Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christian Johann C***** und Franz A***** wird Folge gegeben und aus Anlaß derselben gemäß § 290 Abs 1 StPO betreffend den Angeklagten Christian W***** werden
1. die Wahrsprüche der Geschworenen zu den Hauptfragen I., II. und III.,
2. das darauf beruhende - im übrigen jedoch unberührt bleibende - Urteil im Schuldspruch zu A/I,
3. die Strafaussprüche (einschließlich der Anrechnung der Vorhaften, jedoch ausschließlich des Einziehungsausspruchs) sowie
4. der gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßte Beschluß
aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch unbekämpfte Schuld- und Freisprüche enthaltenden) auf den Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Christian Johann C*****, Franz A***** und Christian W***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (Punkt A/I, C***** und A***** auch Punkt II. des Urteilsspruches), Christian W***** ferner des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (B) sowie dieser und Franz A***** des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG 1986 (C/I und II) schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Der Schuldspruch des Angeklagten Christian W***** blieb zur Gänze, jener der Angeklagten Christian Johann C***** und Franz A***** zum Teil unangefochten. Die getrennt ausgeführten, auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 11 lit a, vom Erstgenannten auch auf Z 10 a, StPO gestützten Beschwerden der beiden Nichtigkeitswerber bekämpfen den Schuldspuch zu A/I.
Diesbezüglich haben die Geschworenen die an sie gestellten Hauptfragen I und II (bei Christian W***** III), ob die Angeklagten schuldig sind, im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem der anderen als Mittäter "versucht zu haben, mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie sich am 21.Februar 1997 in Hall/Tirol ausgerüstet mit einer abgesägten Schrotflinte und mit Klebeband zur Stadtapotheke 'P*****' begaben, Handschuhe anzogen, sich zur Vorbereitung der Gesichtsmaskierung Masken auf den Kopf setzten und sämtliche Türklingeln der Eingangstüre betätigten, um eingelassen zu werden, dies zur Verwirklichung ihres Vorhabens, einen Arzt, von dem sie glaubten, daß er dort seine Praxis betreibt und größere Bargeldmengen aufbewahrt, aufzusuchen, den Arzt, seine Angestellten und Patienten mittels der Schrotflinte in Schach zu halten, sie mit Klebeband an Händen und Füßen zu fesseln, ihnen den Mund zu verkleben und ihnen dann das gesamte Bargeld sowie sämtliche Schmuckstücke abzunehmen, wobei die Tatvollendung unterblieben ist ?", jeweils stimmeneinhellig bejaht.
Die im Sinne des § 16 StGB gestellten Zusatzfragen IV, V und VI wurden jeweils verneint.
Sowohl die Tatsachen- (Z 10 a) als auch die Rechtsrüge (Z 11 lit a) des Angeklagten C***** behaupten den Strafaufhebungsgrund des freiwilligen Rücktrittes vom Versuch. Dessen Relevierung mit Rechtsrüge ist im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht zulässig, er kann nur Gegenstand der unter der Sanktion des § 345 Abs 1 Z 6 StPO stehenden Fragestellung sein (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 11 b E 4). Im übrigen wurde die darauf abzielende Frage (Zusatzfrage IV) gestellt, von den Geschworenen jedoch verneint. Inwieweit diese vom Schwurgerichtshof gestellte Frage die in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzen sollte, wurde von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht dargetan. Sie unterläßt auch jeden Bezug auf aus den Akten hervorkommende Sachverhaltsmomente, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der diesbezüglich im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen erwecken könnten (Z 10 a).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian Johann C***** muß insoweit erfolglos bleiben.
Hingegen ist die Fragestellungsrüge (Z 6) dieses Angeklagten sowie jene des Angeklagten Franz A***** (deren Inhalt sich im wesentlichen mit den weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründen deckt) im Recht.
