt (RS0043461; RS0043057; RS0043026). Gleiches gilt, wenn es seiner Entscheidung Tatsachenannahmen zugrunde legt, die auf eine unrichtige Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts zurückzuführen sind (vgl RS0043026 [T5]).
[3] 1.3. Die einzelfallbezogene Beurteilung rechtsgeschäftlicher Erklärungen begründet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO; steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0113306; RS0044298; RS0042776 [T8]). Das gilt auch für die Frage, ob in den Erklärungen bereits ein endgültiger Bindungswille der Parteien zum Ausdruck kommt (RS0042555; 1 Ob 120/22m Rz 6). Eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs wäre nur dann gerechtfertigt, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustandegekommenen Entscheidung geboten ist (vgl RS0042936; RS0044358; RS0112106; RS0042776).
[4] 2.1. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht nach § 480 Abs 1 ZPO in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 2009/52, im Ermessen des Berufungsgerichts (RS0127242), was nicht gegen Art 6 EMRK oder den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstößt (RS0126298); eine Verpflichtung zur Beweiswiederholung oder ‑ergänzung besteht nicht (RS0126298 [T5]). Das Unterbleiben einer beantragten mündlichen Berufungsverhandlung begründet weder eine Nichtigkeit (RS0125957 [T1]) noch einen sonstigen Verfahrensmangel, wenn – wie hier – eine abschließende Sacherledigung ohne eine Berufungsverhandlung möglich ist (RS0125957).
Die mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe ohne mündliche Berufungsverhandlung ergänzende Feststellungen getroffen, als Nichtigkeit und als sonstiger Verfahrensmangel gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor, weil es sich bei den kritisierten Ausführungen im Berufungsurteil nicht um Sachverhaltsannahmen, sondern um rechtliche Schlussfolgerungen aus den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen und seiner rechtlichen Beurteilung zugrundegelegten Feststellungen handelt. Worin eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen soll, ist somit nicht nachvollziehbar.
[5] 2.2. Das Berufungsgericht hat die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen rechtlich dahin beurteilt, dass – ungeachtet des Umstands, dass ein „Anbot auf Abschluss eines Mietvertrages“ zwischen der (damals gerade noch) Fruchtgenussberechtigten (die im Einvernehmen mit der Klägerin als neuer Eigentümerin agierte) und dem bisherigen Mieter (in Person des Masseverwalters, da sich die Beklagte damals in Insolvenz befand) nicht unterfertigt wurde, um eine „finanztechnische Vergebührung“ und somit weitere Kosten zu vermeiden, eine Mietvereinbarung im Sinne dieses „Anbotes“ abgeschlossen wurde, zumal dieses – ununterfertigt – zusammen mit der Aufsandungsurkunde zur Intabulierung des Bestandvertrags im Grundbuch eingereicht wurde.
[6] Dies hält sich im Rahmen der Auslegungsgrundsätze und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich dabei um eine rechtliche Beurteilung, der weder die Feststellungen noch die gegenteilige Rechtsansicht des Erstgerichts entgegenstehen. Die Frage, ob auch eine andere Auslegung der Willenserklärungen möglich wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl RS0042555 [T4]; RS0042776 [T2, T23]).
[7] 3.1. Eine Aktenwidrigkeit kann nur dann angenommen werden, wenn ein Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und den die Entscheidung tragenden wesentlichen Tatsachen vorliegt und dies aus den Prozessakten selbst erkennbar ist (RS0043347 [T16]), wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden (RS0043347 [T3]), also bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstückes und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das Rechtsmittelgericht (vgl RS0043284; RS0043397), oder etwa wenn bei Darstellung der Beweisergebnisse ein Irrtum unterläuft (RS0043203). Sie liegt dagegen nicht in der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen (RS0043298); eine Schlussfolgerung – gleich, ob tatsächlicher oder rechtlicher Natur – kann nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bilden (RS0043256 [insb T1]).
