BVwG L518 2178320-1

BVwGL518 2178320-19.9.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L518.2178320.1.00

 

Spruch:

L518 2178307-1/18E

L518 2178329-1/12E

L518 2178315-1/12E

L518 2178326-1/9E

L518 2178320-1/9E

L518 2178323-1/9E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 19.08.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Armenien, die minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX alias XXXX , alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 12.10.2017, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Einreiseverbote behoben werden.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP6" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 10.09.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein bzw. wurde für die in Österreich geborene bP 6 am 20.06.2016 ein Antrag eingebracht.

Die männliche bP2 und die weibliche bP3 sind kirchlich verheiratet und Eltern der minderjährigen bP 4-6. Die bP 1 ist die Mutter der bP 2.

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 2 im Wesentlichen Folgendes vor:

Von 2007 bis 2010 arbeitete ich in einer Sportschule als Direktor. Das Bildungs- und Wissenschaftsministerium finanzierte diese Schule. Da ich vier Monate lang kein Gehalt bekommen hatte, gab es Konflikte zwischen mir und dem Präsidenten dieser Gesellschaft, XXXX (idF K). Das Ministerium hat uns beide auf Grund der Konflikte entlassen. Ich durfte aber in derselben Schule als Trainer weiter arbeiten. Ich wurde seitdem von K verfolgt. Es gab 3 Übergriffe gegen mich. Jedes Mal zeigte ich ihn bei der Polizei an, trotzdem blieben seine Taten unbestraft. Am XXXX 2015 wurden meine Lebensgefährtin und unser ältester Sohn, neben dem Eingang unseres Wohnhauses, auf der Straße von 4 Männern verprügelt. Einer von denen war K. Auch diesen Vorfall meldete ich bei der Polizei und zeigte ihn an. Auch diese Anzeige blieb erfolglos. Er behauptete, dass er nicht dabei gewesen ist. Daraufhin gingen wir von XXXX (idF G) weg und wohnten bis zur Ausreise bei verschiedenen Verwandten in Jerewan. In dieser Zeit organisierte ich unsere Ausreise und wir sind am XXXX 2015 mit meiner Familie nach Kiew geflogen und danach nach Österreich gekommen, wo wir am XXXX 2015 angekommen sind.

Am XXXX 2015 bin ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin, unseren Kindern und meiner Mutter von Jerewan nach Kiew/Ukraine geflogen. Der Schlepper flog mit uns mit. In Kiew blieben wir 3 Tage lang in einem Hotel. Am 09.09.2015 holte er uns mit einem Mercedes Kleinbus im Hotel ab. Der Fahrer war vermutlich Ukrainer. Der Schlepper saß am Beifahrersitz und wir hinten. Ich habe nicht aufgepasst, über welche Länder wir gefahren sind. Ich vermute, dass wir über Ungarn nach Österreich eingereist sind. Gestern, am XXXX 2015, gegen 18:00 Uhr ließen uns der Schlepper und der Fahrer ca. 100 m vom Lager entfernt, in Traiskirchen, aussteigen. Wir gingen zu Fuß ins Lager und stellten einen Asylantrag. Die Reisepässe, die wir ihm bereits am Flughafen in Jerewan übergeben hatten, gab er uns nicht zurück.

Vor den Organen des BFA brachte die bP 2 am 12.09.2017 im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie sei als Direktor entlassen worden, habe aber bis zur Ausreise als Trainer weiter gearbeitet. Sie habe unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt. Bis zur Ausreise hätten sie immer in G gelebt.

Konkret zum Fluchtgrund führte die bP 2 aus:

F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A.: Ich habe von 2007 bis 2010 in einer Sportschule als Direktor gearbeitet. Diese Schule wurde von einem Verein, welcher dem Bildungs- und Wissenschaftsministerium nahestand finanziert. Da ich vier Monate lang kein Gehalt bekommen hatte, gab es Konflikte zwischen mir und dem Präsidenten dieses Vereines bzw. dieser Gesellschaft. Dieser führt den Namen K.. Das Ministerium hat uns beide auf Grund des zwischen uns schwelenden Konflikts entlassen.

Er sah sich um einen anderen Job um und ich habe an der Schule, wo ich den Direktorposten innehatte, als Trainer weiter gearbeitet.

Aber K gab keine Ruhe. Er hat mich insgesamt drei Mal geschlagen. Beim dritten Mal hat er, K, drei Männer gedungen, mich, meine Lebensgefährtin und meinen ältesten Sohn zu schlagen. Das war am XXXX 2015.Er, K, war auch dabei.

Dann übersiedelten wir nach Yerevan und ich plante die Ausreise.

F.: Wer ist nun dieser K.

A.: Er ist der Präsident von " XXXX " - er hat mir im Sommer 2010 vier Monate kein Gehalt bezahlt und dieses Gehalt wurde mir dann im Dezember 2010 im Nachhinein überwiesen.

F.: Wann fanden die ersten beiden Übergriffe des K gegen Sie statt.

A.: Ein Übergriff fand am XXXX 2011 statt, die anderen beiden Übergriffe fanden am XXXX 2013 und am XXXX 2015 statt.

F.: Haben Sie K zur Anzeige gebracht.

A.: Ja, ich habe ihn am XXXX 2013 zur Anzeige gebracht, bei der Polizei in der Stadt G, aber die Behörden haben nichts vorangebracht.

F.: Warum ist nun dieser K - Präsident des Vereins " XXXX " auf Sie losgegangen.

A.: Beide wurden wir Mitte November 2010 entlassen. Er wurde als Präsident des Vereins " XXXX " entlassen und ich wurde am selben Tag als Direktor der Schule entlassen. Er übersiedelte dann Ende 2010 in die Russische Föderation. Ich habe Herrn K seit Dezember 2010 nicht mehr gesehen. Ich wollte den Kontakt mit ihm gerne aufrecht erhalten, aber es ist mir nicht gelungen.

F.: Kann man sagen K ist deswegen auf Sie losgegangen, weil er seinen Job verloren hat.

A.: Ja, so kann man das sagen, er hat mich mehrmals angelogen und einmal hat er eine Ohrfeige von mir erhalten.

F.: Und aus diesem Grunde ist er ein Jahr später, drei Jahre später und fünf Jahre später auf Sie losgegangen.

A.: Ja. Ich habe ihn zur Anzeige gebracht, aber die Polizei, welche ihn suchte, gab mir die Auskunft, er wäre in der Russischen Föderation und zwar in Moskau und die Polizei könnte nichts ausrichten.

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Nein.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Ich würde dort vernichtet. Ich möchte darüber nicht nachdenken. Im Vordergrund steht nicht unbedingt mein Wohlergehen, sondern das Wohlergehen meiner Familie. Ich habe meine Vergangenheit in Armenien zurückgelassen.

...

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben richtig und vollständig sind. Ich möchte meinen Ausführungen zum Fluchtgrund noch Folgendes hinzufügen:

Ich habe im Jahr 2011 in Armenien Folgendes erlebt. Wir haben den Sieg des XXXX gefeiert, das war am XXXX 2011. Wir feierten in der Schule " XXXX " in einem kleinen Zimmer, wir waren zu viert. XXXX (ein Sporttrainer) sah die Handgranate. Die Handgranate kam zur Explosion. Ich und ein Security Mitarbeiter wurden verletzt (ein Röntgenbild wird vorgelegt - ein Name steht nicht darauf - es kann nicht zugeordnet werden). Ich habe noch Splitter in meinem Körper, die operativ nicht entfernt werden konnten.

Am XXXX2011 wurde XXXX , der Sohn von K verhaftet. Ich selbst habe XXXX bis zu diesem Tag trainiert (insgesamt 11 Jahre lang). Damals, noch im Mai 2011 wurde ich von der Polizei einvernommen - ich konnte bis zum Schluss nicht glauben, dass dieser Junge (zum Zeitpunkt der Tat 17 Jahre alt) diese Tat tatsächlich begangen hatte. Er wurde zu einem Jahr unbedingter Haft verurteilt. XXXX legte aber ein Gutachten vor, dass er psychisch krank sei und er wurde aus der Haft entlassen.

Dann ging das Leben normal weiter.

Dann am XXXX 2013 im Zeitraum zwischen 20:30 und 21:00 Uhr fuhr ich nach Hause - ich parkte mein Auto in der Garage. Ich hörte einen Schuss, wurde getroffen und zwar an der linken Hand. Ich sah einen Mann mit einer Pistole stehen. Diese Person hat ein zweites Mal geschossen. Ich bin dann nach Hause gelaufen (ein weiteres Röntgenbild wird vorgelegt). Die Kugel befindet sich noch in meinem Körper, sie wurde nie entfernt.

Es kam die Rettung, die Polizei. Die Polizeibeamten haben mich noch am Tatort befragt. Ein Polizeibeamter kam mir bekannt vor und ich erkannte, dass einer der Freund von K sei. Auf Nachfrage gebe ich an, der Polizeibeamte heißt XXXX und macht Dienst in G (2. oder 4. Polizeiinspektorat). Dieser Beamte namens XXXX bot mir an mich ins Krankenhaus zu bringen. Ich ging aber nicht ins Krankenhaus.

Wer der Täter war, konnte bis heute nicht erhoben werden.

...

V ist Krankenschwester in G im allgemeinen Krankenhaus.

V hat meine Wunden versorgt, aber die Kugel nicht herausgeholt. V brachte mich dann in das Krankenhaus, in dem sie beschäftigt ist. Dort wurde mir dann gesagt, die Kugel müsse nicht entfernt werden. Wenn ich Schmerzen hätte, solle ich kommen. Wenn nicht, dann nicht.

Dann ging das Leben weiter, wir kehrten zur Normalität zurück.

Am XXXX 2015 kamen wir vom Haus meines Onkels XXXX in unser Haus zurück - wir kamen gerade von einer Feier. Wir, meine Frau, mein ältester Sohn und ich, waren gerade mit dem Auto unterwegs. Ich parkte das Auto im Hof unseres Hauses. Im Hof befinden sich Bäume. Eine mir unbekannte Person sprang hinter einem Baum hervor und schlug mich auf den Kopf. Diese Person sagte, sie würde mich töten. Ich sah, dass vier Personen beteiligt waren. Ich wurde von diesen Personen geschlagen, verprügelt. Meine Mutter kam aus dem Hause, Nachbarn kamen aus den Häusern und die vier Personen flüchteten. Ein Nachbar brachte mich dann ins Krankenhaus. Ich wurde dann im Krankenhaus ambulant behandelt und am selben Abend wieder entlassen. Ich habe aber heute noch Wunden. Damals war auch die Polizei ins Krankenhaus gekommen. Ich habe der Polizei gegenüber die Vermutung geäußert, dass K die Schuld an diesem Übergriff trüge.

Die Polizei jedoch gab auf meine Anschuldigungen hin bekannt, dass K unmöglich der Täter sein könne, denn er wäre in Moskau aufhältig.

Dann, drei Tage danach, am XXXX 2015 wurde ich wiederum von der Polizei einvernommen und wir gingen dann, nachdem ich einsah, dass ich keinen Ausweg finden würde, nach Erevan. Meine Frau ist Friseuse und sie hat in diesem Beruf gearbeitet. Meine Mutter ist Geschäftsfrau und wir hatten keine Probleme. In Yerevan lebten wir beim Onkel mütterlicherseits meiner Frau - der Onkel heißt XXXX (Familienname nicht erinnerlich) und die Adresse in Yerevan ist mir nicht bekannt. Wir lebten dann ca. eine Woche bei XXXX , dann eine Woche bei XXXX (Familienname unbekannt), sie ist meine Großcousine mütterlicherseits. Sie lebt in Yerevan an der Adresse XXXX .

In G gibt es Bekannte, die sowohl mich als auch K kennen und sie erzählten mir, dass er nach mir gefragt hätte und dass er in G gesehen worden wäre. Dann entschloss ich mich zur Ausreise.

Am 28.09.2017 langte eine Stellungnahme der bP ein, in welcher sie Berichtigungen zu den Niederschriften bekannt gaben.

Am 02.10.2017 langte eine Anfragebeantwortung ein.

Vor den Organen des BFA brachte die bP 2 am 11.10.2017 im Wesentlichen Folgendes vor:

V.: Sie stützen sich mit Ihrem Fluchtgrund auf Übergriffe des K. Sie beide wären aufgrund von Streitigkeiten und Regelwidrigkeiten entlassen worden. Sie hätten wiederum einen Arbeitsplatz als Trainer gefunden, wohingegegen Herr K keine Arbeit mehr gefunden hätte und hinfort Sie als seinen Fein auserkoren, geschlagen und drangsaliert hätte.

