2.1. Betriebsstättenbegriff
2.1.1. Örtliche Betriebsstätten
Betriebsstätten im Sinn von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA sind alle festen Geschäftseinrichtungen, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Soweit die abkommensrechtliche Definition des Betriebsstättenbegriffs dies zulässt, ist auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf den Betriebsstättenbegriff des § 29 BAO mit seinem örtlichen, funktionalen und zeitlichen Element zurückzugreifen.Während der innerstaatliche Betriebsstättenbegriff des § 29 BAO aber ausschließlich ortsbezogen ist, gliedert sich der abkommensrechtliche Begriff in eine örtliche Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 1 bis 4 OECD-MA) und in eine personenbezogene Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA). Der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff ist daher insoweit weiter als jener des § 29 BAO, weil er jedenfalls auch jene Fälle einschließt, in denen jemand als ständiger Vertreter (§ 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) tätig wird. Ständiger Vertreter kann auch eine Tochtergesellschaft sein (EAS 2681). Der Begriff ist enger als jener des § 29 BAO, weil einerseits bloße Hilfs- und Unterstützungsfunktionen im Sinn von Art. 5 Abs. 4 OECD-MA nicht betriebsstättenbegründend wirken (EAS 3288, EAS 3399) und weil andererseits in der Regel Baustellen erst ab Überschreiten einer 12-monatigen Frist auf der Abkommensebene zum Entstehen einer Betriebsstätte führen, wohingegen nach § 29 BAO bereits sechs Monate hierfür ausreichen.Fehlt es an einer ausreichend ortsbezogenen Einrichtung (örtliches Betriebsstättenelement), kann keine Betriebsstätte im Sinn von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA angenommen werden. Keine Betriebsstätten werden daher beispielsweise begründet:- von bloßen Briefkastengesellschaften an ihrem satzungsmäßigen Sitz (EAS 598, EAS 776, EAS 838);
- durch die Vornahme einer bloßen Gerichtsregistrierung einer polnischen Zweigniederlassung bei einer zwölf Monate nicht übersteigenden Montagedauer einer Kesselanlage (EAS 2082);
- durch Holzrückearbeiten mit einem mobilen Container (EAS 2244);
- durch tageweise Tätigkeiten eines Filmcutters (EAS 2099);
- durch einen bloßen Telefon- und Telefaxanschluss mit Anrufbeantworter (EAS 469).
Auch ein fahrendes Schiff begründet für das Schifffahrtsunternehmen keine Betriebsstätte (BFH 3.7.1997, IV R 58/95); es fehlt die Verbindung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche und damit das örtliche Element. Durch die auf einem Schiff ausgeübte Tätigkeit (Verkaufsstand, Bordrestaurant uä.) kann daher ebenfalls keine Betriebsstätte begründet werden (BFH 13.2.1974, I R 218/71); betriebsstättenmäßig ist die gewerbliche Tätigkeit dem Staat zuzurechnen, in dem das Unternehmen ansässig ist, das die auf dem Schiff ausgeübte gewerbliche Tätigkeit betreibt.