[8] 3.2. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht schlechthin das Vorliegen von Vorbringen der Beklagten verneint, wonach das Angebot vom 16. 2. 2020 („aus verschiedensten Gründen“, so die Revision) nicht Grundlage eines gültig zustande gekommenen Mietvertrags geworden sei. Es hat vielmehr lediglich darauf verwiesen, dass die vom Erstgericht festgestellte und von diesem auch als wesentlich erachtete Bedingung für das Zustandekommen eines neuen Mietvertrags (dahin, dass dieses von der Zahlung von älteren Mietzinsen an die Vorvermieterin bzw Fruchtgenussberechtigte abhängig gemacht worden sei) von keinem erstinstanzlichen Vorbringen gedeckt und daher als überschießend unbeachtlich sei. Dies begründet keine Aktenwidrigkeit im dargelegten Sinne.
[9] 3.3. Soweit Aktenwidrigkeit auch darin erblickt wird, dass das Berufungsgericht die Höhe der im Zahlungsbegehren enthaltenen kapitalisierten Zinsen als unbestritten qualifizierte, vermag das Rechtsmittel ebenfalls nicht zu überzeugen. Insbesondere an der von der Revision bezeichneten Stelle des erstinstanzlichen Verfahrens findet sich keine Bestreitung der Höhe nach: Auf Seite 10 des Protokolls vom 28. 6. 2023, ON 17, erstattete die Beklagte – nach Darlegung der letzten Ausdehnung des Klagebegehrens auf 80.983,78 EUR an Mietzinsen von Mai 2020 bis inklusive März 2023 durch die Klägerin – nur den „Hinweis“, dass im Klagsbetrag bereits kapitalisierte Zinsen enthalten seien und mit Urteilsbegehren neuerlich eine Verzinsung geltend gemacht werde. Warum Letzteres nicht die Zinseszinsen betreffen sollte – wie vom Berufungsgericht angenommen wurde – und woraus eine Bestreitung der Höhe der kapitalisierten Zinsen ableitbar sein sollte, lässt sich der Revision nicht nachvollziehbar entnehmen. Sie zeigt damit auch hier keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf.
[10] 4. Soweit die Revision moniert, bei richtiger rechtlicher Beurteilung wären diverse Feststellungen zu treffen gewesen, so versucht sie damit neuerlich, die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen zu bekämpfen und ihre in zweiter Instanz erhobene Beweisrüge auch an den Obersten Gerichtshof heranzutragen; dies ist jedoch, da der Oberste Gerichtshof ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig wird (RS0123663), nicht zulässig.
[11] 5. Einer weiteren Begründung bedarf die Zurückweisung der außerordentlichen Revision nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Zum Rekurs der Klägerin:
[12] Das Berufungsgericht hob das die Beklagte auch zur Räumung verpflichtende Urteil des Erstgerichts insofern auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zur Frage zu, ob bei gänzlichem Fehlen eines Berufungsantrags auf Abänderung eines Spruchpunkts Teilrechtskraft eintrete, obwohl sich ein entsprechender Antrag sowohl aus der Berufungserklärung als auch aus der Berufungsbegründung ergebe.
[13] Der von der Klägerin gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, zumal eine solche auch im Rechtsmittel nicht aufgezeigt wird. Die Zurückweisung eines solchen Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RS0043691).
[14] 1.1. Gemäß § 467 Z 3 ZPO muss die Berufungsschrift nebst den allgemeinen Erfordernissen eines vorbereitenden Schriftsatzes die bestimmte Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urteils beantragt werde. Allfällige Inhaltsmängel sind bereits im Vorprüfungsverfahren wahrzunehmen (§ 471 Z 3 ZPO). Bei der Anwendung des § 471 Z 3 ZPO ist allerdings kein allzu strenger Maßstab anzulegen: Der Berufungsantrag muss nicht dem Wortlaut des § 467 Z 3 ZPO entsprechen, sondern es genügt, wenn aus der Berufungsschrift eindeutig entnommen werden kann, welche Entscheidung der Berufungswerber anstrebt; es ist aber nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts, einen fehlenden Berufungsantrag zu supplieren (RS0042235; vgl auch RS0042183, RS0042191).
[15] 1.2. Die Frage, wie ein bestimmtes (Antrags‑)Begehren und das dazu erstattete Vorbringen zu verstehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0042828 [insb T10]; RS0113563; RS0116144). Dementsprechend hängt auch die Frage, ob Berufungsausführungen erkennen lassen, dass und welche Abänderung des angefochtenen Urteils vom Rechtsmittelwerber angestrebt wird, von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab (RS0042235 [T9]).
