OGH 14Os98/19x

OGH14Os98/19x14.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Monika U* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Hochverrats nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 242 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Monika U*, Jakob S*, Brigitte V*, Daniela M*, Hannes F* und Erika E* sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten DI (FH) Michael W* und Josef We* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 25. Jänner 2019, GZ 14 Hv 39/18w‑2287, und weiters die Beschwerden gegen zugleich ergangene Beschlüsse, nämlich des Angeklagten Josef We* gegen einen solchen auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und Verlängerung der Probezeit sowie der Angeklagten DI (FH) Michael W*, Daniela M* und Hannes F* gegen einen solchen auf Anordnung der Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127152

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten F* und E* und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A und B (jeweils zur Gänze) sowie im diesen zugrunde liegenden Wahrspruch (zu den Hauptfragen 1, 2, 35, 36, 45, 47, 65, 68, 74, 80, 96, 106, 117, 119 und 121 samt Zusatzfragen sowie zur Eventualfrage 10 zur Hauptfrage 112 samt Zusatzfrage), demgemäß auch in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des Konfiskationsausspruchs) und im Verfallserkenntnis, weiters der hinsichtlich We* gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und Verlängerung der Probezeit sowie sämtliche Beschlüsse auf Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Graz als Geschworenengericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Darauf werden die Angeklagten V*, DI (FH) W* und We* sowie die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln zur Gänze, der Angeklagte F* mit seiner Berufung und seiner Beschwerde, die Angeklagte E* mit ihrer Berufung sowie die Angeklagten U*, S* und M* mit ihren Rechtsmitteln, soweit sie kassierte Teile des Urteils oder Beschlüsse betreffen, verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten U*, S*, M*, F* und E* im Übrigen werden zurückgewiesen.

Den Angeklagten U*, S*, M*, F* und E* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – folgendermaßen schuldig erkannt:

‑ Monika U* (A/I bis III, V und VI) und Jakob S* (A/I und IV) je eines Verbrechens des Hochverrats nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 242 Abs 1 StGB,

‑ U* (B/I und II/1), S* (B/II/2), Brigitte V* (B/I und II/3), DI (FH) Michael W* (B/II/4), Josef We* (B/II/6), Hannes F* (B/II/7), Erika E* (B/II/8), Werner En* (B/II/9), Andreas T* (B/II/10), Christine K* (B/II/11) und Karlheinz Kl* (B/II/12) je eines Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs (zu ergänzen: 1 und) 2 erster, zweiter und vierter Fall StGB (B/II/4), Daniela M* eines Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs (zu ergänzen: 1 und) 2 erster und vierter Fall StGB (B/II/5) und Klaus Fa* eines Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs (zu ergänzen: 1 und) 2 vierter Fall StGB (B/II/13),

‑ Gerhard R* eines Vergehens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs (zu ergänzen: 1 und) 3 erster und zweiter Fall StGB (B/III),

‑ U* (C/I bis III, V und VI) und S* (C/I und IV) mehrerer Verbrechen der Nötigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, einer Regierung, des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs oder des Obersten Gerichtshofs nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 250 StGB,

‑ U* (D/I, III, IV, VI und VII) und S* (D/II und V) mehrerer Verbrechen der Nötigung von Mitgliedern eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, einer Regierung, des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs oder des Obersten Gerichtshofs oder des Präsidenten des Rechnungshofs oder des Leiters eines Landesrechnungshofs nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 251 erster Fall StGB,

‑ U* (E/I/1 bis 4, 6 bis 8 und II/1), S* (E/I/1, 2 und 5) und E* (E/II/3) jeweils mehrerer Verbrechen (richtig [RIS‑Justiz RS0121981]: eines Verbrechens) des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB,

‑ U* (F/I) und E* (F/III) jeweils mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB,

‑ U* eines Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (G/I),

‑ S* (G/II), V* (G/III [iVm § 12 dritter Fall StGB]), M* (G/V [iVm § 12 dritter Fall StGB]), F* (G/VII) und E* (G/VIII) jeweils eines Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB.

Danach haben in G* und an anderen Orten

A/ U* und S*, Angehörige des Österreichischen Bundesheers zu bestimmen versucht, es zu unternehmen, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern, indem

I/ beide am 22. August 2016 „widerrechtliche Haftbefehle“ gegen den (damaligen) Bundespräsidenten und im Urteil bezeichnete (aktive und ehemalige) Mitglieder der Bundesregierung, von Landesregierungen und des Magistrats von W* sowie den Bürgermeister der Stadt G* samt einem an das Österreichische Bundesheer gerichteten Schreiben, in dem sie dazu aufforderten, „eine militärische Übergangsregierung zu bilden und alle Schlüsselpositionen zu besetzen“, einem Angehörigen des Militärkommandos St* in der G*kaserne zur Weiterleitung an den Kompaniekommandanten übergaben;

II/ U* am 10. Dezember 2016 ein an den Generalstabschef und weitere im Urteil näher bezeichnete Offiziere des Österreichischen Bundesheers gerichtetes Schreiben an diese versandte, in welchem sie diese unter Hinweis auf die zu I bezeichnete Aufforderung zur „Installierung einer militärischen Übergangsregierung und die übermittelten Haftbefehle“ aufforderte, das verlangte Verhalten auszuführen;

III/ U* am 21. Jänner 2017 ein an den Generalstabschef des Österreichischen Bundesheers gerichtetes Schreiben verfasste, in welchem neuerlich auf die vom „St*“ (der zu B näher beschriebenen Verbindung) dem Militärkommando St* übergebenen „Haftbefehle“ verwiesen und der Adressat aufgefordert wurde, „für einen reibungslosen Übergang“ zu sorgen, „alle Schlüsselpositionen zu besetzen“ sowie „eine militärische Übergangsregierung“ zu schaffen, und dieses Schreiben am 23. Jänner 2017 an im Urteil näher bezeichnete Offiziere des Österreichischen Bundesheers versandte;