Der Wahrspruch der Geschworenen und der darauf basierende Schuldspruch ist nichtig, wenn eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden ist. Gemäß § 312 Abs 1 StPO muß die Hauptfrage darauf gerichtet sein, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrundeliegende strafbare Handlung begangen zu haben. Dabei sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw soweit beizufügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat (oder für die Entscheidung der Entschädigungsansprüche) notwen- dig ist. Die Hauptfrage muß somit auch im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt mit der Anklage übereinstimmen. Dieser Sachverhalt kann auch der Begründung der Anklage entnommen werden (Mayerhofer aaO § 312 E 1).
Die Beschwerden relevieren in diesem Zusammenhang berechtigterweise, daß die bereits im Spruch der Anklageschrift Punkt A/I/1 dazu enthaltenen Sachverhalts- umstände nicht in die diesbezügliche Hauptfragen aufge- nommen worden sind.
Im Hinblick auf die entscheidenden, auch durch in der Hauptverhandlung vorgebrachte (mit der Aktenlage korrespondierende) Tatsachen gedeckte (S 131 f, 137, 235 f, 243 f/III; 97 ff/II) Tatumstände zur Versuchstauglichkeit führen die entsprechenden Hauptfragen (I und II ebenso wie die den dritten Angeklagten betreffende III) lediglich aus, die Angeklagten hätten "geglaubt", daß das Tatopfer in dem Haus, bei dem sie eingelassen werden wollten, seine Praxis betreibe und größere Bargeldmengen dort aufbewahre (siehe den zuvor wiedergegebenen Wortlaut). Die die Grundlage des Wahrspruches bildenden Hauptfragen lassen jedoch völlig offen, weshalb die Tatvollendung nicht möglich war, insbesondere inwieweit der "Glaube" irrig war.
Demgegenüber beschreibt bereits der Anklagespruch (S 18 f/III), daß die Angeklagten mit dem entsprechenden Vorsatz "... sämtliche Türklingeln an der Eingangstüre betätigten," um "nach dem Öffnen der Eingangstüre in die Praxis jenes namentlich nicht bekannten Arztes zu gelangen, über den Franz A***** zuvor erfahren hatte, daß er größere Bargeldmengen in der Praxis aufbewahrt, um anschließend den Arzt und die in der Praxis aufhältigen Angestellten und Patienten mit der mitgeführten abgesägten Schrotflinte in Schach zu halten, mit dem ebenfalls bereitgestellten Klebeband an Händen und Füßen zu fesseln, den Mund zu verkleben und das gesamte Bargeld und sämtliche Schmuckstücke abzunehmen, nachdem sie sich zuvor Handschuhe angezogen und Masken auf den Kopf gesetzt, aber noch nicht über das Gesicht gezogen hatten, wobei die Tatvollendung daran scheiterte, daß sie sich in der Straße und im Haus irrten, ihnen auf ihr Läuten hin nicht sofort geöffnet wurde und sie sich durch ein vorbeifahrendes Gendarmeriefahrzeug schließlich entdeckt wähnten".
Die Begründung der Anklageschrift führt dazu aus, daß der Angeklagte A***** (als geistiger Urheber des Unternehmens) weder den Namen des Arztes noch die Straßenbezeichnung und die Hausnummer der Arztpraxis kannte. Das Haus sei ihm lediglich durch einen ehemaligen Arbeitskollegen beschrieben worden, weswegen sich die Angeklagten in der irrigen Annahme zur Stadtapotheke "P*****" begaben, daß sich in diesem Gebäude die angegebene Arztpraxis befand (S 27 f/III). Diese hatte sich jedoch nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung nie dort befunden. Nach der Aktenlage (neuerlich S 97 ff/II) befindet sich die Arztpraxis vielmehr in einem Haus einer anderen Straße.