Sie haben der ho. Behörde u.a. folgendes Beweismittel vorgelegt:

Geburtsurkunde von bP 1 in Kopie samt beglaubigter Übersetzung

Wehrdienstbuch Original

Kopie Urteil Bezirksgericht XXXX - Urteil Nr. XXXX , vom XXXX

Kopie Bestätigung über Krankenhaus Nr. XXXX bis .... (im Original und in Kopie)

Kopie Arztbrief Bestätigung Nr. XXXX 2015 (im Original und in Kopie)

Ihr Vorbringen und die vorgelegten Dokumente wurden einer Überprüfung unterzogen.

Am 02.10.2017 langte die Anfragebeantwortung ein.

Echtheit der vorgelegten Dokumente:

1. Kopie der Geburtsurkunde - echt

2. Militärisches Buch - echt

3. Kopie des Gerichtsurteils - echt

4. Medizinische Referenz N408 - echt

5. Vier Unterstützungsschreiben und die medizinische Referenz XXXX , ausgestellt am XXXX 2015 sind gefälscht.

Der Vorfall mit XXXX :

Dieser Vorfall hat wirklich stattgefunden, am XXXX 2011. Der minderjährige XXXX , Sohn des XXXX und Schüler der Wrestling-Schule, hat eine Granate geworfen und dabei 4 Personen verletzt, darunter auch XXXX . Die Geschichte, wie sie vom Antragsteller wiedergegeben wurde, stimmt aber nicht mit den Fakten überein, die während der Ermittlungen festgestellt werden konnten.

Vor allem wurde vor Gericht bewiesen, dass XXXX und seine Freunde den XXXX , seinen Vater und andere Familienmitglieder beleidigten und den Vater der Misswirtschaft der Wrestling-Schule beschuldigten. Diese Beleidigungen sind regelmäßig passiert. Am XXXX 2011 waren der Antragsteller und seine Freunde im Rauschzustand und beleidigten den XXXX erneut, der im Affekt die obengenannte Tat beging. Bei der medizinischen Untersuchung wurde festgestellt, dass er mental und physisch gesund ist. Er war in keiner Psychiatrie, aber er war ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Das Gericht hat ihn zu 4 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt, aber aufgrund einer Amnestie, wurde er von der weiteren Strafe befreit und vom Gericht freigelassen.

Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Die medizinische Referenz XXXX , ausgestellt am XXXX 2015 kann ich auch in der echten Version vorlegen. XXXX war mit mir sehr oft zusammen. XXXX hat nicht die Granante geworfen, sondern sein Vater hat organisiert, dass die Granate geworfen wurde. XXXX war damals 17 Jahre alt und nach meiner Einschätzung kann er die Granate nicht geworfen haben.

Ich habe die die medizinische Referenz XXXX , ausgestellt am XXXX 2015 im Original vorgelegt und behaupte, dass diese medizinische Referenz XXXX echt ist. Ich kann darüber hinaus nichts mehr vorlegen.

F.: Hat sich gegenüber der letzten Einvernahme an Ihrem Privat- oder Familienleben etwas Wesentliches verändert.

A.: Nein, es hat sich nichts Wesentliches verändert, was mein Privat- oder Familienleben betrifft.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben richtig und vollständig sind. In Armenien gibt es in den Krankenhäusern Datenbanken, alle Arztbriefe sind dort erhältlich. Die ho. Behörde könnte auch direkt vor Ort alles kontrollieren.

bP 1, 3 - bP6 beriefen sich auf die Gründe der bP2 und auf den gemeinsamen Familienverband. Von bP 1 und 3 wurde im Wesentlichen das Vorbringen der bP 2 bestätigt.

Vorgelegt wurde von den bP:

* Kopie Bestätigung über Krankenhaus XXXX bis .... (im Original und in Kopie)

* Kopie Arztbrief Bestätigung XXXX 2015 (im Original und in Kopie)

* Kopie Urteil Bezirksgericht XXXX

* Empfehlung von XXXX (Sportorganisation) undatiert

* Empfehlung von Stadt XXXX (Magistrat, Sportabteilung) undatiert

* Empfehlung von der Sportschule XXXX vom 22.05.2012

* Empfehlung von der Sportschule - Abteilung Ringen (Freestyle) vom 29.07.2013

* Kopie des österreichischen Führerscheins bP 2

* Geburtsurkunden der bP

* Diplom von bP 1 in Kopie

* Bestätigung, dass von XXXX Profisportler ist, in Kopie

* Zeitungsausschnitt in Kopie von Weltmeisterschaften XXXX Platz

* Wehrdienstbuch Nr. XXXX Original

* Zertifikat Deutsch Niveau A1 betr. bP 1

* Teilnahmebescheinigung Deutsch A2 betr. bP 1

* Diverse armenische Auszeichnungen für die bP 2 und bP 4

* Soma Referenzschreiben bP 1 und bP 2

* Zahlreiche Unterstützungsschreiben für die gesamte Familie von Nachbarn, Lehrern, Gemeinderätinnen, Bürgermeister, Kindergartenpädagoginnen

* Unterstützungsschreiben vom Arbeitgeber der bP 2

* Unterschriftenliste für die bP von 14 Nachbarn

* Unterlagen zum Schulbesuch sowie Kindergartenbesuch der bP 4 und 5

* Dienstleistungsscheck für bP 3

* Unterlagen zu den Deutschkursen und Prüfungen der bP

* Unterlagen zur Schwangerschaft der bP 3

* Augenarztüberweisung bP 4

* Österr. Unfallbericht und Laboruntersuchung bP 1

* Diplom von bP 2 in Kopie

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III).

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen wurde gewährt.

Hinsichtlich der bP 2 und 3 wurden Einreiseverbote für die Dauer von 3 Jahren gemäß § 53 FPG erlassen.

Betreffend die bP 1 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 BFA-VG aberkannt.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP2) :

- betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, §

45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Sie führten zu Ihren Asylgründen befragt an, Sie hätten von 2007 bis 2010 in einer Sportschule als Direktor gearbeitet. Diese Schule wäre von einem Verein, welcher dem Bildungs- und Wissenschaftsministerium nahestand finanziert worden. Sie hätten vier Monate lang kein Gehalt bekommen - es hätte Konflikte zwischen Ihnen und dem Präsidenten dieses Vereines bzw. dieser Gesellschaft namens K gegeben. Das Ministerium hätte Sie beide auf Grund des zwischen Ihnen schwelenden Konflikts entlassen.

In der Folge hätte K gab keine Ruhe gegeben. Er hätte Sie insgesamt drei Mal geschlagen. Beim dritten Mal hat er, K, drei Männer gedungen, Sie, Ihre Lebensgefährtin und Ihren ältesten Sohn zu schlagen. Das wäre am XXXX 2015 gewesen - K wäre auch dabei gewesen.

K wäre ist der Präsident von " XXXX " - er hätte Ihnen im Sommer 2010 vier Monate lang kein Gehalt bezahlt und dieses Gehalt wäre Ihnen dann im Dezember 2010 im Nachhinein überwiesen worden.

Die ersten beiden Übergriffe des K hätten am XXXX 2011 stattgefunden, die beiden anderen Übergriffe hätten am XXXX 2013 und am XXXX 2015 stattgefunden.

Den Übergriff vom XXXX 2013 hätten Sie bei der Polizei der Stadt XXXX zur Anzeige gebracht, aber die Behörden hätten nichts vorangebracht.

Warum nun dieser K - Präsident des Vereins " XXXX " auf Sie losgegangen sei, konnten Sie nicht konkret angeben. Sie führten aus, er wäre Mitte November 2010 entlassen worden, er wäre Ende 2010 in die Russische Föderation übersiedelt - Sie hätten Herrn K seit Dezember 2010 nicht mehr gesehen. Sie hätten den Kontakt mit ihm gerne aufrecht erhalten, aber es ist wäre Ihnen nicht gelungen. Einmal hätte K eine Ohrfeige von Ihnen erhalten.

Ihr Vorbringen ist aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar.

Allein deswegen, weil Sie bis zur Ausreise arbeiteten und am öffentlichen Leben teilnahmen und bis zur Ausreise an ein und demselben Wohnort verblieben, ist jedwede asylrelevante Verfolgung, welche Ihnen eine Weiterverbleib im Heimatlant unmöglich gemacht hätte, nicht nachvollziehbar. Sie haben am XXXX 2015 eine Übersiedlung nach Yerevan vorgenommen (zusammen mit der Familie) und sind noch bis zur Ausreise am XXXX 2015 nach XXXX gefahren um dort Ihrer Beschäftigung als Trainer nachzugehen.

Auch die Tatsache, dass Sie im Jahr XXXX als Haupttrainer die XXXX bestritten und von XXXX wiederum freiwillig in den Heimatstaat zurückkehrten, obwohl die von Ihnen geschilderte "Verfolgung durch XXXX " damals schon bestanden haben will, lässt Ihr Vorbringen nachhaltig als unglaubhaft erscheinen.

Ihre Kinder haben bis März/April 2015 die Schule besucht. Am XXXX 2015 reisten Sie mit der Familie nach Yerevan. Am XXXX 2015 haben Sie die Heimat mit dem Flugzeug verlassen.

Ihr Vorbringen und die vorgelegten Dokumente wurden einer Überprüfung unterzogen. Am 02.10.2017 langte die Anfragebeantwortung ein. Demnach haben Sie der Behörde fünf gefälschte Dokumente vorgelegt. Vier Unterstützungsschreiben und die medizinische Referenz XXXX 2015 sind gefälscht.

Laut Anfragebeantwortung hat der von Ihnen ins Treffen gebrachte Vorfall hat wirklich stattgefunden und zwar am XXXX 2011. Der minderjährige XXXX und Schüler der Wrestling-Schule, hat eine Granate geworfen und dabei 4 Personen verletzt, darunter auch XXXX .

Die Geschichte, wie sie von Ihnen wiedergegeben wurde, stimmt aber nicht mit den Fakten überein, die während der Ermittlungen festgestellt werden konnten.

Vor allem wurde vor Gericht bewiesen, dass XXXX und seine Freunde den XXXX , seinen Vater und andere Familienmitglieder beleidigten und den Vater der Misswirtschaft der Wrestling-Schule beschuldigten. Diese Beleidigungen sind regelmäßig passiert. Am XXXX 2011 waren der Antragsteller und seine Freunde im Rauschzustand und beleidigten den XXXX erneut, der im Affekt die obengenannte Tat beging. Bei der medizinischen Untersuchung wurde festgestellt, dass er mental und physisch gesund ist. Er war in keiner Psychiatrie, aber er war ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Das Gericht hat ihn zu 4 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt, aber aufgrund einer Amnestie, wurde er von der weiteren Strafe befreit und vom Gericht freigelassen.

Ihre Antwort auf den entsprechenden Vorhalt - Sie würden die medizinische Referenz XXXX 2015 - auch in der echten Version vorlegen können und Sie würden persönlich davon ausgehen, dass XXXX die Granate auf Geheiß seines Vaters geworfen hätte, kann nicht als Rechtfertigung anerkannt werden.

Also auch hieraus ließ sich nicht ableiten, dass Sie in Armenien asylrelevante Probleme zu gewärtigen gehabt hätten.

Das Sie Unterlagen (vier Unterstützungsschreiben aus Armenien) fälschen, die ursächlich mit dem Asylvorbringen nichts zu tun haben, lässt Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit des Asylvorbringens und Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit Ihrer Person zu - mit anderen Worten - die Fälschung der vier Unterstützungsschreiben aus Armenien lässt Sie als Person vollkommen unglaubwürdig erscheinen.

Die Behörde geht vielmehr davon aus, dass allein wirtschaftliche Probleme bzw. die Suche nach wirtschaftlicher Prosperität Sie veranlassten Ihrer Heimat den Rücken zu kehren.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass Ihren Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen sich als nicht nachvollziehbar und daher als nicht asylrelevant erwiesen und daher den weiteren Feststellungen und Erwägungen nicht zu Grunde gelegt werden können.

- betreffend die Feststellung Ihrer Situation im Falle der Rückkehr:

Die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall der Rückkehr ergeben sich aus Ihren eigenen Angaben in Ihrem Asylverfahren.

Im vorliegenden Fall wird darauf hingewiesen, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Armenien nicht um Ihr Leben fürchten müssen. Werden die Länderfeststellungen zur Ihrem Heimatland betrachtet, liegen keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern vor.

Soweit Ihre Rückkehrsituation in Betracht zu ziehen ist, wird angeführt, dass Sie sich in Ihrer Heimat niederlassen könnten.