[16] 1.3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass zwar kein ausdrücklicher Berufungsantrag in Ansehung des Räumungsbegehrens gestellt wurde, dass aber aus dem Inhalt der Berufungsschrift einerseits hervorgeht, dass die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel auch die Stattgebung des Räumungsbegehrens bekämpft, und dass es die Abweisung des ganzen Klagebegehrens und damit auch des Räumungsbegehrens anstrebt, ist im Einzelfall zumindest vertretbar. Warum der Beklagten unterstellt werden könnte, zwar die gänzliche Abweisung des Mietzins‑Zahlungsbegehrens anzustreben und zu beantragen, jedoch die auf diesen Mietzinsrückstand gestützte Auflösung des Bestandvertrags und das daraus folgende Räumungsbegehren trotz diesbezüglicher Anfechtungserklärung mangels Berufungsantrags unbekämpft gelassen zu haben, zeigt der Rekurs nicht nachvollziehbar auf. Die Prüfung des Räumungsbegehrens durch das Berufungsgericht ist daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[17] 2.1. Es ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt, einem Auftrag des Gerichts zweiter Instanz zur Verfahrensergänzung entgegenzutreten, wenn dieses der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargelegten Richtung noch nicht genügend geklärt ist (RS0042179; RS0043414); dies setzt aber voraus, dass die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden ist (RS0042179 [T14, T17, T21, T22]).
[18] 2.2. Zur Aufhebung in Ansehung des Räumungsbegehrens führte das Berufungsgericht inhaltlich aus, bislang habe keine der Parteien das Vorliegen eines konkreten Ausnahmetatbestands (§ 1 Abs 2 bis 5 MRG) von der Vollanwendung des MRG behauptet, sodass sich daraus auch die Anwendung des § 33 Abs 2 und 3 MRG ergeben würde. Der „geschuldete Betrag“ im Sinne des § 33 Abs 2 und 3 MRG, über dessen Höhe durch Teilurteil zu entscheiden sei, umfasse nur den Mietzins mit allen Bestandteilen und Wertsicherung, nicht aber Zinsen, die auch nicht Gegenstand der Aufhebung nach § 1118 zweiter Fall ABGB seien. Zur Frage groben Verschuldens im Sinne des § 33 Abs 2 und 3 MRG liege die Behauptungs‑ und Beweislast beim Mieter. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des MRG und die Frage des schweren Verschuldens könne aber noch nicht entschieden werden; im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht daher mit den Streitparteien die Anwendbarkeit des MRG auf das gegenständliche Bestandverhältnis sowie die Frage des schweren Verschuldens der Beklagten am Mietzinsrückstand zu erörtern haben.
[19] 2.3. Der Rekurs bezieht ausführlich gegen die Anwendbarkeit des MRG und konkret dessen § 33 Abs 2 und 3 und für das Vorliegen von grobem Verschulden der Beklagten Stellung, während die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung ebenso ausführlich Gegenpositionen darlegt. Beides geht schon deshalb ins Leere, weil das Berufungsgericht das Ersturteil unter anderem gerade aus dem Grund aufgehoben hat, um diese bislang nicht erörterten Fragen zu klären. Dem kann der Oberste Gerichtshof wie soeben dargelegt (RS0042179) ebenso wenig entgegentreten wie den Aufträgen des Berufungsgerichts, die erforderlichen Tatsachengrundlagen zur Beurteilung dieser Fragen zu schaffen, weil die zugrundeliegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts über die Voraussetzungen der Anwendung des § 33 Abs 2 und 3 MRG nicht zu beanstanden ist.