IV/ S* am 21. Jänner 2017 das zu III bezeichnete Schreiben unterfertigte;

V/ U* am 26. Jänner 2017 ein weiteres Schreiben an einen im Urteil näher genannten Offizier des Österreichischen Bundesheers verfasste und versandte, in welchem sie unter Hinweis auf die zu I genannten „Haftbefehle“, die zu I und III bezeichneten Schreiben sowie unter Anschluss weiterer (im Urteil zu E/I/6 genannter) „Haftbefehle“ um sofortige Umsetzung ersuchte;

VI/ U* am 1. März 2017 ein weiteres, von ihr zuvor verfasstes Schreiben an den zu V genannten Offizier des Österreichischen Bundesheers versandte, in welchem sie unter Hinweis auf die zuvor bezeichneten „Haftbefehle“ und Schreiben sowie unter Anschluss weiterer (im Urteil zu E/I/7 genannter) „Haftbefehle“ um sofortige Umsetzung ersuchte;

B/I/ U* und V* am 26. Oktober 2015 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit fünf weiteren im Urteil genannten, abgesondert verfolgten Personen eine Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, nämlich den „Sta*“, gegründet, indem sie die „Ve*“ ausriefen und eine Urkunde darüber unterzeichneten;

B/II/ U*, S*, V*, DI (FH) W*, We*, F*, E*, En*, T*, K* und Kl* sich in einer Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, und zwar dem „St*“, führend betätigt, für sie Mitglieder geworben und sie sonst in erheblicher Weise unterstützt sowie M* sich in dieser Verbindung führend betätigt und sie – ebenso wie Fa* – sonst in erheblicher Weise unterstützt, und zwar

1/ U* von 26. Oktober 2015 bis 20. April 2017 als „Präsidentin“ des „Sta*“ sowie ab 11. November 2015 (auch) des „St*“, indem sie diesen und dessen weitere – im Urteil namentlich genannte – Untereinheiten ausrief, sämtliche Entscheidungen in Bezug auf den „St*“, den „Sta*“ und eine Untereinheit traf und bei einer Vielzahl von Stammtischen sowie auf im Urteil näher genannten Webseiten und in sozialen Medien Mitglieder für die genannte Verbindung warb;

2/ S* von 18. Februar 2016 bis 20. April 2017, indem er – im Urteil genannte – Untereinheiten des „St*“, mitbegründete, als „Waisenrat“ und „Vizepräsident des St*“ auftrat und Einfluss auf dessen Entscheidungen nahm, bei Rekrutierungsveranstaltungen und Stammtischen Vorträge hielt und Mitglieder warb, im Namen des „St*“ Urkunden ausstellte, (Droh‑)Briefe versandte und sich als „Richter“ des ersten, für den 21. April 2017 geplanten „Prozesses“ eines von der Verbindung ins Leben gerufenen „Gerichts“ zur Verfügung stellte;

3/ V* von 26. Oktober 2015 bis 20. April 2017 als „Finanzverantwortliche“ des „Sta*“ sowie ab 11. November 2015 (auch) des „St*“, indem sie diesen und mehrere Untereinheiten mitbegründete, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden des „St*“ unterfertigte, als dessen Finanzverwalterin und Organisatorin agierte, Rekrutierungsveranstaltungen in ganz Österreich organisierte und mit den Führungspersonen der jeweiligen „Teilstaaten“ koordinierte, eine im Urteil näher bezeichnete Internetseite betreute, auf der sie die Ideologie des „St*“ verbreitete, über Termine von Rekrutierungsveranstaltungen informierte und Mustervorlagen für als „Akzeptanzschreiben“ bezeichnete Drohschreiben zum Download bereitstellte sowie Broschüren zur Ideologie des „St*“ für den Verkauf bei Rekrutierungsveranstaltungen entwarf und herstellte;

4/ DI (FH) W* von 28. Februar 2016 bis 20. April 2017, indem er eine Untereinheit des „St*“ mitbegründete, als dessen „Staatsbeauftragter“ und „Staatssekretär“ auftrat, Einfluss auf dessen Entscheidungen nahm, das so genannte „Landbuch“ betreute, Auszüge aus diesem erstellte und unterzeichnete, an einer Vielzahl von Rekrutierungsveranstaltungen teilnahm und Mitglieder warb sowie „Ladungen“ und „Haftbefehle“ für den zu 2 genannten „Prozess“ verfasste;

5/ M* von 9. September 2016 bis 20. April 2017 als „Staatsbeauftragte“ des „St*“, indem sie Einfluss auf dessen Entscheidungen nahm, dessen „Landbuch“ betreute, der Vorlage an Behörden dienende Auszüge aus diesem erstellte und unterfertigte, an einer Vielzahl von Rekrutierungsveranstaltungen teilnahm, „Ladungen“ und „Haftbefehle“ für zu Punkt 2 genannten „Prozess“ verfasste und sich dafür als „Schriftführerin“ zur Verfügung stellte;

6/ W* von 4. Juli 2016 bis 20. April 2017, indem er eine Untereinheit des „St*“ mitbegründete, als deren „Präsident“ oder „Vorsitzender“ auftrat und Einfluss auf Entscheidungen der Verbindung nahm, regionale Rekrutierungsveranstaltungen organisierte und leitete, Information und Propaganda des „St*“ verbreitete, Mitglieder warb und „Befreiungsbestätigungen“ unterfertigte;

