BVwG L518 2272600-1

BVwGL518 2272600-116.8.2023

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:L518.2272600.1.00

 

Spruch:

L518 2272598-1/17E

L518 2272600-1/11E

L518 2272596-1/7E

L518 2272594-1/7E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 19.06.2023 mündlich verkündeten Erkenntnisses

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde des (1). XXXX , der (2.) XXXX , der mj. (3 XXXX (vertreten durch den BF1) und des mj. (4.) XXXX (vertreten durch den BF1), alle StA. Armenien, alle vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2023, Zlen. 1345547008-230514777, 1345548103-230514882, 1345549405-230514947 und 1345549503-230515005, wegen §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz (AsylG 2005), § 18 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2023, zu Recht:

 

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als BF1 bis BF4 bezeichnet), brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge in das Bundesgebiet am 09.03.2022 Anträge auf internationalen Schutz ein. Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet und sind beide die Eltern der minderjährigen BF3 und BF4.

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF1 zum Ausreisegrund befragt vor „Ich wurde in Armenien zum Militärdienst einberufen. Ich habe Angst im Heer getötet zu werden. Deswegen bin ich geflüchtet. Das sind alle meine Fluchtgründe“.

Die BF2 bezog sich für sich und ihre minderjährigen Kinder auf den Ausreisegrund des BF1, eigene Gründe lagen und liegen nicht vor.

I.3. Nach Zulassung des Verfahrens wurden die BF1 und BF2 am 24.04.2023 vor dem BFA, Außenstelle Graz, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF1 zum Ausreisegrund befragt bekannt, dass er mit 15 Jahren zwei Jahre lang bei einem Onkel in Russland lebte. Dieser forderte von seinem Vater eine große Summe Geld, die nicht bezahlt wurde. Spätestens 2019 verstarb der Onkel, der BF bezeichnete ihn als Kriminellen. 2019 oder 2020 wäre er von drei Personen mit einem Messer verletzt worden. Er hätte Angst gehabt, eine Anzeige zu erstatten. Nach diesem Vorfall wäre er mit seiner Gattin und dem Kind weggezogen. Weiter gab er bekannt, dass die Familie in Armenien ein schlechtes Leben gehabt hätte. Zudem hätte er dann eine Ladung für eine 25tägige Militärübung erhalten. Den Militärdienst hätte er nicht abgeleistet. Wenn man diese Übungen absolviert und später wieder einberufen wird und nicht erscheint, wird man strafrechtlich belangt.

Die BF2 brachte diesbezüglich vor, dass ihr Gatte eines Nachts mit einer Stichwunde nach Hause gekommen wäre. Sie wären dann nach Ashtarak verzogen und hätten dort Tiere gehütet. Ihr Gatte hätte dann einen Einberufungsbefehl bekommen, deswegen wären sie ausgereist.

Für die minderjährigen BF3 und BF4 wurden ebenfalls keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

I.4. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden des Bundesamtes vom 27.04.2023 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das BFA aus, dass die BF keine asylrelevanten Verfolgung- oder Bedrohungssituationen geschildert bzw. glaubhaft gemacht haben. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die BF in Armenien der Gefahr einer individuellen, konkret gegen sie gerichteten Verfolgung durch den Staat ausgesetzt sind. Eine solche wurde auch dezidiert verneint und führten die BF deutlich an, dass es sich lediglich um Probleme mit Privatpersonen handelt. Im Falle einer Wahrheitsunterstellung kann hier jedoch auch festgestellt werden, dass durchaus die Möglichkeit bestand, sich an die Sicherheitsbehörden des Landes zu wenden.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Armenien zulässig sind.

I.5. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wurden inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Begründend wurde ausgeführt, dass die getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und teilweise unrichtig sind. Sie beinhalten zwar allgemeine Aussagen über Armenien, befassen sich jedoch nicht beziehungsweise nur sehr oberflächlich mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF. Das BFA hat es zur Gänze unterlassen, sich insbesondere mit der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Herkunftsstaates in Bezug auf das aufgeworfene, eindeutig strafrechtlich relevante Fluchtvorbringen auseinanderzusetzen. Auch hätte sich das BFA hinsichtlich der Erkrankungen der BF2 und BF3 nicht mit dem Gesundheitssystem in Armenien auseinandergesetzt und hätte auch auf das Kindeswohl nicht Rücksicht genommen.

Beantragt werde jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung, die Bescheide zu beheben und den BF den Status der Asylberechtigten, in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, die Bescheide bezüglich der Spruchpunkte IV bis VI aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und den BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt wird, in eventu die Bescheide aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass den BF ein „Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ erteilt wird, in eventu die Bescheide ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen und die ordentliche Revision zuzulassen. Zudem wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

I.6. Am 13.06.2023 langte die Anfragebeantwortung des Verbindungsanwaltes von Armenien ein, in welchem mitgeteilt wurde, dass der vorgelegte Einberufungsbefehl (Kopie) des BF1 für den Zeitraum vom 04. April bis zum 28 April 2023, authentisch erscheint.

I.7. Am 19.06.2023 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF, deren rechtsfreundlichen Vertretung sowie einer Dolmetscherin für die armenische Sprache durchgeführt. Nach Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis gemäß § 29 Abs 2 VwGVG mündlich verkündet, wobei die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

I. 8. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Der BF1 führt den im Spruch genannten Namen, er ist Staatsangehöriger von Armenien, Angehöriger der jesidischen Volksgruppe und gehört dem Glauben der Sonnenanbeter an. Der BF1 wurde am XXXX in XXXX geboren und wuchs dort auf. Der BF1 besuchte neun Jahre lang die Grundschule und war danach in der Landwirtschaft (Tierzucht) beruflich tätig. Vor der Ausreise lebte der BF mit seiner Familie in XXXX . Den Grundwehrdienst leistete er bis dato nicht ab. Die Identität des BF1 steht mangels originaler Dokumente nicht fest.

Der BF1 ist der Gatte der BF2 und Vater der minderjährigen BF3 und BF4.

Der BF1 ist gesund und benötigt keine Medikamente.

In XXXX (24km von Armavir, 21km von Jerewan entfernt) begründen noch die Eltern des BF1 ihren Lebensmittelpunkt. Daneben halten sich dort noch ca. 20 weitere Verwandte auf. Die Eltern leben von der eigenen Landwirtschaft, sie haben ca. 150 Schafe und zehn Kühe. Der BF1 hat laufend Kontakt zu den Eltern.

Die BF2 führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige von Armenien, Angehörige der jesidischen Volksgruppe und gehört dem Glauben der Sonnenanbeter an. Die BF2 wurde am XXXX in XXXX geboren. Die BF2 besuchte zwölf Jahre lang die Schule und war danach im Haushalt und mit der Erziehung der Kinder beschäftigt. Die Identität der BF2 steht nicht fest.

Die BF2 ist die Gattin des BF1 und die Mutter der minderjährigen BF3 und BF4.

2019 wurde bei der BF2 Epilepsie diagnostiziert. Am 17.05.2023 wurde die BF2 im Landesklinikum XXXX diesbezüglich untersucht bzw. behandelt. Ihr wurde das Medikament Levetirazetam 500mg 1-0-1 (mit dem Vermerk, dass natürlich auch ein kostengünstigeres, wirkungs- und substanzgleiches Generikum verwendet werden kann) verordnet und die weitere Betreuung über den niedergelassenen Neurologen mit Durchführung einer EEG Untersuchung empfohlen. Bis dato langten jedoch keine Befunde mehr ein.

In XXXX (12km von Jerewan entfernt) wohnen noch die Eltern, eine Schwester und ein Bruder. Der Vater arbeitet auf einer Baustelle, die Mutter ist Hausfrau, ebenso die verheiratete Schwester. Der Bruder besucht noch in die Schule. Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten.

Die BF3 führt den Namen XXXX und ist am XXXX in Armenien geboren, der BF4 den Namen XXXX und ist am XXXX in Armenien geboren. Die minderjährigen BF sind Staatsangehörige von Armenien, Angehörige der jesidischen Volksgruppe und gehören dem Glauben der Sonnenanbeter an. Die minderjährigen BF leben bei und von den Eltern. Die Identitäten der BF3 und BF4 stehen nicht fest.

Die BF3 litt laut Auskunft der Eltern an einem Herzfehler. Der BF1 teilte in der mündlichen Verhandlung mit, dass sie nunmehr gesund sei und keine Behandlung oder Therapie mehr notwendig ist. Es wurden auch bis dato keine diesbezüglichen Befunde in Vorlage gebracht. Der BF4 ist gesund und benötigt keine Medikamente.

In Armenien leben noch die bei den Eltern angeführten Verwandten.

Die BF reisten am 07.03.2021 legal auf dem Luftweg von Jerewan aus und am 09.03.2023 in das Bundesgebiet ein, wo sie die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

Die BF gehörten keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses bzw. ethnischen Zugehörigkeit zu gewärtigen hatten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 2018/2019/2020 von drei Unbekannten bedroht oder verfolgt worden wäre. Festgestellt wird weiters, dass der Einberufungsbefehl des BF1 für den Zeitraum vom 04. April bis zum 28 April 2023 zwar authentisch erscheint, es sich jedoch lediglich um eine Kopie handelt.

Die BF verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.

Die BF halten sich seit 09.03.3023 in Österreich auf und beziehen Grundversorgung. Sie haben im Bundesgebiet keine Verwandten und sind für niemanden sorgepflichtig. Die volljährigen BF besuchen keine Deutschkurse. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen tätig und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Sie haben keine österreichischen Freunde, Einstellungszusagen und Unterstützungsschreiben wurden nicht vorgelegt. Die BF sind strafrechtlich unbescholten bzw. strafunmündig.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die die BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umständen.

Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation der BF. Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass den BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in ihrem Heimatland Armenien droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.

Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor.

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt. Zur aktuellen Lage in Armenien werden folgende (allgemeinen) Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 23.08.2022

Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche der Länderinformationen zu Armenien die Situation in der separatistischen Entität Berg-Karabach, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, nicht ein.

COVID-19

Letzte Änderung: 18.04.2023

Informationen zur COVID-19-Situation in Armenien werden hauptsächlich in diesem Kapitel ihren Eingang finden. Vereinzelte Informationen finden sich jedoch auch in den nachfolgenden Kapiteln.

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der John Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Zur Einreise nach Armenien wird kein Impfnachweis oder PCR-Test mehr benötigt. Derzeit bestehen keine Einschränkungen (AA 4.4.2023; vgl. BMEIA 4.4.2023, WKO 26.5.2022).

Die Landgrenze zwischen Armenien und Georgien ist geöffnet. Die Landgrenze in den Iran ist nur unter strengen Gesundheitsauflagen passierbar. Die Grenzen in die Türkei und nach Aserbaidschan sind seit Jahren dauerhaft geschlossen (AA 4.4.2023).

Die internationalen regulären Flugverbindungen nach/von Jerewan sind wieder möglich (WKO 26.5.2022).

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die armenische Verfassung sieht eine parlamentarische Republik mit einer Einkammer-Legislative, der Nationalversammlung (Parlament), vor. Der vom Parlament gewählte Premierminister steht an der Spitze der Regierung; der ebenfalls vom Parlament gewählte Präsident hat weitgehend eine zeremonielle Funktion (USDOS 20.3.2023).

Die Nationalversammlung besteht aus mindestens 101 Mitgliedern, die für eine Amtszeit von fünf Jahren nach einem neu eingeführten Verhältniswahlsystem mit geschlossenen Listen gewählt werden, wodurch das frühere zweistufige Verhältniswahlsystem vereinfacht wird. Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert, und es können weitere Sitze hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten (FH 10.3.2023).

Die internationalen Beobachter der OSZE haben die vorgezogene Parlamentswahl in Armenien am 20.06.2021 als demokratisch, fair und frei eingestuft. Den Wählern seien eine breite Palette von Möglichkeiten geboten, die freiheitlichen Grundrechte respektiert worden und die Kandidaten konnten einen freien Wahlkampf führen. Die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan hatte die Parlamentswahl mit rund 54 % der Stimmen gewonnen (BAMF 28.6.2021; vgl EurasiaNet 21.6.2021, USDOS 20.3.2023, FH 10.3.2023). Obwohl Pashinyans Sieg von der Opposition angefochten wurde, bestätigte das Verfassungsgericht die Wahlergebnisse (FH 10.3.2023). Die neue Regierung unter Pashinjan hat sich verpflichtet, seit Langem bestehende Probleme wie systemische Korruption, undurchsichtige Politikgestaltung, ein fehlerhaftes Wahlsystem und schwache Rechtsstaatlichkeit anzugehen (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, BAMF 16.8.2021).

Die neue Armenien-Allianz unter Führung des ehemaligen Präsidenten Robert Kocharyan erhielt 29 Sitze und 21,1 % der Stimmen. Ein weiterer neuer Block, die vom ehemaligen Präsidenten Serzh Sargsyan (der nicht mit Armen Sargsyan verwandt ist) gegründete "Ich-habe-Ehre-Allianz", errang 7 Sitze, nachdem sie 5,2 % der Stimmen erhalten hatte. Obwohl Parteienbündnisse eine Wahlhürde von 7 % der Stimmen erreichen müssen, wurde diese Hürde für Sargsjan's Bündnis aufgehoben, da das armenische Gesetz vorschreibt, dass die Legislative aus nicht weniger als drei Parteien bestehen muss (FH 10.3.2023).

Im April 2021 änderte das Parlament die bestehenden Wahlgesetze, um den Empfehlungen der Venedig-Kommission und des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE Rechnung zu tragen. Die vorgezogenen Wahlen im Juni 2021 wurden erfolgreich nach dem reformierten System durchgeführt, bei dem die territorialen Listen abgeschafft und das bestehende Wahlsystem vereinfacht wurde. Die Änderungen fanden breite Unterstützung bei den politischen Kräften und der Zivilgesellschaft; weitere Reformen wurden im Mai 2021 verabschiedet und sollen 2022 in Kraft treten (FH 10.3.2023).

Im April 2021 nahm das Parlament Änderungen an, die härtere Strafen für Stimmenkauf, Gewalt im Zusammenhang mit Wahlen und die Störung des Wahlprozesses vorsehen und die Behinderung von Wahlkampfaktivitäten unter Strafe stellen (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 12.4.2022). Obwohl bei den Wahlen 2021 ein Rückgang solcher Praktiken zu verzeichnen war, berichteten internationale Beobachter über angebliche Wahlstörungen, darunter vereinzelte Vorfälle von Stimmenkauf und Missbrauch von Verwaltungsmitteln (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023).

Seit Mitte April 2022 kam es zu anhaltenden Protesten gegen Ministerpräsident Nikol Paschinjan, die sich gegen Paschinjans Politik in Bezug auf die zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittene Region Berg-Karabach richteten. Armenien strebt nun unter internationaler Vermittlung, u.a. von Russland, ein Friedensabkommen mit dem Nachbarland Aserbaidschan an. Bisher wird ein Waffenstillstand zwischen beiden Staaten von russischen Soldaten überwacht. Die Opposition befürchtet, dass Paschinjan die Region Bergkarabach komplett an Aserbaidschan abtreten will (BAMF 13.6.2022).

