OGH 14Os116/99

OGH14Os116/9920.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Redl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Akaki J***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Akaki J*****, Georgi O***** und Schukri B***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28. April 1999, GZ 20 h Vr 7.493/96-738, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, der Angeklagten Akaki J*****, Georgi O***** und Schukri B***** und deren Verteidiger Dr. Mayer, Dr. Philipp, Dr. Werner und Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Akaki J***** und Georgi O***** wird teilweise Folge gegeben und aus ihrem Anlass auch in Ansehung des Angeklagten Schukri B***** der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen III, VI und VIII und das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch C, demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und die Sache an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen.

Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte B***** mit seiner den Schuldspruch C betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde, die übrigen Angeklagten mit den Strafzumessungsrügen (§ 345 Abs 1 Z 13 StPO) und sämtliche Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigeitsbeschwerden der Angeklagten Akaki J*****, Georgi O***** und Schukri B***** verworfen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Angeklagte Akaki J***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (A I a) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 und 2 WaffG 1986 (B 1), der Angeklagte Georgi O***** des Verbrechens des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (A I b) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 4 WaffG 1986 (B 2), der Angeklagte Schukri B***** des Verbrechens des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (A II) und sämtliche Angeklagte überdies des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Inhaltlich dieses Schuldspruchs haben

(A) in Wien

(I) am 11. Juli 1996 Akaki J***** und Georgi O***** (§ 12 StGB) den David S***** dadurch vorsätzlich getötet, dass

a) Akaki J***** mit einer Selbstladepistole der Marke Astra, Modell Falcon, Kal 7,65 mm (mit veränderter Waffennummer 36481) mit aufgeschraubtem Schalldämpfer aus kurzer Distanz Schüsse gegen David S***** abfeuerte, wodurch dieser eine Steckschussverletzung im Rumpfbereich und eine Durchschussverletzung des Schädels erlitt, wobei letztere zum sofortigen Todeseintritt führte, während

b) Georgi O***** hiezu dadurch beitrug, dass er am Tatort zur Unterstützung (des Akaki J*****) mit einer mit 20 Patronen geladenen Maschinenpistole (MP 69) der Type Skorpion Nr 0167, Kal 7,65 Browning, Unterstützungs-, Aufpasser- und Absicherungsdienste leistete;

(II) Schukri B***** in der Zeit vom 4. Juli 1996 bis 11. Juli 1996 zu der unter Punkt A I a erwähnten Tat des Akaki J***** dadurch beigetragen, dass er diesen sowie Georgi O***** vom 7. Juli 1996 bis 10. Juli 1996 im Hotel A***** wiederholt kontaktierte, ihnen ab 10. Juli 1996 die in Wien *****, befindliche Wohnung, in welcher sie unmittelbar vor der Tat und danach Unterschlupf nahmen, organisierte, zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe des Tatortes zugegen war und vor der Tat in Form von Aktiv- und Passivtelefonaten und durch Zurverfügungstellen der Wohnung und von Telefonanschlüssen die Tatausführung förderte;

(B) 1) Akaki J***** in einem nicht näher festzustellenden Zeitraum zwischen 7. Juli 1996 und 11. Juli 1996, wenn auch nur fahrlässig, eine Selbstladepistole der Marke Astra, Modell Falcon, Kal 7,65 mm (mit veränderter Waffennummer 36481), sohin eine Faustfeuerwaffe, und eine verbotene Waffe, nämlich einen aufgesetzten Schalldämpfer (§ 11 Z 5 WaffG 1986), unbefugt besessen und geführt;

2) Georgi O***** in einem nicht näher festzustellenden Zeitraum zwischen 7. Juli 1996 und 11. Juli 1996, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt die mit 20 Patronen geladene Maschinenpistole (MP 69) der Type Skorpion, Nr 0167, Kal 7,65 Browning, sohin Kriegsmaterial besessen und geführt;

(C) Akaki J*****, Georgi O***** und Schukri B***** in einem nicht mehr festzustellenden Zeitraum, zumindest von Beginn 1996 bis 25. Juli 1996 in Wien und anderen Orten sich als Mitglied an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der Organisation um Tariel O*****, beteiligt, die

1) wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, ausgerichtet war, indem sie Entführungen, Erpressungen, gefährliche Drohungen, Nötigungen und Mordanschläge sowie verdeckte Schutzgeldzahlungen plante und durchführte (bzw durchzuführen versuchte);

2) dadurch eine Bereicherung in großem Umfang oder erheblichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft anstrebte, indem sie eine in Millionen-Dollar-Beträge reichende Bereicherung erzielte und erheblichen Einfluss auf Innen- und Außenpolitik (zB durch illegale Interventionen und teils geplante, teils durchgeführte Schmiergeldzahlungen an Beamte und Entscheidungsträger) ausübte und auf die Wirtschaft (zB durch Veranlagung illegaler Gelder in legalen Unternehmen, Gründung von "Scheinfirmen" und Firmenimperien, die mit illegalen bzw betrügerisch erlangten Geldern arbeiteten) anstrebte und

3) andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte, indem sie staatliche Entscheidungsträger durch Zahlung von Schmiergeldern und verbotene Interventionen zu korrumpieren oder andere, nicht zu ihrer Organisation gehörende oder dieser nicht nahestehende Personen zB durch Drohungen oder Erpressungsversuche einzuschüchtern suchte oder sich durch internationale Netzwerke bzw Kontakte, häufige Wohnsitzänderungen bzw mannigfache internationale Wohnsitze und Verwendung von Falschpapieren und/oder Gebrauch von "Aliasnamen" zwecks Verschleierung ihrer Identität, Geheimhaltung des Aufbaus und der personellen Zusammensetzung der Organisation, Errichtung von Scheinfirmen (auch mit "Strohmännern"), Anmietung konspirativer Räumlichkeiten und Gegenobservationen sowie Organisation einer "Schattenrechtsordnung" auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte.

Die Geschworenen hatten die Hauptfragen I, IV und - mit Einschränkung auf einen Teil der in der Anklage angeführten Tatbeiträge - VIII nach Mord bzw nach Beteiligung an diesem, sowie die Hauptfragen III, VI und VIII nach Beteiligung an einer kriminellen Organisation als Mitglied ebenso stimmeneinhellig bejaht wie die (nur) in Ansehung der Angeklagten J***** und O***** gestellten Hauptfragen II und V nach unbefugtem Besitz einer Faustfeuerwaffe und einer verbotenen Waffe bzw von Kriegsmaterial.

Sämtliche Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch mit - getrennt ausgeführter - Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J***** stützt sich formell auf die Gründe der Z 5, 6, 8, 10 a, 11 lit a, 11 lit b und 13 des § 345 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 5) dieses Angeklagten wendet sich zunächst gegen die Abweisung (S 39/XXI) des Antrages auf Ladung und zeugenschaftliche Einvernahme der Manana P***** (S 133/XVIII), weil es sich bei der genannten Zeugin um eine unmittelbare Tatzeugin handle, die hätte aussagen können, dass es nicht der Angeklagte gewesen sei, der David S***** erschossen habe; die Wichtigkeit ihrer Aussage hätte ungeachtet des unentschuldigten Nichterscheinens der im Ausland aufhältigen Zeugin ihre neuerliche Ladung oder zumindest ihre Vernehmung im Rechtshilfeweg gerechtfertigt.

Schon das Fehlen eines zur Überprüfung durch den Schwurgerichtshof geeigneten Beweisantrages, der die Darstellung jener Umstände enthalten muss die durch das Beweismittel erwiesen werden sollen (Mayerhofer StPO4 § 345 Abs 1 Z 5 E 4), hinsichtlich der Zeugin Manana P***** schließt die erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO aus.

Im Übrigen übersieht der Beschwerdeführer, dass auch vor dem Geschworenengericht eine Beweisaufnahme nur dann geboten ist, wenn sie ein maßgebliches, den Wahrspruch allenfalls noch zu Gunsten des Angeklagten beeinflussendes Ergebnis erwarten lässt, wenn also die gesamte Verfahrenslage eine solche Erwartung unterstützt.