7/ F* von 11. November 2015 bis 20. April 2017, indem er als „Staatsbeauftragter“ des „St*“ Untereinheiten mitbegründete und ausrief, als deren „Präsident“ oder „Vorsitzender“ Einfluss auf Entscheidungen der Verbindung nahm, regionale Rekrutierungsveranstaltungen organisierte und leitete, auf welchen er zumindest 26 neue Mitglieder für diese Verbindung warb, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden unterfertigte und durch mehrere an die Gemeinde D* gerichtete Schreiben versuchte, diese zur „Übergabe“ der Volksschule R* an den „St*“ zu veranlassen;

8/ E* von 8. Oktober 2016 bis 20. April 2017, indem sie Untereinheiten des „St*“ mitbegründete, als „Präsidentin“ oder „Vorsitzende“ einer dieser Untereinheiten Einfluss auf Entscheidungen der Verbindung nahm, regionale Rekrutierungsveranstaltungen organisierte und leitete, auf welchen sie zumindest 31 neue Mitglieder für diese Verbindung warb, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden unterfertigte und eine im Urteil näher bezeichnete Internetseite betreute, auf der sie die Ideologie des „St*“ verbreitete;

9/ E* von 23. Oktober 2016 bis 20. April 2017, indem er als „Präsident“ oder „Vorsitzender“ einer Untereinheit des „St*“ auftrat, Einfluss auf Entscheidungen der Verbindung nahm, regionale Rekrutierungsveranstaltungen organisierte und leitete, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden unterfertigte und 84 neue Mitglieder für die Verbindung warb;

10/ T* von 26. September 2016 bis 20. April 2017, indem er eine Untereinheit des „St*“ mitbegründete, als „Präsident“ oder „Vorsitzender“ einer (anderen) Untereinheit des „St*“ auftrat, Einfluss auf Entscheidungen der Verbindung nahm, regionale Rekrutierungsveranstaltungen organisierte und leitete, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden unterfertigte und 54 neue Mitglieder für die Verbindung warb;

11/ K* von 3. August 2016 bis 20. April 2017, indem sie Ansprechperson des „St*“ in einer seiner Untereinheiten war, Einfluss auf Entscheidungen der Verbindung nahm, regionale Rekrutierungsveranstaltungen organisierte, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden unterfertigte, Zahlungen von Mitgliedern entgegennahm und die Geldbeträge verwaltete, Information und Propaganda des „St*“ verbreitete und das „Landbuch“ mitbegründete;

12/ Kl* von 8. Jänner 2016 bis 20. April 2017, indem er als „Staatssekretär“ und Führungsmitglied des „St*“ zahlreiche „Lebenderklärungen“ und „Beitritts- bzw. Befreiungsbestätigungen“ für neue Mitglieder ausstellte, die Versendung von Drohschreiben organisierte, Anordnungen und „Haftbefehle“ im Zusammenhang mit einer geplanten Verhandlung (im Urteil genannten) Angehörigen des Österreichischen Bundesheers übergab und „Ladungen“ zustellte sowie im Rahmen einer Rekrutierungsveranstaltung den „St*“ bewarb;

13/ Fa* von 6. Februar 2017 bis 29. Mai 2018, indem er an einer Vielzahl von Rekrutierungsveranstaltungen der Verbindung teilnahm, als „Gerichtsdiener“ Anordnungen und „Haftbefehle“ im Zusammenhang mit dem zu Punkt 2 genannten „Prozess“ (im Urteil genannten) Angehörigen des Österreichischen Bundesheers übergab und „Ladungen“ zustellte sowie im Rahmen einer Rekrutierungsveranstaltung den „St*“ bewarb;

III/ R* von 15. September 2016 bis 20. April 2017 an einer Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, und zwar dem „St*“, sonst teilgenommen und sie auf andere (als die in § 246 Abs 2 StGB bezeichnete) Weise unterstützt, indem er als „Waisenrat“ auftrat und als Führungsperson einer Untereinheit dieser Verbindung Einfluss auf deren Entscheidungen nahm, zahlreiche Rekrutierungsveranstaltungen organisierte und leitete, „Befreiungsbestätigungen“ und andere Urkunden unterfertigte, zahlreiche Mitglieder für die Verbindung warb und sich als „Ersatzschöffe“ für den zu B/II/2 genannten „Prozess“ zur Verfügung stellte;

C/ U* (zu I bis III, V und VI) durch die zu A/I bis III, V und VI und S* (zu I und IV) durch die zu A/I und IV beschriebenen Handlungen, Angehörige des Österreichischen Bundesheers zu bestimmen versucht, es zu unternehmen, die Landesregierungen der Steiermark, des Burgenlands, von Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol, Salzburg und Wien mit Gewalt zu hindern, ihre Befugnisse überhaupt auszuüben;

D/ U* (zu I, III, IV, VI und VII) durch die zu A/I bis III, V und VI und S* (zu II und V) durch die zu A/I und IV beschriebenen Handlungen Angehörige des Österreichischen Bundesheers zu bestimmen versucht, es zu unternehmen, im Urteil genannte Mitglieder der Bundesregierung mit Gewalt zu hindern, ihre Befugnisse überhaupt auszuüben;

E/ U*, S* und E* Beamte wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes oder eines Landes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, und zwar

I/ U* am 12. August 2016 (zu 1), weiters durch die zu A/I bis III, V und VI beschriebenen Handlungen (zu 2 bis 4, 6 und 7) sowie am 30. März 2017 und am 3. April 2017 (zu 8) und S* am 12. August 2016 (zu 1) sowie durch die zu A/I und IV beschriebenen Handlungen (zu 2 und 5) mit dem Vorsatz, zahlreiche im Urteil genannte Personen an ihrem Recht auf persönliche Freiheit zu schädigen, indem sie im Urteil näher bezeichnete militärische Organe, zur (Veranlassung der gesetzwidrigen) Festnahme (§ 11 MilitärbefugnisG) und Gefangenhaltung dieser Personen aufforderten;