Nur Geschäftseinrichtungen, die der Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit dienen (funktionales Element), können als Betriebsstätte angesehen werden. Die im innerstaatlichen Recht entwickelte Abgrenzung zwischen der aktiven betrieblichen Tätigkeit und der bloßen Vermögensverwaltung (§ 32 BAO) ist daher zu beachten. Aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit werden keine Aktiveinkünfte, sondern Passiveinkünfte (Einkünfte aus bloßen Nutzungsüberlassungen) erzielt, wie insbesondere im Fall der ertragsbringenden Anlage des eigenen Kapitalvermögens und der Vermietung des eigenen Grundbesitzes (siehe EStR 2000 Rz 5418 ff). Wird daher ein Betrieb an ein anderes Unternehmen verpachtet, wird dadurch allein für den Verpächter keine Betriebsstätte begründet (OECD-MK Art. 5 Z 44, BFH 28.7.1982, I R 196/79, BStBl II 1983, 77, VwGH 19.6.1968, 1561/67; EAS 2242). Daher löst auch die Maschinenbereitstellung für den deutschen Lohnabfüller alleine keine deutsche Betriebsstätte aus (EAS 2071). Im Fall von konzerninternen Assistenzleistungen (Aktivleistungen) wird durch die Zurverfügungstellung von Arbeitsraum an die entsandten Arbeitskräfte bei einer sechs Monate überschreitenden Dauer grundsätzlich eine Betriebsstätte begründet (EAS 733). Bei bloßer konzerninterner Arbeitskräftegestellung (Passivleistung des Gestellers) ist dies nicht der Fall (EAS 3199). Erwirbt eine österreichische Kapitalgesellschaft von deutschen Gesellschaften Gemeinschaftsantennenanlagen, die auf deutschen Gebäuden montiert worden sind und von der deutschen Steuerverwaltung nicht als Gebäudeteile (nicht als unbewegliches Vermögen) beurteilt werden, und sind diese Anlagen an die Inhaber der in solchen Gebäuden bestehenden Wohn- und Betriebsräumlichkeiten vermietet, so können die deutschen Antennenanlagen nicht als Betriebsstätte der österreichischen Gesellschaft in Deutschland gewertet werden. Die durch die Vermietungstätigkeit erzielten Gewinne unterliegen daher der ausschließlichen Besteuerung in Österreich (EAS 340).Die betriebliche Tätigkeit in den Einrichtungen muss nicht durch Menschen ausgeübt werden, auch bloße Verkaufsautomaten werden als Betriebsstätte angesehen, sofern sie nicht bloß vermietet worden sind. Betriebsstätten können daher sein: Treibstoff-Kreditkartenautomaten (EAS 1100), Bräunungsanlagen (EAS 1112), Getränkeautomaten (EAS 1269), Antennen und Satellitenschüsseln (EAS 1368, EAS 1721), Geldspielautomaten (EAS 1396), Annahmeboxen einer Putzerei (EAS 1696), Server (EAS 926, EAS 1574, EAS 1804, EAS 1836, EAS 3401). Sprengstoffentsorgung, die keinen Teil einer Bauausführung bildet, ist für sich allein keine Bauausführung, sodass ein für das Entsorgungspersonal aufgestellter Container bereits nach 6-monatiger Benutzung und nicht erst nach einer 12-monatigen Entsorgungsdauer zu einer inländischen Betriebsstätte führt (EAS 1936). Betriebsstätten sind auch touristische Informatoren (EAS 2056) sowie eine kilometerlange Kabeltrasse eines Kommunikationsunternehmens (EAS 2090).Eine feste Geschäftseinrichtung muss auf gewisse Dauer angelegt sein, um als Betriebsstätte eingestuft zu werden (zeitliches Element). Räumlichkeiten, die ausländischen Unternehmen zur Erfüllung ihrer Tätigkeit in Österreich zur Verfügung gestellt werden, begründen in der Regel erst ab einer Verfügungsdauer von sechs Monaten eine Betriebsstätte (OECD-MK Art. 5 Z 28 und EAS 350, EAS 501, EAS 1234 betr. Geräteausgabestellen). Dabei kommt es nicht darauf an, wie viele Tage die Räumlichkeiten während dieses Zeitraums tatsächlich genutzt werden. 