Die Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, in der die Vereinigten Staaten, Frankreich und Russland gemeinsam den Vorsitz führen, nahm die Verhandlungen über Berg-Karabach wieder auf. Im Laufe des Jahres 2021 gaben die Ko-Vorsitzenden mehrere Erklärungen zu den Folgen des Krieges ab, in denen sie ihre Bereitschaft bekräftigten, die Region zu besuchen, und die Parteien aufforderten, alle Kriegsgefangenen und andere Gefangene zurückzugeben, "alle Daten auszutauschen, die für eine wirksame Minenräumung in den Konfliktregionen erforderlich sind", die "Zugangsbeschränkungen zu Berg-Karabach, auch für Vertreter internationaler humanitärer Organisationen" aufzuheben, das religiöse und kulturelle Erbe zu bewahren und zu schützen und "direkte Kontakte und die Zusammenarbeit zwischen den vom Konflikt betroffenen Gemeinschaften" zu fördern (HRW 13.1.2022)

Ein zweites Treffen der Sondergesandten von Armenien und der Türkei zur Normalisierung der schwer belasteten Beziehungen zwischen den beiden Staaten fand im Februar in Wien statt. Erst im Jänner nahmen die beiden Staaten unter Vermittlung Russlands einen Dialog mit einem Treffen der beiden Sondergesandten in Moskau auf. Er soll nach dem Willen Jerewans zu normalen diplomatischen Beziehungen führen. Die Türkei und Armenien streiten vor allem über die Geschichte: Wie die meisten internationalen Experten stuft Armenien die Massaker im Osmanischen Reich an bis zu 1,5 Millionen Armeniern 1915 als Völkermord ein. Die Türkei lehnt das vehement ab. Die Grenzen zwischen Armenien und der Türkei sind seit Jahrzehnten geschlossen. Die Türkei hatte zudem im jüngsten Krieg um die Region Berg-Karabach im Herbst 2020 den Gegner Armeniens, Aserbaidschan, militärisch unterstützt (Der Standard 3.2.2022; vgl. Euronews 12.3.2022).

 

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die Sicherheitslage entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze blieb angespannt und es kam immer wieder zu Gefechten (AI 27.3.2023). Die Gefechte flammten Anfang August [2022] wieder auf. Aserbaidschan und Armenien werfen sich gegenseitig den Bruch des Waffenstillstands vor. Bei den Zusammenstößen wurden mehrere Soldaten getötet (TAZ 4.8.2022; vgl. Zeit online 3.8.2022, DW 3.8.2022).

Politische Spannungen und wachsende Unsicherheit aufgrund des ungelösten Konflikts um Berg-Karabach beherrschten die Ereignisse in Armenien. Der von Russland vermittelte Waffenstillstand wurde mehrfach gebrochen, als Aserbaidschan in Berg-Karabach und Armenien einmarschierte. Sporadische militärische Auseinandersetzungen bedrohten weiterhin die Sicherheit und den Lebensunterhalt der Zivilbevölkerung in Dörfern in Berg-Karabach und in mehreren umliegenden Bezirken sowie entlang der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan. Die politische Opposition machte Premierminister Nikol Pashinyan dafür verantwortlich, veranstaltete anhaltende Proteste und forderte seinen Rücktritt (HRW 12.1.2023; vgl. AI 27.3.2023).

Die Bedingungen in den an Aserbaidschan und Berg-Karabach angrenzenden Gebieten, einem mehrheitlich armenischen Gebiet, das 1994 de facto die Unabhängigkeit von Aserbaidschan erlangte, haben sich nach dem militärischen Konflikt in der Region im Jahr 2020 verschlechtert. Die Zivilbevölkerung in der Region ist nach wie vor dem Risiko ausgesetzt, physischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Im September 2022 drangen aserbaidschanische Streitkräfte in armenisches Gebiet ein. Bei der Eskalation des laufenden militärischen Konflikts wurden über 200 armenische Soldaten getötet und mehr als 293 verletzt. Auch zivile Siedlungen und Gebäude in den Provinzen Syunik, Gegharkunik und Vayots Dzor wurden angegriffen. Die aktiven Feindseligkeiten dauerten zwar nur kurz, doch wurde die anschließende Waffenruhe regelmäßig gebrochen (FH 10.3.2023).

Seit der Vermittlung des Waffenstillstandsabkommens vom November 2020, mit dem der Konflikt um Berg-Karabach pausiert wurde, übt Russland als Hauptvermittler in den armenisch-aserbaidschanischen Verhandlungen einen größeren Einfluss in Armenien aus und hat Militärkräfte an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze stationiert (FH 10.3.2023).

Regionale Konfliktzone: Bergkarabach

Letzte Änderung: 18.04.2023

Sicherheitslage

Zur aktuellen Konfliktsituation (siehe dazu auch Kapitel Sicherheitslage)

Armenische Truppen übernahmen Anfang der 1990er-Jahre gewaltsam die Kontrolle über die Enklave und sieben angrenzende Regionen, und seit fast 30 Jahren wird sie de facto von Behörden mit Sitz in der Stadt Stepanakert regiert. Doch 2020 gewann Aserbaidschan in einem sechswöchigen Krieg, in dem mehr als 7.000 Soldaten getötet wurden, die Kontrolle über etwa ein Drittel des aus der Sowjetzeit stammenden Autonomen Gebiets Bergkarabach und die meisten der sieben angrenzenden Gebiete zurück. Russland vermittelte ein Waffenstillstandsabkommen zur Beendigung des Krieges und unternahm auch Schritte zur Wahrung des Friedens. Es setzte Friedenstruppen ein, um die wieder aufflammenden Kämpfe in und um die Enklave einzudämmen, und Grenzsoldaten auf armenischer Seite, um die Parteien von Kämpfen entlang der Grenze abzuhalten. Im Laufe des Jahres 2022 kam es trotz der Bemühungen der Vermittler um ein umfassendes Friedensabkommen zu drei größeren Kampfhandlungen, die die Unbeständigkeit der Situation deutlich machen. Während die Zukunft von Berg-Karabach nach wie vor im Mittelpunkt des Nachbarschaftskonflikts steht, haben die Kämpfe vom September, die entlang der Grenze zwischen den Ländern und innerhalb Armeniens stattfanden, das Schlachtfeld erweitert (ICG 30.1.2023).

Der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um das ehemalige Autonome Gebiet Bergkarabach (russ.: Nagorno-Karabakh oder auch Nagorny-Karabakh; in Armenien nach Umbenennung 2018 überwiegend „Artsakh“ genannt) ist noch nicht gelöst. Allerdings wurden von beiden Regierungen - auch unter Vermittlung der EU - im Frühjahr 2022 Sonderbeauftragte in Baku und Eriwan für den Friedensprozess ernannt. Im Mai 2022 wurde eine bilaterale Grenzkommission eingesetzt sowie die Außenminister mit der Erarbeitung von Elementen eines Friedensvertrags beauftragt. Die sogenannte „Republik Bergkarabach“ („RBK“, im Jahr 1991 ausgerufen) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Die sogenannte „OSZE-Minsk-Gruppe“ hat weiterhin das Mandat für Friedensverhandlungen; seit dem russischen Überfall auf die Ukraine sind die Ko-Vorsitzenden jedoch nicht mehr gemeinsam aktiv geworden. Der zwischen Armenien, der sog. „RBK“ und Aserbaidschan geschlossene Waffenstillstand von 1994 ist immer wieder – mit unterschiedlicher Intensität – gebrochen worden. Bis zum Tag des Ausbruchs des Zweiten Berg-Karabach-Kriegs am 27. September 2020 hatte die „RBK“ das in Aserbaidschan früher als Autonome Region Bergkarabach verwaltete Gebiet sowie weitere sieben Provinzen Aserbaidschans in den Grenzgebieten zu Armenien und Iran und in der Region um Agdam kontrolliert. Mit Ende des Krieges (9. November 2020) hatte Armenien alle bis 1994 von Aserbaidschan eroberten Gebiete sowie ca. 40 % der „RBK“ an Aserbaidschan verloren. Gemäß einem zwischen Russland, Aserbaidschan und Armenien am 9. November 2020 geschlossenen Waffenstillstand hat Russland entlang der Frontlinie in der „RBK“ mit mittelschweren Waffen ausgerüstete Friedenstruppen stationiert. Des Weiteren sind russische Friedenstruppen zu dessen Sicherung im Latschin-Korridor stationiert, der die Republik Armenien mit der „RBK“ verbindet (AA 25.7.2022).

Seit dem 12.12.2022 ist der Zugang von Armenien zur fast ausschließlich armenisch besiedelten Exklave Bergkarabach, die völkerrechtlich betrachtet zu Aserbaidschan gehört, blockiert. An diesem Tag begannen angebliche aserbaidschanische Umweltschützende den Latschin-Korridor zu blockieren, um gegen die aus ihrer Sicht umweltzerstörende Ausbeutung von Bodenschätzen durch Berg-Karabach-Armenier zu protestieren. Aus Sicht der armenischen Regierung handelt es sich hierbei in Wirklichkeit um Mitarbeitende des aserbaidschanischen Geheimdienstes. Mit der Blockade solle der Druck auf Armenien erhöht werden, mit Aserbaidschan ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, das den Forderungen der aserbaidschanischen Führung entgegenkommt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Aserbaidschans Präsident Alijew die vollständige Kontrolle und Einnahme Berg-Karabachs zumindest mittelfristig anstrebt. Auch die seit rund zwei Jahren als Garanten der Sicherheit der Berg-Karabach-Armenier stationierten russischen Friedenstruppen konnten oder wollten die Blockade nicht verhindern. Es ist nicht klar, ob Russland zu sehr mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt ist oder ob ihm die Situation sogar in die Hände spielt. Denn Alijew pflegt engen Kontakt zu Russlands Präsident Putin. Infolge der Blockade des Latschin-Korridors sind rd. 120.000 Menschen in Berg-Karabach von Armenien abgeschnitten und die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und teilweise auch Energie unterbrochen. Derzeit liefere vor allem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) humanitäre Hilfe vor Ort. Sowohl die US-Botschaft in Jerewan als auch Vertreterinnen und Vertreter der EU forderten die sofortige Wiedereröffnung der Landverbindung von Armenien nach Bergkarabach (BAMF 16.1.2023).

Es gab glaubwürdige Berichte, dass ethnische armenische und aserbaidschanische Streitkräfte während und in einigen Fällen nach den Kämpfen im November 2020 rechtswidrige Tötungen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen vornahmen (USDOS 12.4.2022). Ein von Human Rights Watch authentifiziertes Video zeigt die außergerichtliche Hinrichtung von mindestens sieben armenischen Soldaten, offenbar durch aserbaidschanische Streitkräfte, während der Kämpfe im September 2022 (HRW 12.1.2023). In einem Bericht der unabhängigen Gruppe International Partnership for Human Rights über Verletzungen des humanitären Völkerrechts während des Berg-Karabach-Krieges wurden "Anscheinsbeweise für zwei außergerichtliche Hinrichtungen von verwundeten aserbaidschanischen Kämpfern durch armenische/nagorno-karabachische Soldaten" gefunden. Human Rights Watch sind keine Untersuchungen der armenischen Behörden über angebliche Kriegsverbrechen bekannt, die von armenischen Streitkräften während des Krieges begangen wurden (HRW 13.1.2022).

Auch Armenien erkennt die „Republik Bergkarabach“ offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Bergkarabach erhalten - neben ihrem „RBK“-Pass - armenische Pässe. Die meisten Gesetzesinitiativen im Rahmen der Anpassung an EU-Recht werden auch von der „RBK“ übernommen. In Eriwan gibt es eine bergkarabachische Vertretung, und auf armenischen Landkarten erscheint die „RBK“ - einschließlich der besetzten Gebiete - als unabhängiger Staat. Die „Republik Bergkarabach“ hat einen eigenen Verteidigungsminister und eine Armee, die aber sicherheits-politisch eng mit den armenischen Streitkräften zusammenarbeitet. Sie verfügt über eigene quasi-staatliche Strukturen. Zum Teil gelten eigene Gesetze, zum Teil werden die armenischen Gesetze angewendet. Die eigenständigen Verwaltungsstrukturen sind eng an die Armeniens gebunden. Von der „RBK“ ausgestellte Pässe sind äußerlich nur anhand der dreistelligen Kennziffer des Ausstellungsortes von armenischen Pässen zu unterscheiden. „Amtssprache“ ist armenisch; die „Währung“ ist der armenische Dram (AA 25.7.2022).

Die Sicherheitslage an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze blieb mit häufigen Gefechten angespannt (AI 27.3.2023). Nach intensiven Kämpfen zwischen aserbaidschanischen und armenischen Streitkräften Mitte September 2022 gab es glaubwürdige Berichte über rechtswidrige Tötungen, bei denen armenische Soldaten in aserbaidschanischem Gewahrsam im Schnellverfahren hingerichtet wurden. Ebenso gab es Berichte, dass aserbaidschanische Streitkräfte medizinische Rettungsfahrzeuge und andere für die Zivilbevölkerung benötigte Gegenstände beschossen (USDOS 20.3.2023).

Politische Lage

Von den 33 Mitgliedern der Einkammer-Nationalversammlung werden alle über Parteilisten gewählt. Die Wahlen fanden 2020 parallel zu den Präsidentschaftswahlen statt. Zehn politische Parteien - fast doppelt so viele wie bei den Wahlen 2015 - nahmen daran teil und organisierten sich in zwei Blöcken. Die Parteien führten ungehindert Wahlkampf in Städten und Dörfern und nahmen an Fernsehauftritten und Debatten teil. Die von Harutyunyan gegründete Partei Freies Vaterland (Azat Hayrenik) behielt ihre dominierende Stellung in der Legislative und gewann 16 Sitze. Die neu gegründete Partei Miasnakan Hayrenik (Vereinigtes Vaterland), die von dem Oppositionspolitiker Samvel Babayan angeführt wird, erhielt neun Sitze. Die übrigen Sitze gingen an drei andere Parteien - die Armenische Revolutionäre Föderation-Daschnaktsutyun (drei Sitze), die Ardarutyun (Gerechtigkeit) (ebenfalls drei Sitze) und die Artsakhi Zhoghovrdarakan Kusaktsutyun (Demokratische Partei von Artsakh) (zwei Sitze) -, die im Allgemeinen mit Politikern früherer Regierungskoalitionen verbunden sind (FH 28.2.2022).

Die im Jahr 2014 verabschiedeten Änderungen führten zu einigen Verbesserungen des Wahlgesetzes. Unter anderem wurde die Zahl der Parlamentssitze im Rahmen des Verhältniswahlsystems erhöht, und die Schwelle für die Wahlbeteiligung wurde auf 5 % für politische Parteien und 7 % für Wahlbündnisse gesenkt, was eine breitere politische Beteiligung ermöglicht. Mit den im Juli 2019 für die Wahlen im Jahr 2020 beschlossenen Änderungen des Wahlgesetzes wurde das Parlament auf ein vollständiges Verhältniswahlsystem umgestellt und die einzelnen Wahlkreise abgeschafft. Seit dem Waffenstillstand von 2020 und der Verlagerung der territorialen Kontrolle wurden keine Änderungen am Wahlgesetz vorgenommen (FH 28.2.2022).

Viele ausländische Beobachter konnten aufgrund der COVID-19-bedingten Schließung der internationalen Grenzen nicht teilnehmen. Lokale Beobachter, darunter auch solche, die von den führenden armenischen Nichtregierungsorganisationen (NRO) geschult und unterstützt wurden, bezeichneten die Wahl als frei und fair, obwohl es in einigen Wahllokalen zu administrativen Unregelmäßigkeiten und verbalen Auseinandersetzungen gekommen sein soll. Frühere Wahlen waren durch Probleme wie das Fehlen eines echten Wettbewerbs und angeblichen Missbrauch von Verwaltungsressourcen beeinträchtigt (FH 28.2.2022).