II/ U* und E* durch Übermittlung von Schreiben zu (im Urteil konkret bezeichneten) Verfahren, in welchen die zuständigen Beamten unter Androhung mutwilliger Geltendmachung von Schadenersatzforderungen, der Eintragung eines Pfandrechts in ein internationales Schuldenregister und anschließender Geltendmachung oder der Entziehung der persönlichen Freiheit dazu aufgefordert wurden, diese Verfahren nicht weiterzuführen oder einzustellen, und zwar

1/ U*

a/ am 28. Jänner 2016 den Bezirkshauptmann und die zuständige Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft H* in einem gegen sie geführten Verfahren wegen Aufhebung der Zulassung eines Kraftfahrzeugs zum Verkehr, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht des Staates „auf Verhinderung von durch nicht versicherte Kraftfahrzeuge verursachten Verkehrsunfällen bzw Gewährleistung des Schutzes dritter Verkehrsteilnehmer iSd öffentlichen Verkehrssicherheit“ bezog;

b/ am 18. April 2016 eine beim Bezirksgericht A* tätige Richterin in einem gegen im Urteil genannte Personen geführten Exekutionsverfahren, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht der betreibenden Gläubigerin „auf Eigentum und staatliche Zwangsvollstreckung ihres Exekutionstitels“ bezog;

c/, d/, f/ und g/ am 13. Juni, 8. Juli und 23. Dezember 2016 sowie am 21. Jänner 2017 den Bezirkshauptmann und die jeweils zuständigen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft H* in gegen sie geführten Verwaltungsstrafverfahren, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz jeweils auf das Recht des Staates auf Strafverfolgung von Verwaltungsübertretungen bezog;

e/ am 5. Oktober 2016 den zuständigen Sachbearbeiter eines Landesschulrats in einem gegen sie geführten Verfahren nach dem SchulpflG, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht der Angelina U* „auf Erhalt einer dem SchulpflG entsprechenden Schulbildung“ bezog;

3/ E*,

a/ am 16. Februar 2017 die zuständige Sachbearbeiterin der PI Hi* in einem gegen eine im Urteil genannte Person geführten Strafverfahren, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht des Staates auf Strafverfolgung bezog;

b/ und c/ am 1. März 2017 eine Diplomrechtspflegerin und einen Gerichtvollzieher des Bezirksgerichts F* in einem gegen eine im Urteil bezeichnete Person geführten Exekutionsverfahren, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht der betreibenden Gläubigerin „auf Eigentum und staatliche Zwangsvollstreckung ihres Exekutionstitels“ bezog;

d/ am 2. März 2017 die zuständige Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft F* in einem gegen eine im Urteil genannte Person geführten Verwaltungsstrafverfahren, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht des Staates auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen bezog;

e/ am 2. März 2017 die zuständige Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft F* in einem eine im Urteil bezeichnete Person betreffenden Verwaltungsverfahren, wobei sich ihr Schädigungsvorsatz auf das Recht des Landes Vorarlberg auf Beseitigung von rechtswidrig errichteten Bauwerken bezog;

F/ U* zu I/1 bis 7 durch die zu E/II/1/a bis g und E* zu III/1 bis 5 durch die zu E/II/3/a bis e beschriebenen Handlungen die dort genannten Personen jeweils durch gefährliche Drohungen mit einer Verletzung an der Freiheit oder am Vermögen (durch Aufwendung von Verfahrenskosten für die Abwehr unberechtigter Ansprüche) zur Vornahme der dort genannten Handlungen zu nötigen versucht;

G/ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz eine Vielzahl von (im Urteil namentlich nicht genannten) Mitgliedern und Sympathisanten des „St*“ durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe,

‑ eine „Authentitätskarte“ zum Preis von je 35 Euro (ab 16. September 2016: 50 Euro) könne im Rechtsverkehr Personalausweis, Reisepass und Führerschein ersetzen,

‑ der Erwerb von „Befreiungsbestätigungen“ und (internationalen) „Lebendmeldungen“ zum Preis von „je EUR 10,00 (bzw. EUR 100,00)“ würde für den Erwerber zur Aufhebung der Geltung der österreichischen Rechtsordnung– insbesondere der Pflicht zur Entrichtung von Steuern und Abgaben – sowie zur Entstehung eines Anspruchs auf ein persönliches „Treuhandkonto“ führen,

‑ der Erwerb von „Kfz‑Kennzeichen“ und „Zulassungsscheinen“ zum Preis von zusammen 100 Euro würde von der Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung in Österreich befreien und etwaige Unfallschäden würde der Finanzminister vom persönlichen „Treuhandkonto“ bezahlen,

‑ durch den Erwerb eines „Gewerbescheines“ zum Preis von je 20 Euro würden die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer, die Pflicht zur Beitragsleistung zur Sozialversicherung und die Steuerpflicht entfallen und

‑ die Eintragung einer Liegenschaft im „Landbuch“ zum Preis von je 100 Euro würde diese vor Zwangsversteigerung schützen und (nach der behaupteten Löschung des staatlichen Grundbuchs mit 1. Jänner 2017) dem Nachweis des Eigentums an einer Liegenschaft dienen,

zum Ankauf solcher „Urkunden“ des „St*“ in einem Betrag von insgesamt zumindest 135.575 Euro, mithin zu Handlungen verleitet, welche die Opfer in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten und zwar

I/ U* von 26. Oktober 2015 bis 20. April 2017 in zahlreichen Fällen gewerbsmäßig, indem sie bei Vorträgen und auf über „Youtube“ verbreiteten Videos die angeführten Behauptungen aufstellte und zum Kauf dieser „Urkunden“ aufrief;

II/ S* seit März 2016, indem er bei zahlreichen Vorträgen unter Hinweis auf seine frühere Beschäftigung als Gendarmeriebeamter die von U* aufgestellten Behauptungen bestätigte und zum Kauf dieser Urkunden aufrief;