Diese Voraussetzungen trafen im vorliegenden Fall jedoch nicht zu, hatte doch die Zeugin bei allen bisherigen Vernehmungen vor der Polizei (vgl S 215 f, 437, 441/I, 635/II [ON 55]) angegeben, schon zufolge Verlustes ihrer Brille nicht wahrgenommen zu haben, wer der Täter war, bzw von diesem nur die Umrisse erkannt zu haben. Im Hinblick darauf hätte der Angeklagte auch begründen müssen, auf Grund welcher Umstände anzunehmen sei, dass die Zeugin ihn bei ihrer Einvernahme vor dem erkennenden Gericht ausdrücklich als Täter ausschließen würde (vgl Mayerhofer StPO4, § 345 Abs 1 Z 5 E 8 f, 13; § 281 Abs 1 Z 4 E 19).

Die Kritik am Unterbleiben einer Entscheidung (§ 238 Abs 1 StPO) über den weiteren Beweisantrag auf Ausforschung und Vernehmung des Schota G***** zum Beweis dafür, dass die Beschaffung des falschen Passes des Angeklagten keine Aktivität der kriminellen Organisation war (S 137 f/XVIII), ist aktenwidrig, weil sie übergeht, dass das Schwurgericht nach der Aktenlage sehr wohl eine solche (freilich abschlägige) Entscheidung getroffen hat (S 41/XXI). Auf die Berechtigung dieses Zwischenerkenntnisses einzugehen erübrigt sich aber im Hinblick auf die erfolgte teilweise kassatorische Rechtsmittelentscheidung.

Die Fragenrüge (Z 6) ist zwar insofern verfehlt, als der Nichtigkeitswerber wohl zutreffend davon ausgeht, dass die Ausrichtung der Ziele einer kriminellen Organisation vom Vorsatz des an ihr beteiligten Täters umfasst sein müssen, aber - wie bei Ausführung der Instruktions- und Rechtsrügen (Z 8 und 11 lit a) zum nämlichen Faktum - ersichtlich in Verkennung des Unterschiedes der Vorsatzformen des ersten und des dritten Absatzes des § 5 StGB (vgl Foregger/Kodek StGB6 § 5 Anm III) bemängelt, dass sich die Hauptfrage III nicht auf ein tatbestandsfremdes entsprechendes "Wissen" des Angeklagten bezogen hat. Hingegen ist der Beschwerdeführer insoweit im Recht, als er eine Fragestellung nach den konkreten Tathandlungen im Zusammenhang mit der ihm angelasteten Beteiligung als Mitglied an der kriminellen Organisation vermisst.

Gemäß § 312 Abs 1 zweiter Satz StPO sind in die Hauptfrage alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw soweit beizufügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat notwendig ist. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Tat erschöpfend beschrieben werden muss, doch reicht es jedenfalls nicht aus, wenn aus der Anführung der gesetzlichen Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale nicht hervorgeht, auf welche konkreten Tatsachen, die diese Merkmale im Einzelfall verwirklichen, die Frage gerichtet ist. In diesen Fällen ist es daher erforderlich, in die Frage ein solches Maß konkreter Tatumstände aufzunehmen, dass die rechtliche Überprüfung des Wahrspruches durch den Schwurgerichtshof - gleich wie im Rechtsmittelverfahren durch den Obersten Gerichtshof - ermöglicht wird (vgl Mayerhofer aaO § 312 E 26 a f).

Demnach hätte sich der Schwurgerichtshof bei Abfassung der Hauptfrage nach Beteiligung an einer kriminellen Organisation in Ansehung der Tatdarstellung nicht mit der bloßen Wiedergabe der keinen Hinweis auf das konkrete Tatverhalten gebenden verba legalia begnügen dürfen. Vielmehr hätte er das vom Beschwerdeführer tatsächlich gesetzte Verhalten dergestalt konkretisieren müssen, dass aus dem Wahrspruch hervorgegangen wäre, welche konkreten Tatsachen als erwiesen angenommen wurden, die das abstrakte Tatbestandsmerkmal der Beteiligung als Mitglied verwirklichten. Erst durch die Anführung dieser Tatumstände wäre dem Schwurgerichtshof und in weiterer Folge dem Obersten Gerichtshof der (für die Subsumtion und deren Überprüfung erforderliche) Vergleich des im Wahrspruch festgestellten Sachverhalts mit dem Strafgesetz ermöglicht worden (SSt 55/82).