Die Fähigkeit der lokal gewählten Beamten, die Regierungspolitik festzulegen und umzusetzen, wird in der Praxis durch Sicherheitsbedrohungen entlang der Kontaktlinie zwischen Berg-Karabach und den aserbaidschanischen Streitkräften, durch Warnungen aus Baku und durch die dominante Rolle der armenischen Regierung eingeschränkt. Die Verfassung sieht eine enge Zusammenarbeit mit Armenien in der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Politik vor (FH 28.2.2022).

Es gibt nur wenige formale Beschränkungen für die Gründung von und den Beitritt zu politischen Parteien, aber die politische Landschaft war in den vergangenen Jahren in der Praxis eingeschränkt. Angesichts des umstrittenen Status des Gebiets wurden offener Dissens und lebhafter Wettbewerb als Zeichen der Illoyalität oder sogar als Sicherheitsrisiko angesehen (FH 28.2.2022).

Menschenrechte

Die Judikative ist in der Praxis nicht unabhängig. Die Gerichte werden sowohl von der Exekutive als auch von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber Polizei und Gerichte halten sie in der Praxis nicht immer ein. Offen politische Dissidenten wurden von den Behörden schikaniert (FH 28.2.2022).

Berg-Karabach leidet nach wie vor unter erheblicher Korruption, insbesondere im Bauwesen und bei der Entwicklung der Infrastruktur. Bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst praktizieren Beamte Günstlingswirtschaft (FH 28.2.2022).

Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und anderen Kategorien. Frauen sind jedoch im öffentlichen und privaten Sektor unterrepräsentiert und werden in der Praxis weiterhin diskriminiert. Um den armenischen Charakter des Gebiets zu bewahren, förderte die staatliche Politik vor dem Konflikt von 2020 die armenische Sprache und Kultur und ermutigte ethnische Armenier, nach Berg-Karabach zu migrieren (FH 28.2.2022). Formal sind Frauen politisch gleichberechtigt, aber soziale Zwänge und ein vorherrschendes Gefühl der Militarisierung des lokalen Lebens schränken ihre Beteiligung in der Praxis ein, und sie sind in Führungspositionen kaum vertreten. Obwohl das Wahlgesetz von 2014 den Parteien vorschreibt, dass jeder fünfte Platz auf ihrer Parlamentsliste von einer Frau besetzt sein muss, errangen 2015 nur fünf Frauen einen Parlamentssitz. Vor den Wahlen 2020 wurde die Geschlechterquote auf einen von vier Kandidaten auf den Parteilisten erhöht, sodass sieben Frauen in der neuen Nationalversammlung vertreten sind. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 traten zum ersten Mal zwei Frauen an (FH 28.2.2022).

Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. Die Charta erkennt auch die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" des armenischen Volkes an. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen ist in der Praxis eingeschränkt. Ein Gesetz aus dem Jahr 2009 verbietet die religiöse Betätigung nicht registrierter Gruppen und den Proselytismus von Minderheitsreligionen und erschwert die Registrierung von Minderheitengruppen (FH 28.2.2022).

Der beliebteste lokale Fernsehsender ist das staatlich geführte Artsakh TV. Die redaktionelle Politik des Senders hat sich seit der politischen Öffnung in Armenien im Jahr 2018 erheblich verändert, und in den letzten Jahren hat er eine größere Meinungsvielfalt gezeigt, insbesondere während der intensiven Wahlkampfzeit vor den Wahlen 2020. Kritiker der Führung des Landes, die früher nicht einmal kurz auftreten durften, wurden zu regelmäßigen Gästen in Sendungen zu aktuellen Themen. Darüber hinaus wurden regelmäßig Debatten zu wichtigen Themen des öffentlichen Lebens in der Region organisiert. Soziale Medienplattformen werden von der Öffentlichkeit und von Regierungsvertretern zunehmend für die Verbreitung und Diskussion von Nachrichten genutzt. Junge Oppositionsführer sind gut mit unabhängigen Medien in Armenien vernetzt. Dennoch üben viele einheimische Journalisten weiterhin Selbstzensur, vor allem bei Themen im Zusammenhang mit der Sicherheit und dem Friedensprozess. Die Internetverbreitung ist gering und nimmt nur langsam zu. Mobile Internetdienste sind für die meisten Einwohner weiterhin unerschwinglich (FH 28.2.2022).

Mehr als 250 NRO sind in Berg-Karabach registriert, doch die meisten sind inaktiv. Viele Gruppen haben Schwierigkeiten, eine dauerhafte Finanzierung zu sichern, zum Teil, weil Partnerschaften mit ausländischen oder internationalen NROs durch den umstrittenen Status von Berg-Karabach erschwert werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen stehen auch im Wettbewerb mit staatlich organisierten Einrichtungen (FH 28.2.2022).

In der „RBK“ gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es „behördliche“ Unterstützung, u. a. für verwitwete oder ledige Rentner ohne Familie, Waisen und alleinerziehende Mütter. Die wirtschaftliche Situation in der Region ist nach allgemeiner Einschätzung besser als in Armenien (AA 25.7.2022).

Die Bewegungsfreiheit in Berg-Karabach wird durch den unklaren rechtlichen und diplomatischen Status des Landes, die Instabilität des Waffenstillstands und das Vorhandensein von Landminen behindert (FH 28.2.2022).

Die meisten wichtigen wirtschaftlichen Aktivitäten werden von der Regierung oder einer kleinen Gruppe mächtiger Eliten mit politischen Verbindungen streng kontrolliert. Männer und Frauen sind in Bezug auf Heirat und Scheidung rechtlich gleichgestellt, obwohl die Verfassung die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau definiert, was gleichgeschlechtliche Ehen ausschließt. Die Regierung bietet materielle Anreize, um Paare zu ermutigen, Kinder zu bekommen. Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird nicht wirksam geahndet. Beschäftigungsmöglichkeiten sind nach wie vor rar und beschränken sich meist auf den staatlichen Sektor oder staatlich subventionierte Unternehmen (FH 28.2.2022).

Bei der Untersuchung von Kriegsverbrechen und anderen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht während des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan im Jahr 2020 und unmittelbar danach sowie bei der Verurteilung der mutmaßlichen Täter wurden keine nennenswerten Fortschritte erzielt (AI 27.3.2023).

Justizwesen/Rechtsschutz

Letzte Änderung: 18.04.2023

Obwohl das Gesetz eine unabhängige Justiz vorsieht, wurde die Justiz aufgrund ihrer Geschichte von Korruption und politischer Einflussnahme, ihres Widerstands gegen Reformen und der jüngsten öffentlichkeitswirksamen Skandale nicht als unabhängig oder unparteiisch angesehen. Es gab unbestätigte Berichte über Versuche der Regierung, die Richter zu beeinflussen. Die hohe Zahl der Fälle, das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit und der Vorwurf des Drucks durch die Regierung hielten Fachleute davon ab, sich auf Richterstellen zu bewerben (USDOS 20.3.2023). Richter fühlen sich Berichten zufolge unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig. Die Behörden wenden das Recht selektiv an, und ein ordnungsgemäßes Verfahren ist weder in Zivil- noch in Strafsachen gewährleistet (FH 10.3.2023).

Das zivil- und strafrechtliche Gerichtssystem besteht aus drei Instanzen; daneben existieren eine Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Verfassungsgericht. Die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis hat sich seit Mitte 2018 verbessert. Die Regierung treibt eine Justizreform mit dem Ziel größerer Effizienz der Justiz voran, die allerdings seit 2020 ins Stocken geraten ist. Kollektivhaft (z. B. innerhalb der Familie) gibt es in Armenien nicht (AA 25.7.2022). Die Regierung veröffentlichte 2019 eine auf fünf Jahre angelegte Strategie zur Reform der Justiz; die Reformen wurden 2022 fortgesetzt, kamen jedoch nur langsam voran (FH 10.3.2023).

Beobachter stellten fest, dass die Bestechung von Richtern zwar kein weitverbreitetes Problem mehr sei, dass aber Verteidiger von ihren Mandanten Geld erpressten, indem sie behaupteten, es sei für die Bestechung eines Richters bestimmt, wodurch das Vertrauen in das System untergraben wurde (USDOS 20.3.2023).

Am 6. Juli nahm das Parlament Änderungen am Gerichtsgesetzbuch an, die Disziplinarverfahren gegen Richter ermöglichen, die über Fälle entschieden haben, in denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu irgendeinem Zeitpunkt während des Verfahrens Menschenrechtsverletzungen festgestellt hat (USDOS 20.3.2023).

Die Bürger hatten auch die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsakten, die ihre Grundrechte und -freiheiten verletzten, vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Bürger, die den innerstaatlichen Rechtsweg ausgeschöpft haben, können bei angeblichen Verstößen der Regierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention den EGMR anrufen (USDOS 20.3.2023). Die Regierung hielt sich im Allgemeinen an die vom EGMR ausgesprochenen Entschädigungszahlungen (USDOS 12.4.2022).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sehen das Recht jeder Person vor, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Bei der Prüfung der Festnahme muss das Gericht auch die Rechtmäßigkeit der Verhaftung prüfen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Polizei die Festgenommenen über die Gründe für ihre Festnahme sowie über ihr Recht zu schweigen, einen Rechtsbeistand zu haben und einer Person ihrer Wahl ihren Aufenthaltsort mitzuteilen, informieren muss. Eine Kaution war eine legale Option (USDOS 20.3.2023).

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz setzte dieses Recht nicht durch. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor, aber Verdächtige kamen in der Regel nicht in den Genuss dieses Rechts. Die Pflichtverteidiger waren überlastet. Das Gesetz sieht vor, dass Angeklagte Zeugen zur Rede stellen, Beweise vorlegen und die Argumente im Vorfeld eines Prozesses prüfen können, doch hatten Angeklagte und ihre Anwälte kaum die Möglichkeit, den Zeugen oder der Polizei zu widersprechen, während die Gerichte dazu neigten, das Material der Staatsanwaltschaft routinemäßig zu akzeptieren (USDOS 20.3.203).

Menschenrechtsanwälten zufolge wurde weiterhin in erheblichem Umfang von der Untersuchungshaft Gebrauch gemacht, wobei die Verdächtigen die Beweislast dafür tragen, dass sie keine Fluchtgefahr darstellen oder die Ermittlungen nicht behindern. Mit der neuen Strafprozessordnung wurden auch neue Präventivmaßnahmen wie Hausarrest und Verwaltungsaufsicht eingeführt, die die Inanspruchnahme der Untersuchungshaft möglicherweise verringern könnten (USDOS 20.3.2023).

Die lange Untersuchungshaft blieb ebenso ein Problem (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023). Einige Beobachter sahen in der übermäßig langen Untersuchungshaft ein Mittel, um Angeklagte zu einem Geständnis oder zur Offenlegung selbstbelastender Beweise zu bewegen. Mit der neuen Strafprozessordnung wurden strenge Beschränkungen für die Dauer der Untersuchungshaft und die Dauer der Ermittlungen eingeführt. Nach der neuen Strafprozessordnung darf die Höchstdauer der Untersuchungshaft die in dem angeklagten Artikel vorgesehene Freiheitsstrafe nicht überschreiten (USDOS 20.3.2023).

Die Behörden setzten Gerichtsbeschlüsse im Allgemeinen durch (USDOS 12.4.2022). Der Partnerschaftsrat der EU bekräftigte das gemeinsame Bekenntnis der EU und Armeniens zu den Menschenrechten, den Grundfreiheiten, der Rechtsstaatlichkeit und den demokratischen Grundsätzen. Der Partnerschaftsrat begrüßte die bisherigen Erfolge bei der Umsetzung der nationalen Strategie Armeniens für Justiz- und Rechtsreformen, räumte jedoch ein, dass nach wie Herausforderungen bestehen (EU - Rat der EU 18.5.2022).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Tätigkeiten und die Grenzkontrolle verantwortlich ist. Seit dem 30. Dezember ist der Polizeichef dem Innenminister unterstellt, der wiederum direkt dem Premierminister untersteht. Der Innenminister wird vom Präsidenten auf Vorschlag des Premierministers ernannt. Der Leiter des Nationalen Sicherheitsdienstes ist ebenfalls direkt dem Premierminister unterstellt (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 25.7.2022). Die zivilen Behörden behielten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab Berichte, wonach Angehörige der Sicherheitskräfte einige Missbräuche begangen haben. (USDOS 20.3.2023).

Polizei und Nationaler Sicherheitsdienst (NSD) sind direkt der Regierung unterstellt. Ein Innenministerium gibt es nicht. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt: So ist für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für den Nachrichtendienst und Grenzschutz der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z. B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 25.7.2022).

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die Verfassung und das Gesetz verbieten derartige Praktiken. Dennoch gab es Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte weiterhin Personen in ihrem Gewahrsam folterten oder anderweitig misshandelten. Menschenrechtsanwälten zufolge definiert das Strafgesetzbuch zwar Folter und stellt sie unter Strafe, nicht aber andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (USDOS 20.3.2023).

Es gibt keine systematischen Folterungen (AA 25.7.2022). Gleichwohl ist bekannt, dass festgenommene Personen in Polizeistationen mitunter geschlagen wurden (AA 25.7.2022; vgl. FH 10.3.2023, USDOS 20.3.2023). Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 25.7.2022). Menschenrechtsaktivisten behaupteten, dass die fehlende Rechenschaftspflicht für alte und neue Fälle von Missbrauch durch die Strafverfolgungsbehörden weiterhin zum Fortbestehen des Problems beiträgt (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 20.6.2021).

Mit der Auflösung des Sonderermittlungsdienstes (SIS) im Jahr 2021 wurde die Untersuchung von Folterfällen zunächst auf den Nationalen Sicherheitsdienst (NSS), den Internationalen Strafgerichtshof und den neu geschaffenen Antikorruptionsausschuss umverteilt. Mit der Inkraftsetzung einer neuen Strafprozessordnung am 1. Juli wurde die Zuständigkeit für die Untersuchung von Folterstrafsachen auf den Untersuchungsausschuss übertragen, aber die Funktion der Voruntersuchung von Straftaten (einschließlich Folter), die von Ermittlern des Untersuchungsausschusses begangen wurden, wurde dem NSS übertragen (USDOS 20.3.2023).

Es gab immer wieder Berichte über Misshandlungen auf Polizeistationen, die im Gegensatz zu Gefängnissen und polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen keiner öffentlichen Kontrolle unterliegen. Die Strafverfolgungsbehörden verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die sie bei Verhören erhalten hatten, um Verurteilungen zu erreichen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten waren die verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie die Unzulässigkeit von durch Gewalt oder Verfahrensverstöße erlangten Beweisen, unzureichend, ebenso wie das in den Polizeistationen installierte Videoüberwachungssystem (USDOS 20.3.2023).

Folter und Misshandlung im Gewahrsam halten an und werden häufig ungestraft verübt. Selbst wenn strafrechtliche Ermittlungen aufgrund von Foltervorwürfen eingeleitet werden, werden sie meist mit der Begründung eingestellt, dass keine Straftat begangen wurde, oder sie werden eingestellt, weil ein Verdächtiger nicht identifiziert werden konnte. Sieben Jahre, nachdem Folter in Armenien zu einem spezifischen Straftatbestand wurde, fällte ein Gericht im März sein erstes Urteil zu solchen Vorwürfen und verurteilte einen ehemaligen Gefängnisbeamten zu sieben Jahren und sechs Monaten. Zuvor mussten sich Beamte, die wegen körperlicher Misshandlung zur Rechenschaft gezogen wurden, mit dem allgemeinen Straftatbestand des "Amtsmissbrauchs" auseinandersetzen (HRW 12.1.2023).

Zur Bekämpfung der Folter veranstaltete die Regierung im Laufe des Jahres gezielte Schulungen für Richter, Staatsanwälte, Ermittler, militärisches Führungspersonal, Militärpolizei, Polizei und Gefängnispersonal (USDOS 12.4.2022).

