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Vertriebstochtergesellschaft mit Kommissionärstruktur

BMFBMF-010221/0767-IV/4/200514.12.20052005

EAS 2681

Wird der Vertrieb eines französischen Produktes in Österreich in der Weise umgestellt, dass die bisherige auf Eigenhandelsbasis tätige Vertriebstochtergesellschaft zu einer bloßen Kommissionär-Tochtergesellschaft herabgestuft wird, dann spricht die Vermutung dafür, dass die französische Muttergesellschaft hierdurch eine österreichische "Vertreterbetriebstätte" begründet (siehe auch EAS 2125 und 2304). Denn gemäß Artikel 5 Abs. 5 DBA-Frankreich unterhält die französische Produktionsgesellschaft in Österreich eine Vertreterbetriebstätte, wenn sie sich eines abhängigen Vertreters bedient, der eine Verkaufsabschlussvollmacht besitzt. Dieser Vertreter kann auch eine Tochtergesellschaft sein (Z 38.1 letzter Satz OECD-Kommentar zu Artikel 5 OECD-MA).

Für das Vorliegen von "Abhängigkeit" der Tochtergesellschaft im Sinn von Art. 5 Abs. 5 DBA-Frankreich spricht einerseits, dass die Verkaufstätigkeit nur für einen einzigen Auftraggeber (für die französische Muttergesellschaft) ausgeübt wird (Z 38.6 zweiter Satz OECD-Kommentar zur Art. 5 OECD-MA) und andererseits, dass eine Verpflichtung besteht, Weisungen des französischen Herstellers im Hinblick auf den Vertrieb der Produkte zu befolgen (Z 38.3 zweiter Satz OECD-Kommentar zu Art. 5 OECD-MA).

In Bezug auf die erforderliche Verkaufsabschlussvollmacht stellt zunächst Z 32.1 des OECD-Kommentars zu Art. 5 klar, dass es nicht erforderlich ist, die Verkaufgeschäfte im Namen des vertretenen ausländischen Unternehmens abzuschließen; entscheidend ist, dass das ausländische Unternehmen wirtschaftlich verpflichtet wird, das vom Vertreter verkaufte Produkt auch tatsächlich zu liefern. Auch diese Voraussetzung dürfte im gegebenen Zusammenhang erfüllt sein.

Der Umstand, dass das französische Mutterunternehmen im Kommissionsvertrag sich als Eigentümer aller Rechte, sonach auch des von der österreichischen Tochtergesellschaft aufgebauten Kundenstockes bezeichnet, lässt vermuten, dass dieser Kundenstock damit vom österreichischen Vertriebsunternehmen auf das französische Mutterunternehmen (als Betriebsvermögen der inländischen Vertreterbetriebstätte) übergegangen ist, was zu einer fremdüblichen Abgeltung Anlass geben müsste.

Wird daher im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt, dass die französische Muttergesellschaft in Österreich eine Vertreterbetriebstätte unterhält, dann ist sie mit den dieser Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne in Österreich beschränkt körperschaftsteuerpflichtig und in Frankreich korrespondierend von der französischen Besteuerung zu entlasten. Um die der Betriebstätte zuzuordnenden Gewinne zu ermitteln, wird vermutlich ein Einblick in die Funktionsteilung zwischen dem französischen Mutterunternehmen und den in Österreich ausgeübten Funktionen sowie in die aus dem Österreich-Geschäft erzielten und folglich aufzuteilenden Konzerngewinne nötig sein. Es ist daher erforderlich, dass zunächst von der französischen Muttergesellschaft entsprechende Körperschaftsteuererklärungen abverlangt werden.

Sollte die - in Österreich beschränkt steuerpflichtige - Muttergesellschaft der Auffassung sein, dass keine inländische Vertreterbetriebstätte im Sinn von Artikel 5 DBA-Frankreich besteht oder dass die vorgenommene Gewinnzurechnung nicht mit Artikel 7 DBA-Frankreich übereinstimmt, dann steht es ihr frei, zur Klärung dieser Frage gemäß Artikel 25 DBA-Frankreich ein Verständigungsverfahren in Frankreich zu beantragen. Hierdurch würde zwar der Abschluss des österreichischen Betriebsprüfungsverfahrens nicht behindert werden; über Anregung der französischen Steuerverwaltung könnte aber in einem solchen Verständigungsverfahren auf der Grundlage von § 48 BAO für die Dauer des Verständigungsverfahrens eine zeitlich befristete Steuerfreistellung der vom Verständigungsverfahren betroffenen Gewinnerhöhungen verfügt werden.

14. Dezember 2005 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 5 Abs. 5 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994
Art. 7 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994
Art. 25 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994
§ 48 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Vertreterbetriebstätte, Kundenstock

Verweise:

Art. 5 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
EAS 2125
EAS 2304

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