[20] 3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass schon das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 1118 zweiter Fall ABGB hervorgehoben hat: Die frühere Aufhebung des Bestandvertrags setzt nach dieser Bestimmung voraus, dass der Mieter nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Eine Einmahnung ist jedenfalls in der Zustellung einer Zins‑ oder Räumungsklage zu erblicken, sofern die Mietzinsschuldigkeit darin hinreichend konkretisiert ist (RS0021229 [T6]). Es muss immer die zeitliche Abfolge – Fälligkeit und Nichtzahlung, sodann Mahnung, Nachfrist (‑setzung oder ‑gewährung – vgl RS0070229) und Auflösungserklärung – gewahrt werden (vgl RS0021072 [T6]; RS0020952 [T12]; RS0020978 [T7]). Die Aufhebung des Bestandvertrags kann also erst nach erfolgloser Mahnung erklärt werden; demgemäß kann – wenn mangels außergerichtlicher Mahnung die Klage erst die Mahnung ersetzt – nicht die Klage selbst, sondern nur die Weiterführung des Verfahrens als konkludente Vertragsaufhebungserklärung angesehen werden (3 Ob 179/11m mwN; 3 Ob 133/13z). Eine Auflösungserklärung im Sinne des § 1118 ABGB wird nicht wirksam, wenn der Mieter den Mietzinsrückstand vor Zustellung der Erklärung beglichen hat (RS0020935). Das Räumungsbegehren kann also nur dann berechtigt sein, wenn ein qualifizierter Mietzinsrückstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung (oder der diese ersetzenden Verfahrenshandlungen) noch bestand (vgl 3 Ob 25/11i mwN = RS0021072 [T7] = RS0020952 [T13]; RS0020978 [T8]; 3 Ob 37/18i). War eine Mietzins- und Räumungsklage (erst) die Mahnung, bedurfte es nach der Nachfristsetzung oder ‑gewährung auch einer (allenfalls wiederum konkludenten) Vertragsaufhebungserklärung, die nicht in bloßer Untätigkeit des Bestandgebers bis zu einer nächsten Tagsatzung erblickt werden kann (vgl 3 Ob 37/19s mwN).
[21] 3.2. Um das Vorliegen eines in diesem Sinne qualifizierten Mietzinsrückstands abschließend beurteilen zu können, bedarf es konkreter Feststellungen zu bestimmten Zinsperioden, (Nicht‑)Zahlungen, Mahnungen, Nachfristen, Rückständen und Auflösungserklärungen bzw zu einer einzelne dieser Schritte ersetzenden Prozessfortführung.
[22] Die bislang vorliegenden Feststellungen (Mahnungen oder Auflösungserklärungen durch die Fruchtgenussberechtigte gab es nicht; eine Vorschreibung des Mietzinses durch die Klägerin vor Mai 2020 steht anscheinend nicht fest, jedoch wurde bereits im selben Monat am 14. 5. 2020 eine Auflösungserklärung – bezüglich welcher Mietzinse nach welcher Mahnung? – abgegeben) genügen diesen Anforderungen ebenso wenig wie etwa die weitere unsubstanziierte Konstatierung, wonach „diese Kündigung [...] seitens der Klägerin bzw des Klagsvertreters laufend wiederholt [wurde], zuletzt am 22.11.2022“.
[23] 3.3. Im Fall von aufgrund konkretisierten Feststellungen zu bejahendem qualifiziertem Rückstand sowie der allfälligen Anwendbarkeit des MRG ist bei der Prüfung der Frage des groben Verschuldens – nach der Rechtsprechung ein besonderes Maß an Sorglosigkeit, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RS0069304; vgl auch RS0070327) – auch zu erörtern und festzustellen, aus welchen Gründen (vgl etwa RS0070327) bzw allenfalls auf welchen und wessen konkreten Rat hin (vgl dazu RS0070373; RS0118381) der Mieter den Mietzins nicht vollständig bezahlte.
[24] Nach den vorliegenden Feststellungen hat hier die Beklagte den Mietzins teilweise gerichtlich und teilweise bei ihrem Anwalt auf dessen Anderkonto – ohne Zustimmung der Klägerin – „hinterlegt“, womit sie nicht einmal den von ihr selbst (im Sinne des von ihr begehrten „Zwischenurteiles“) als jedenfalls berechtigt angesehenen Mietzins (vgl RS0069149) direkt an die Klägerin gezahlt zu haben scheint.
[25] 4. Da somit zusammengefasst die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Berechtigung des Räumungsbegehrens noch nicht beurteilt werden kann, im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, bleibt es dem Senat verwehrt, den Aufträgen des Berufungsgerichts zur Verfahrensergänzung entgegenzutreten; der somit keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigende Rekurs der Klägerin ist zurückzuweisen.
[26] 5. Die Kostenentscheidung im hier vorliegenden Zwischenstreit über die – mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte – Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO, in dem kein Kostenvorbehalt stattfindet (RS0123222), gründet in §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat erkennbar auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)