Am 25. Mai [2021] veröffentlichte das Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter (CPT) einen Bericht über seinen letzten regelmäßigen Besuch im Land im Dezember 2019. Das CPT stellte fest, dass die große Mehrheit der von seiner Delegation befragten Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder kürzlich befunden hatten, angaben, dass sie angemessen behandelt worden waren (USDOS 12.4.2022).

Korruption

Letzte Änderung: 18.04.2023

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen bei behördlicher Korruption vor (USDOS 20.3.2023). Das Land hat ein Erbe von systemischer Korruption in vielen Bereichen (USDOS 12.4.2022). Die Behörden ergriffen Maßnahmen zur Stärkung des institutionellen Rahmens für die Korruptionsbekämpfung, einschließlich der Schaffung des rechtlichen Rahmens für den Antikorruptionsgerichtshof, der als Spezialgericht für Korruptionsfälle dienen soll. Der Antikorruptionsausschuss, der als Hauptuntersuchungsorgan für Korruptionsfälle dient, nahm im Laufe des Jahres seine Tätigkeit auf (USDOS 20.3.2023).

Im April 2020 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Möglichkeiten der Staatsanwälte erweitert, korrupte Handlungen ehemaliger Beamter zu untersuchen. Nach dem neuen Gesetz können Staatsanwälte leichter die Beschlagnahme unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte beantragen, wenn deren Status vor Gericht bewiesen wird, und sie dürfen Taten untersuchen, die zehn Jahre zurückliegen (FH 3.3.2021). Im November 2022 traten der neue Anti-Korruptionsgerichtshof und die Anti-Korruptionskammer des Kassationsgerichtshofs in Kraft, nachdem die beiden Gremien im April 2021 per Gesetz geschaffen worden waren. Im August 2022 leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren zur Wiedererlangung gestohlener Vermögenswerte von angeblich korrupten ehemaligen Beamten des vorrevolutionären Regimes ein (FH 10.3.2023).

Die Korruption ist nach den politischen Ereignissen im Jahr 2018 deutlich zurückgegangen. Die Regierung unternimmt Schritte zur Beseitigung von oligarchischen Strukturen und Hindernissen. Im November 2019 wurde vom Parlament eine neue Kommission zur Vorbeugung von Korruption gewählt. Die Regierung hat im Jahr 2021 eine Sonderermittlungsbehörde für Korruptionsbekämpfung eingerichtet (AA 25.7.2022).

Das Gesetz verlangt von hochrangigen Beamten und ihren Familien, jährliche Vermögenserklärungen abzugeben, die teilweise im Internet öffentlich zugänglich waren. Die Kommission zur Verhinderung von Korruption (CPC), die im November 2019 die Ethikkommission für hochrangige Beamte ersetzt hat, führt die Analyse der Vermögenserklärung durch (USDOS 30.3.2021).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International für das Jahr 2022 belegte Armenien Rang 63 von 180 bewerteten Ländern (TI 2023). Im Vergleich zu 2021: Platz 58 (TI 1.2022).

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die meisten inländischen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeiteten im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen und konnten ihre Erkenntnisse über Menschenrechtsfälle frei untersuchen und veröffentlichen (USDOS 20.3.2023). Während einige Regierungsbeamte mit ihnen kooperierten und auf ihre Ansichten eingingen, berichteten zivilgesellschaftliche Organisationen, dass es nur wenige Treffen mit Regierungsbeamten (sowohl online als auch persönlich) gab und dass die Regierung die Ansichten von NGO-Sachverständigen in mehreren wichtigen Bereichen, wie etwa der Rede- und Pressefreiheit, ignorierte oder nicht einholte. In anderen Bereichen, wie z. B. bei den Reformen zur Förderung einer unparteiischen, unabhängigen Justiz, sammelte die Regierung Berichte und Empfehlungen der Zivilgesellschaft, aber es war unklar, inwieweit die Empfehlungen berücksichtigt wurden (USDOS 12.4.2022).

Die Regierung unternahm nichts, um zivilgesellschaftliche Organisationen vor Desinformation oder Drohungen zu schützen, einschließlich Drohungen, einzelnen Aktivisten zu schaden (USDOS 20.3.2023). Ein Trend, der im Jahr 2020 einsetzte, führte dazu, dass Akademiker und andere Meinungsführer, einschließlich derjenigen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, aufgrund von Hasskampagnen, die von nationalistischen Gruppen und Personen, die der Opposition und Russland nahestehen, angezettelt wurden, zögerten, ihre Meinung öffentlich zu äußern, insbesondere online. Infolgedessen nahm der konstruktive Diskurs über Menschenrechte allgemein ab. Die Regierung verfolgte keine Aufrufe zur Schädigung zivilgesellschaftlicher Akteure im Rahmen der 2020 verabschiedeten Gesetzgebung, die öffentliche Aufrufe zur Gewalt unter Strafe stellt (USDOS 20.3.2023).

In Armenien sind zahlreiche NGOs tätig, die meisten von ihnen haben ihren Sitz in Eriwan. Diese NGOs verfügen nicht über nennenswerte lokale Finanzmittel und sind häufig auf ausländische Geber angewiesen (FH 10.3.2023).

Die Tätigkeit von Menschenrechtsorganisationen ist nach der „Samtenen Revolution“ 2018 wirksamer geworden. Die Regierung Pashinyan bezieht die NGOs in die Entscheidungsprozesse mit ein, auch wenn sich einige NGOs, z. B. im Umweltbereich, eine noch stärkere Wahrnehmung wünschen. Angehörige von NGOs werden seit den Wahlen im Dezember 2018 in größerer Zahl zu Abgeordneten gewählt (AA 25.7.2022).

Ombudsperson

Letzte Änderung: 18.04.2023

Das Amt des Menschenrechtsverteidigers (die Ombudsperson) hat den Auftrag, die Menschenrechte und Grundfreiheiten auf allen Ebenen der Regierung vor Missbrauch zu schützen. Das Büro arbeitete unabhängig und fungierte als wirksamer Anwalt in Einzelfällen (USDOS 20.3.2023). Das Büro lehnte es jedoch ab, einige Fälle im Zusammenhang mit LGBTQI+ Personen zu übernehmen (USDOS 12.4.2022).

Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte „Ombudsperson für Menschenrechte“ muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen. Die Kompetenzen der Ombudsperson wurden im Jahr 2016 durch ein eigenes Gesetz erweitert (AA 25.7.2022).

Die Ombudsperson kann Empfehlungen aussprechen, hat aber nicht die Befugnis, diese durchzusetzen (USDOS 2.6.2022).

Der jüngste Krieg und die politischen Krisen lösten hitzige öffentliche Debatten aus, in deren Verlauf es häufig zu hetzerischen Äußerungen von Parlamentsmitgliedern und anderen Amtsträgern kam, die sich zuweilen gegen Menschenrechtsverteidiger und -aktivisten richteten. Die Regierung unternahm mehrere Versuche, unter anderem durch die Einführung von Gesetzesänderungen, gegen die Verbreitung von hasserfüllten und entwürdigenden Äußerungen vorzugehen (HRW 13.1.2022).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Letzte Änderung: 18.04.2023

Männer armenischer Staatsangehörigkeit unterliegen vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht (24 Monate). Die Einberufung von Wehrdienstleistenden erfolgt jeweils im Frühjahr und im Herbst. Auf Antrag besteht die Möglichkeit der Befreiung oder Zurückstellung vom Wehrdienst sowie der Ableistung eines militärischen oder zivilen Ersatzdienstes. Bei der Zurückstellung vom Militärdienst aus sozialen Gründen (z. B. pflegebedürftige Eltern, zwei oder mehr Kinder) muss bei Wegfall der Gründe der Betreffende bis zum 27. Lebensjahr noch einrücken. Wenn die Gründe nach dem 27. Lebensjahr noch bestehen, ist eine Einrückung in Friedenszeiten nicht mehr vorgesehen. Derjenige muss sich allerdings als Reservist zur Verfügung stellen. Eine Zurückstellung aus Gesundheitsgründen ist ebenfalls möglich (AA 25.7.2022).

Armenische Rekruten wurden auch an der Waffenstillstandslinie um Berg-Karabach eingesetzt und 2020 an der Grenze zu Aserbaidschan eingesetzt. Männliche Armenier ab 16 Jahren sind zur Wehrregistrierung verpflichtet. Sofern sie sich im Ausland aufhalten und sich nicht vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres aus Armenien abgemeldet haben, müssen sie zur Musterung nach Armenien zurückkehren; andernfalls darf ihnen kein Reisepass ausgestellt werden. Nach der Musterung kann die Rückkehr ins Ausland erfolgen (AA 25.7.2022).

Mit der Ende 2017 erfolgten Novellierung des Wehrpflichtgesetzes bietet das armenische Verteidigungsministerium im Rahmen des Konzepts „Armee-Nation“ zwei neue flexible Optionen für den Wehrdienst. Das Programm „Jawohl“ ermöglicht den Rekruten einen flexiblen Wehrdienst von insgesamt drei Jahren mit mehrmonatigen Unterbrechungen. Man wird u. a. auch an der Frontlinie eingesetzt. Im Anschluss erhalten die Rekruten ca. 9.000 Euro für eine Existenzgründung sowie einen Wohnungskredit. Diese Regelung ist seit Dezember 2017 in Kraft. Das Programm „Es ist mir eine Ehre“ erlaubt Hochschulstudenten das Studium abzuschließen und erst dann als Offizier ihren Wehrdienst abzuleisten. Im Laufe des Studiums werden für diese Studenten Pflichtveranstaltungen im Militärinstitut organisiert. Diese Regelung trat im Mai 2018 in Kraft (AA 25.7.2022).

Laut Auskunft eines lokalen Anwaltes verleiht ein Aufenthaltsstatus im Ausland der betroffenen Person keine Privilegien in Bezug auf die Befreiung vom Militärdienst (VP 6.2.2020).

Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Todesfälle in der Armee, die nicht auf Kampfhandlungen zurückzuführen sind, und über das Versäumnis der Strafverfolgungsbehörden, glaubwürdige Untersuchungen dieser Todesfälle durchzuführen. Nach Ansicht von Organisationen der Zivilgesellschaft und Familienangehörigen der Opfer hat die Praxis, viele Todesfälle außerhalb von Kampfhandlungen zu Beginn der Ermittlungen als Selbstmord einzustufen, die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Missbräuche aufgedeckt und untersucht werden (USDOS 20.3.2023).

Es gab weiterhin Berichte über erniedrigende Behandlung in der Armee, deren Ausmaß unbekannt war. Die Rechte einiger besonders schutzbedürftiger Militärangehöriger, einschließlich derer, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer und intersexuell (LGBTQI+) identifizierten, wurden sowohl von den Befehlshabern als auch von anderen Militärangehörigen in grober Weise verletzt, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und Arbeitsausbeutung (USDOS 20.3.2023).

Wehrersatzdienst, Wehrdienstverweigerung / Desertion

Letzte Änderung: 23.08.2022

Auf Antrag besteht die Möglichkeit der Befreiung oder Zurückstellung vom Wehrdienst sowie der Ableistung eines militärischen oder zivilen Ersatzdienstes. In anderen Fällen gilt eine Zurückstellung vom Militärdienst aus sozialen Gründen (arbeitsunfähige Eltern, mutterlose Kinder, zwei oder mehrere Kinder, Ehefrau mit Behinderungen der 1. oder 2. Kategorie, arbeitsunfähige Geschwister mit Behinderungen, Beschluss des Verteidigungsministeriums auf Grundlage der Stellungnahme der Gesundheitskommission) bis zum 27. Lebensjahr. Fallen diese Gründe vor Vollendung des 27. Lebensjahrs weg, ist der Wehrdienst abzuleisten. Bleiben die Gründe nach Vollendung des 27. Lebensjahrs bestehen, muss sich der Betreffende als Reservist zur Verfügung halten und wird in Friedenszeiten nicht mehr eingezogen. Eine Zurückstellung aus Gesundheitsgründen ist ebenfalls möglich (AA 25.7.2022).

Wehrpflichtige, die sich ihrer Wehrpflicht entzogen haben, werden strafrechtlich belangt. Nach der Vollendung des 27. Lebensjahres wurde früher ein faktischer Freikauf vom Wehrdienst über eine Ersatzzahlung durch das sogenannte „Freikaufsgesetz“ der Republik Armenien vom 17.12.2003 ermöglicht. Dieses Gesetz trat am 31.12.2019 außer Kraft (AA 25.7.2022).

Es gibt einen Ersatzdienst, der sich in einen innerhalb der Streitkräfte zu leistenden alternativen Wehrdienst und einen außerhalb der Streitkräfte zu leistenden alternativen Arbeitsdienst gliedert. Man ist berechtigt, einen alternativen Dienst zu leisten, wenn die Leistung des obligatorischen Militärdienstes in militärischen Einheiten sowie das Tragen, Halten, Aufbewahrung und die Benutzung von Waffen der Konfession oder den religiösen Überzeugungen des Wehrdienstpflichtigen widersprechen. Der alternative Wehrdienst dauert 30 Monate, der alternative Arbeitsdienst 36 Monate. Die Anzahl derjenigen, die den Ersatzdienst beantragen, ist sehr gering (AA 25.7.2022; vgl. USDOS 12.5.2021).

Das armenische Parlament beschloss am 28. Oktober 2020 eine drastische Erhöhung der Haftstrafen bei Militärdienstentziehung oder Desertion im Kriegsfall. Bei Nichtbefolgung der Einberufung oder Mobilisierung in Kriegszeiten ist nun eine Haftstrafe von sechs bis zwölf Jahren möglich. Zuvor war diese Straftat mit vier bis acht Jahren Haft bewehrt. Militärdienstentziehung unter Kriegsrecht oder Nichtzahlung der Steuer während eines Krieges kann mit einer Haftstrafe von eins bis fünf Jahren verfolgt werden. Zuvor waren es bis zu vier Jahre. Desertion unter Kriegsrecht oder aus dem Kampfgebiet soll nun mit acht bis 15 Jahren Haft verfolgt werden, statt sechs bis zwölf Jahren (Connection e.V. 1.11.2020).

Zu Fällen von Misshandlung von Ersatzdienstleistenden durch Vorgesetzte liegen keine Erkenntnisse vor (AA 25.7.2022).

Offen homosexuelle Männer fürchten um ihre körperliche Sicherheit beim Militär und einige versuchen, sich von der Wehrpflicht befreien zu lassen (HRW 13.1.2021).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Artikel 80 der Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt (AA 25.7.2022).

Die Verfassung und die Gesetze geben den Bürgern die Möglichkeit, ihre Regierung in freien und fairen, regelmäßig stattfindenden, geheimen Wahlen auf der Grundlage des allgemeinen und gleichen Wahlrechts zu wählen (USDOS 20.3.2023).

Die Regierung Pashinyan geht bestehende Menschenrechtsdefizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an. Die Menschenrechtslage hat sich insgesamt verbessert. Mängel bestehen jedoch nach wie vor bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze. Vor allem im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität und beim Aufbrechen der alten verkrusteten Strukturen hat Premierminister Pashinyan sichtbare Erfolge erzielt (AA 25.7.2022).

Die Regierung unternahm nur begrenzte Schritte zur Untersuchung und Bestrafung mutmaßlicher Übergriffe durch ehemalige und derzeitige Regierungsbeamte und Strafverfolgungsbehörden (UDOS 20.3.2023).

Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion, der politischen Meinung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögensstatus, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände. Das Strafgesetzbuch verbietet die ungleiche Behandlung von Personen aus den genannten Gründen, wenn eine solche Behandlung die Menschenrechte und die rechtmäßigen Interessen einer Person verletzt, und betrachtet die gleiche Handlung, wenn sie von Beamten begangen wird als einen erschwerenden Umstand. Die Regierung setzte das Gesetz gegen rassistische/ethnische Gewalt und Diskriminierung uneinheitlich durch (USDOS 20.3.2023).

Das Gesetz schützt die Freizügigkeit und das Recht des Einzelnen, seinen Wohnsitz, seinen Arbeitsplatz und seine Ausbildung zu wechseln. In der Praxis wird der Zugang zur Hochschulbildung durch eine Kultur der Bestechung etwas erschwert. Das armenische Recht schützt die Eigentumsrechte in angemessener Weise, auch wenn die Beamten diese in der Vergangenheit nicht immer eingehalten haben (FH 10.3.2023).

Die Regierung Armeniens erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen, um diese zu erreichen (USDOS 29.7.2022).

Es gab keine Berichte über das Verschwinden von Personen durch oder im Namen von Regierungsbehörden. Es gab keine Berichte darüber, dass die Regierung oder ihre Vertreter im Laufe des Jahres willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben (USDOS 20.3.2023).

Die Verfassung verbietet unbefugte Durchsuchungen und sieht das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation vor. Die Behörden dürfen keine Telefone abhören, keine Korrespondenz abfangen und keine Durchsuchungen durchführen, ohne die Erlaubnis eines Richters einzuholen, der zwingende Beweise für kriminelle Aktivitäten vorlegt. Die Verfassung sieht jedoch Ausnahmen vor (USDOS 20.3.2023).

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 18.04.2023

In der Verfassung und im Gesetz ist das Recht auf freie Meinungsäußerung verankert, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien. Die Regierung hat dieses Recht im Allgemeinen respektiert, wenn auch mit einigen Einschränkungen (USDOS 20.3.2023). Einzelpersonen durften die Regierung kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen (USDOS 20.3.2023). Im Juli 2022 entfernte der Justizminister Bestimmungen aus dem Strafgesetzbuch, die Verleumdung unter Strafe stellten. Diese Bestimmungen waren im Juli 2021 in Kraft getreten und hatten zur Einleitung von mindestens neun Strafverfahren gegen Personen geführt, die der Beleidigung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beschuldigt wurden (FH 10.3.2023).

Unabhängige und investigative Medien arbeiten in Armenien relativ frei und veröffentlichen in der Regel online. Kleine unabhängige Medien bieten oft eine solide Berichterstattung, die die Darstellungen der staatlichen Rundfunkanstalten und anderer etablierter Medien infrage stellt. Im Vergleich dazu sind die meisten Printmedien und Rundfunkanstalten mit politischen oder größeren kommerziellen Interessen verbunden (FH 10.3.2023).

Die meisten Rundfunk- und Fernsehsender und Zeitungen waren im Besitz von Privatpersonen oder Gruppen, von denen die meisten Berichten zufolge mit der früheren Regierung oder den parlamentarischen Oppositionsparteien in Verbindung standen und die tendenziell die politischen Neigungen und finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelten. Derzeitige und frühere Regierungsbehörden und Oppositionsparteien erwarben im Laufe des Jahres weitere Medien, was die Polarisierung noch verschärfte. Es gab nur noch wenige unabhängige Medien, die nicht von der finanziellen Unterstützung politisch verbundener Geber abhingen; diejenigen, die noch existierten, waren aufgrund ihrer begrenzten Einnahmen aus Werbung und Abonnementgebühren auf die Unterstützung internationaler Geber angewiesen (USDOS 20.3.2023).

Die Rundfunkmedien, insbesondere das öffentliche Fernsehen, blieben für die Mehrheit der Bevölkerung eine der wichtigsten Nachrichten- und Informationsquellen. Einigen Medienbeobachtern zufolge präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen weiterhin Nachrichten und politische Debatten von einem regierungsfreundlichen Standpunkt aus, obwohl es auch weiterhin für oppositionelle Stimmen zugänglich war (USDOS 20.3.2023).

JournalistInnen sind, außer in Fällen schwerer Straftaten, nicht verpflichtet, vertrauliche Quellen offen zu legen. Das Fernsehen ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Informationsmedium. Zahlreiche TV-Medien werden von alten Einflussgruppen kontrolliert und versuchen gezielt, die öffentliche Meinung zu manipulieren bzw. Stimmung gegen die Regierung zu machen. Die Vergabe der (befristeten) Sendelizenzen ist weiterhin problematisch. Die Printmedien genießen große Unabhängigkeit, haben jedoch – insbesondere außerhalb der Hauptstadt – ein wesentlich kleineres Publikum als die elektronischen Medien. Internetseiten sind frei zugänglich (AA 25.7.2022).

Das Komitee zum Schutz der Meinungsfreiheit (CPFE), eine lokale NRO, stellte eine Zunahme der Gewalt gegen Journalisten fest. Bis Juni 2022 dokumentierte es 12 Vorfälle mit 13 Opfern (HRW 12.1.2023; vgl. FH 10.3.2023, AI 27.3.2023), die sowohl von Beamten als auch von Privatpersonen verübt wurden. Die meisten Vorfälle ereigneten sich während verschiedener Proteste der Opposition (HRW 12.1.2023).

Am 25. Mai verabschiedeten regierungsnahe Gesetzgeber ein Gesetz, das es staatlichen Stellen erlaubt, Journalisten die Zulassung zu entziehen, wenn sie zweimal innerhalb eines Jahres gegen die "Arbeitsregeln" der zuständigen Stellen verstoßen haben (USDOS 20.3.2023).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2022 befindet sich Armenien auf Platz 51 von 180 gelisteten Ländern (RSF 2022). Im Vergleich zu 2021: Platz 63 (RSF 2022).

Die Verfassung verbietet unbefugte Durchsuchungen und sieht das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation vor. Die Behörden dürfen keine Telefone abhören, keine Korrespondenz abfangen und keine Durchsuchungen durchführen, ohne die Erlaubnis eines Richters einzuholen, der zwingende Beweise für kriminelle Aktivitäten vorlegt. Die Verfassung sieht jedoch Ausnahmen vor (USDOS 20.3.2023).

Die Regierung hat den Zugang zum Internet nicht eingeschränkt oder unterbrochen oder Online-Inhalte zensiert, und es gab keine glaubwürdigen Berichte darüber, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht hat. Es gab keine staatlichen Einschränkungen der akademischen Freiheit oder kultureller Veranstaltungen, und die Regierung unterstützte die akademische Freiheit ausdrücklich (USDOS 20.3.2023).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 18.04.2023

In der Verfassung und in den Gesetzen sind die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verankert. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen, es gab jedoch einige Einschränkungen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023).

Die Strafverfolgungsbehörden griffen während des gesamten Jahres bei Protesten in die Versammlungsfreiheit ein. Das armenische Helsinki-Komitee, eine Nichtregierungsorganisation, dokumentierte einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt bei Oppositionsprotesten im Mai und Juni (HRW 12.1.2023). Es wurde mehrfach berichtet, dass die Polizei während der Proteste im Laufe des Jahres willkürlich Demonstranten festnahm. Ein Bericht der Ombudsperson stellte außerdem fest, dass die Polizei unverhältnismäßige Gewalt anwandte, um Demonstranten festzuhalten, aber auch, dass die Demonstranten die Polizei provozierten, indem sie Beleidigungen riefen, und Schultergurte und Abzeichen abrissen (USDOS 20.3.2023; vgl. AI 27.3.2023).

Die Versammlungsfreiheit wurde auch durch das Kriegsrecht eingeschränkt, das im September 2020 nach dem Ausbruch der Kämpfe im Berg-Karabach-Konflikt verhängt wurde. Zu den Einschränkungen des Kriegsrechts gehörte auch ein Verbot von Kundgebungen. Die Einschränkungen wurden im Dezember 2020 offiziell aufgehoben, und das Kriegsrecht endete am 24. März (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022).

Das Gesetz schützt das Recht aller Beschäftigten, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, mit Ausnahme des nicht zivilen Personals der Streitkräfte und der Strafverfolgungsbehörden (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht auch das Streikrecht vor, mit denselben Ausnahmen, und lässt Tarifverhandlungen zu (USDOS 20.3.2023).

Sowohl die Oppositionsparteien als auch die außerparlamentarische Opposition können sich frei äußern (AA 25.7.2022). Im Januar 2021 traten Änderungen des Parteiengesetzes in Kraft, mit denen die öffentliche Finanzierung politischer Parteien an die Vertretung von Frauen und des ganzen Landes gebunden und individuelle Spenden begrenzt wurden. An den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 2021 nahm eine noch nie da gewesene Anzahl politischer Einheiten (22 politische Parteien und 4 Bündnisse) teil (FH 10.3.2023).

Das Gesetz schränkt weder die Registrierung noch die Tätigkeit von politischen Parteien ein (USDOS 20.3.2023).

Im Januar 2021 traten Änderungen des Parteiengesetzes in Kraft, die die öffentliche Finanzierung politischer Parteien an die Vertretung von Frauen und des Landes binden und die Spenden von Einzelpersonen begrenzen (FH 10.3.2023).

Es gibt keine Berichte darüber, dass Personen, die im Ausland politisch aktiv waren, nach ihrer Rückkehr nach Armenien Repressionen erfahren hätten (AA 25.7.2022).

Es gab keine glaubwürdigen Berichte über politische Gefangene oder Inhaftierte (USDOS 20.3.2023).

Todesstrafe

Letzte Änderung: 24.08.2022

Armenien hat im September 2003 die Todesstrafe abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 25.7.2022; vgl. AI 21.4.2020, Standard 19.4.2003).

 

 

 

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetze und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Artikel 17 der Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5 % aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Bei der Diskussion über ein überfälliges und erst Ende 2017 verabschiedetes Gesetz gegen häusliche Gewalt spielte die Kirche eine konstruktive Rolle. Zunehmend nimmt die Kirche ihre soziale Verantwortung wahr (etwa durch Aufbau von Jugendzentren). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 25.7.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).

Laut der Volkszählung von 2011 bekennen sich etwa 92 % der Bevölkerung zum armenisch-apostolischen Glauben. Andere religiöse Gruppen umfassen römische Katholiken, armenische unierte (mekhitaristische) Katholiken, orthodoxe Christen und evangelikale Christen, einschließlich Anhänger der Armenischen Evangelischen Kirche, Angehörige der Pfingstkirche, Siebenten-Tags-Adventisten, Baptisten, charismatische Christen und Zeugen Jehovas. Es gibt auch Anhänger der Kirche Jesu Christi und der Heiligen Apostolischen Katholischen Assyrischen Kirche des Ostens, Molokan-Christen, Jeziden, Juden, Baha'is, schiitische Muslime, sunnitische Muslime und Heiden, die Anhänger eines vorchristlichen Glaubens sind. Nach Angaben von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gibt es etwa 800 bis 1.000 Juden im Land (USDOS 2.6.2022; vgl. CIA 6.6.2022).

Vertreter einiger religiöser Minderheiten wie der Siebenten-Tags-Adventisten und mehrerer evangelikaler Gruppen sowie der Zeugen Jehovas berichteten, dass sich die Einstellung der Öffentlichkeit ihnen gegenüber im Vergleich zum Vorjahr allgemein verbessert habe, und berichteten, dass im Laufe des Jahres nur wenige oder keine negativen Inhalte in den Medien erschienen seien. Die evangelikale Kirche "Wort des Lebens", die von Mitgliedern der früheren Regierung beschuldigt wurde, eine Rolle bei der Organisation der Revolution von 2018 zu spielen, war jedoch nach Angaben von Kirchenvertretern Gegenstand ständiger Hassreden und Verunglimpfungen durch anonyme Social-Media-Konten, die speziell für sie eingerichtet wurden. Die Hassreden - einschließlich der Anschuldigung von Verbindungen zu Aserbaidschan und der Verunglimpfung wegen der Unterstützung von Anti-Covid-19-Impfmaßnahmen - wurden auf verschiedenen Plattformen gepostet (USDOS 2.6.2022).

Gesellschaftlicher und familiärer Druck war weiterhin eine große Abschreckung für ethnische Armenier, eine andere Religion als den armenisch-apostolischen Glauben zu praktizieren (USDOS 2.6.2022).

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 18.04.2023

Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96 % armenischen Volkszugehörigen und ca. 4 % Angehörigen anderer Ethnien (vor allem Jesiden, Russen, Kurden und Assyrer, denen nach der Verfassung bzw. dem Wahlgesetz als den vier größten Minderheitengruppen jeweils ein Parlamentssitz zusteht) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u. a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Dennoch wird an einigen armenischen Schulen in Gegenden mit jesidischer Bevölkerung (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen, aber weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 25.7.2022).

Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion, der politischen Meinung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögensstatus, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände. Das Strafgesetzbuch verbietet die ungleiche Behandlung von Personen aus den oben genannten Gründen, wenn diese Behandlung die Menschenrechte und die rechtmäßigen Interessen einer Person verletzt, und betrachtet die gleiche Handlung von Beamten als erschwerenden Umstand (USDOS 20.3.2023).

Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Angehörigen von Minderheitengruppen am politischen Prozess einschränken, und sie haben sich auch beteiligt (USDOS 20.3.2023). Für die vier größten ethnischen Minderheiten des Landes sieht das Gesetz einen zusätzlichen Sitz in der Nationalversammlung vor: Jesiden, Kurden, die assyrische und die russische Gemeinschaft (USDOS 12.4.2022). Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert, und weitere Sitze können hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten. Alle vier müssen über eine Parteiliste gewählt werden. Im Jahr 2021 gewann Civil Contract drei Minderheitensitze, die ethnische Russen, Jesiden und Kurden vertraten, während die Armenia Alliance einen Sitz als Vertreter der ethnischen Assyrer gewann (FH 10.3.2023).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Letzte Änderung: 20.04.2023

Männer und Frauen sind in allen Bereichen rechtlich gleichgestellt, aber Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor ein Problem (USDOS 20.3.2023). Der patriarchalische Charakter der Gesellschaft verhinderte jedoch eine umfassende Beteiligung von Frauen am politischen und wirtschaftlichen Leben und an Entscheidungspositionen im öffentlichen Sektor. Parlamentarierinnen und andere weibliche Beamte waren häufig mit geschlechtsspezifischer Belästigung und Missbrauch konfrontiert (USDOS 20.3.2023). Frauen besetzten zwei von 16 Kabinettsposten, etwa 36 % der Sitze in der Nationalversammlung und etwa 31 % der Sitze in den Kommunalparlamenten - ein Anstieg von 8,7 % vor den Kommunalwahlen 2021. In der Nationalversammlung gab es keine weiblichen Vizepräsidenten oder Fraktionsvorsitzenden, und nur zwei der 12 ständigen Parlamentsausschüsse hatten weibliche Vorsitzende. In den 10 Regionen des Landes gab es eine Gouverneurin (USDOS 20.3.2023).

Frauen sind in Politik und Regierung nach wie vor unterrepräsentiert, und die meisten Parteien tun wenig, um die Interessen von Frauen zu berücksichtigen, abgesehen von der Erfüllung der Geschlechterquote auf den Kandidatenlisten (FH 10.3.2023). Die Gesetzgebung schreibt vor, dass Frauen und Männer jeweils mindestens 30 % der Kandidaten bei den Wahlen zur Nationalversammlung stellen müssen, was eine Erhöhung der zuvor geltenden Quote von 25 % bedeutet. Nach der Änderung des Wahlgesetzes im Jahr 2020 wurde die 30-%-Quote auch auf alle Kommunalwahlen angewandt, die ab 2021 nach dem Verhältniswahlsystem stattfanden (USDOS 20.3.2023).