Da keineswegs unzweifelhaft erkennbar ist, dass die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO) schlägt der aufgezeigte Nichtigkeitsgrund durch. Die deshalb gemäß § 349 Abs 1 und 2 StPO unumgängliche Aufhebung des Wahrspruchs zur Hauptfrage III und des darauf beruhenden Teiles (C) des Schuldspruchs zieht auch die Kassation des Strafausspruches nach sich.

Eine Erörterung weiterer auf diese Entscheidungsteile bezogener Beschwerdeeinwände kann sohin unterbleiben. Unter diesen ist übrigens der auf § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO gestützte Einwand der Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes (§ 70 Abs 1 ARHG) aktenwidrig, weil er von einer nach der Nachtragsauslieferung ON 628/XVIII erfolgten Änderung des Punktes D der Anklageschrift ON 319/XII zwecks Erfassung einer von der Anklage und Auslieferungsbewilligung nicht betroffenen Tat ausgeht (vgl S 135/XII ff, insbes S 153/XII mit ON 582/XVII und 31/XXI).

Entgegen der Instruktionsrüge (Z 8) wurde in der Rechtsbelehrung (zur Hauptfrage I und der Eventualfrage A) den Geschworenen nicht nur der Unterschied zwischen den Tatbeständen des Mordes (§ 75 StGB) und des Totschlags (§ 76 StGB) ausführlich erklärt (vgl S 18 bis 20 oben der Belehrung), sondern es wurde auch zu Recht unterlassen, auf den der Anklage zu Grunde liegenden Sachverhalt näher einzugehen, weil die den konkreten Fall betreffenden Umstände nicht in die schriftliche Rechtsbelehrung, sondern in die im Anschluss daran mit dem Vorsitzenden abzuhaltende Besprechung gehören (Mayerhofer aaO § 345 Abs 1 Z 8 E 18).

In der - auf die Beantwortung der Hauptfragen I und II beschränkten - Tatsachenrüge (Z 10a) weist der Beschwerdeführer auf seine leugnende Verantwortung sowie die mangelnde Identifizierung bzw Belastung durch Tatzeugen hin; selbst Beweise würdigend behauptet er, dass die gegen ihn sprechenden Beweisergebnisse (sein Tatmotiv, sein Handflächenabdruck auf dem am Tatort vorgefundenen, die Tatwaffe enthaltenden Plastiksack, sein Aufenthalt in Wien zur Tatzeit und seine - nur im Tatzeitraum unterbliebenen - Telefonate aus der Wohnung J*****) nicht zur Überführung ausreichen.

Der Beschwerdeführer vermag durch die Erörterung des Aussagewertes einzelner Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen darzutun. Vielmehr versucht der - wie insbesondere aus den resümierenden Überlegungen (S 11 des Rechtsmittels) hervorgeht - nur, nach Art einer im Geschworenenverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Laienrichter zu bekämpfen.

Gleiches gilt für seine Behauptung einer damit im Zusammenhang stehenden "gravierenden" Verletzung des Zweifelsgrundsatzes. Dabei übersieht er zudem, dass dieser Grundsatz keine negative Beweisregel ist und nicht bedeutet, dass sich das Gericht bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen für die dem Angeklagten günstigste entscheiden müsste, sondern lediglich, dass dieser freizusprechen ist, wenn - auf Grund der Beweislage - Zweifel an dessen Täterschaft oder Schuld bestehen (vgl Foregger/Kodek StPO7 § 258 Anm V).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten O***** stützt sich (formell) auf die Gründe der Z 5, 6, 8, 10a, 11 lit a (insoweit ohne Ausführung), 11 lit b und 13 des § 345 Abs 1 StPO.