III/ V* seit 26. Oktober 2015 als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, indem sie Urkunden ausstellte und verkaufte sowie betrügerisch herausgelockte Gelder in Höhe von 79.725 Euro in der „Staatskasse“ des „St*“ verwahrte;

V/ M* seit November 2016 als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, indem sie das „Landbuch“ betreffende Anträge und 37.000 Euro entgegennahm und verwahrte, eine Vielzahl von „Landbucheinträgen“ herstellte und einen Leitfaden für die Bearbeitung von „Landbuch‑Einträgen“ erstellte;

VII/ F* seit 11. November 2015, indem er bei zahlreichen Vorträgen die von U* aufgestellten Behauptungen bestätigte und zum Kauf dieser Urkunden aufrief sowie zwei „Gewerbescheine“ herstellte;

VIII/ E* seit 8. Oktober 2016, indem sie bei zahlreichen Vorträgen die von U* aufgestellten Behauptungen bestätigte und zum Kauf dieser Urkunden aufrief.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von den Angeklagten U* aus Z 6, 8, 10a, 11 (lit) a, 12 und 13, S* aus Z 1, 4, 5, 6, 10a und 11 lit a, V* aus Z 6, 12 und 13, M* aus Z 6 und 11 lit a, F* aus Z 6, 8 und 10a sowie E* aus Z 1, 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden.

Vorweg ist klarzustellen, dass der Beschluss der Vorsitzenden des Geschworenengerichts vom 24. April 2019 (ON 2341) über die Berichtigung des Protokolls über die Hauptverhandlung und die Urteilsangleichung nur den Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Kl* (der kein Rechtsmittel ergriffen hat) betrifft. Die neuerliche Urteilszustellung hatte daher keine Auswirkung auf den Lauf der Rechtsmittelfristen für die übrigen Angeklagten (RIS‑Justiz RS0098845; Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 1). Zufolge des für Nichtigkeitsbeschwerden geltenden Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels sind die nach dieser (zweiten) Urteilszustellung neuerlich eingebrachten Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten U* (ON 2361) und E* (ON 2365) unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0097300; Ratz, WK-StPO § 285 Rz 1 und 6 f).

 

Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten E* und F* sowie zu den amtswegigen Maßnahmen:

Im Ergebnis zutreffend zeigen die Fragenrügen (Z 6) dieser beiden Angeklagten auf, dass die (den Schuldsprüchen B/II/7 und 8 wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 erster, zweiter und vierter Fall StGB zugrunde liegenden) Hauptfragen 74 und 80 keine konkreten Tatsachen enthalten, deren Bejahung ein ausreichendes Sachverhaltssubstrat für die rechtliche Beurteilung des Tatbestandsmerkmals einer staatsfeindlichen Verbindung im Sinn des § 246 Abs 1 StGB (insbesondere der dort genannten Zweckausrichtung des „St*“ und seiner Untereinheiten) schaffen könnte (vgl dazu Bachner‑Foregger in WK2 § 246 Rz 3 und 5; Salimi/Tipold, SbgK § 246 Rz 20 ff). Da die Frage insoweit bloß die verba legalia („auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern“) wiedergibt, ist die gebotene (sachverhaltsmäßige) Auflösung dieser vom Tatbestand verwendeten, wertausfüllungsbedürftigen Begriffe unterblieben (RIS‑Justiz RS0100686 [insb T10 und T12], RS0100780; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 616 sowie § 345 Rz 28 und 40 f; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 9, 19 und 21). Dass ansonsten die den Beschwerdeführern nach § 246 Abs 2 StGB angelasteten Tathandlungen sachverhaltsmäßig näher umschrieben und Eigennamen des „St*“ und seiner Untereinheiten angeführt wurden, vermag dieses Defizit nicht zu beseitigen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der von den Angeklagten F* und E* aufgezeigte Mangel der Fragestellung auch allen übrigen Angeklagten zustatten kommt, weil sich die korrespondierenden Fragen zu den Schuldsprüchen wegen des Verbrechens und (bei R*) des Vergehens der staatsfeindlichen Verbindungen (B/I, II/1 bis 6 und 9 bis 13 sowie III) auf eine gleichlautende Beschreibung der jeweils inkriminierten Verbindungen (ohne sachverhaltsmäßiges Substrat zu deren Zweckausrichtung) beschränken. Es waren daher diese Punkte des Schuldspruchs samt den zugrunde liegenden Teilen des Wahrspruchs (zu den Hauptfragen 2, 36, 45, 47, 65, 68, 96, 106, 117, 119 und 121 sowie der Eventualfrage 10 zur Hauptfrage 112) von Amts wegen aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall, § 344 zweiter Satz StPO; 14 Os 116/17s; 12 Os 61/06x; 14 Os 116/99; 13 Os 193/97; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 11).

Demgemäß waren auch sämtliche Strafaussprüche (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des Konfiskationsausspruchs) aufzuheben. Das Verfallserkenntnis war ebenfalls zu beseitigen, weil es sich – wie der Konfiskationsausspruch – ohne betrags- oder gegenstandsbezogene Zuordnung auch auf die zu B ergangenen Schuldsprüche stützte (US 188 ff und 199 ff; 14 Os 107/16s; vgl auch 14 Os 74/17i; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7).

Der Wegfall des Strafausspruchs bedingt auch die Aufhebung des den Angeklagten We* betreffenden Beschlusses auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und Verlängerung der Probezeit (vgl RIS‑Justiz RS0100194 [T15, T18 und T23] zum im weiteren Verfahren zu beachtenden Verschlechterungsverbot) sowie der – verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen (US 194; RIS‑Justiz RS0120887 [T2 und T3]) – Beschlüsse auf Anordnung der Bewährungshilfe (RIS‑Justiz RS0092214).