Es handelt sich bei Ihnen um einen armenischen Staatsangehörigen mit abgeschlossener Schulbildung und Universitätsbildung. Sie sind laut eigenen Angaben selbsterhaltungsfähig.

Die Feststellung, dass Sie keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, ergibt sich aus der Aktenlage und auch aus Ihren Angaben während der niederschriftlichen Einvernahme.

Aufgrund der vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte, aufgrund der Feststellungen zur gewährleisteten Grundversorgung in Armenien und des Umstandes, dass es sich bei Ihnen um einen selbsterhaltungsfähigen Mann handelt, welcher in Armenien über Verwandte und Freunde verfügt, die zur Lebensführung beitragen, ist davon auszugehen, dass Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage gelangen würden. Sie verfügen über eine Unterkunft in Armenien. Ebenso wäre Ihnen die Unterstützungsleistung aus dem Ausland zugänglich, da das Bankenwesen in Armenien funktioniert.

...

- betreffend die Verhängung des Einreiseverbots:

Die von Ihnen vorgelegten Dokumente aus Armenien wurden übersetzt und zum Akt genommen. Die von Ihnen vorgelegten Dokumente aus Armenien wurden in Armenien einer Echtheitsprüfung unterzogen. Ihr Fluchtvorbringen wurde einer Überprüfung unterzogen.

Sie stützen sich mit Ihrem Fluchtgrund auf Übergriffe des XXXX . Sie beide wären aufgrund von Streitigkeiten und Regelwidrigkeiten entlassen worden. Sie hätten wiederum einen Arbeitsplatz als Trainer gefunden, wohingegegen Herr XXXX keine Arbeit mehr gefunden hätte und hinfort Sie als seinen Fein auserkoren, geschlagen und drangsaliert hätte.

Sie haben der ho. Behörde u.a. folgendes Beweismittel vorgelegt:

...

Am 02.10.2017 langte das Erhebungsergebnis ein, wonach fünf von Ihnen vorgelegten Unterlagen aus Armenien Fälschungen und die übrigen Unterlagen echt sind. Das Erhebungsergebnis wird wie folgt wiedergegeben:

Echtheit der vorgelegten Dokumente:

1. Kopie der Geburtsurkunde - echt

2. Militärisches Buch - echt

3. Kopie des Gerichtsurteils - echt

4. Medizinische Referenz XXXX - echt

5. Vier Unterstützungsschreiben und die medizinische Referenz XXXX , ausgestellt am XXXX sind gefälscht.

Der Vorfall mit XXXX :

Dieser Vorfall hat wirklich stattgefunden, am XXXX 2011. Der minderjährige XXXX , Sohn des XXXX und Schüler der Wrestling-Schule, hat eine Granate geworfen und dabei 4 Personen verletzt, darunter auch XXXX . Die Geschichte, wie sie vom Antragsteller wiedergegeben wurde, stimmt aber nicht mit den Fakten überein, die während der Ermittlungen festgestellt werden konnten.

Vor allem wurde vor Gericht bewiesen, dass XXXX und seine Freunde den XXXX seinen Vater und andere Familienmitglieder beleidigten und den Vater der Misswirtschaft der Wrestling-Schule beschuldigten. Diese Beleidigungen sind regelmäßig passiert. Am XXXX 2011 waren der Antragsteller und seine Freunde im Rauschzustand und beleidigten den XXXX erneut, der im Affekt die obengenannte Tat beging. Bei der medizinischen Untersuchung wurde festgestellt, dass er mental und physisch gesund ist. Er war in keiner Psychiatrie, aber er war ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Das Gericht hat ihn zu 4 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt, aber aufgrund einer Amnestie, wurde er von der weiteren Strafe befreit und vom Gericht freigelassen.

Die Tatsache der Dokumentenfälschung und der Versuch sich mit der Vorlage gefälschter Dokumente in Österreich einen Aufenthaltstitel zu erschleichen, ist den in § 53 Abs. 2 FPG unter "insbesondere" aufgezählten Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes gleichzuhalten.

Ihr gesamtes Vorbringen ist unglaubhaft, unplausibel und nicht mit der Tatsachenwelt vereinbar. Die ho. Behörde geht vielmehr davon aus, dass allein wirtschaftliche Probleme bzw. Arbeitslosigkeit Sie veranlassten Ihrer Heimat den Rücken zu kehren.

§ 53 Abs. 2 FPG ist in Ihrem Fall erfüllt. Es ist erwiesen, dass Sie das gegenständliche Asylverfahren dazu missbrauchen wollen, um sich einen Aufenthalt zu erschleichen. Hier darf im speziellen auf die falschen und irreführenden Angaben zu den Dokumenten, welche Ihr Fluchtvorbringen beweisen sollten, hingewiesen werden.

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 [1] 1 BFA-VG).

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Einreiseverbote zu beheben wären und das Verfahren vor dem BFA mangelhaft geblieben wäre. An der vorzeitigen Entlassung des Sohnes des K sehe man, dass das System in Armenien nicht funktioniert. Es wurde auf die Länderfeststellungen der belangten Behörde hinsichtlich Korruption hingewiesen. Die Familie sei gut integriert in Österreich. Die angeblich gefälschten Empfehlungsschreiben wurden nochmals vorgelegt, allerdings nunmehr jeweils mit einem unterschriebenen und abgestempelten Zusatz aus 2017 (Beglaubigung), dass die Schreiben echt sind.

Vorgelegt wurde von den bP:

* ärztliche Bestätigung

* Fotos von Sportveranstaltungen

* Unterstützungsschreiben Soma bP 1

* Armenische Schreiben und Geburtsurkunden

* Auszahlungsbelege bP 2 Lohn als Forstarbeiter

I.5. Die Beschwerdevorlage langte am 30.11.2017 beim BVwG ein.

Mit Beschluss vom 04.12.2017 wurde der Beschwerde der bP 1 gegen den im Spruch genannten Bescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben vom 04.01.2018 wurde mitgeteilt, dass für die bP Heimreisezertifikate erlangt werden konnten.

Am 16.10.2018 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

I.6. Für den 19.08.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Mit Schreiben vom 12.08.2019 wurden in Vorbereitung auf die Verhandlung vorgelegt:

Deutschzertifikate, Unterstützungsschreiben, Ferienpass Mitwirkung bP3, Schulzeugnisse, Fotos von Sportlern, Zeugnis der Stadt G sowie einer Sportvereinigung

Ausgeführt wurde in der Stellungnahme, dass im Hinblick auf die Übergriffe auf die bP 2 von einer Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit nicht ausgegangen werden könnte und die Korruption in Armenien ein erhebliches Problem darstelle.

In der Verhandlung wiederholten die bP ihre Fluchtgründe und legten einen Bescheid des AMS (Beschäftigungsbewilligung für Saisonarbeit Juni bis Oktober 2019 als Forstgehilfe) der bP 2 sowie ein armenisches Ausbildungszertifikat zur Friseurin der bP 3 vor.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Die Einreiseverbote wurden behoben.

Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.7. Mit Schreiben vom 19.08.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

Die bP 1-3 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.

Die bP 1, 2, 3, 4 und 5 wurden in XXXX geboren. Die bP 2 hat dort die höhere Schule besucht, ein College abgeschlossen und im Anschluss als Trainer gearbeitet. Die bP 2 war Trainer seit 1998 in der Sportschule XXXX. Von 2007 bis 2010 war sie Direktor dieser Schule. Als Direktor wurde sie entlassen. Als Sporttrainer hat die bP weitergearbeitet und vor der Ausreise gekündigt - unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Zudem hat sie als Trainer für die Stadt XXXX fungiert und wurde zeitweise von 2 Arbeitgebern bezahlt.

Die bP 2 erhielt mehrere Visa, zuletzt 2014, um an sportlichen Meisterschaften im Ringen teilzunehmen, was sie zu Erfolgen führte.

Die bP 4 hat in XXXX die Schule besucht, die bP 5 besuchte den Kindergarten. Die bP 3 wurde in XXXX geboren und hat nach der Schule als Friseurin in ihrem eigenen Salon gearbeitet. Die bP 1 hat die Schule und Universität besucht und zuletzt selbstständig als Obst- und Gemüsehändlerin gearbeitet. Die Geschäfte der bP 1 und 3 wurden mit der Ausreise stillgelegt.

Verwandte der bP, mit welchen sie in Kontakt stehen, leben nach wie vor in Armenien und gehen Beschäftigungen nach bzw. beziehen Pensionen.

Ein Bruder der bP 3 lebt als ehemaliger Asylwerber mit der Familie in Österreich und verfügen diese über ein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungsgesetz. Ein gegenseitiges Pflege- und/oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Verwandten der Ehefrau und den bP ist nicht zu erkennen und wurde auch nicht behauptet.

Die bP möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit 4 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben teilweise von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht. Die bP 2 und 3 haben die A2 Prüfung absolviert. Die bP sind strafrechtlich unbescholten. Die bP 4 besucht in Österreich die Schule und ist Mitglied in einem Sportverein, für welchen sie erfolgreich an Meisterschaften im Ringen teilnimmt. Die bP 4 wurde an einer HTL aufgenommen. Die bP 5 besucht die Volksschule und ist in einem Fußballverein. bP 6 besucht mit bP 3 eine Spielgruppe. Die bP 2 ist Mitglied in einem Sportverein und trainiert ehrenamtlich mehrmals wöchentlich Ringer.

Die bP 2 arbeitet seit Juni 2016 saisonal als Forstarbeiter und hat sich von 2015 - 2016 in einem Soma Markt ehrenamtlich betätigt. Die bP 1 hilft ehrenamtlich ca. 20-25h in einem Soma Markt. Die bP 3 unterstützt in der Schule die Aktion "Gesunde Jause" und beteiligt sich am Ferienprogramm der Gemeinde für Kinder.

Die bP leben in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich. In Armenien verfügt die bP 3 über eine Eigentumswohnung, wo sie auch mit der bP 1, bP 2 und den Kindern vor ihrer Ausreise lebte. Die bP 2 besitzt zudem ein Haus in XXXX , welches leer steht und um das sich ein Onkel kümmert.

Alle bP sind gesund, die bP 2 hat sich im Krankenhaus untersuchen lassen, da sie Angst hatte, dass die Kugel in Richtung Herz wandert. Medizinische Behandlungen wurden als nicht notwendig angesehen. Die bP 1 leidet an Bluthochdruck und gelegentlichen Schmerzen und nimmt Tabletten ein.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen "Mein Schritt" erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei "Blühendes Armenien" (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei "Leuchtendes Armenien" unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0 , Zugriff 7.5.2019

* ARMENPRESS - Armenian News Agency (10.12.2018): My Step - 70.44%, Prosperous Armenia - 8.27%, Bright Armenia - 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html , Zugriff 21.3.2019

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/ , Zugriff 8.5.2019

* BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605 , Zugriff 21.3.2019

* CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html , Zugriff 7.5.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true , Zugriff 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html , 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html , Zugriff 21.3.2019

* 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government's economic policy - PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html , Zugriff 21.3.2019

Sicherheitslage

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).

Quellen:

* CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker# !/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html , Zugriff 7.5.2019

* Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures , Zugriff 21.3.2019

* UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia , Zugriff 7.5.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).

Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).

Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 11.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 11.4.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).

Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692 , Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 10.4.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur "Samtenen Revolution" immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).

Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf , Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 10.4.2019

Korruption

Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).

Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (2017: 107 von 180 Staaten) und erhielt wie 2017 einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2018).

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 10.4.2019

* Haypress (13.7.2018): Armenien: Paschinjans Regierung holt 42 Mio. Dollar an Steuerhinterziehung zurück, https://haypressnews.wordpress.com/2018/07/13/armenien-paschinjans-regierung-holt-42-mio-dollar-an-steuerhinterziehung-zurueck/ , Zugriff 29.3.2019

* JAMnews (24.7.2018): Armenia's fight against corruption: a JAMnews series on the first steps of the new Armenia, https://jam-news.net/armenias-fight-against-corruption-a-jamnews-series-on-the-first-steps-of-new-armenia/ , Zugriff 9.11.2018

* TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/ARM , Zugriff 29.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 29.3.2019

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).

Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 29.3.2019

* OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E , Zugriff 29.3.2019

Ombudsperson

Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte "Ombudsperson für Menschenrechte" muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019).

Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Die Zivilgesellschaft hat die Arbeit des Büros der Ombudsperson während der Proteste von April bis Mai 2018 allgemein als gut erachtet. Nach Angaben der Website des Menschenrechtsverteidigers arbeitete das Büro bei Protesten 24 Stunden am Tag, um den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2018 meldete das Büro eine beispiellose Zahl von Bürgerbeschwerden und -besuchen, die es auf ein gestiegenes Vertrauen in die Institution und neue Erwartungen der Öffentlichkeit zurückführte (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html , Zugriff 28.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 28.3.2019

Wehrdienst und Rekrutierungen

Männer armenischer Staatsangehörigkeit unterliegen vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht (24 Monate). Auf Antrag besteht die Möglichkeit der Befreiung oder Zurückstellung vom Wehrdienst sowie der Ableistung eines militärischen oder zivilen Ersatzdienstes. Bei der Zurückstellung vom Militärdienst aus sozialen Gründen (z.B. pflegebedürftige Eltern, zwei oder mehr Kinder) muss bei Wegfall der Gründe der Betreffende bis zum 27. Lebensjahr noch einrücken. Wenn die Gründe nach dem 27. Lebensjahr noch bestehen, ist eine Einrückung in Friedenszeiten nicht mehr vorgesehen. Derjenige muss sich allerdings als Reservist zur Verfügung stellen. Armenische Rekruten werden auch an der Waffenstillstandslinie um Bergkarabach eingesetzt. Männliche Armenier ab 16 Jahren sind zur Wehrregistrierung verpflichtet. Sofern sie sich im Ausland aufhalten und sich nicht vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres aus Armenien abgemeldet haben, müssen sie zur Musterung nach Armenien zurückkehren; andernfalls darf ihnen kein Reisepass ausgestellt werden. Nach der Musterung kann die Rückkehr ins Ausland erfolgen. Mit der Ende 2017 erfolgten Novellierung des Wehrpflichtgesetzes bietet das armenische Verteidigungsministerium im Rahmen des Konzepts "Armee-Nation" zwei neue Optionen für den Wehrdienst. Das Programm "Jawohl" ermöglicht den Rekruten einen flexiblen Wehrdienst von insgesamt drei Jahren mit mehrmonatigen Unterbrechungen. Man wird u.a. auch an der Frontlinie eingesetzt. Im Anschluss erhalten die Rekruten ca. 9.000 Euro für eine Existenzgründung sowie einen Wohnungskredit. Diese Regelung ist seit Dezember 2017 in Kraft. Das Programm "Es ist mir eine Ehre" erlaubt Hochschulstudenten das Studium abzuschließen und erst dann als Offizier ihren Wehrdienst abzuleisten. Im Laufe des Studiums werden für diese Studenten Pflichtveranstaltungen im Militärinstitut organisiert. Diese Regelung tritt ab Mai 2018 in Kraft (AA 7.4.2019).

Laut Informationen des Verteidigungsministeriums soll es für Personen mit legalem Daueraufenthalt im Ausland auf Antrag Befreiungsmöglichkeiten auch im wehrpflichtigen Alter geben: Eine interministerielle Härtefall-Kommission prüft die Anträge auf Befreiung vom Wehrdienst (AA 7.4.2019).

Es besteht ein komplexes System von gesetzlichen Garantien und Schutzmechanismen sowie interne wie externe Mechanismen, damit die Rechte des Personals, inklusive der Rekruten, in den Streitkräften geschützt werden. Auch bestehen externe und alternative Mechanismen zum Schutz der Rechte des Militärpersonals, so etwa der Rechtsschutz oder Beschwerden, die sowohl an den armenischen Ombudsmann als auch den "Public Council" des Verteidigungsministeriums gerichtet werden können, welcher aus Vertretern von lokalen NGOs besteht, und sich mit Beschwerden zu Menschenrechtsverletzungen, speziell während der Einberufung, auseinandersetzt (OSCE 13.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (15.4.2019): Response by the Delegation of Armenia to the Questionnaire on the Code of Conduct on Politico-Military Aspects of Security, https://www.osce.org/forum-for-security-cooperation/418040?download=true , Zugriff 7.5.2019

Wehrersatzdienst

Es gibt einen Ersatzdienst für Wehrdienstverweigerer. Im Gesetz über den alternativen Wehrdienst vom 17.12.2003 ist sowohl ein 30-monatiger Ersatzdienst innerhalb der Streitkräfte (ohne Waffen, d.h. in der Regel hauswirtschaftliche Tätigkeiten) als auch ein 36-monatiger Ersatzdienst außerhalb der Streitkräfte vorgesehen. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer ist gering. Das novellierte Zivildienstgesetz vom 8.6.2013 eröffnet die Möglichkeit des Zivildienstes auch aus religiöser Überzeugung. Der Zivildienst untersteht dabei nicht mehr der Dienstaufsicht des Militärs, sondern wird von einem Gremium bestehend aus je zwei Vertretern des Sozial-, Gesundheits- und Verteidigungsministeriums gestaltet und beaufsichtigt (AA 17.4.2018).

Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte des Europarates (ESCR) befand Ende 2016, dass auch nach der Reduktion der Zivildienstdauer von 42 auf 36 Monate bzw. auf 30 Monate innerhalb der Armee, die Dauer im Vergleich zum Wehrdienst von 24 Monaten zu lang ist, und somit weiterhin nicht mit der Europäischen Sozialcharta konform geht (CoE-ECSR 1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* CoE-ECSR - Council of Europe - European Committee of Social Rights (1.2017): European Committee of Social Rights Conclusions 2016; Armenia, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1486111217_cr-2016-arm-eng.pdf , Zugriff 29.3.2019

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Wehrpflichtige, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, müssen trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen, wenn sie sich nach der Rückkehr bei der zuständigen Behörde melden. Auch bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstentzugs werden in solchen Fällen eingestellt. Männer über 27 Jahre, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, können gegen Zahlung einer Geldbuße die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung erreichen. Durch die letzte Modifizierung des Wehrpflichtgesetzes wurde die Ausnahmeregelung über die Einstellung des Strafverfahrens gegen Strafzahlung bei Personen, die sich im Zeitraum zwischen 1992 und 1. Dezember 2017 der Wehrpflicht entzogen haben, bis zum 31. Dezember 2019 verlängert (AA 7.4.2019).

Am 12.10.2017 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK), dass Mitglieder der Zeugen Jehovas zu Unrecht verurteilt wurden, weil sie sich geweigert hatten, unter militärischer Aufsicht Zivildienst zu leisten, feststellend, dass die Regierung Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen "einen alternativen Militärdienst wirklich ziviler Art" anbieten muss. Die Regierung führte noch im selben Jahr einen alternativen Zivildienst ein, der nicht vom Militär kontrolliert wird. Laut Vertretern der Zeugen Jehovas sei das Staatskomitee, zuständig für Koordination und Prüfung der Anträge auf Ersatzdienst, weiterhin kooperativ, und das Programm funktioniere gut (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Armenia, 29 May 2018, https://www.ecoi.net/en/document/1436783.html , 29.3.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen (AA 7.4.2019).

Zu den Menschenrechtsfragen gehörten Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; Polizeigewalt gegen Journalisten; physisches Einschreiten von Sicherheitskräften bei Versammlungen; Beschränkungen der politischen Partizipation; systemische Regierungskorruption; Verbrechen mit Gewalt oder Drohungen gegen Mitglieder sexueller Minderheiten; unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Menschen mit Behinderungen in zuständigen Einrichtungen Institutionen und schlimmste Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Die neue Regierung hat Schritte, auch strafrechtliche, unternommen, um Missbrauch zu untersuchen und zu ahnden, insbesondere gegen ehemalige Regierungsvertreter. Am 3. Juli 2018 erhob der Sonderermittlungsdienst (SIS) Anklage gegen einige ehemalige hochrangige Beamte im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Rolle bei den Zusammenstößen nach den Wahlen im Jahr 2008, als acht Zivilisten und zwei Polizisten getötet wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019'): World Report 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002243.html , 29.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 29.3.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 20.4.2018). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).

Im Jahr 2018 wurden 13 neue Klagen gegen Reporter und Medienvertreter eingereicht. Alle zitierten Artikel 1087.1 des RoA Zivilgesetzbuches ("Beleidigung und Verleumdung"). Im Jahr 2018 verkündeten die Gerichte neun Urteile gegen Medien und Reporter und zehn Urteile zu deren Gunsten (HCA 1.2019).

Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch nach der "Samtrevolution" weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive (USDOS 13.3.2019). Im Parlamentswahlkampf im Herbst 2018 gab es keine größeren Einschränkungen der Pressefreiheit, obwohl politisch ausgerichtete Medien weiterhin die mit ihnen verbundenen Parteien und Kandidaten bevorzugten (FH 4.2.2019).

Eine Reihe von Reportern wurde während der Protestphase von der Polizei physisch angegriffen (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 67 Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 98 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 1.2019). Insgesamt wurden elf Strafverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen eingeleitet; in fünf der Fälle wurden Anklagen erhoben, drei Fälle landeten schließlich vor Gericht (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* Eurasianet (6.2.2019): In the new Armenia, media freedom is a mixed bag, https://eurasianet.org/in-the-new-armenia-media-freedom-is-a-mixed-bag , Zugriff 11.4.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 28.3.2019

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf , Zugriff 28.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 28.3.2019

Todesstrafe

Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 7.4.2019, vgl. AI 23.10.2018, Standard 19.4.2003).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* AI - Amnesty International (23.10.2018): Abolitionist and retentionist countries (as of July 2018), https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf , Zugriff 27.3.2019

* Der Standard (19.4.2003): Armenien schafft Todesstrafe ab, https://derstandard.at/1276261/Armenien-schafft-Todesstrafe-ab , Zugriff 25.3.2019

Bewegungsfreiheit

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 7.4.2019).

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Allerdings müssen die BürgerInnen ein Ausreisevisum erlangen, um das Land vorübergehend oder auf Dauer zu verlassen. Das Ausreisevisum kann innerhalb eines Tages routinemäßig erhalten werden und kostet 1.000 Dram [ca. 1 Euro] für ein Jahr (USDOS 25.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Reisen ins Ausland sind durch den Umstand erschwert, dass die Grenzen zur Türkei und Aserbaidschan geschlossen sind (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 25.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 25.3.2019

Grundversorgung und Wirtschaft

Über ein Viertel der armenischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, d.h. es stehen weniger als 75 Euro pro Monat zur Verfügung. Die registrierte Arbeitslosenquote liegt bei 20%. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen ist weder in Ausbildung noch in der Beschäftigung. Die Schattenwirtschaft macht über 30% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Wirtschaft wird nach wie vor von den sogenannten "Oligarchen" dominiert, Geschäftsleuten, die in bestimmten Wirtschaftszweigen Monopole gegründet und in der Vergangenheit erheblichen Einfluss auf die Politik ausgeübt haben (FriEnt 23.4.2019)

Das Durchschnittseinkommen betrug im ersten Quartal 2019 rund 174.000 Dram [ca. 323 Euro] (ArmStat 2019), während die monatliche Durchschnittspension 2017 40.634 Dram [ca. 74 Euro] ausmachte. Das Mindesteinkommen beträgt 55.000 Dram [100 Euro], die Mindestpension 16.000 Dram [29 Euro] (ArmStat 2018).

Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).

Für 2018 wird in Armenien ein Wirtschaftswachstum von 5% erwartet. Im Vergleich zu den Vorjahren ist es ein etwas moderaterer Wert. 2017 stieg das armenische BIP um 7,5%, was mit der Überwindung der Wirtschaftskrise Russlands, des wichtigsten Partners Armeniens, zusammenhängt. Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes. Der 8.5.2018 schlug ein neues Kapitel in der jüngeren Geschichte Armeniens auf. Der neue armenische Premierminister Pashinyan erklärte den Kampf gegen die alle Bereiche umfassende Korruption. Seine weiteren Ziele sind die Verbesserung der Lebensbedingungen der in großen Teilen verarmten Bevölkerung und der Wirtschaftsaufschwung (WKO 23.7.2018).

Quellen:

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2019): Average monthly nominal wages, drams / 2019, https://www.armstat.am/en/?nid=12&id=08001 , Zugriff 7.5.2019

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2018): Armenia in Figures - Living Standards And Social Sphere, https://www.armstat.am/file/article/armenia_2018_5.pdf , Zugriff 25.3.2019

* FriEnt - Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (23.4.2019): Armenien ein Jahr nach der "Samtenen Revolution", https://www.frient.de/news/details/news/armenien-ein-jahr-nach-der-samtenen-revolution/ , Zugriff 8.5.2019

* UNDP - United Nations Development Programme (15.7.2018): Human Development Indices and Indicators: 2018 Statistical Update, Briefing note for countries on the 2018 Statistical Update, Armenia, http://hdr.undp.org/sites/all/themes/hdr_theme/country-notes/ARM.pdf , Zugriff 25.3.2019

* WKO - Wirtschftskammer Österreich (23.7.2018): Die armenische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-armenische-wirtschaft.html , Zugriff 25.3.2018

Sozialbeihilfen

Sozialwesen

Das Sozialsystem in Armenien ist wie folgt aufgebaut:

* Staatliches Sozialhilfeprogramm, z.B. Unterstützung von Familien, einmalige Geburtenzuschüsse, sowie Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren

* Sozialhilfeprogramme für Personen mit Behinderung, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate

* staatliches Sozialversicherungsprogramm, welches aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft.