Der die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der Zeugin Manana P***** (S 135 iVm 133/XVIII) monierenden Verfahrensrüge (Z 5) ist - wie schon dem entsprechenden Beschwerdevorbringen des Angeklagten J***** - das Fehlen einer (nach Lage des Falles erforderlichen) Begründung entgegenzuhalten. Auch der Antrag auf Einvernahme des Untersuchungsrichters Dr. Max N***** darüber, warum mit dem Beschwerdeführer keine Wahlkonfrontationen durchgeführt wurden, verfiel zu Recht der Abweisung; lief er doch - wie der Nichtigkeitswerber selbst einräumt (insbes S 5 f seines Rechtsmittels) - letztlich nur auf den Nachweis einer oberflächlich geführten Voruntersuchung und somit auf die Einholung eines (für die rechtliche Beurteilung des der Anklage zu Grunde liegenden Sachverhaltes unwesentlichen) unzulässigen Erkundungsbeweises hinaus. Die Auseinandersetzung des Rechtsmittels mit den verschiedenen Angaben der (Tat-)Zeugen und der damit verknüpfte Vorwurf eines Vorstoßes gegen die §§ 3 und 96 StPO stellen sich ihrer Zielrichtung nach wiederum lediglich als Versuch dar, die - unbekämpfbare - Beweiswürdigung der Geschworenen in Zweifel zu ziehen.

In seiner Fragenrüge (Z 6) kritisiert der Beschwerdeführer, dass die Hauptfragen IV und VI nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 312 Abs 1 StPO entsprächen.

In Ansehung der erstgenannten Hauptfrage ist seine Rüge unberechtigt, weil doch allein schon das - in dieser Frage ausdrücklich angeführte - Leisten von Aufpasserdiensten eine physische Unterstützungshandlung darstellt, die als Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB zu beurteilen ist (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 12 RN 45).

Anders verhält es sich bei der Hauptfrage VI: Zwar geht auch der Beschwerdeführer O***** (ähnlich wie in der Instruktionsrüge) zu Unrecht davon aus, dass die Beteiligung an einer kriminellen Organisation als Mitglied Wissentlichkeit voraussetzt; doch ist - wie schon bei der Behandlung der Fragenrüge des Erstangeklagten dargelegt - der Beschwerdeeinwand berechtigt, aus der Frage ließe sich nicht erkennen, worin die konkrete Tathandlung bestand. Die demnach auch hinsichtlich des Angeklagten O***** gebotene Aufhebung des Schuldspruchs C (und des zu Grunde liegenden Teils des Wahrspruches) sowie des Strafausspruches enthebt der Erörterung weiterer hierauf bezogener Einwände (Z 8, 11 lit b und 13).

In der die Urteilstaten A I b und B 2 betreffenden Tatsachenrüge (Z 10a) erörtert der Beschwerdeführer die Beweiskraft der von den Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Sz***** (ON 255/IX = S 401 ff/IX und ON 701/XXII, S 211 ff, 227 ff/XXII) und Prof. Dr. H***** (ON 735/XXIII, S 343 ff/XXIII) erstellten (z.T. Ergänzungs-)Gutachten und zieht im Hinblick auf die darin als möglich bezeichneten Fehlerquoten bis zu 10 % bzw bis zu 5 % den Schluss, dass damit kein Beweis erbracht worden sei, sondern lediglich "Indizien" vorlägen. Auch sieht er den Umstand, dass in der sichergestellten Wollmütze nicht nur (zwei) Haare von ihm, sondern auch (zwei) Haare eines Unbekannten gefunden wurden, als (von den Sachverständigen nicht berücksichtigtes) Indiz für einen noch unbekannten Tatbeteiligten an und weist darauf hin, dass weder an der Baseballmütze noch an der sichergestellten Maschinenpistole Spuren von ihm gefunden wurden und die auf seinem T-Shirt entdeckten Schmauchspuren nicht von der Tatwaffe herrührten.

Damit vermag der Angeklagte den herangezogenen Nichtigkeitsgrund jedoch nicht darzustellen. Dieser läge dann vor, wenn Hinweise auf aktenkundige Beweisergebnisse bestünden, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen ließen. Derartiges lässt sich dem Akteninhalt jedoch nicht entnehmen.

Die Bezugnahme des Beschwerdeführers auf den Zweifelsgrundsatz beruht - wie schon zur entsprechenden Beschwerde des Erstangeklagten ausgeführt - auf eine Verkennung des Wesens dieses Prinzips.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** macht die Gründe der Z 6, 8, 10a und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO geltend.