Weiters überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – von einem nicht geltend gemachten Subsumtionsfehler (Z 12 [vgl die von den Schuldsprüchen C, D und E/I/2 bis 7 erfassten, in Idealkonkurrenz verwirklichten Verbrechen]) zum Nachteil der Angeklagten U* und S*, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, § 344 zweiter Satz StPO): Zu den Schuldsprüchen wegen des Verbrechens des Hochverrats nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 242 Abs 1 StGB (A/I bis III, V und VI zu U* sowie A/I und IV zu S*) enthält der Wahrspruch (zu den Hauptfragen 1 und 35 sowie unter Berücksichtigung der von der Aufhebung unberührt bleibenden Teile [§ 349 Abs 2 StPO]) kein ausreichendes Sachverhaltssubstrat für die rechtliche Annahme, die beiden Angeklagten hätten eine der in diesem Tatbestand angeführten Handlungen unternommen (vgl RIS‑Justiz RS0101476; 11 Os 64/19z; 15 Os 26/19s [zum in der Gesamtheit des Wahrspruchs gelegenen Bezugspunkt der Prüfung materieller Nichtigkeit]). Tatbildlich ist (von der hier nicht in Rede stehenden Gebietsabtrennung abgesehen) eine gewaltsame – zumindest faktische – Änderung grundlegender Bestimmungen der Verfassung des Bundes oder eines Bundeslandes. Die bloße (wenn auch gewaltsame) Hinderung der Bundesregierung oder von Landesregierungen oder einzelner ihrer Mitglieder, ihre Befugnisse auszuüben, ist – wenn sie ohne Intention einer Verfassungsänderung erfolgt – von §§ 250 f StGB erfasst (zum Ganzen Bachner‑Foregger in WK2 StGB § 242 Rz 8 und 11; Salimi/Tipold, SbgK § 242 Rz 21 bis 24, 26 bis 28 und 40). Demgegenüber beschränken sich die Hauptfragen 1 und 35 einleitend auf die Wiedergabe der verba legalia und führen– soweit hier relevant – bloß aus, U* und S* hätten durch ihre Bestimmungshandlungen die gewaltsame Festnahme von Mitgliedern der Bundesregierung und von Landesregierungen sowie die Bildung einer „militärischen Übergangsregierung“ herbeiführen wollen (US 3 ff und 37 f). Konkrete Tatsachen für die Ausfüllung der vom Tatbestand verwendeten Begriffe enthält der Wahrspruch weder zu diesen noch zu den übrigen Fragen.

Dieser Subsumtionsfehler erfordert die Aufhebung des gesamten Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Hochverrats (A/I bis VI) samt den zugrunde liegenden Teilen des Wahrspruchs.

Auf diese Entscheidung waren die Angeklagten mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden, soweit sie sich auf die aufgehobenen Schuldsprüche und Sanktionsaussprüche beziehen, und – ebenso wie die Staatsanwaltschaft – mit ihren Berufungen zu verweisen. Gleiches gilt für die gegen die kassierten Beschlüsse ergriffenen Beschwerden.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten U* im Übrigen:

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert, den Geschworenen sei es im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen wegen Verbrechen nach § 250 StGB (Hauptfragen 3 bis 7), nach § 251 StGB (Hauptfragen 8 bis 12) und nach § 302 Abs 1 StGB (Hauptfragen 13 bis 19) nicht möglich gewesen, die Frage nach einem im Sinn des § 15 Abs 3 StGB untauglichen Versuch zu beantworten. Sie unterlässt dabei die konkrete Darlegung, welches Sachverhaltssubstrat zur Beurteilung dieser negativen Tatbestandsvoraussetzung in die Fragestellung aufzunehmen gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0090470; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 14). Zudem unterbleibt die gebotene Angabe von Fundstellen im – hier äußerst umfangreichen – Akt für die nach Ansicht der Beschwerdeführerin eine Ergänzung der Fragestellung indizierenden Verfahrensergebnisse (RIS‑Justiz RS0117447 [T10]; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23, 30 und 45).

Weshalb es geboten gewesen wäre, im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen C und D (nach §§ 250 f StGB) einen (rechtlichen) „Hinweis auf § 11 MBG“ aufzunehmen, legt das Beschwerdevorbringen ebenso wenig dar wie die Bedeutung dieser Vorschrift für diese Schuldsprüche.

Im Übrigen wird auch nicht erklärt, warum diese Bestimmung den dort genannten militärischen Organen keine – im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt (Punkt E des Schuldspruchs) – abstrakte Befugnis zur Festnahme von Personen einräume. Dass eine solche Festnahme – infolge Verstoßes gegen konkret gezogene Befugnisgrenzen – gesetzwidrig gewesen wäre, begründet gerade den (in der jeweiligen Fragestellung zum Ausdruck gebrachten) tatbildlichen Vorwurf (RIS‑Justiz RS0096134; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 23 und 116 [im Druck]; vgl auch RS0132756).

Soweit die Instruktionsrüge (Z 8) die Rechtsbelehrung dahin kritisiert, dass diese im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen C und D (nach §§ 250 f StGB) keinen Hinweis auf § 11 MBG unter dem Aspekt der Versuchsuntauglichkeit nach § 15 Abs 3 StGB enthalte, leitet sie – wie bereits oben dargelegt – die Behauptung irreführender Unvollständigkeit nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65).