Frauen hatten in der Regel nicht die gleichen beruflichen Möglichkeiten und Löhne wie Männer, und die Arbeitgeber wiesen ihnen oft niedere oder schlechter bezahlte Tätigkeiten zu. Das Arbeitsgesetzbuch sieht zwar die "rechtliche Gleichstellung" aller Parteien in einem Arbeitsverhältnis vor, schreibt aber nicht ausdrücklich gleichen Lohn für gleiche Arbeit vor. Obwohl Frauen im Informations- und Kommunikationstechnologiesektor gut vertreten waren, waren sie in Führungspositionen unterrepräsentiert und wiesen in diesem Sektor ein ausgeprägteres geschlechtsspezifisches Lohngefälle auf. Der Familienstand spielte bei der Beschäftigung eine Rolle. Geschiedene Frauen stellten die Mehrheit der erwerbstätigen Frauen, während verheiratete Männer bei den Männern die Mehrheit bildeten (USDOS 20.3.2023).

Glaubhafte Berichte über Zwangsheiraten liegen nicht vor (AA 25.7.2022). Vergewaltigung ist eine Straftat. Die Höchststrafe beträgt 15 Jahre. Für die Verfolgung von Vergewaltigung in der Ehe gelten die allgemeinen Vergewaltigungsgesetze (USDOS 20.3.2023). Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird nicht angemessen verfolgt, und die Dienste für die Opfer sind unzureichend (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Im neuen Strafgesetzbuch wird häusliche Gewalt als erschwerender Umstand bei einer Reihe von Straftaten genannt, aber häusliche Gewalt ist kein eigenständiger Straftatbestand (HRW 12.1.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Häusliche Gewalt wurde nach den allgemeinen Gewaltgesetzen verfolgt und je nach Anklage mit unterschiedlichen Strafen belegt (Mord, Gesundheitsschädigung, Vergewaltigung usw.) (USDOS 20.3.2023).

Das Gesetz gegen häusliche Gewalt wurde Ende 2017 vom Parlament verabschiedet. Das Gesetz über Gewalt in der Familie aus dem Jahr 2017 verpflichtet die Polizei zum sofortigen Eingreifen, "wenn die begründete Annahme besteht, dass eine unmittelbare Gefahr einer Wiederholung oder Fortsetzung der Gewalt" in der Familie besteht (HRW 13.1.2022). Die Strafverfolgungsbehörden sind nicht ausreichend für die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmechanismen zur Verhinderung häuslicher Gewalt, wie etwa Schutzanordnungen, sensibilisiert und geschult und wenden diese nicht angemessen an bzw. setzen sie nicht angemessen durch (HRW 12.1.2023). Enge Definitionen im Gesetz gegen Gewalt in der Familie verhinderten, dass Missbrauchsopfer, die nicht verheiratet waren oder in einer Lebensgemeinschaft mit ihrem Partner lebten, Schutz und Unterstützung durch das Gesetz erhielten (USDOS 12.4.2022). Im Laufe des Jahres stellte die Regierung weiterhin begrenzte Mittel zur Unterstützung von zwei Zentren zur Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt bereit (USDOS 20.3.2023).

Nach Angaben der Coalition to Stop Violence against Women (Koalition zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen) erschwerten Lücken in der Gesetzgebung und eine unsachgemäße Durchsetzung des Gesetzes den Zugang von Opfern häuslicher Gewalt zu Dienstleistungen. Die Polizei verwarnte die Täter weiterhin, ohne Maßnahmen zum Schutz der Überlebenden zu ergreifen. Die Polizei kann in Notfällen Schutzanordnungen für bis zu 20 Tage erteilen, wenn ein Familienmitglied Gewalt gegen ein anderes ausgeübt hat und die begründete Annahme besteht, dass eine unmittelbare Gefahr wiederholter Gewalt besteht; für längerfristige Schutzanordnungen müssen die Betroffenen einen Antrag bei einem Gericht stellen (USDOS 12.4.2022).

Die Behörden haben in allen Regionen Armeniens Unterstützungszentren eröffnet, die Opfer häuslicher Gewalt psychologisch und anderweitig unterstützen, doch die staatliche Finanzierung dieser Zentren ist nach Angaben von Frauenrechtsgruppen unzureichend (HRW 12.1.2023). In Armenien gibt es nur ein (AA 25.7.2022) bzw. zwei Frauenhäuser für Opfer häuslicher Gewalt. Beide befinden sich in Eriwan und werden von einer Nichtregierungsorganisation betrieben (HRW 12.1.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Armenien verfügt auch nicht über einen allgemeinen Hotlinedienst für Opfer häuslicher Gewalt (HRW 13.1.2022).

Das Gesetz befasst sich zwar mit unzüchtigen Handlungen und unanständigem Verhalten, deckt aber nicht alle Elemente der sexuellen Belästigung ab. Das Gesetz betrachtet "sexuelle Belästigung" als eine Form der geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Das Arbeitsgesetzbuch enthält keinen Hinweis auf sexuelle Belästigung, und es gibt kein spezielles Gesetz, das sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verbietet oder strafrechtliche oder zivilrechtliche Sanktionen für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorsieht (USDOS 20.3.2023).

Kinder

Letzte Änderung: 20.04.2023

Die Regierung räumte der Deinstitutionalisierung der Kinderbetreuung und dem Ausbau der familienbasierten Betreuung weiterhin Priorität ein. Die Umsetzung des umfassenden Programms zur Verwirklichung des Rechts des Kindes auf ein Leben in der Familie und des Rechts auf eine harmonische Entwicklung für den Zeitraum 2020-2023 wurde fortgesetzt, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Stärkung und dem Ausbau von Tagesbetreuungsdiensten und des Pflegekinderwesens lag. Die Zahl der in Pflegefamilien untergebrachten Kinder stieg weiter an, auch die Zahl der in Pflegefamilien untergebrachten Kinder mit Behinderungen (USDOS 20.3.2023).

Kinder erhalten die Staatsbürgerschaft von einem oder beiden Elternteilen. Ein zentralisiertes System erstellte eine ärztliche Geburtsbescheinigung, um die Umgehung der Geburtsregistrierung nahezu unmöglich zu machen (USDOS 20.3.2023).

Das Gesetz über die Rechte des Kindes verbietet Misshandlungen, und das Strafgesetzbuch sieht Strafen für solche Misshandlungen vor. Nach den militärischen Auseinandersetzungen im Jahr 2020 und den anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie blieb die Bereitstellung von psychischer Gesundheit und psychosozialer Unterstützung für Kinder und ihre Familien eine Priorität für die Regierung. Die Regierung verließ sich bei der Bereitstellung dieser Dienste weitgehend auf NGOs und internationale Partner (USDOS 20.3.2023). Die staatlichen Dienste verfügten nur über begrenzte Kapazitäten und Ressourcen für den Schutz und die Verbesserung der psychischen Gesundheit und des psychosozialen Wohlbefindens von Kindern und ihren Bezugspersonen. Beobachtern zufolge räumte die Regierung der Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder Priorität ein (USDOS 12.4.2022).

Die Einschulungs- und Anwesenheitsquoten von Kindern ethnischer Minderheiten, insbesondere von Jesiden, Kurden und Molokanern, lagen deutlich unter dem Durchschnitt, und die Abbrecherquote nach der neunten Klasse war höher. Sieben Schulen im ganzen Land boten jesidischen und assyrischen Sprachunterricht entweder als Teil des Hauptlehrplans oder als außerschulischen Unterricht an. Die jesidische Gemeinschaft hielt die Zahl der Schulen angesichts der Größe der Gemeinschaft für unzureichend. Jesidische Eltern beklagten sich weiterhin darüber, dass der Unterricht keinen Standards entspreche und weitgehend ineffektiv sei (USDOS 20.3.2023).

Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt 18 Jahre, obwohl eine Person mit Zustimmung eines Erziehungsberechtigten im Alter von 17 Jahren oder im Alter von 16 Jahren einen Partner heiraten kann, der mindestens 18 Jahre alt ist. Die frühe Verheiratung von Mädchen war Berichten zufolge in jesidischen Gemeinschaften weit verbreitet. Berichten zufolge verließen einige Mädchen die Schule entweder als Folge der Frühverheiratung oder um einer Entführung und Zwangsheirat zu entgehen (USDOS 20.3.2023).

Das Gesetz verbietet die sexuelle Ausbeutung von Kindern und sieht Freiheitsstrafen von sieben bis 15 Jahren für die Verurteilung von Verstößen vor. Eine Verurteilung wegen Kinderpornografie wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren geahndet. Das Mindestalter für einvernehmlichen Sex liegt bei 16 Jahren (USDOS 20.3.2023).

Es gibt keine Zwangsrekrutierung von Kindern (AA 25.7.2022).

Das Gesetz verbietet alle schlimmsten Formen der Kinderarbeit. In den meisten Fällen liegt das Mindestalter für die Beschäftigung bei 16 Jahren, doch können Kinder mit Erlaubnis der Eltern oder eines Vormunds bereits ab 14 Jahren arbeiten. Die Behörden haben die geltenden Gesetze nicht wirksam durchgesetzt. Die Strafen für Verstöße entsprachen denen für andere schwere Straftaten, reichten aber nicht aus, um die Einhaltung zu erzwingen. Kinder, die jünger als 14 Jahre waren, arbeiteten in einer Vielzahl von Branchen, darunter in der Landwirtschaft, auf dem Bau und beim Betteln (USDOS 12.4.2022). Die Regierung erhebt nicht routinemäßig offizielle Daten über Kinderarbeit und pflegt diese auch nicht. Darüber hinaus entspricht das Mindestalter für die Arbeit nicht den internationalen Standards, da die Arbeitsgesetzgebung nicht für Kinder gilt, die im informellen Sektor arbeiten (USDOL 28.9.2022).

Der Nationale Aktionsplan der Regierung zur Bekämpfung des Menschenhandels trat im Juni 2020 in Kraft, und die Umsetzung in mehreren Bereichen begann sofort. Darüber hinaus verabschiedete die Regierung einen neuen Verweisungsmechanismus, um minderjährigen Opfern des Menschenhandels Unterstützung zu bieten (USDOL 29.9.2021). Im Jahr 2021 machte Armenien minimale Fortschritte bei den Bemühungen um die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Die Regierung hat den Personalbestand ihrer Arbeitsaufsichtsbehörde von 27 auf 50 Inspektoren nahezu verdoppelt und beabsichtigt, mehr als 90 Inspektoren einzustellen. Die Gesundheits- und Arbeitsaufsichtsbehörde veranstaltete außerdem regelmäßige Schulungen für Inspektoren im ganzen Land und schloss eine Vereinbarung mit der Landwirtschaftlichen Universität, um Studenten in Arbeitsfragen, einschließlich Kinderarbeit und Menschenhandel, zu schulen. Trotz neuer Initiativen zur Bekämpfung der Kinderarbeit werden Armenien jedoch nur minimale Fortschritte bescheinigt, da das Land weiterhin Rückschritte in der Gesetzgebung macht, die Fortschritte bei der Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit verzögern. Die Arbeitsinspektoren sind immer noch nicht befugt, unangekündigte Inspektionen durchzuführen, obwohl sie 2021 zusätzliche Befugnisse erhielten (USDOL 28.9.2022).

Das Staatsangehörigkeitsgesetz sieht die Verleihung der Staatsangehörigkeit an staatenlose Kinder vor, die auf dem Staatsgebiet geboren wurden (USDOS 20.3.2023).

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 20.04.2023

Das Gesetz sieht garantierte Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 12.4.2022).

Die Auswirkungen des Konflikts um Berg-Karabach aus dem Jahr 2020 hielten auch im Jahr 2021 an und schränkten die Bewegungsfreiheit in einigen Grenzgebieten weiter ein. Nach dem Waffenstillstand im November 2020 übernahmen aserbaidschanische Streitkräfte die Kontrolle über einen 21 Kilometer langen Abschnitt der Goris-Kapan-Autobahn, der einzigen Hauptverbindungsstraße zwischen der Region Syunik und dem Rest Armeniens, teilten Dörfer ab und schränkten die Bewegungsfreiheit der Bewohner ein. Im November 2021 errichteten die aserbaidschanischen Streitkräfte neue Kontrollpunkte entlang der Straße, wodurch die Bewegungsfreiheit der armenischen Einwohner in der Region weiter eingeschränkt wurde (FH 28.2.2022).

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 25.7.2022).

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 20.04.2023

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Gruppen bei. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Nach Schätzungen der Weltbank für 2020 leben 27 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. AMD 60.000 [ca EUR 146] im Monat, der offizielle Mindestlohn AMD 55.000. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach (AA 25.7.2022).

Für das Jahr 2022 wird die Arbeitslosenquote in Armenien auf rund 19,5 % prognostiziert (statista 5.5.2022). Man geht jedoch von einer verdeckten Arbeitslosigkeit von bis zu 40 % aus (WKO 1.2022). Im Jahr 2021 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate auf rund 7,2 % gegenüber dem Vorjahr. Für das Jahr 2022 wird die Inflationsrate Armeniens auf rund 7,6 % gegenüber dem Vorjahr prognostiziert (statista 4.5.2022)

Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Armenien hat über 480 bekannte Vorkommen mineralischer Rohstoffe und es gibt bedeutende Reserven von Metallen. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle. Das Wirtschaftswachstum konzentrierte sich bislang primär auf die Hauptstadt Jerewan. Das Entwicklungsgefälle zwischen der Hauptstadt und den übrigen Regionen des Landes bleibt groß. Die ländlichen Regionen haben eine hohe Unterbeschäftigung und niedriges Einkommen (WKO 1.2022).

Die durch den Krieg ausgelöste massive Migration von Russen nach Armenien förderte die Wirtschaftsleistung, trug aber auch zu einem Anstieg der Mietpreise und der Lebenshaltungskosten im Allgemeinen bei (AI 27.3.2023).

Das Gesetz verbietet und kriminalisiert alle Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit. Am 5. Oktober nahm die Regierung eine Definition von Zwangs- und Pflichtarbeit in das Arbeitsgesetzbuch auf. Die Strafverfolgung war nicht proaktiv und stützte sich weitgehend auf die Selbstauskunft der Opfer (USDOS 20.3.2023).

Das Gesetz sieht eine 40-Stunden-Woche, 20 Tage bezahlten Jahresurlaub und einen Ausgleich für Überstunden und Nachtarbeit vor (USDOS 20.3.2023).

 

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 24.08.2022

Das Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten verwaltet das Sozialschutzsystem in Armenien. Zu den wichtigsten Arten staatlicher Sozialleistungen in Armenien gehören: Familienbeihilfe, Sozialleistungen, dringende Unterstützungen, pauschales Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von zwei Jahren, Leistungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsgeld, Altersbeihilfe, Invaliditätsleistungen, Leistungen bei Verlust der geldverdienenden Person, Bestattungsgeld (IOM 2020).

Personen, die das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung haben, haben Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente. Personen, die keinen Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente haben, haben mit 65 Jahren Anspruch auf eine altersbedingte Rente. In Armenien gibt es zwei Kategorien von Renten: Arbeitsrenten umfassen Altersrenten, privilegierte Renten, Renten für langjährige Betriebszugehörigkeit, Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten. Militärrenten umfassen Renten für Langzeitdienstleistern, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten (IOM 2020).

Der Pensionsanspruch gilt grundsätzlich ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100 % der Basispension von AMD 16.000 monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht AMD 500 monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (USSSA 3.2019).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2020).