In seiner Fragenrüge (Z 6) bemängelt dieser Angeklagte das Fehlen einer Darstellung der Kausalität der einzelnen (durch eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage VII im Wahrspruch festgestellten) Tatbeiträge. Die kausale Beziehung zwischen Beitragshandlung und Tat (in ihrer individuellen Erscheinungsform) ist jedoch nicht in der Schuldfrage darzulegen. Eine solche (Haupt- oder Eventual-)Frage ist darauf zu richten, ob der Angeklagte die der Anklage zu Grunde liegende (§ 312 Abs 1 StPO) oder durch die Verhandlungsergebnisse indizierte (§ 314 Abs 1 StPO) strafbare Handlung begangen hat, und alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung sowie die zur deutlichen Bezeichnung (Individualisierung) der Tat oder für ein allfälliges Adhäsionserkenntnis notwendigen besonderen Umstände (Tatort, -zeit, -gegenstand usw) zu enthalten. Die (allenfalls) zur Überprüfung der Subsumtion gebotene Konkretisierung beschränkt sich auf jene Tatsachen, die im Einzelfall die gesetzlichen Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale verwirklichen.

Die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung und die Auslegung der in den Fragen vorkommenden gesetzlichen Ausdrücke ist Gegenstand der Rechtsbelehrung (§ 321 StPO). Erst in dieser sind sohin die Voraussetzungen für die Bewertung eines Verhaltens als Tatbeitrag (in abstracto) zu erörtern. Hinsichtlich der vorausgesetzten Kausalbeziehung zwischen Beitrag und Tatausführung ist dies auch in ausreichender - vom Beschwerdeführer B***** daher im Recht nicht zum Gegenstand einer Instruktionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO) gemachten - Weise geschehen (S 10 der Rechtsbelehrung). Die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf den konkreten Sachverhalt unter Hervorhebung für die Fragenbeantwortung entscheidender Tatsachen und unter Verweisung auf die Verhandlungsergebnisse erfolgt überhaupt erst in der mündlichen Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschworenen (§ 323 Abs 2 StPO), die einer Anfechtung entzogen ist.

Auch eine Verletzung des § 314 Abs 1 StPO wird zu Unrecht moniert. Die Stellung einer Eventualfrage in Richtung § 87 Abs 1 und 2 StGB war nämlich schon deshalb nicht indiziert, weil der Angeklagte die ihm zu Last gelegte Tat überhaupt leugnete, sodass bei Wahrheit seiner Behauptung mit Freispruch, nicht aber mit einer Verurteilung nach einem mildernen Strafgesetz vorzugehen gewesen wäre. Schließt doch das völlige Bestreiten der Tat nicht eine Verantwortung mit ein, wonach der Angeklagte nicht mit dem ihm vorgeworfenen (Tötungs-) Vorsatz, sondern mit der Absicht der Zufügung einer schweren Körperverletzung vorgegangen sei (vgl Mayerhofer aaO § 314 E 23 und 24).

Soweit der Beschwerdeführer vermeint, im Beweisverfahren seien "zweifellos Umstände zustande gekommen, welche eine Fragestellung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang rechtfertigen", unterlässt er es prozessordnungswidrig, durch Hinweis auf solche Verfahrensergebnisse den Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 285a Z 2 StPO). Seiner daran anschließenden Rüge der Rechtsbelehrung, in welcher er Rechtsausführungen zum Tatbestand des § 87 StGB vermisst, ist zu erwidern, dass die Belehrung nur in Ansehung tatsächlich gestellter Fragen zu erfolgen hat und anfechtbar ist (Mayerhofer aaO § 345 Abs 1 Z 6 E 20).

In der Rechtsrüge (Z 11 lit a) behauptet der Angeklagte, die ihm im Punkt A II des Urteils angelasteten Taten stellten keine gerichtlich strafbaren (Beitrags-) Handlungen dar, weil sie nicht ursächlich gewesen seien bzw keinen Einfluss auf das Tatgeschehen gehabt hätten. Weder seine Kontakte zu den anderen Angeklagten noch die Beschaffung der Wohnung oder die (bloße) Anwesenheit am Tatort seien Voraussetzung für die Durchführung des Mordes in der vorliegenden Form gewesen.