Der Einwand, angesichts der Formulierung im Protokoll über die Hauptverhandlung, „im Beratungszimmer der Geschworenen erteilt die Vorsitzende den Geschworenen die Rechtsbelehrung im Sinne des § 321 StPO“ (ON 2285 S 2), sei „nicht nachvollziehbar, welche Teile der schriftlichen Rechtsbelehrung nun tatsächlich den Geschworenen erläutert worden sind“, übersieht, dass die Belehrungen nach §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO eine Einheit bilden, die nur als Ganzes betrachtet richtig oder unrichtig sein kann (RIS‑Justiz RS0125434). Mit der Kritik, die Vorsitzende habe möglicherweise nicht die gesamte Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) im Sinn des § 323 Abs 1 StPO erteilt, wird Unrichtigkeit der Instruktion nicht dargetan (RIS‑Justiz RS0117997 [T1]). Im Übrigen sieht § 323 Abs 1 zweiter Satz StPO (dessen Verletzung nicht mit Nichtigkeit bedroht ist) eine Protokollierung nur bei Abweichungen von der Niederschrift (§ 321 Abs 1 StPO) vor.

Dass die Rechtsbelehrung (S 75 und 79 ff) zu den Hauptfragen 13 bis 19 (zum Schuldspruch E wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt) hinsichtlich der von § 11 MBG eingeräumten Kompetenz unrichtig sei, legt die – ein weiteres Mal nicht (wie oben dargelegt) zwischen abstrakter und konkreter Befugnis differenzierende – Instruktionsrüge nicht methodengerecht dar.

Rechtsbelehrung ist nur zu tatsächlich gestellten Fragen zu erteilen (RIS‑Justiz RS0101085; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 63). Weshalb davon ausgehend eine Belehrung zu § 247a StGB, der im Übrigen zur Tatzeit noch nicht in Geltung stand, geboten gewesen wäre, obwohl keine Frage auf dessen Verwirklichung gerichtet war, wird nicht erklärt.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) spricht mit der Kritik an der Nichtannahme untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) zunächst bloß eine Rechtsfrage an (vgl RIS‑Justiz RS0110511). Soweit sich das Vorbringen gegen den zugrunde liegenden Ausspruch über entscheidende Tatsachen wendet, unterlässt es mit dem pauschalen Hinweis auf „den Akteninhalt“ den gebotenen Hinweis auf konkretes Beweismaterial (RIS‑Justiz RS0119424; vgl auch RS0124172).

Soweit auch die Rechtsrüge (Z 11 lit a) mit dem Verweis auf angeblich von § 11 MBG nicht eingeräumte Festnahmebefugnis zu den Schuldsprüchen C und D Untauglichkeit des Versuchs reklamiert, leitet sie diese rechtliche Konsequenz nicht methodengerecht aus den in Rede stehenden Tatbeständen (§§ 250 f StGB) ab. Gleiches gilt für das im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt (E) erstattete, inhaltsgleiche Vorbringen. Im Übrigen wird auf das oben Gesagte (zur Maßgeblichkeit abstrakter Befugnis) verwiesen.

Die zu den Schuldsprüchen F und G ausgeführte Rechtsrüge verfehlt zum einen die Bezugnahme auf die Gesamtheit des im Wahrspruch festgestellten Urteilssachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810) und legt überdies nicht im Einzelnen dar, weshalb dieser die Schuldsprüche nicht tragen sollte (RIS‑Justiz RS0099620).

Die Subsumtionsrüge (Z 12, nominell teils auch Z 11 lit a) legt nicht dar, weshalb die vorgeworfenen Taten auf Basis des festgestellten Sachverhalts dem zur Tatzeit nicht in Geltung stehenden Tatbestand der staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a StGB (vgl BGBl I 2017/117) hätten subsumiert werden sollen (vgl im Übrigen § 247a Abs 4 StGB).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* im Übrigen:

Die Besetzungsrüge (Z 1) macht die Ausgeschlossenheit der Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO geltend, weil diese „zu Beginn der Hauptverhandlung vom 19. 12. 2018 vor den zahlreich erschienenen Medienvertretern bemerkte, dass offenbar die Namen der Schriftführerinnen und Schriftführer, die die Verhandlungsprotokolle ausgefertigt haben, weitergegeben wurden“. Diese seien „mit den Ideologien des St* zugemüllt“ worden. Die an Verteidiger und Angeklagte gerichtete Frage der Vorsitzenden, wer diese Namen weitergegeben habe, sei unbeantwortet geblieben. Dieser Nichtigkeitsgrund kann nur dann geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer den Nichtigkeit begründenden Umstand gleich bei Beginn der Verhandlung oder sogleich, nachdem er ihm zur Kenntnis gekommen war, geltend gemacht hat (§ 345 Abs 2 StPO). Für die Einhaltung dieser Rügeobliegenheit ist es ohne Bedeutung, ob der relevante Sachverhalt dem Angeklagten oder aber seinem Verteidiger zugänglich wurde (RIS‑Justiz RS0099191). Was sich – wie hier nach dem Beschwerdevorbringen – eingangs der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers ereignet, ist diesem zur Kenntnis gelangt. Da der nunmehr relevierte Sachverhalt jedoch (in der Hauptverhandlung) nicht gerügt wurde, bleibt dem Vorbringen schon aus diesem Grund ein Erfolg versagt, ohne dass auf dessen Inhalt näher eingegangen werden müsste (13 Os 46/06y; RIS‑Justiz RS0097452; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 138 f).

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 4), die Geschworenen seien „2019 entgegen der Bestimmung des § 305 StPO nicht (nochmals) beeidigt“ worden, geht ins Leere, weil die Geschworenen am 15. Oktober 2018 beeidigt wurden (ON 2153 S 11) und die Hauptverhandlung (im folgenden Kalenderjahr) ohne Notwendigkeit einer Wiederholung nach § 276a zweiter Satz StPO zu Ende geführt wurde (RIS‑Justiz RS0098270 [T3, T10 und T11]; Danek/Mann, WK‑StPO § 240a Rz 1).

Ein Verstoß gegen das Gebot, den Geschworenen die an sie gerichteten Fragen nach einer Änderung nochmals vorzulesen (§ 310 Abs 3 StPO), wird bloß unsubstantiiert behauptet (vgl demgegenüber ON 2282 S 7).