Die staatliche Arbeitsagentur bietet im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung folgende Dienstleistungen an: Beratung und Information über die von der Agentur angebotenen Dienstleistungen, Beratung zur beruflichen Orientierung, Antrag auf freie Mitarbeit, Teilnahme an staatlichen Beschäftigungsprogrammen und -veranstaltungen, Berufsausbildung und Umschulung (IOM 2020).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (USSSA 3.2019).

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 20.04.2023

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist (AA 25.7.2022).

Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei. Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei Weitem (AA 25.7.2022).

Armeniens Gesundheitssystem ist durch den Staat stark unterfinanziert; weniger als 1,6 % des BIP werden für Gesundheitsausgaben aufgewendet (einer der niedrigsten Werte weltweit) und mehr als 50 % aller Gesundheitsausgaben entfallen auf Direktzahlungen von Patienten (einer der höchsten Werte weltweit). Dies führt zu erheblichen Problemen beim Zugang, der Steuerung und der Qualität der Versorgung (EVN 22.3.2020). Die COVID-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 hat das Gesundheitssystem noch weiter unter Druck gesetzt (ChH 4.6.2020). Das Gesundheitssystem leidet nicht unter einem Ärztemangel. Es besteht jedoch ein ernstes Missverhältnis zwischen ländlichen Gebieten und der Hauptstadt: Eriwan weist im Vergleich zum Rest des Landes eine übermäßige Konzentration von Ärzten auf. Im internationalen Vergleich gibt es in Armenien eine große Zahl von Fachärzten im Vergleich zu Allgemeinmedizinern (EVN 22.3.2020).

Informationen über soziale Bevölkerungsgruppen, die berechtigt sind, kostenlose Medikamente durch lokale Polikliniken zu erhalten, sind verfügbar unter: www.moh.am (IOM 2020).

Die Einfuhr von Medikamenten zum persönlichen Gebrauch ist auf 10 Arzneimittel, je 3 Packungen, beschränkt (IOM 2020).

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. EUR 250/Monat). Hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken – stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammografie sowie Computer- und Kernspintomografie zur Verfügung (AA 25.7.2022).

Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialyse ist begrenzt, aber gegen Bezahlung von ca. USD 100 jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, Gjumri, Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 25.7.2022).

Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten, da nicht immer alle Präparate vorhanden sind. Nach dem Regierungsbeschluss vom 23.11.2006 ist die Ausgabe von Medikamenten in Polikliniken kostenlos bei bestimmten Krankheiten und für Menschen, die in die Kategorie 1 besonders schutzbedürftiger Personen fallen. Hierzu gehören insbesondere Kinder und Menschen mit mittlerer bis schwerer Behinderung. Patienten der Kategorie 2 müssen 50 %, Patienten der Kategorie 3 müssen 70 % ihrer Medikamentenkosten selbst tragen (AA 25.7.2022).

Rückkehr

Letzte Änderung: 20.04.2023

Rückkehrende werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration (OFFI). Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 25.7.2022).

Seit 2019 führ der Migrationsdienst der Republik Armenien das "Staatliche Programm zur primären Unterstützung der Wiedereingliederung von zurückgekehrten (einschließlich unfreiwillig zurückgekehrten) StaatsbürgerInnen in die Republik Armenien" durch. Das Programm bietet armenischen StaatsbürgerInnen, die nach Armenien zurückkehren primäre Unterstützung, um ihre vollständige und nachhaltige Wiedereingliederung zu gewährleisten (IOM 2020).

Das JRS-Programm („Joint Reintegration Services“) ist zum 01.04.2022 gestartet und bietet individuelle Reintegrationshilfen für Rückkehrende in ihre Herkunftsländer. Reintegrationspartner im von Frontex finanzierten JRS-Programmund JRS-Hilfen stehen auch für Armenien zur Verfügung (JRS-Programm, ohne Datum).

 

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der BF, vorbehaltlich ihrer Identität, ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den Sprach- und Ortskenntnissen.

II.2.3 Zur Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten –immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen –allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden- aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348). Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschieberelevanten Situation ist seit Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht eingetreten.

Die BF traten den Quellen und deren Kernaussagen, welche in den Länderfeststellungen getroffen wurden, nicht konkret und substantiiert entgegen.

Die Republik Österreich betrachtet zudem die Republik Armenien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG und geht daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Armeniens aus.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

Weiter ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

Der belangten Behörde ist insofern zuzustimmen, als sie zum Schluss kommt, dass die BF in Armenien keiner asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt waren bzw. im Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

II.2.5. Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte vor Ort zu verifizieren, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153; 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt dabei positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vorbringen im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden kann, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

II.2.6. Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es dem BF nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen darzulegen. Darüber hinaus geht das BVwG ausfolgenden Erwägungen von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF zum Ausreisegrund aus: gegen die Glaubwürdigkeit des BF1 spricht bereits, dass er mit seiner Gattin und den gemeinsamen Kindern legal mit dem Flugzeug aus Armenien ausgereist ist. Wären die BF in Armenien staatlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen, hätten sie wohl kaum diesen Weg der Ausreise gewählt, weil das Risiko viel zu groß gewesen wäre, an der Grenze von den Behörden gefasst zu werden. Zudem wurden den BF im September 2022 problemlos internationale Reisepässe in XXXX ausgestellt. Vor dem BFA behauptete der BF1 zudem noch konträr dazu, dass die Pässe in Jerewan ausgestellt worden wären. Die BF1 und BF2 widersprechen sich zudem bezüglich der Route bis Österreich massiv. So gab der BF1 bekannt, dass sie von Jerewan nach Griechenland und von dort nach Polen geflogen wären. Von Polen wären sie mit dem Zug bis Österreich gefahren. Die BF2 gab dem Richter in der mündlichen Verhandlung dann konträr dazu bekannt, dass sie von Jerewan direkt nach Österreich gereist wären. Erst auf Vorhalt und Ermahnung zur Wahrheitspflicht gab sie eine Zugfahrt bekannt, überzeugen konnte sie mit dieser Antwort jedoch nicht. Fest steht jedenfalls, dass die BF weder in Griechenland und auch nicht in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Wären sie tatsächlich asylrelevant verfolgt worden, wäre es nur nachvollziehbar, im ersten sicheren Land um Schutz zu suchen.

Den eigentlichen Fluchtgrund betreffend, vermochte vor allem der BF1, auf dessen Vorbringen sich die restliche Familie vollinhaltlich stützt, ebenfalls nicht von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen.

So führt der BF1 in der Erstbefragung lediglich aus, dass er zum Militärdienst einberufen worden wäre und Angst hätte, im Heer getötet zu werden. Deswegen sei er geflüchtet und dies wäre der einzige Fluchtgrund. Die BF2 brachte keine eigenen Fluchtgründe vor, auch für die minderjährigen BF3 und BF4 wurden keine anderslautenden Gründe vorgebracht.

In der Einvernahme vor dem BFA brachte der BF1 dann erstmals und massiv gesteigert vor, dass er private Probleme mit seinem Onkel gehabt hätte. Er hätte demnach mit 15 Jahren zwei Jahre lang bei seinem Onkel väterlicherseits in Russland verbracht. Der Onkel sei höchst kriminell gewesen. Der geplante Umzug der Eltern des BF1 scheiterte schließlich an einem Konflikt zwischen ihnen und dem Onkel. Der BF1 wäre daraufhin wieder nach Armenien zurück. Der Onkel hätte jedoch von seinem Vater Geld gefordert. Sein Vater hätte ihm auch Geld gegeben, jedoch nicht die geforderte Summe. 2018 oder 2019 sei der Onkel dann getötet worden. 2019 oder 2020 hätte sich dann ein Vorfall ereignet, bei dem der BF1 mit seinem PKW zum Anhalten gezwungen worden wäre. Drei Personen hätten ihn beschimpft und geschlagen, zudem hätten sie ihn mit einem Messer verletzt. Er wäre von den drei Personen aufgefordert worden, ihnen das zurückzugeben, was der Onkel mitgenommen habe. Er wisse jedoch nicht, was damit gemeint sei. Jedenfalls sei er dann nach Hause und hätte die Familie geweckt. Nachdem die BF2 seine Wunde versorgt hatte, packten sie die Sachen und verzogen nach XXXX , wo sie bis zur Ausreise lebten. Er hätte Angst gehabt, diese Personen anzuzeigen.

Aufgrund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben mussten dem BF1 vor dem BFA dezidierte Fragen gestellt werden, vor allem, weil er dieses Vorbringen mit den drei Unbekannten in der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte. Vorweg muss dabei gleich festgehalten werden, dass auch im Zuge der konkreten Befragung nachvollziehbare und glaubwürdige Angaben nicht von ihm getätigt werden konnten. „Es war dunkel, aber ich konnte mir zwei Gesichter gut merken“, lautete seine Antwort auf die Frage, warum er Angst gehabt hätte, die drei Personen anzuzeigen. Er führte weiter aus, dass in Armenien eine Anzeige nichts bringe, diejenigen, die Geld haben, wären unantastbar. Nachgefragt konnte er nicht bekannt geben, woher er wisse, dass diese drei Personen Geld hätten. Kryptisch fuhr er weiter fort, dass er der Polizei schon beschreiben hätte können, was passiert sei. Jedoch hätte er es für sinnvoller gehalten, das Haus zu verlassen. Sein Vater hat jedenfalls bis dato keine Probleme mit diesen Personen gehabt. Für das Bundesverwaltungsgericht sind diese Angaben jedenfalls nicht glaubwürdig und zudem nicht asylrelevant. Warum sollte der BF1 von drei Unbekannten bedroht und verletzt werden, wenn er nicht einmal bekannt geben kann, warum diese drei Personen ein Interesse an ihn hätten. Auch dass sein nach wie vor in XXXX wohnhafter Vater keine Probleme mit diesen Personen hat, ist absolut denkunlogisch. Vermutlich, der BF konnte ja das Motiv der drei Unbekannten nicht angeben, wollten diese Geld. Wenn sie vom BF1 aber kein Geld erhalten, ist es doch in logischer Konsequenz nur nachvollziehbar, dass sie sich an den Vater gewendet hätten. Dies ist bis dato jedoch nicht passiert. Auch ist es absolut nicht nachvollziehbar, dass der BF1 nach diesem einzigen Vorfall sofort alles zusammenpackte und seinen gewohnten Lebensmittelpunkt aufgibt um mit Frau und Kind nach XXXX (mit dem Auto 255 km entfernt) zu ziehen. Zudem erklärte er noch, dass er es der Polizei wohl hätte melden können, er aber den Umzug mitten in der Nacht für sinnvoller gehalten hätte. Für die Unglaubwürdigkeit spricht zudem, dass der BF1 den Vorfall mit den Unbekannten nicht einmal einem Monat zuordnen konnte. Vor dem BFA gab er diesbezüglich bekannt, dass es 2019 oder 2020 gewesen wäre, in der mündlichen Verhandlung führte er an eine Stelle aus, dass er fünf Jahre vor seiner Ausreise nach XXXX verzogen wäre, demnach im Jahr 2018. Zu einem späteren Zeitpunkt erklärte er wieder, dass er drei Jahre in Tatev lebte, demnach seit 2020. Festzuhalten bleibt, dass der BF1 keine Ahnung hat, wann er nach XXXX gezogen sein soll, was lediglich demonstriert, dass er hinsichtlich seines primären Fluchtgrundes absolut unglaubwürdig ist. Immerhin hätte dieser geschilderte Vorfall dazu geführt, dass der BF1 mit seiner Familie mitten in der Nacht fluchtartig über 250 km fährt und sich in einem Dorf niederlässt. Einem mit Vernunft begabten Menschen, der BF1 konsumierte neun Jahre Schule, wäre zumindest das konkrete Monat des betreffenden Jahres in Erinnerung geblieben. Auch die BF2 konnte diesbezüglich kein konkretes Datum bekannt geben. Auch in der mündlichen Verhandlung war es dem BF1 nicht möglich, eine brauchbare Beschreibung der drei Unbekannten bekannt zu geben. Zum Vorfall selbst führte er jetzt aus, dass er einmal in der Nacht nach Hause ging. Es wäre im Herbst gewesen, wie er nun ausführte. Ein Auto sei stehen geblieben und wäre er mit einem Messer attackiert worden. Er sei weitergegangen, worauf hin ein weiteres Mal auf ihn eingestochen worden wäre. Demnach wurde bei dieser Version jetzt zweimal auf den BF1 eingestochen. Vor dem BFA behauptete er nur einen Stich. Bezüglich der Personsbeschreibung wehrte er sich vorerst durch vollkommen allgemeine und ausweichende Antworten. Die letzte derartige Antwort lautete etwa „Wenn ich das erzähle, würde meinem Leben keine Gefahr drohen?“ Erst nach wiederholter Aufforderung zur Mitwirkung und Wahrheitspflicht gab er schließlich folgende vage Beschreibung bekannt „einer ist etwas größer als ich, kräftige Statur, mollig. Schwarzgrau melierte Haare, ca. 40 Jahre alt, mit langem Bart. Der andere ist groß, schlank, ca. 26 oder 27 Jahre alt, große Nase. Ich habe ein Tattoo am rechten Unterarm bei ihm bemerkt. Das Motiv kann ich jedoch nicht angeben. Nachgefragt gebe ich an, dass es ein großes Bild war“. Aufgrund der vagen und massiv widersprechenden und gesteigerten Angaben, geht das Bundesverwaltungsgericht folgerichtig davon aus, dass die vom BF1 vorgebrachte Geschichte nicht der Wahrheit entspricht. Selbst bei Wahrheitsunterstellung ereignete sich der Vorfall – je nach Version des BF1 – vor drei, vier oder fünf Jahren. Eine Asylrelevanz lässt sich dadurch nicht ableiten. Auch muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass sich der Vater nach wie vor im Heimatdorf aufhält und dort problemlos leben kann.

Bezüglich XXXX bleibt noch festzuhalten, dass der BF1 zwar bekannt gab, die letzten Jahre bzw. nach dem Vorfall mit den drei Unbekannten dort gelebt zu haben. Konkrete Angaben waren ihm dazu jedoch nicht möglich. Lediglich, dass er in der Nähe von XXXX lebte, konnte er angeben. XXXX ist 255 Km mit dem Auto von Ejmiatsin entfernt. Der BF1 behauptete in der mündlichen Verhandlung, dass die Reisepässe im September 2022 in Ejmiatsin, Provinz Ejmiatsin, ausgestellt worden wären. Auch auf der Kopie des Einberufungsbefehles ist die Adresse des BF1 mit XXXX , Gemeinde XXXX , Provinz Armavir, angegeben. In XXXX selbst waren die BF bis dato keinen Tag gemeldet, wie der BF1 in der mündlichen Verhandlung bekannt gab. Auch muss festgehalten werden, dass beide Kinder in Jerewan geboren wurden. Jerewan ist 20 km von Ejmiatsin entfernt. Der BF4 wurde am 28.08.2020 geboren, weswegen die BF sich zu diesem Zeitpunkt noch in oder rund um Jerewan aufhielten. Das Bundesverwaltungsgericht geht deswegen davon aus, dass Wahrscheinlichkeit, dass die BF tatsächlich nie nach XXXX verzogen, sehr hoch ist und es sich dabei nur um eine Schutzbehauptung handelt, um die vollkommen abstruse Geschichte der drei Unbekannten untermauern zu können. Es ist jedoch weiters vollkommen unbeachtlich, ob sich der BF1 mit seiner Familie nun in XXXX , Ejmiatsin oder XXXX aufgehalten hat, passiert ist ihm bzw. seiner Familie seit dem Vorfall aus dem Jahr 2018/2019/2020 ohnehin nichts. Eine Rückkehrgefährdung kann deswegen folgerichtig nicht ansatzweise erkannt werden.