* Privilegien für Personen, die im Jahr 1999 signifikante Notlagen durchlebten, vor allem für Veteranen des Zweiten Weltkriegs.

Alle armenischen Staatsbürger sind berechtigt, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.

Anmeldeverfahren: RückkehrerInnen können in einem der 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (10 in Jerewan und 41 in der anderen Regionen) Sozialhilfe beantragen oder online ein Formular einreichen: http://www.ssss.am/arm/e-reception/send-application/

Pensionssystem

Das Renteneintrittsalter in Armenien liegt bei 63 Jahren. Eine Sozialrente wird ab 65 Jahre gewährt. Bei beschwerlicher oder gefährlicher Arbeit kann das Eintrittsalter niedriger liegen. Das staatliche Rentenversicherungssystem, basierend auf einer gesetzlichen Sozialversicherung, ist in folgende Elemente gegliedert:

-Altersrente

-Verlängerte Dienstrente

-Behindertenrente

-Rente für Familien, die den Einkommensträger verloren haben

Um eine armenische Rente in Anspruch nehmen zu können muss der/die Rückkehrende in Armenien registriert sein. Anmeldungen für die staatliche Rente können ebenfalls auf der Website des staatlichen Sozialversicherungsservice des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingereicht werden (IOM 2018).

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von 16.000 Dram monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht 500 Dram monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (SSA 2016).

Schutzbedürftige Personen

Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2018).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (SSA 2016).

Mutterschaftsgeld

Obwohl der Geburtsvorgang eines Babys technisch gesehen nach dem Gesetz kostenlos ist, fallen jedoch im Laufe von neun Monaten und vor allem in den Tagen nach der Geburt viele weitere Kosten an. Dies betrifft im Allgemeinen auch die Krankenhausgebühren. In den ersten sieben Lebensjahren eines Kindes sind alle Arztbesuche und Impfungen kostenlos. Dazu gehören auch Allergietests und ähnliche Untersuchungen, die für das Kind notwendig sind. Medikamentenkosten sind das Einzige, wofür die Eltern [fallweise] aufkommen müssen. Bestimmte Medikamente, wie Vitamin D bei Wintergeburten, werden von den Kliniken ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt. In einige Krankenhäusern werden sogar kostenlos Windeln oder Cremes ausgeben, sobald das Baby geboren ist. Die Geburt ist in Armenien offiziell kostenlos, die meisten Krankenhäuser verlangen jedoch inoffiziell Geldleistungen für die Anwesenheit des Arztes (Repat Armenia 26.6.2018).

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram, eingezahlt auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf dem Spezialkonto. Außerdem haben Mütter, auch selbständig erwerbstätige, das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen Geburten auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage ausgedehnt. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 26.6.2018).

Quellen:

* IOM - International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Armenien 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Armenia_DE.pdf , Zugriff 25.3.2019

* Repat Armenia (26.62018): Having Your Child In Armenia Maternity, http://repatarmenia.org/en/practical-info/education-healthcare/a/having-your-child-in-armenia , Zugriff 19.11.2018

* SSA - Social Security Administration (2016): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016 - Armenia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/armenia.html , Zugriff 19.11.2018

Medizinische Versorgung

Die primäre medizinische Versorgung ist in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 (Stand: 2016) regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei (AA 17.4.2018, vgl. MedCOI 2.2018).

Um Zugang zu kostenlosen medizinischen Primärleistungen zu erhalten, muss eine Person armenischer Staatsbürger sein und in einer der Polikliniken oder primären Gesundheitseinrichtungen (Primary Healthcare - PHC) in der Nähe ihres Wohnortes registriert sein. In diesen Polikliniken oder PHC-Einrichtungen sind alle allgemeinen und wichtigsten spezialisierten medizinischen Dienstleistungen völlig kostenlos (einschließlich Impfungen und routinemäßiger labortechnischer Untersuchungen). Die folgenden Dienstleistungen stehen in den Polikliniken kostenlos zur Verfügung:

* allgemeines Gesundheitswesen: Allgemeinmediziner, Hausarzt, Bezirkstherapeut, Kinderarzt

* spezialisierte medizinische Dienste: Neurologen, Endokrinologen, Onkologen, Kardiologen, Chirurgen, Phthysiatern, Hals-Nasen-Ohren-Heilern (HNO), Gynäkologen, Dermatologen, Chirurgen/Traumatologen, Augenärzten, Infektions-/Immunologen, Stomatologen; und in mehreren Polikliniken Rheumatologen, Urologen

* Laboruntersuchungen: Blutkörperchenzahl, biochemische Routineuntersuchungen

* medizinisch-technische Untersuchungen: Ultraschall, EKG, Röntgen, Spirometrie, Fundoskopie

* Impfungen und Hausbesuche durch einen Hausarzt: bei akuten Erkrankungen - Infektionen der oberen Atemwege, Temperatur, Schmerzsyndrom; bei onkologischen Patienten durch Onkologen (MedCOI 2.2018).

Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 7.4.2019).

Alle armenischen StaatsbürgerInnen, einschließlich Rückkehrende, Asylsuchende und Flüchtlinge, haben ohne Einschränkungen das Recht auf Dienstleistungen von Krankenversicherungen. Rückkehrende, die nicht von der staatlichen Krankenkasse profitieren, können eine freiwillige private Krankenversicherung abschließen. Die Preise variieren zwischen 230 USD und 350 USD pro Jahr. Für die Anmeldung werden der Pass/Personalausweis und die Krankenversicherungskarte benötigt. Für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung muss die Person die Krankenkassen direkt kontaktieren (IOM 2018).

Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitär-epidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen I, II oder III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein "spezielles Krankheitsprogramm" (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018).

Für die hospitale Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018).

Folgende Personengruppen können kostenfreie Medikamente in lokalen Polykliniken erhalten:

- Behinderte, 1. und 2. Gruppe (die Kategorien werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales bestimmt)

- Behinderte Kinder unter 18 Jahren

- Veteranen des II. Weltkriegs

- Kinder ohne elterliche Aufsicht, sowie Halbwaisen unter 18 Jahren

- Kinder (unter 18 Jahren) aus Familien mit 4 oder mehr minderjährigen Kindern

- Angehörige von Militärangehörigen, die im Dienste der Republik Armenien verstorben sind

- Kinder aus Familien mit behinderten Kindern unter 18 Jahren Kinder unter 7 Jahre

Eine Kostenerstattung in Höhe von 50% ist für folgende Personengruppen gewährleistet:

- Behinderte der 3.Gruppe

- Rechtswidrig Verurteilte

- Alleinstehende, arbeitslose Pensionäre

- Familien bestehend aus arbeitslosen Pensionären

- Alleinstehende Mütter mit Kindern unter 18 Jahren

Eine Kostenerstattung in Höhe von 30% erhalten arbeitslose Pensionäre (IOM 2018).

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. 250 Euro/Monat). Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 7.4.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* IOM - International Organization for Migration (2018): http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Armenia_DE.pdf , Länderinformationsblatt Armenien 2018, Zugriff 25.3.2019

* MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

Behandlungsmöglichkeiten von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS)

Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos (AA 7.4.2019). Die Gebühren für die Behandlung sind flexibel, je nach den finanziellen Mitteln des Patienten (MedCOI 2.2018). Im Rahmen des BBP haben Patienten mit psychiatrischen/mentalen Störungen freien Zugang zu verschriebenen psychotropen Medikamenten, die in der NEDL (National Essential Drug List) aufgeführt sind. Die freie Bereitstellung von psychotropen Substanzen steht im Zusammenhang mit der "Krankheitsgruppe". Psychiater arbeiten in spezialisierten Apotheken, in denen Psychopharmaka kostenlos an registrierte psychisch kranke Patienten mit einer Ambulanzkarte abgegeben werden. Ein Rezept ist erforderlich, wenn ein Patient ein psychotropes Medikament in einer Apotheke kaufen möchte. Die [privaten] Krankenversicherungen decken keine medizinischen Dienstleistungen und psychotropen Medikamente ab, die bereits im Basis-Leistungspakets (BBP) enthalten sind (MedCOI 21.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

* MedCOI - Belgian Desk on Accessibility (BDA) (21.2.2018): BDA-20171122-AM-6675

Rückkehr

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 7.4.2019).

Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* Tundarc (o.D.): Tundarc, http://tundarc.am/wp/?lang=en , Zugriff 21.3.2019

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP asylrelevanten Gefährdungen ausgesetzt waren bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solchen Gefährdungen ausgesetzt wären. Es ist zwar glaubwürdig, dass es im Jahr 2011 zu einem Anschlag auf die bP 2 gekommen ist. Das Gesamtvorbringen der bP war jedoch nur teilweise glaubwürdig und letztlich nicht geeignet, zu einer Schutzgewährung zu führen. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die bP in Armenien keinen entsprechenden Schutz vor illegalen Übergriffen durch Privatpersonen erhalten können.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten.

2. Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich -vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität- aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel in Form von nationalen Identitätsdokumenten hinsichtlich der bP 1 sowie der Info über die Heimreisezertifikate.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

Die bP traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Armenien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Armeniens auszugehen ist (vgl. Punkt II.3.1.5. und Unterpunkte).

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

II.2.4.1. Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten --z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

II.2.4.2. In Bezug auf den in der Verhandlung gestellten Beweisantrag, ein Mitglied des Sportvereins der bP 2 zu hören wird festgehalten, dass das Beweisthema nicht mehr sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174), da das Beweisthema, die Mitgliedschaft und ehrenamtliche Tätigkeit der bP 2 in einem Sportverein der Entscheidung zugrunde gelegt wurde.

Zu den behauptetermaßen mangelhaften Ermittlungen im Lichte des § 18 Abs. 1 AsylG weist das ho. Gericht darauf hin, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Antragstellers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen wird. Ungeachtet der gesetzlichen Verpflichtung der Asylbehörde bzw. des Asylgerichtshofes, im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren geltenden Prinzipien der materiellen Wahrheit und des Grundsatzes der Offizialmaxime, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig (§ 39 Abs 2 AVG, § 18 AsylG 2005) festzustellen, obliegt es in erster Linie dem Asylwerber, auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen (vgl VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196; 30. 1. 1991, 90/01/0197; vgl zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299; 2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525). Es ist in erster Linie Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).

Dass die Vertrauensperson nicht an der erstinstanzlichen Einvernahme teilnehmen hätte dürfen, ergibt sich so nicht aus den von den bP unterschriebenen Protokollen und würde dieser Umstand auch keinen derartigen Verfahrensfehler darstellen, dass das gesamte Verfahren mangelhaft wäre. Soweit in der Beschwerde und einer Eingabe vor der bB Korrekturen an den Niederschriften bekannt gegeben wurden, ist dazu festzuhalten, dass auch diese Korrekturen keine wesentlichen Passagen betrafen und die bP nunmehr nochmals Gelegenheit hatten, in der Verhandlung ihr Vorbringen zu erstatten. Die Konfrontation mit dem Erhebungsergebnis in einer Einvernahme vermag ebenfalls keinen Verfahrensfehler darzustellen, da derartige, auch "überraschende" Handlungen von der bB zur Wahrheitsfindung herangezogen werden können. Eine etwaige Verletzung des Parteiengehörs hinsichtlich der Länderfeststellungen wäre jedenfalls durch deren vollständige Wiedergabe in den Bescheiden und der Beschwerdemöglichkeit saniert und wurden überdies der Entscheidung des BVwG aktuelle Feststellungen zugrunde gelegt, welche den bP vor der Verhandlung übermittelt wurden. Anzumerken ist, dass die bP jedoch auch diesen nicht entgegentraten.