Die aus Z 5 ergriffene Verfahrensrüge beklagt pauschal, „dass das abgeführte Verfahren nicht fair“ im Sinn Art 6 MRK gewesen sei, weil der Beschwerdeführer „durch die Medien massiv vorverurteilt wurde“, bezeichnet jedoch keinen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder erhobenen Widerspruch, was Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes wäre (RIS‑Justiz RS0099250; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302).

Indem die Tatsachenrüge (Z 10a) zu den Schuldsprüchen C, D und E auf Verfahrensergebnisse verweist, aus denen sich ergebe, der Beschwerdeführer habe am 21. Jänner 2017 an einer schweren Erkrankung gelitten, „die mit einem sehr hohen Fieber begleitet war und die eine Bettlägrigkeit bedingt hatte“, weshalb von seiner „Unzurechnungsfähigkeit“ auszugehen sei, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen im Wahrspruch (zu den Hauptfragen 37 bis 43). Gleiches gilt für den zum Schuldspruch E/I/1 erhobenen Einwand, aus einer Auflistung von „Kontaktaufnahmen“, bei denen der Beschwerdeführer „nachweislich beteiligt war“, ergebe sich „kein Hinweis“ für eine persönliche Übergabe von „Haftbefehlen“ durch den Beschwerdeführer am 12. August 2016.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M* im Übrigen:

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert zum Schuldspruch G/V, die korrespondierende Hauptfrage 66 umfasse „nicht alle tatbestandsmäßigen Merkmale zur subjektiven Tatseite“. Sie übergeht damit zum einen prozessordnungswidrig den Wortlaut der Frage, die eine Passage zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz der Beschwerdeführerin enthält (US 69) und erklärt zum anderen nicht, weshalb es ungeachtet der Vorschrift des § 7 Abs 1 StGB einer ausdrücklichen Aufnahme des (auf Täuschung und Zufügung eines – 5.000 Euro übersteigenden – Vermögensschadens gerichteten) Tatbildvorsatzes in die Frage bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0113270; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 10 und 13).

Die zu diesem Schuldspruch im Wesentlichen inhaltsgleich ausgeführte Rechtsrüge (Z 11 lit a) entfernt sich von den im Wahrspruch getroffenen Feststellungen zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten (erweiterten) Vorsatz (RIS‑Justiz RS0101148) und leitet die Notwendigkeit der Aufnahme des Tatbildvorsatzes in den Wahrspruch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F* im Übrigen:

Die Instruktionsrüge (Z 8) vermisst eine Belehrung zu den Tatbestandsmerkmalen des § 247a StGB, legt aber nicht dar, weshalb die Geschworenen zu einer nicht gestellten Frage (nach Begehung einer solchen strafbaren Handlung) hätten instruiert werden sollen (RIS‑Justiz RS0101085).

Die Forderung nach einer Belehrung der Geschworenen über den strafprozessualen Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) entbehrt einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (vgl § 321 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0098508; Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 15).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten E* im Übrigen:

Die Besetzungsrüge (Z 1) macht eine Ausgeschlossenheit des Geschworenen Gerald H* geltend, weil dieser „in die Gerichtssachverständigenliste … eingetragen ist“. Durch „die berufliche Nähe des Geschworenen zur Justiz“ sei es „für Außenstehende zweifelhaft, ob die Entscheidung in diesem Verfahren durch ein frei von unsachlichen psychologischen Motiven handelndes Gericht getroffen werden würde“. Die Beschwerdeführerin unterlässt die gebotene Darlegung, wodurch sie an der rechtzeitigen Geltendmachung dieses Umstands gehindert war (RIS‑Justiz RS0119225; RS0097452 [insb T15]). Denn die Gerichtssachverständigenliste ist allgemein zugänglich (§ 3b SDG), und in die Dienstliste der Geschworenen und Schöffen (§ 13 Abs 1 GSchG) konnte der Verteidiger der Beschwerdeführerin Einsicht nehmen (§ 170 Geo). Schließlich ist dem Verteidiger der Name des genannten Geschworenen spätestens anlässlich dessen Beeidigung am 15. Oktober 2018 (ON 2153 S 11) zur Kenntnis gekommen (§ 345 Abs 2 StPO). Mangels Einhaltung der Rügeobliegenheit war auf die Behauptung der Ausgeschlossenheit inhaltlich nicht einzugehen.

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert zum Schuldspruch G/VIII, die dazu gestellte Hauptfrage 94 enthalte kein ausreichendes Sachverhaltssubstrat für die (rechtliche) Annahme einer Mittäterschaft (§ 12 erster Fall StGB) der Beschwerdeführerin und damit die Zurechnung des gesamten, durch gemeinschaftlich begangene Betrugshandlungen herbeigeführten Vermögensschadens (vgl RIS‑Justiz RS0117320, RS0090006; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 18 und 24 ff). Sie orientiert sich dabei nicht an der Formulierung der Frage, welche die Vornahme von tatbestandskonformen Ausführungshandlungen (unter anderem auch die Bestätigung der Behauptungen der Mitangeklagten U* als wahr) durch die Beschwerdeführerin detailliert anführt (US 97 f) und verfehlt damit die prozessordnungsgemäße Darstellung.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – abermals in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – im zuvor bezeichneten Ausmaß bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Bleibt anzumerken, dass sich der verfehlte (vgl RIS‑Justiz RS0121981) Schuldspruch jeweils wegen mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (E) in concreto nicht zum Nachteil der Angeklagten U*, S*, DI (FH) W*, E*, En* und Fa* auswirkte und daher nicht von Amts wegen aufzugreifen war. Angesichts dieser Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof besteht im weiteren Verfahren keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS‑Justiz RS0129614 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23 und 27/1).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558).

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