Voraussetzung für die Geltendmachung des herangezogenen materiellen Nichtigkeitsgrundes ist jedoch ein Vergleich des im Wahrspruch festgestellten Verhaltens mit dem angewendeten Gesetz; aus diesem Vergleich muss die rechtsirrige Subsumtion hervorgehen. Werden die im Wahrspruch zur Hauptfrage VII festgestellten Handlungen nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenhalt betrachtet, dann ist ihre Beurteilung im Wahrspruch als Beitrag zum Mord, somit dahin, dass sie insgesamt (zwar nicht unerlässlich für dessen Begehung waren, aber) die Ausführung in einem relevanten Ausmaß gefördert haben, nicht als rechtsirrtümlich erkennbar. Das von den Geschworenen festgestellte Verhalten des Angeklagten B***** bestand in aus logistischer Sicht wesentlichen Maßnahmen, die - insbesondere im Hinblick auf die nur kurze Anwesenheit der Mitangeklagten in Wien - den friktionsfreien Tatablauf und das problemlose Unterschlupfnehmen kurz vor und nach dem Mord ermöglichten.

Soweit der Angeklagte die einzelnen Handlungen in einer ihn zu entlasten geeigneten Weise interpretiert und andere Schlüsse aus ihnen gezogen sehen will, bekämpft er nur abermals in gesetzeswidriger Weise die von den Geschworenen vorgenommene Würdigung der Beweise.

Der weitere Einwand, § 278a StGB in der geltenden Fassung sei am 1. März 1997, sohin erst nach dem Tatzeitraum (Beginn 1996 bis 25. Juli 1996), in Kraft getreten, Abs 1 Z 2 und 3 dieser Gesetzesstelle somit auf die Taten des Beschwerdeführers gar nicht anwendbar, beruht auf Verkennung des einschränkenden Charakters der in der Novellierung der (mit Art I Z 27a des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996, BGBl Nr 762) insoweit erfolgten Definition zusätzlicher Voraussetzungen für die Beurteilung einer Verbindung als kriminelle Organisation. Wenn auch diese Voraussetzungen neben jenen des § 278a Abs 1 StGB aF als verwirklicht angesehen werden, liegt ein Vorstoß gegen § 1 Abs 1 StGB nicht vor. Welches Strafgesetz auf vor dem Inkrafttreten der Novellierung begangene strafbare Handlungen anzuwenden ist, muss im Einzelfall durch Günstigkeitsvergleich (§ 61 StGB; Art XI Abs 2 StRÄG 1996) entschieden werden.

Auf die Rechtsrüge näher einzugehen erübrigt sich ebenso wie auf die Behauptung des Drittangeklagten, im Zusammenhang mit Punkt C des Schuldspruchs ergäben sich aus dem Akt erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen (Z 10a), in Anbetracht der auch hinsichtlich des Angeklagten B***** erforderlichen Anordnung eines zweiten Rechtsganges bezüglich der Urteilstat C: Die im Zuge der Stellungnahme zu den Fragenrügen der Angeklagten J***** und O***** angestellten Erwägungen über die fehlende Konkretisierung der Beteiligung an der kriminellen Organisation als Mitglied gelten nämlich auch für den Beschwerdeführer.

Hinsichtlich seiner Person war der Fragestellungsmangel von Amts wegen gemäß §§ 344, 290 Abs 1 StPO wahrzunehmen.

Auf die erforderliche teilweise Kassation waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln wie im Spruch zu verweisen; im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

Infolge der Möglichkeit tateinheitlichen Zusammentreffens der strafbaren Handlungen kriminelle Organisation (§ 278a StGB) und Mord (§ 75 StGB vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 12 und 19 ff) kommt Strafneubemessung durch den Obersten Gerichtshof wegen der jeweils unberührt gebliebenen Schuldsprüche (noch) nicht in Betracht (vgl Mayerhofer StPO4 § 289 E 17). Es wird Sache des Staatsanwaltes sein, umgehend die Anklage in Richtung eines zur (anklagekonformen) Fragestellung (§ 312 Abs 1 StPO) tauglichen Tatsachensubstrates klarzustellen (§ 27 StPO).

Sollte im erneuerten Verfahren eine Fragestellung nach § 278a StGB nicht mehr erfolgen, hätte sich das Urteil auf die Strafneubemessung zu beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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