Insgesamt gesehen wurde der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben, der immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

II.2.4.3. Das Gericht geht davon aus, dass die Angaben der bP zu den Eckdaten des Strafverfahrens aufgrund des gegen sie angegebenen Anschlages mit einer Granate am 10.04.2011, welche mit den vorgelegten Beweismitteln übereinstimmen, den Tatsachen entsprechen. Unrichtig hat die bP 2 jedoch ausgeführt, dass der minderjährige Attentäter lediglich in der Psychiatrie gewesen sei bzw. nicht entsprechend verurteilt worden und für unzurechnungsfähig erklärt worden wäre. Wie die Erhebungen ergaben, hat der Attentäter jedoch ca. 1 Jahr in Untersuchungshaft verbracht, war geistig zurechnungsfähig und wurde anschließend von seiner 4 jährigen Haftstrafe amnestiert. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich um einen Minderjährigen handelte, welche noch dazu gemäß vorliegendem Urteil durch mehrfache Beleidigungen seiner Familie durch die bP 2 über eine lange Zeit psychisch vorbelastet vor dem Anschlag war, auch durchaus nachvollziehbar und angemessen. Es wurden zudem entsprechend Strafmilderungsgründe berücksichtigt und konnten keine erschwerenden Umstände vom Gericht festgestellt werden.

Darüber hinaus hegt das BVwG erhebliche Zweifel an den Angaben der bP. Dies insbesondere am Vorbringen hinsichtlich der beiden weiteren Vorfälle aus den Jahren 2013 und 2015. So mutet es bereits seltsam an, dass die bP 2 diverse Unterlagen und auch das Gerichtsurteil aus dem Jahr 2011 sowie eine damit korrespondierende Krankenhausbestätigung vorlegen konnte, zu den weiteren Vorfällen konnten jedoch keinerlei Unterlagen wie Anzeigebestätigungen und dergleichen vorgelegt werden. Einzig eine Krankenhausbestätigung aus dem Jahr 2015 wurde vorgelegt, welche sich jedoch gemäß Überprüfung als gefälscht erwiesen hat. Warum die bP 2 im Nachhinein die 4 gemäß Recherche gefälschten Unterstützungsschreiben von armenischen Organisationen nochmals beglaubigt vorlegen konnte, die Krankenhausbestätigung jedoch nicht, erhellt sich für das BVwG nicht. Auch der Erklärungsversuch, dass derartige Unterlagen nicht nochmals ausgestellt werden könnten erhellt sich für das Gericht nicht. Die Glaubwürdigkeit der bP 2 leidet auch darunter, dass er widersprüchliche Angaben im Verfahren zu seinem Aufenthalt in Jerewan vor seiner Ausreise tätigte und zu diesem angeblichen Aufenthalt keinerlei Details wie Adressen nennen konnte. Zudem konnten die bP allesamt nicht konsistent angeben, ob die angeblichen Angreifer bei dem behaupteten Überfall 2015 Masken getragen haben oder nicht, was jedoch vor dem Hintergrund, dass die bP 1-4 vor Ort gewesen sein sollen, nicht nachvollziehbar ist. Auch die mehrfach vage Angabe, die bP 2 hätte K an seiner Stimme erkannt und wäre dieser beim Vorfall 2015 damit dabei gewesen vermag nicht zu überzeugen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die bP 2 in der Verhandlung angegeben hat, dass die Angreifer gerade keine Masken getragen hätten, damit hätte sie K gar nicht alleine aufgrund der Stimme erkennen müssen. Dass man sich wie von der bP 3 angegeben bei einem Überfall von mehreren Männern nicht einmal daran erinnern kann, ob diese Masken getragen haben oder nicht, ist außerhalb der Lebenserfahrung. Insgesamt waren die Angaben der bP 2 zum ersten Vorfall substantiiert und zu den beiden weiteren Vorfällen, dem Schussattentat 2013 und dem Überfall vor ihrem Haus 2015 absolut vage, unbelegt und nicht nachvollziehbar. Zudem schilderte er erst über nachfragen des Behördenvertreters, dass er während seiner Zeit in Jerewan von K gesucht worden wäre. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die bP 2 selbst angegeben hat, dass sich K grundsätzlich in Russland aufhält und ihm dies auch von der Polizei mitgeteilt worden wäre, nicht nachvollziehbar. Zudem konnte die bP 2 in der Verhandlung auch letztlich nicht ausschließen, dass das Schussattentat 2013 ein versuchter Raubüberfall gewesen sein könnte. Die bP 2 hat auch zum Vorfall 2015 im Rahmen der ersten Befragungen nicht davon gesprochen, dass sie damals bewusstlos gewesen wäre und wurde dies erst später von ihr behauptet.

Aufgrund der Angaben der bP und vorgelegten Unterlagen sowie der nunmehr in Beglaubigung vorgelegten armenischen Bestätigungsschreiben wird davon ausgegangen, dass die bP 2 erfolgreicher Ringer und Trainer in Armenien war.

Das BVwG geht weiters davon aus, dass die bP 2 Streitigkeiten mit K hatte und es zu einem Anschlag auf die bP 2 durch den minderjährigen Sohn des K gekommen ist, die weiteren Vorfälle in den Jahren 2013 und 2015 wurden jedoch nicht glaubwürdig geschildert und konnten hierzu insbesondere auch keine entsprechenden Beweismittel vorgelegt werden. Weder Krankenhausbestätigungen noch Anzeigen wurden hierzu vorgelegt und traten die dargestellten Ungereimtheiten auf, weshalb diesbezüglich eine Unglaubwürdigkeit angenommen wird.

Dem glaubwürdigen Vorfall im Jahr 2011 fehlt es an einer Aktualität für die Ausreise. Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt, sind nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet; die wohlbegründete Furcht müsste vielmehr bis zur Ausreise andauern (VwGH 23.01.1997, 95/20/0221). Die bP konnte keinen Vorfall unmittelbar vor der Ausreise glaubhaft machen und sind die oben angeführten Vorfälle aus den Jahren 2010 (Streit wegen fehlendem Gehalts) und 2011 (Attentat mit Granate) nicht geeignet, einen zeitlichen Konnex zur Ausreise 2015 herzustellen. Diese Vorfälle haben damit nicht dazu geführt, dass die bP so große Angst vor weiteren Übergriffen auf sich selbst gehabt hätten, die einer begründeten Furcht entsprechen und es den bP unerträglich gemacht hätten, in ihrem Heimatstaat zu bleiben. Die bP starteten vielmehr eine vorbereitete Ausreise und hat die bP 2 sogar unter Einhaltung der Kündigungsfrist ihren letzten Job aufgegeben.

Es kann damit keinerlei Schutzbedürfnis der bP erkannt werden, da sich die anderen bP auf das Vorbringen der bP 2 stützen.

Soweit in der Verhandlung vom rechtsfreundlichen Vertreter ausgeführt wird, dass es einen Anknüpfungspunkt an die GFK im Vorbringen der bP 2 gäbe, da es sich um eine politische Verfolgung handle und die bP 2 gegen nichtbezahlte Löhne protestiert und sich den Anordnungen des Schulpräsidenten widersetzt habe, ist festzuhalten, dass dies so aus dem Vorbringen der bP 2 selbst nicht hervorgeht. Sie ist letztlich in einen persönlichen Streit mit K wegen des nichtbezahlten Gehaltes geraten und wurde nicht erkennbar, inwiefern sie sich dem Schulpräsidenten widersetzt hätte.

Für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung reicht es zwar aus, dass eine staatsfeindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung nicht zu erwarten ist (VwGH vom 30. September 1997, 96/01/0871, und vom 12. September 2002, Zl. 2001/20/0310), oder dass die Strafe für ein im Zusammenhang mit einem ethnischen oder politischen Konflikt stehendes Delikt so unverhältnismäßig hoch festgelegt wird, dass die Strafe nicht mehr als Maßnahme einzustufen wäre, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient (VwGH 24.03.2011, Zl. 2008/23/1443, vom 06.05.2004, Zl. 2002/20/0156 sowie vom 16. September 1999, Zl. 98/20/0543, und vom 17. September 2003, Zl. 99/20/0126, mit weiteren Nachweisen).

Dass im vorliegenden Fall die von der bP 2 angeführte, ihm gegenüber stattgefundene Verfolgung 2011 oder auch die zwei behaupteten Vorfälle in den Jahren 2013 und 2015 auf einen der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) zurückzuführen wäre, kann nicht erkannt werden. Auch wenn die Judikatur zur politischen Gesinnung tendenziell weit geht, kann ein Sachverhalt wie der vorliegende nicht darunter subsumiert werden.

Zudem wird darauf hingewiesen, dass jedenfalls - auch bei Wahrunterstellung des gesamten Vorbringens der bP - der armenische Staat schutzfähig und schutzwillig wäre, weshalb eine Schutzgewährung im gegenständlichen Fall jedenfalls ausscheidet.

Dass Korruption in Armenien ein gewisses Problem darstellt, wird auch vom BVwG nicht verkannt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Regierung Korruptionsbekämpfung ein großes Anliegen ist und es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt. Aus den Länderfeststellungen geht nicht hervor, dass keine Schutzfähigkeit oder Schutzwilligkeit gegeben wäre und lässt sich aus dem Vorbringen der bP auch nicht ableiten, dass speziell in ihrem Fall keine Schutzwilligkeit oder Fähigkeit gegeben wäre. Vielmehr blieben die bP eben nach dem Vorfall 2011 jedenfalls noch Jahre in Armenien und sind - bei Wahrunterstellung - auch nicht unmittelbar nach dem letzten Vorfall ausgereist. Die geplante Ausreise steht jedenfalls der Annahme einer Verfolgung entgegen und haben die bP letztlich auch zum Verfahren im Jahr 2011 nicht klar vorgebracht, dass sie hier in irgendeiner Form benachteiligt worden wären oder dieses Verfahren nicht einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren entsprochen hätte. Auf die vorzeitige Entlassung des Sohnes des K wurde bereits eingegangen und wäre eine derartige Vorgangsweise auch in Österreich oder anderen Ländern genauso denkbar wie der Umstand, dass die Strafhöhe mit 4 Jahren bemessen wurde.

Gerade aus den vorgelegten gerichtlichen Unterlagen ergibt sich, dass die U-Haft überprüft wurde, Verhandlungen durchgeführt und Beweismittel beschafft wurden. Auch im Rahmen der Strafzumessung wurde das Verhalten des Attentäters entsprechend berücksichtigt. Gerade der Verfahrensablauf in Armenien, welcher durch die vorgelegten Unterlagen nachvollziehbar ist zeigt, dass ein rechtsstaatliches Verfahren stattgefunden hat.

Dazu ist weiters festzuhalten, dass sich das BVwG weder als dafür zuständig noch als dazu in der Lage erachtet, die Beweisführung und -würdigung eines nationalen Gerichtes in einem bestimmten Verfahren in seinen Einzelheiten nachzuvollziehen, ohne dessen für seine Entscheidung maßgebliche Verfahrensakten insgesamt einsehen und bewerten zu können, was wiederum nicht nur den inhaltlichen Rahmen eines Beschwerdeverfahrens wie des gegenständlichen, sondern auch alle logistischen und organisatorischen Grenzen eines solchen Verfahrens sprengen würde. Aus den Ausführungen der Vertretung per se waren demgegenüber keine Rückschlüsse auf das Fehlen einer rechtsstaatlichen Qualität des Verfahrens zu gewinnen.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

II.3.1.5. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 13 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat.

II.3.1.5.1. Gem. Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang I zur VO sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verscheide Informationsquellen, insbesondere Inforationen andere Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und andere einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen

Gemäß dem oben genannten Anhang I gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.

Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch

a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;

b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;

c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.

Artikel 9 der Richtlinie 2011/95/EU definiert Verfolgung wie folgt:

"1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen."

Aus dem Grundsatz, wonach, wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftssaaten-Verordnung in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde (vgl. Art. 258 f AEUV).

Der VfGH (Erk. vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]) stellt ein Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs. 2 AsylG [Anm. a. F., nunmehr § 19 Abs. 1 und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.

Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gerichten entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.

Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der bP ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. "Dublinstaaten"] zu werten sind).

II.3.1.5.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung ein umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien unter Einbeziehung der unter II.2.3 erörterten Quellen verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt.

Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für die bB bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der bP ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und der bB bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde seitens der bB übererfüllt.

Das Vorbringen der bP war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. das ho. Gericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen der bP hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre.

Zu A) (Spruchpunkt I)

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von der bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und fehlte es dem Glaubwürdigen Vorbringen hinsichtlich des Attentates im Jahr 2011 an Aktualität bzw. einem erforderlichen zeitlichen Konnex zur Ausreise.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Umfang der hier zu prüfenden Übergriffe, dass sich diese nicht als ausreisekausal darstellten und schon aus diesem Grund nicht geeignet sind, der bP den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen (vgl. Erk. d. VwGH vom 23.1.1997, Zahl 95/20/221 mit Verweis auf Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1081; ebenso Erk. d. VwGH vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800-0803).

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass die bP nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation - im Falle der Wahrunterstellung von Übergriffen 2013 und 2015 hinsichtlich des Bestehens des Willens und der Fähigkeit des Staates, Schutz zu gewähren wird Folgendes erwogen:

Zur von der bP bestrittenen mangelnden Asylrelevanz des Vorbringens wird auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen.