6-wöchige Zirkusveranstaltungen (EAS 750, EAS 754), eine bloß 2-monatige Kulturausstellung (EAS 900) sowie Anmietungen von Hotelräumen für die Abhaltung von jeweils 14-tägigen Seminarveranstaltungen (EAS 740) führen beispielsweise zu keiner Betriebsstätte. Denn in all diesen Fällen liegt eine bloß vorübergehende Verfügungsmacht über die örtliche Einrichtung vor.Eine Besonderheit gilt im Verhältnis zur Schweiz: Räumlichkeiten begründen nach Art. 5 DBA-Schweiz erst ab einer Nutzungsdauer von zwölf Monaten eine Betriebsstätte (AÖF Nr. 34/2000).Im Fall wiederkehrender Benutzungen können auch kürzere als 6-monatige Nutzungsdauern betriebsstättenbegründend wirken, sofern sich die durch die örtliche Einrichtung ausgeübten Tätigkeiten voraussichtlich über einen längeren Zeitraum erstrecken und - im Lichte der Art der Geschäftstätigkeit - auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Nutzungen besteht (in diesem Sinn OECD-MK Art. 5 Z 22). Diesfalls muss die Zeitspanne, über die die Einrichtung genutzt wird, in Verbindung mit der Anzahl der Nutzungen (allenfalls über mehrere Kalenderjahre hinweg) betrachtet werden (OECD-MK Art. 5 Z 28 f).Mietet daher beispielsweise eine deutsche Filmproduktionsgesellschaft in Österreich ein Produktionsbüro an, um von hier aus die inländischen Drehaufnahmen einer 13-teiligen Fernsehserie abzuwickeln, dann liegt auch dann eine inländische Betriebsstätte für die deutsche Filmproduktionsgesellschaft vor, wenn die einzelnen Drehabschnitte weniger als sechs Monate pro Jahr über mehrere Jahre hinweg andauern (EAS 2383). Auch wiederholte saisonale Hotelanmietungen durch Reisebüros können eine Betriebsstätte begründen, sofern darin die Betreuung der Touristen vom Reisebüro durchgeführt wird (EAS 1979). Weiters führt die in 14-tägigem Rhythmus für Pflegetätigkeiten genutzte Wohnung (EAS 2966) sowie ein Standplatz auf einem regelmäßig abgehaltenen Wochenmarkt, welcher 40-mal pro Jahr wiederkehrend genutzt wird (EAS 2629, OECD-MK Art. 5 Z 23), oder der Verkauf von Blumen eines fahrenden Händlers am jeweils gleichen Platz (Sbg. Steuerdialog 2009 Int. Steuerrecht) zu einer Betriebsstätte.
Unter besonderen Gegebenheiten kann auch eine weniger als sechs Monate genutzte Einrichtung Betriebsstättencharakter aufweisen. Dies gilt für Aktivitäten, die insgesamt nur auf kurze Dauer angelegt und zur Gänze in einem bestimmten Land unternommen werden (OECD-MK Art. 5 Z 30). Es kann dies aber auch dann gelten, wenn eine Zweigniederlassung mit Betriebsstättencharakter eröffnet, aber aus unvorhergesehenen Gründen noch vor Ablauf der sechs Monate wieder aufgegeben wird, zB weil die Ertragskraft der hervorragend angelaufenen Geschäfte durch einen neu auftretenden Konkurrenten nachhaltig zerstört wird.Für die Begründung einer Betriebsstätte muss das Unternehmen auch eine gewisse Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung haben. Dies ist bei einer lediglich sporadischen oder gelegentlichen Nutzung (EAS 350, EAS 2966, EAS 3323, EAS 3415) oder der bloßen Mitbenutzungsmöglichkeit an Räumen idR nicht der Fall, weil damit keine dauerhafte Verfügungsmöglichkeit einhergeht (EAS 437, EAS 993, EAS 1613, EAS 3261, EAS 3391 mwN). Daher führt zB die bloße Mitbenutzung einer im Eigentum eines Dritten stehenden Computeranlage durch einen ausländischen Internet-Anbieter für diesen nicht zu einer inländischen Betriebsstätte (EAS 926). Stellt hingegen ein Unternehmen dem Unternehmensberater einen ihrer Geschäftsräume ständig zur Verfügung, so kann eine Betriebsstätte vorliegen, selbst wenn der Raum unversperrt bleibt (VwGH 21.5.1997, 96/14/0084; ähnlich OECD-MK Art. 5 Z 25). Da es zur Annahme einer Verfügungsmacht nicht erforderlich ist, dass Anlagen, Einrichtungen usw. im Eigentum des Unternehmers stehen oder von diesem gemietet wurden, sondern es vielmehr genügt, dass sie für die Zwecke seines Unternehmens ständig zur Verfügung stehen, kann (selbst bei bloßer Mitbenutzung) die Annahme des Bestehens einer Betriebsstätte nicht als unschlüssig erkannt