Wie bereits vom Schwurgerichtshof erkannt ist eine Zusatzfrage nach absoluter Untauglichkeit eines Versuches niemals zu stellen, weil sich dieser nur auf eine Tathandlung beziehen kann, die schon ihrer Anlage nach nicht zur Verwirklichung eines Sachverhaltes zu führen geeignet ist, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, weswegen diesfalls die Hauptfrage zu verneinen wäre (11 Os 159/82, 10 Os 134/83 = RiZ 1984 S 189). Schuldfragen müssen aber immer alle gesetzlichen Merkmale der der Anklage zugrunde liegenden strafbaren Handlung und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw enthalten, um diese zu individualisieren und eine rechtsrichtig Subsumtion zu gewährleisten, weil der daraus resultierende Wahrspruch die einzige Grundlage ihrer rechtlichen Beurteilung bildet. Den Geschworenen muß somit im Rahmen solcher Fragen die Möglichkeit gegeben werden, darzutun, welchen für eine abschließende rechtliche Beurteilung notwendigen Sachverhalt sie insgesamt als erwiesen angenommen haben, um die Rechtsrichtigkeit der darauf basierenden Schuldentscheidung (allenfalls auch in Richtung des § 337 StPO) sicherzustellen.
Enthält somit die Anklage Sachverhaltsmomente in Richtung von negativen Begriffsvoraussetzungen des strafbaren Versuches, so ist, weil die Erfüllung des gesetzlichen Tatbildes nur auf Grund der Beantwortung der Hauptfragen durch die Geschworenen beurteilt werden kann diesen daher durch die Aufnahme der die Tatvollendung hindernden Umstände in die Hauptfrage (allenfalls auch durch Ergänzung, Mayerhofer aaO § 312 E 5), insbesondere infolge der Möglichkeit, der Beantwortung Beschränkungen beizufügen (§ 331 Abs 2 StPO), Gelegenheit zu geben, das Vorliegen von Umständen, die die Tatvollendung hinderten, in ihrem Wahrspruch festzustellen.
Im vorliegenden Fall hat der Schwurgerichtshof zwar durch die Stellung entsprechender (von den Geschworenen verneinter) Zusatzfragen (IV bis VI) den angeklagten Sachverhalt in Richtung des § 16 StGB dem Gebot des § 313 StPO folgend Rechnung getragen, es jedoch verabsäumt, die Hauptfragen insgesamt anklagekonform zu stellen und damit der Vorschrift des § 312 StPO zu genügen, womit eine ausreichende Berücksichtigung der absoluten Untauglichkeit des Versuchs bei Beantwortung der Hauptfrage von vornherein keine Berücksichtigung finden konnte (s. nochmals RiZ 1984 S 189). Der Wahrspruch zu den Hauptfragen I bis II und die darauf beruhende Schuldentscheidung (A/I) sind somit von der geltend gemachten Nichtigkeit betroffen und waren, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, ebenso zu kassieren wie die Unrechtsfolgen (ausgenommen den Einziehungsausspruch).
Der Angeklagte W***** hat das Urteil unangefochten gelassen. Aus Anlaß der ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß derselbe Grund, auf den die teilweise Urteilskassierung bezüglich der beiden Rechtsmittelwerber beruht, auch diesem Mitangeklagten zustatten kommt, weswegen von Amts wegen so vorzugehen war, als wäre dieser Nichtigkeitsgrund in gleicher Weise auch von ihm geltend gemacht worden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO; Mayerhofer aaO, § 290 E 49 und 22).
Im zweiten Rechtsgang wird bei der Formulierung der Hauptfragen auch auf die Vermeidung einer in sich widersprechenden Antwort der Geschworenen (§ 345 Abs 1 Z 9 StPO) besonders Bedacht zu nehmen sein. Werden in der neu durchzuführenden Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht, denen zufolge, werden sie als erwiesen angenommen, den Angeklagten eine (nicht strenger bestrafte) Tat zur Last fiele, die das Stadium vor einem (strafbaren) Tatversuch betrifft, so werden gemäß § 314 StPO entsprechende Fragen in Richtung § 277 StGB zu stellen sein.
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