Ebenso ist der belangten Behörde beizupflichten, dass -rein hypothetisch betrachtet ohne hierdurch den behaupteten ausreiskausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen - es der bP möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die Sicherheitsbehörden ihres Herkunftsstaates zu wenden, welche willens und fähig wären, ihr Schutz zu gewähren.

Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die von der bP geschilderten Übergriffe in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren im Herkunftsstaat der bP Behörden welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben (vgl. hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141).

Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist (vgl. hierzu die im Erkenntnis noch zu treffenden Ausführungen zum Wahrscheinlichkeitskalkül).

Unter richtlinienkonformer Interpretation (Art 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten.

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" (vgl § 45 Abs 2 AVG) keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn") erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vgl auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu § 45).

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten - besteht für den Beschwerdeführer somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Art 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Art 7 Abs 2 leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

Im gegenständlichen Fall haben die bP weder glaubhaft behauptet noch bescheinigt, dass das geschilderte Verhalten, jener Personen die gegen die bP vorgingen, in ihrem Herkunftsstaat nicht pönalisiert wäre oder die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grds. nicht einschreiten würden, um einen Schaden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abzuwenden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin und ergibt sich weiters aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat der bP kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung handelt, vom dem aufgrund der normativen Vergewisserung seiner Sicherheit anzunehmen ist, dass er auf seinem Territorium Schutz vor Verfolgung bietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat schließlich zuletzt in seiner Entscheidung vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153 festgehalten, dass bei sicheren Herkunftsstaaten gemäß Herkunftsstaatenverordnung grundsätzlich von einer bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden ausgegangen werden kann (vgl. auch VwGH vom 16. November 2016, Ra 2016/18/0233).

Die bP bescheinigte im Rahmen ihrer Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in ihrem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass sie keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in ihrem Fall ein qualifizierte Sachverhalt vorliege, der es als "erwiesen" erschein lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall der bP untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

Im Ergebnis hat die bP letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht (vgl. EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

Die bP hätten sich auch jederzeit an übergeordnete Polizeidienststellen, den Ombudsmann oder NGOs wenden können, wenn sie tatsächlich den Eindruck gehabt hätten, dass ihnen nicht entsprechend geholfen werden würde.

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.-...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

...

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffenen Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova &Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z.B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen in Bezug auf die Republik Armenien nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet (dies kann auch in Bezug auf den Konflikt um die Kontrolle der Regionen Abchasien und Südossetien nicht angenommen werden), kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird darüber hinaus festgestellt, dass diese in Armenien über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei den volljährigen bP handelt es sich um mobile, junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen. Einerseits stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.

Auch steht es den bP frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und können die bP daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.

Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer -ggf. auch unattraktiven- Erwerbsmöglichkeit wurde bereits in einer Vielzahl ho. Erkenntnisse bejaht.

Im vorliegenden Fall konnten seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände (lediglich Bluthochdruck der bP 1) oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.

Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die bP vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Armenien ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktisch Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der bP gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN).

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Parteien nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen müssen, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

2. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. - 5. ...

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) ..."

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) -(4) ...

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) - (6) ..."

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

"§ 52. (1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. ...

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. - 4. ...

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3)- (11)..."

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1)...

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) - (5).

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

II.3.4.2. Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise, in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die bP nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Es liegen im Lichte des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise vor, dass den bP allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

II.3.4.3. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRKist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423).

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).

In Österreich leben neben den bP noch der Bruder der bP 3 mit seiner Familie. Zu ihm wurde jedoch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorgebracht, welches eine Relevanz iS eines Familienlebens und Art. 8 EMRK zeitigen würde.

II.3.4.4. Basierend auf den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst -bezogen auf das Lebensalter der bP - kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.

II.3.4.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl bei der belangten Behörde als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung der durch Art. 8 (1) EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Determinanten im Lichte der Judikatur Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP sind den bereits festgestellten Zeitraum von 4 Jahren in Österreich aufhältig. Sie reisten illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und konnten ihren Aufenthalt nur mittels Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

Mit negativem Abschluss des Asylverfahrens lebt auch die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts, sowie die Strafbarkeit der rechtswidrigen Einreise zumindest in Bezug auf die bPXXX wieder auf (vgl. § 120 Abs. 1 iVm Abs. 7 FPG), bzw. kommt die Strafbarkeit gem. § 120 Abs. 1a leg. cit. im Falle der unterlassenen Ausreise innerhalb der festgesetzten Frist hinzu. Dieser Umstand stellt einen Sachverhalt mit hohem sozialen Unwert dar, was sich insbesondere auch in den vergleichsweise hohen Strafdrohungen zeigt, woraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber bereits durch diese generalpräventiv wirkende Strafdrohung die Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes als einen äußerst erstrebenswerten Umstand im Rahmen der öffentlichen Ordnung betrachtet.

Auch wenn im Rahmen dieses Faktums entsprechend der aktuellen Judikatur zu berücksichtigen ist, dass eine Antragstellung vom Ausland aus nicht möglich und daher -de facto in den überwiegenden Fällen- eine solche erst nach illegaler Einreise möglich ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die handlungsfähigen bP die rechtswidrige Einreise sichtlich in Umgehungsabsicht von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften zur Stellung eines sichtlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutzes vornahmen und die Behörden wiederholt täuschten, was wiederum sehr wohl fremdenrechtlichen Interessen, im Sinne eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung berührt.

Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Art. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich.

Der Verfassungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 10.03.2011, Zl. B1565/10 (betreffend einem im Alter von 8 Jahren mit seinen Eltern eingereisten, im Entscheidungszeitpunkt 17jährigen, welcher beinahe die gesamte Schullaufbahn in Österreich absolvierte und herausragende sportliche Leistungen für einen österreichischen Sportklub erbrachte) fest, dass es in der Verantwortung des Staates gelegen ist, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass dem 17jährigen die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre, - neun Jahre verstreichen. Es sei die Aufenthaltsverfestigung des 17jährigen zwar überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgt, keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung sei vorgelegen; jedoch sei ihm als Minderjährigem, der seine Eltern nach Österreich begleitete, dies nicht in jenem Maße zuzurechnen wie seinen Obsorgeberechtigten. In diesem Fall wurde festgehalten, dass keine Anpassungsfähigkeit des 17jährigen mehr vorliege, der wesentliche Teile seiner Kindheit und Jugend in Österreich verbrachte (im Gegensatz zu Kindern, die sich im Zeitpunkt ihrer Ausweisung noch in anpassungsfähigem Alter befinden; vgl EMRK 26.01.99, Fall Sarumi, Appl 43279/98) und wurden grundsätzliche Ausführungen zur herabgesetzten Verantwortlichkeit von Minderjährigen getroffen.

Auch in der Entscheidung des VfGH vom 07.10.2010, Zl. B 950-954/10-08 wurde unter Bezugnahme auf das mangelnde Verschulden der Beschwerdeführer an der 7jährigen Verfahrensdauer festgehalten, dass die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung zusätzlich stärker gewichten hätte müssen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens ins Österreich verbracht haben, sich mitten in ihrer Schulausbildung befanden und sich hier sowohl schulisch als auch gesellschaftlich sehr gut integriert haben.

Insbesondere hätte die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass - anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) - in diesem Fall die Integration der Beschwerdeführer während ihrer einzigen Asylverfahren, welche für die Bf. 1, 2, 3 und 4 sieben Jahre (in denen keine einzige rechtskräftige Entscheidung ergangen ist) dauerten, erfolgte. Dass dies auf eine schuldhafte Verzögerung durch die Beschwerdeführer zurückzuführen wäre, wurde von der belangten Behörde weder dargestellt, noch war es aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten ersichtlich.

Obwohl der Verfassungsgerichtshof in diesen beiden Entscheidungen die den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen hat, ist dennoch aus dem Beschluss des VfGH vom 12.6.2010, U614/10 ableitbar, dass in gewissen Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Minderjährigen im Hinblick auf die Verfahrensdauer dennoch das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder eine Rolle spielt.

Es wird in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010, erstens Zl. U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), zweitens Zl. U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss des selben Tages Zl. U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten) hingewiesen. In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führte, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK geltend machen können. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter, nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]

Die bP verfügen über die bereits beschriebenen privaten und keine familiären Anknüpfungspunkte

- Grad der Integration

Die volljährigen beschwerdeführenden Parteien sind -in Bezug auf ihr Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen, wenngleich im Verfahren hervorkam, dass sie die deutsche Sprache so weit beherrschen, dass eine gewisse Verständigung im Alltag möglich ist und die bP 2 und 3 die A2 Prüfung abgelegt haben.

Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Eltern der minderjährigen bP aus eigener Finanzkraft durchgängig für den Unterhalt der minderjährige bP aufkommen können, der bP 2 kommt jedoch zugute, dass sie im Rahmen der Saisonarbeit zumindest für mehrere Monate im Jahr für die Familie aufkommt.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die -hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Zum Schulbesuch von bP 4 und 5 ist festzuhalten, dass dies die Erfüllung einer durchsetzbaren gesetzlichen Verpflichtung darstellt, welcher im Rahmen der Interessensabwägung nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH v. 26.9.2007 2006/21/0288 mwN).

Die vorgelegten Empfehlungsschreiben dokumentieren, dass sich die bP im Rahmen ihres Aufenthaltes eine gewisse soziale Vernetzung im Bundesgebiet aufbauten, eine außergewöhnliche Integration ist hieraus jedoch nicht entnehmbar und sind die integrativen Aspekte insbesondere nicht auf ein außergewöhnliches Engagement der bP zurückzuführen.

Was die vorgelegten Empfehlungsschreiben betrifft, so ist dazu auszuführen, dass diese vorwiegend von Deutschlehrern, Politikerinnen, Nachbarn, ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern und Bekannten aus der Spielegruppe stammen. Vor dem BFA konnten die bP noch nicht einmal alle Personen der Unterstützungsschreiben namentlich Einordnen.

Zur Unterschriftenliste ist anzuführen, dass die Gefertigten mehrheitlich keine sichtlich unmittelbare persönliche Bindung zu den bP unterhalten, sondern es sich allenfalls um Personen handelt, welche im nahen Lebensumfeld der bP leben und sie einen Vordruck unterfertigten, ohne eine persönliche Bemerkung zum Aufenthalt der bP abgaben.

Zur anzuerkennenden sozialen Vernetzung der bP und den zahlreichen Unterstützungsschreiben ist festzuhalten, dass die diversen Unterstützungsleistungen und Integrationshilfen der freiwilligen Helfer gesehen werden, diese aber bei den erst relativ kurz in Österreich aufhältigen bP noch zu keiner außergewöhnlichen Integration im Sinne der Judikatur geführt haben.

Überdies haben die Personen in der Wohnsitzgemeinde von sich aus die integrativen Maßnahmen getätigt bzw. initiiert und ist die diesbezügliche Integration der bP daher nicht auf ihre eigene Initiative zurückzuführen, wenngleich die Leistungen des Vereins bzw. der Helfer anerkannt werden und festzuhalten ist, dass die bP zumindest diese Angebote angenommen haben.

Es wird auch nicht verkannt, dass die bP freundlich und hilfsbereit sind und bei sozialen Veranstaltungen, in der Gemeinde oder in der Schule helfen. Auch ist bei den bP 4 bis 6 durch ihre altersadäquate Freizeitgestaltung (Ringen, Fußball) und den Schulbesuch bzw. die Spielgruppe eine gewisse Integration vorhanden.

Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht sind die nicht verkannten privaten Anknüpfungspunkte - vor allem in Zusammenhang mit der geringen Aufenthaltsdauer - auf jeden Fall zu wenig. Werte wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft etc. sind nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen und werden gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, vom erkennenden Gericht als selbstverständlich vorausgesetzt.

In Bezug auf die minderjährigen bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; 3 Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied).

- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]

Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben an einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt. Es ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es der bP frei - so wie jedem anderen Fremden auch - sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.

Das Vorbringen der bP lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen. Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels den Fremden die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet - unverzüglich - zu verlassen.

Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders zu berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Sollte bei den bP die gegenteilige Erwartungshaltung geweckt worden sein, hat das ho. Gericht dennoch im Rahmen der Gesetze (Art. 18 B-VG) entgegen dieser Erwartungshaltung zu entscheiden.

Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten nach rechtswidriger Einreise oder während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führt. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällten, beim Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein, welcher hier bei weitem nicht vorliegt (vgl. hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP 1-4 verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien, wurden dort sozialisiert, gehören der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an, bekennen sich zum dortigen Mehrheitsglauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Armenien Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- bzw. Bekanntenkreises der bP existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Zu den minderjährigen bP ist festzustellen, dass schon aufgrund ihres geringeren Alters und der Aufenthaltsdauer in Österreich die Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den nunmehrigen Bindungen zu Österreich anders zu bewerten sein wird, als im Hinblick auf die Eltern. Hier wird von geringeren Bindungen zum Herkunftsstaat und stärkeren Bindungen zu Österreich auszugehen sein. In die Überlegungen hat jedoch einzufließen, dass die minderjährigen bP 4 und 5 dennoch im Herkunftsstaat geboren wurden, sich dort eine zeitlang aufhielten und über ihr Umfeld bzw. ihre Eltern die Kultur und Sprache ihres Herkunftsstaates auch über den Zeitpunkt der Ausreise hinaus vermittelt bekamen. Auch kann aufgrund der Sprachkenntnisse der Eltern davon ausgegangen werden, dass im Familienverband zumindest noch teilweise mit den Eltern in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird und somit dieser "Vermittlungseffekt" bis in die Gegenwart nachwirkt. Ebenso befinden sich die minderjährigen bP in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN) und haben diese auch ihre Anpassungs- und Integrationsfähigkeit durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel zur ihrer Integration in Österreich bzw. das hier nicht widerlegte Vorbringen bewiesen. Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch wieder in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.

Zur Sozialisation und Anpassungsfähigkeit von Kindern ist festzuhalten, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Sozialisation eines in Österreich geborenen dreijährigen Kindes in diesem Alter noch nicht einmal begonnen hat. Es ist nicht zu erkennen, weswegen die Sozialisation in diesem Alter nicht auch im Herkunftsstaat erfolgen kann, zumal das Kind im Heimatland weiter in Obsorge der Eltern sein wird und ihm deren Begleitung die Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtern wird (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade Kindern, welche noch im jungen Alter sind und die mit ihren Eltern gemeinsam ausreisen, die (Re-)Integration im Herkunftsstaat der Eltern zumutbar. So nahm der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0015 an, dass bei einem 6 Jahre und 3 Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erwartet werden kann, die Kinder werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Begebenheiten im Herkunftsstaat der Eltern anpassen können (vgl. auch VwGH vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 116, mwN). Selbst Schwierigkeiten bei der (Re-)Integration sind in derartigen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282).

In seinem Urteil vom 26.01.1999, 43279/98, Sarumi/Vereinigtes Königreich, attestierte der EGMR Kindern im Alter von sieben und elf Jahren eine Anpassungsfähigkeit, die eine Rückkehr mit ihren Eltern aus England, wo sie geboren wurden, nach Nigeria als keine unbillige Härte erscheinen ließ.

Das erkennende Gericht übersieht nicht, dass die minderjährigen bP in Österreich soziale Kontakte mit Schulkollegen geknüpft hat und Deutsch spricht. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass aufgrund des noch sehr jungen, mit einer hohen Anpassungsfähigkeit verbundenen Alters (vgl etwa VfGH 7.10.2014. U 2459/2012 u.a.) der minderjährigen bP davon ausgegangen werden kann, dass diese im Herkunftsstaat nicht mit unüberwindbaren Schwierigkeiten konfrontiert wäre (vgl. etwa EGMR 26.01.1999, 43.279/98, Sarumi gegen Vereinigtes Königreich; vgl. auch VwGH 25.03.2010, Zl. 2009/21/0216; 31.03.2008, Zl. 2008/21/0081). Eine Gefährdung des Kindeswohls ist demnach nicht zu erkennen. Überdies würden die minderjährige bP in Begleitung der Eltern in den Herkunftsstaat zurückkehren, wodurch die soziale Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtert würde und steht selbst der Umstand, dass das gesamte bisherige Leben seit der Geburt in Österreich verbracht wurde, einer Eingliederung im Herkunftsstaat nicht entgegen.

Es wird im gegenständlichen Fall auch darauf hingewiesen, dass es nunmehr an den Eltern der minderjährigen bP liegen wird, ihrer Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes nachzukommen und nicht in weiterer Folge rechtswidrig in diesem zu verharren, zumal sie durch ein solches Verhalten die Eingliederung ihrer Kinder verzögern bzw. erschweren und ihnen somit schaden würden.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten sind, relativiert sich in Bezug auf die strafunmündigen bP sowie durch den erst verhältnismäßig kurzen Aufenthalt der bP und stellt darüber hinaus laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die bP reisten schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und verletzten die bP hierdurch das hoch einzuschätzende Öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrecht.

Soweit die minderjährigen bP hierbei keinen Einfluss auf das Verhalten ihrer Eltern hatten, wird auf die bereits getroffenen Ausführungen hinsichtlich der objektiven Zurechenbarkeit des Verhaltens der Eltern hingewiesen, welche hier sinngemäß gelten.

Auf das Wiederaufleben der Strafbarkeit der seinerzeitigen Einreise und die hierzu bereits angestellten Überlegungen wird an dieser Stelle nochmals verweisen.

- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Den volljährigen bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass den bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.

In Bezug auf die minderjährigen bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens der bP, sowie ihrem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen der bP auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06). Auch sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die zeitliche Komponente nicht das allein ausschlaggebende Faktum darstellt.

-Auswirkung der allgemeinen Lage in Armenien auf die bP

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfinden, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK -anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.

Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Armenien ist zu berücksichtigen, dass -wie bereits mehrfach erwähnt- gem. § 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.

- Kindeswohl

Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren soziookönomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten droht, ist nach der Judikatur des VwGH eine eventuelle besondere Vulnerabilität der Betroffenen im Speziellen zu berücksichtigen, wobei der VwGH auch auf die Definition schutzbedürftiger Personen in Art. 21. Der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) verweist (vgl. zuletzt VwGH vom 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0336 sowie vom 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0089 zum Irak sowie VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0315 und diverse andere zu Afghanistan). Art. 21 der Aufnahmerichtlinie zählt als besonders schutzbedürftige Personen unter anderem Minderjährige auf.

Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund der vom BVwG selbst herangezogenen UNHCR-Richtlinien- in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Zl E 667/2018 hinsichtlich einer Familie aus Kabul festgehalten, dass Familien mit besonderem Schutzbedarf - nach Ansicht des UNHCR - nur dann eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht, wenn sie Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, die Zurückkehrenden tatsächlich zu unterstützen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG wurde behoben, da vom BVwG nicht näher begründet wurde, warum es davon ausging, dass der Bruder der Erstbeschwerdeführerin eine sechsköpfige Familie ausreichend unterstützen könne bzw wolle. Es sei verabsäumt worden, die Erstbeschwerdeführerin zur konkreten Lebenssituation ihres Bruders und ihrer Schwester zu befragen.

Demnach wird von der Judikatur - zuletzt auch in einer Einzelentscheidung hinsichtlich des sicheren Herkunftsstaates Armenien (VwGH vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0216 bis 0217-13) - eine konkrete Auseinandersetzung damit gefordert, welche Rückkehrsituation eine Familie mit minderjährigen Kindern im Herkunftsstaat tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479) sowie der Unterkunftsmöglichkeit (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).

Im vorliegenden Fall ist daher insbesondere zu berücksichtigen, dass unter den bP minderjährige Kinder - somit Angehörige einer besonders vulnerablen und besonders schutzbedürftigen Personengruppe - sind. Daher ist eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation, die die minderjährigen bP bzw. die Familie mit minderjährigen Kindern im Heimatstaat tatsächlich vorfinden würden, erforderlich.

Im gegenständlichen Fall sind die Eltern und die Kinder armenische Staatsbürger und sind alle im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen und teilen die Kinder somit das sozioökonomische Schicksal der Eltern. Die bP haben die in den Feststellungen bereits dargestellten familiären und finanziellen Anknüpfungspunkte in Armenien. Eine Verletzung des Kindeswohles ist daher nicht ersichtlich.

- weitere Erwägungen

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung [nunmehr Rückkehrentscheidung] sowie im gegenständlichen Fall unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich -abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens sind die Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung [bzw. nunmehr Rückehrentscheidung] von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Wie bereits erwähnt, garantiert die EMRK gemäß der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. GHIBAN gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; DRAGAN gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde.

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters -wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend- aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen.

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser es als nicht erforderlich erachtete, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

II.3.4.7. Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der bP in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Die bP halten sich im Vergleich mit ihrem Lebensalter erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf, sind teilweise auf die Grundversorgung angewiesen und eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist noch nicht erkennbar. Für die bP spricht, dass sie Deutschkurse besuchten, sich ehrenamtlich engagieren und in der Gemeinde die ihnen angebotenen Möglichkeiten wahr nehmen. Die bP 2 gab auch selbst an, dass sie an den Veranstaltungen teilnehmen "müssen", welche ihnen die Caritas Betreuerin vorschlägt. Eigenengagement im Besonderen wird darin nicht gesehen.

Verwandte der bP leben noch im Herkunftsstaat, wo die bP den Großteil des Lebens verbracht haben und sozialisiert wurden, und ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen familiären und privaten Beziehungen im Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Armenien eine - wenn überhaupt vorhanden - Integration in Österreich bei weitem überwiegen.

Insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer der bP in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig zu erklären wären.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP im Bundesgebiet das persönliche Interesse der bP am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in den Beschwerden nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Im Rahmen der Umsetzung der Rückkehrentscheidung ist darauf zu achten, dass die Obsorge der minderjährigen bP nicht verunmöglicht wird, es sei denn, diese entziehen sich der Abschiebung.

II.3.5. Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Im gegenständlichen sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.

Es kamen keine Umstände hervor, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK führen würden und wird auf die Ausführungen im Rahmen des subsidiären Schutzes verwiesen. Es kamen auch keine Umstände hervor, welche insbesondere beim Ausspruch betreffend die Abschiebung zu berücksichtigen gewesen wären.

Eine im § 50 Abs. 3 FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.

II.3.6. Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

II.3.7. Eine Frist zu freiwilligen Ausreise besteht gem. § 55 Abs. 1a FPG nicht.

II.3.8. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, keine Umstände gegen die Zulässigkeit der Abschiebung sprechen und keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht, ist die Beschwerde gegen diese Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

II.3.9. Einreiseverbote Behebung

Soweit unter Bezugnahme ua. auf Art. 11 der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008 ("... Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, a) ... oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. ..."), welche im Rahmen einer richtlinienkonformen Interpretation des § 53 FPG zur berücksichtigen wäre, Einreiseverbote erlassen wurde, ist festzuhalten, dass die bP 1 und 3 keinesfalls gefälschte Unterlagen vorlegten und aufgrund der Beschäftigung der bP 2 die bP nicht als gänzlich mittellos angesehen werden können. Auch hat die bP 2 zumindest die Unterstützungsschreiben nachträglich in einer beglaubigten Form vorgelegt, sodass deren Inhalte im Sinne der bP 2 dem Verfahren zugrunde gelegt wurden.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl. ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs. 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.

§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht diese auch nach wie vor als anwendbar.

Die belangte Behörde hat auch keine entsprechende Gefährdungsprognose hinsichtlich der bP 1 und 2 durchgeführt und muss die Verhängung der Einreiseverbote daher als rechtswidrig erachtet werden, da nicht mehr von 5 gefälschten Dokumenten ausgegangen wird.

II.3.10. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Gem. § 18 Abs. 1 Z 1 kann die belangte Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt. Da -wie bereits festgestellt wurde- der Beschwerde der bP 1 die aufschiebende Wirkung bereits mit Beschluss zuerkannt wurde, war darüber nicht mehr abzusprechen.

II.5. Familienverfahren

Da in Bezug auf alle bP eine spruchgemäß identische Entscheidung erging, können auch aus dem Titel des Familienverfahrens im Inland keine anderslautenden Erkenntnisse erlassen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens abgeht. Im Hinblick auf die Auslegung des Rechtsinstituts des sicheren Herkunftsstaates orientiert sich das ho. Gericht ebenfalls an der hierzu einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur.

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ins Leben gerufen wurden, bzw. sich die asyl- und fremdenrechtliche Diktion, sowie Zuständigkeiten zum Teil änderte, und das Asyl- und Fremdenrecht eine verfahrensrechtliche Neuordnung erfuhr kann ebenfalls kein unter Art. 133 Abs. 4 zu subsumierender Sachverhalt hergeleitet werden, zumal sich am substantiellen Inhalt der anzuwendenden Normen keine relevante Änderung ergab. Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auf die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen (z. B. in Bezug auf § 18 BFA-VG auf § 38 AsylG aF).

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

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