werden, wenn ein Container, der einer GmbH gehört, bei deren Führung dem Unternehmer eine maßgebende Stellung zukommt, vom Unternehmer genutzt wird (VwGH 25.11.1992, 91/13/0144; 18.3.2004, 2000/15/0118).Ein Anstreicher, der zwei Jahre lang dreimal wöchentlich Malerarbeiten in einem großen Bürogebäude seines Hauptauftraggebers durchführt, begründet durch die regelmäßige, dauerhafte Anwesenheit in dem Gebäude (und die damit einhergehende faktische Verfügungsmacht über eine feste Einrichtung) ebenfalls eine Betriebsstätte (OECD-MK Art. 5 Z 17 und 24; EAS 3391). Besucht hingegen ein Unternehmer regelmäßig einen Kunden zur Aufnahme von Bestellungen und trifft er dafür den Einkaufsleiter in dessen Büro, so stehen die Räumlichkeiten des Kunden nicht in der Verfügungsmacht des Unternehmers und begründen keine Betriebsstätte nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (OECD-MK Art. 5 Z 14).Die dauerhafte Zuweisung eines bestimmten Arbeitsplatzes in einem Großraumbüro führt ebenso zum Entstehen einer Betriebsstätte (EAS 1613, EAS 1941, EAS 1969), weil der dauerhaft zugewiesene Arbeitsplatz örtlich gebunden ist und die Verfügungsmacht darüber eine ausschließliche ist; andere können von der Nutzung dieses Arbeitsplatzes ausgeschlossen werden, somit besteht Verfügungsmacht über einen abgegrenzten Raumteil. Die Betriebsstätteneigenschaft kann hier nicht mit dem Argument verneint werden, dass eine Mitbenutzung des Büroraums stattfindet. Denn es ist nicht der Büroraum, sondern eben der darin dauerhaft überlassene Arbeitsplatz, der als Betriebsstätte zu werten ist. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der Arbeitsplatz im Großraumbüro flexibel ist (in diesem Sinn OECD-MK Art. 5 Z 25).Auch indem ein Arbeitnehmer - in Abstimmung mit dem Arbeitgeber - seiner Tätigkeit nicht bloß gelegentlich von seinem Homeoffice aus nachgeht, kann er bei ausreichender Dauerhaftigkeit (Rz 255) dem Arbeitgeber durch die Ausübung der Tätigkeit faktische Verfügungsmacht verschaffen, sodass durch die Homeoffice-Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet werden kann (siehe zuletzt EAS 3392 und EAS 3415 mwN; OECD-MK Art. 5 Z 18 f); dies unter Beachtung der Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 4 OECD-MA für vorbereitende oder Hilfstätigkeiten. Nehmen die im Homeoffice ausgeübten Tätigkeiten weniger als 25% der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers ein (zB ein Tag pro Woche), wird man typischerweise noch von einer bloß gelegentlichen Nutzung ausgehen können (EAS 3323); eine mehr als 50-prozentige Nutzung ist hingegen nicht mehr bloß gelegentlich (EAS 3415).Im Übrigen können Privatwohnungen von Arbeitnehmern, die nach außen hin zB als Stützpunkt der Auftragserfüllung oder inländische Adresse für Service- und Reparaturbetreuung dienen, als offizielle Anlaufstelle des Unternehmens deklariert oder für (physische) Kundenbesprechungen und ähnliche berufliche Termine verwendet werden, unabhängig von der darin verbrachten Arbeitszeit des Arbeitnehmers eine Betriebsstätte begründen, sofern in der Wohnung nicht bloß vorbereitende oder Hilfstätigkeiten ausgeübt werden (EAS 1521, EAS 2754, EAS 3270, EAS 3323).
Einige wenige österreichische DBA enthalten eine Bestimmung für Dienstleistungsbetriebsstätten, welche zumeist auf dem UN-MA (Art. 5 Abs. 3 lit. b) beruhen. Demnach wird - unabhängig vom Vorliegen einer örtlichen Einrichtung - die Ausübung einer Dienstleistung mit physischer Präsenz im Quellenstaat über einen gewissen Mindestzeitraum einer Betriebsstätte gleichgestellt. Wird Österreich durch eine solche DBA-Bestimmung ein Besteuerungsrecht eingeräumt, so kann es im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur sehr eingeschränkt wahrgenommen werden (zB bei kaufmännischer oder technischer Beratungstätigkeit).