Zur vorgelegten Kopie des Einberufungsbefehls bleibt noch festzuhalten, dass der BF1 demnach vom 04. April bis zum 28. April zu einer militärischen Ausbildung einberufen worden wäre. Vom Verbindungsanwalt in Armenien wurde zwar bestätigt, dass das Dokument authentisch sei, weil es sich jedoch lediglich um eine Kopie handelt, kann dem in logischer Konsequenz kein Beweiswert zugemessen werden. Der BF hätte jedenfalls Angst im Krieg eingesetzt zu werden. Davon ist anhand des kopierten Einberufungsbefehles jedoch nicht ansatzweise die Rede. Der BF1 wurde aus gesundheitlichen Gründen für fünf Jahre vom Wehrdienst befreit, diese Befreiung ist laut seinen Angaben voriges Jahr ausgelaufen. Sein Wehrdienstbuch könne er nicht vorweisen, dieses würde sich in Armenien befinden, wie er dem Richter mitteilte. Der BF1 behauptet zudem, dass es keinen Ersatzdienst geben würde, er kenne jedenfalls niemanden. Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ist dessen ungeachtet zu entnehmen Es gibt einen Ersatzdienst, der sich in einen innerhalb der Streitkräfte zu leistenden alternativen Wehrdienst und einen außerhalb der Streitkräfte zu leistenden alternativen Arbeitsdienst gliedert. Man ist berechtigt, einen alternativen Dienst zu leisten, wenn die Leistung des obligatorischen Militärdienstes in militärischen Einheiten sowie das Tragen, Halten, Aufbewahrung und die Benutzung von Waffen der Konfession oder den religiösen Überzeugungen des Wehrdienstpflichtigen widersprechen. Der alternative Wehrdienst dauert 30 Monate, der alternative Arbeitsdienst 36 Monate. Die Anzahl derjenigen, die den Ersatzdienst beantragen, ist sehr gering (AA 25.7.2022; vgl. USDOS 12.5.2021). Es besteht demnach sehr wohl eine Möglichkeit, einen Ersatzdienst abzuleisten.

Das Bundesverwaltungsgericht geht demnach davon aus, dass der BF1 und seine Familie aus wirtschaftlichen Gründen Armenien verlassen haben. Dafür spricht auch die Antwort des BF1 vor dem BFA auf die Frage Was war nun für Sie der ausschlaggebende Grund, warum Sie Armenien verlassen haben? Seine Antwort lautete: „wir hatten ein schlechtes Leben. Wir lebten in den Bergen in einer Hütte. Wir hatten dort wirklich schwere Lebensverhältnisse. Es ist auch oft vorgekommen, dass es meiner Frau gesundheitlich nicht gut ging und in dieser Zeit nicht auf die Kinder aufpassen konnte. Ich musste aber mit den Tieren auf die Weide für einige Tage“. Von der BF2 wurde die Frage, ob sie wieder in Armenien leben könne mit „Ja natürlich, weder ich noch meine Kinder hatten Probleme. Es geht nur um meinen Gatten, der nicht zum Militär möchte. Außerdem hatte er Probleme, von denen ich nichts weiß“ beantwortet.

Von der BF2 wurde vor dem BFA zum Ausreisegrund befragt mitgeteilt „Mein Mann hatte Probleme und hat uns nichts darüber erzählt. Er ist ein paar Mal nachhause gekommen und es war offensichtlich, dass es eine Schlägerei gab. Er hat uns nichts erzählt. Einmal ist er nachhause gekommen als wir schliefen. Er hatte eine offene Wunde am Oberarm und hat geblutet. Es war eine Stichwunde. Er hat auch die Narben von dieser Verletzung. Mein Mann sagte mir, dass wir wegfahren müssen. Er hat dann unseren Arbeitgeber angerufen und wir sind mit dem Taxi nach Ashtarak gefahren. Der Mann hat uns dann dort abgeholt mit dem Auto. Er lebt in einem Bergdorf und wir haben dort auf seine Tiere aufgepasst/gehütet. Er hat uns mit Lebensmittel versorgt. Statt Geld haben wir aber Kälber genommen. Eines Tages hat mein Mann den Einberufungsbefehl bekommen, dass er in den Krieg ziehen soll. Das wollte er aber nicht“. Auffallend ist sogleich, dass der BF1 eine Auseinandersetzung mit Unbekannten vorbrachte, seine Gattin jedoch gleich von mehreren Vorfällen im Zusammenhang mit einer Schlägerei berichtete. Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht teilte sie zum Ausreisegrund befragt mit „Mein Mann hatte Probleme. Wir sind vor 4 Jahren zu dem Arbeitgeber in XXXX gegangen und haben dort gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass mir mein Mann nichts über seine Probleme erzählt hat“. Die BF2 versucht folgerichtig lediglich durch ihre vorgegebene Unwissenheit, Widersprüche zu den Angaben ihres Gatten zu vermeiden. Selbstverständlich wären der BF2 die Gründe für den Umzug und das Verlassen des Heimatlandes bekannt, würde es tatsächlich solche geben. Explizit verneinte sie jedenfalls eine Bedrohung oder Verfolgung ihrer Person und der ihrer beiden Kinder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung.

Dazu kommt noch, dass selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des BF1 eine Schutzgewährung ausscheiden würde. Die BF haben behaupteten eine Verfolgung durch Privatpersonen, eine staatliche Verfolgung wurde nicht behauptet. Hinsichtlich Armenien ist festzuhalten, dass die Polizei bzw. staatlichen Behörden Schutzfähig und Schutzwillig sind. Auch wenn ein solcher Schutz nicht lückenlos (so wie in keinem Staat auf der Erde) möglich ist, stellen die geschilderten Drohungen in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und existieren andererseits im Herkunftsstaat Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben. Zudem wäre es den BF freigestanden, sich an eine übergeordnete Polizeidienststelle, eine StA, ein Gericht oder einer NGO oder den Ombudsmann zu wenden. Letztgenannter unterstützt Personen auch bei rechtswidrigem Verhalten durch Polizeiorgane. Festzuhalten war, dass Armenien ein sicherer Herkunftsstaat ist und eine Anzeigenerstattung den BF zumutbar wäre. Auch vermag die Einberufung zur Stellung bzw. die Wehrpflicht per se keinen Asylgrund iSd GFK begründen und bestünde für den BF1 die Möglichkeit des Wehrersatzdienstes, wie bereits ausgeführt wurde.

II.2.7. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der gesteigerten, partiell völlig wirren, widersprüchlichen und unplausiblen Vorbringen der volljährigen BF, primär des BF1, von der Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte ausgeht.

Zusammenfassend ist zum Vorbringen der BF auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben der BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht einmal ansatzweise erkennbar waren.

Unter Heranziehung dieses Sachverhaltes und der offensichtlich missbräuchlichen Asylantragstellung im Zusammenhang mit der allgemein gehaltenen, widersprüchlichen und teilweise nicht nachvollziehbaren Begründung der Anträge auf internationalen Schutz ist daher davon auszugehen, dass das Vorbringen der BF nicht den Tatsachen entspricht und lediglich zur Begründung der Asylanträge und unter Umgehung der fremdenrechtlichen sowie niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zur Erreichung – wenn nicht sogar zur absichtlichen Erschleichung – von Aufenthaltstiteln für Österreich nach dem Asylgesetz frei konstruiert wurden.

Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen. Der bloße Wunsch in Österreich ein besseres Leben aufgrund eines erhofften leichteren Zugangs zum Arbeitsmarkt zu haben, vermag die Gewährung von Asyl jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

II.2.8. Nach Ansicht des ho. Gerichts hat die belangte Behörde auch ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Den BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung der belangten Behörde dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufgekommen wären. Von den BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum sie vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch die belangte Behörde ausgehen. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen der BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

II.2.9. Zu den bekannt gegebenen Leiden der BF bleibt noch festzuhalten, dass die BF2 am 17.05.2023 im Landeklinikum XXXX wegen ihrer Epilepsie ambulant behandelt wurde. Ihr wurde das Medikament Levetirazetam 500mg 1-0-1 (mit dem Vermerk, dass natürlich auch ein kostengünstigeres, wirkungs- und substanzgleiches Generikum verwendet werden kann) verordnet und die weitere Betreuung über den niedergelassenen Neurologen mit Durchführung einer EEG Untersuchung empfohlen. Bis dato langten jedoch keine Befunde mehr ein. Die Epilepsie wurde bereits 2019 in Armenien festgestellt. Die BF3 litt nach der Geburt an einem Herzfehler (Problem mit der Herzmittelwand). Der BF1 teilte in der mündlichen Verhandlung mit, dass seine Tochter nun mehr gesund sei und keine Behandlung oder Therapie mehr benötigt. Dies ergab zudem eine medizinische Untersuchung (Herz Echo und EEG unauffällig) der BF3, bei welcher keinerlei Auffälligkeiten bzw. keinerlei Behandlungsbedarf bzw. Kontrollbedarf festgestellt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht geht deswegen davon aus, dass es sich bei den Leiden um keine schweren Krankheiten handelt.

Zum anderen muss festgehalten werden, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind.

II.2.10. Die Sicherheitslage in Armenien kann, von der Problemzone Nagorny-Karabach abgesehen, als unbedenklich bezeichnet werden. XXXX liegt ca. 200km, die Region Amarvir ca. 300km von Bergkarabach entfernt.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der Feststellungen zur Sicherheitslage in Armenien nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der BF dort davon ausgegangen werden muss, dass sie wahrscheinlich Opfer eines terroristischen Anschlages, krimineller Aktivtäten oder sonstiger Gewalt, wie etwa einem Ehrenmord oder Blutrache, würde.

Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die BF, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder kriminelle Aktivtäten hindeuten würden, kamen im Verfahren nicht hervor. Eine dahingehende darstellbare Gefährdung im Rückkehrfall kann sohin ausgeschlossen werden.

II.2.11. Die BF1 und BF2 sind gesund und arbeitsfähig und können so auch für ihren Unterhalt aufkommen. In Ejmiatsin (24km von Armavir, 21km von Jerewan entfernt) begründen noch die Eltern des BF1 ihren Lebensmittelpunkt. Daneben halten sich dort noch ca. 20 weitere Verwandte auf. Die Eltern leben von der eigenen Landwirtschaft, sie haben ca. 150 Schafe und zehn Kühe. Der BF1 hat laufend Kontakt zu den Eltern. In XXXX (12km von Jerewan entfernt) wohnen noch die Eltern, eine Schwester und ein Bruder der BF2. Der Vater arbeitet auf einer Baustelle, die Mutter ist Hausfrau, ebenso die verheiratete Schwester. Der Bruder besucht noch in die Schule. Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten. Auch steht den BF eine Rückkehr nach Tatev, wo sie die letzten Jahre vor der Ausreise verbrachten, offen. Einer Aufnahme und Unterstützung durch die in Armenien aufhältige Verwandtschaft ist somit als gesichert anzusehen. Zudem steht der armenische Migrationsdienst den Rückkehrern mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite. Die BF haben Zugang zu allen Berufsgruppen und werden in Armenien in die Gesellschaft integriert. Die Chancen eine Arbeit zu finden, sind als überdurchschnittlich gut zu bezeichnen. Den BF ist somit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar. Die Hauptstadt Jerewan ist zudem für die BF auch direkt und sicher mit dem Flugzeug erreichbar.

Zudem ist es den BF zumutbar, das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige – Sozialsystem (vgl. Länderinformationen) des armenischen Staates oder karitativer Einrichtungen in Anspruch zu nehmen.

II.2.12. Bezüglich der Integration der BF bleibt festzuhalten, dass sich die BF seit 09.03.3023 in Österreich aufhalten und Grundversorgung beziehen. Sie haben im Bundesgebiet keine Verwandten und sind für niemanden sorgepflichtig. Die volljährigen BF besuchen keine Deutschkurse. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen tätig und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Sie haben keine österreichischen Freunde, Einstellungszusagen und Unterstützungsschreiben wurden nicht vorgelegt. Die BF sind strafrechtlich unbescholten bzw. strafunmündig. Eine maßgebliche Integration liegt demnach nicht vor.

II.2.13. Schließlich ist im vorliegenden Beschwerdefall zu beachten, dass es sich bei den beschwerdeführenden Parteien um eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern und damit um besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Person handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die BF tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die minderjährigen BF keiner besonders gefährdeten Gruppe angehören und ist auch von einer Rückkehr der minderjährigen BF gemeinsam mit ihren Eltern davon auszugehen, sodass die Betreuung, Erziehung und Beaufsichtigung der Minderjährigen sichergestellt ist.

Dass die minderjährigen BF im Rückkehrfall nicht geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsprostitution, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe droht, wurde eingangs bereits erörtert.

Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung der minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. Die Eltern vermittelten den Eindruck, am Wohlergehen ihrer Töchter sehr interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf die Minderjährigen im Bundesgebiet liegen nicht vor. Ausgehend davon ist auch nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF im Rückkehrfall einem davon abgeleiteten Risiko ausgesetzt würden oder sie sonst von häuslicher Gewalt betroffen wären.

Ob der obenstehenden Erwägungen und den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion der BF ist nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF als besonders vulnerable Person im Rückkehrfall von terroristischen oder kriminellen Aktivtäten betroffen wären. Aufgrund der Verfahrensergebnisse ist auch nicht davon auszugehen, dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sonstiger Gewalt, wie etwa Blutrache oder einem Ehrenmord, zum Opfer fallen würden.

Das Bundesverwaltungsgericht kann in Ansehung der persönlichen Profile der BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen.

Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass die BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wären. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.

Ausgehend von den persönlichen Profilen der BF und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die minderjährigen BF im Wege der Versorgung durch ihre Eltern und der durch das nach wie vor große familiäre Netzwerk erlangbaren Hilfe nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden.

II.2.14. Die Außerlandesschaffung von Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn die Betroffenen dort keine Lebensgrundlage vorfinden, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005).

In Ansehung der BF und den bereits getätigten Ausführungen sind folgende Erwägungen zu im Rückkehrfall zu erwartenden sozioökonomischen Lage maßgeblich:

Die sozioökonomische Lage in Armenien spricht gegen exzeptionelle Umstände. Den eingesehenen Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass diese von Massenarbeitslosigkeit, Not oder Elend in großem Ausmaß geprägt wäre. Im gegeben Kontext ist von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung das Vorliegen exzeptioneller Umstände detailliert und konkret darzulegen ist, umso mehr als in Armenien Familien leben, was dafürspricht, dass zumindest im Regelfall sehr wohl eine Lebensgrundlage im Herkunftsstaat besteht. Eine glaubhafte Darstellung exzeptioneller Umstände im Sinn der eingangs zitieren Rechtsprechung erfolgte im Verfahren nicht.

Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren zudem nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung des persönlichen Profils der BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen. Die Sicherheitslage in Armenien ist nicht problematisch. Zudem ist die Republik Armenien sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG und der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass die BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wäre. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Herkunftsstaat ist der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes, wobei die Asylbehörde [das Gericht] nicht an die Angaben des Antragstellers gebunden ist, sondern die Staatsangehörigkeit amtswegig - allenfalls auch von den Angaben des Antragstellers abweichend - festzustellen hat. Hinsichtlich der Ermittlungspflicht des Herkunftsstaates wird hier auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen. Dieser hat in seinem Erkenntnis vom 16.04.2002, Zahl: 2000/20/0131, ausgeführt: "... Dazu ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Begriff des Herkunftsstaates ... derjenige Staat zu verstehen ist, hinsichtlich dessen bei der Entscheidung über den Asylantrag das Bestehen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr zu prüfen ist. Im Falle einer evident falschen Darstellung einer Bedrohungssituation in einem vom Asylwerber fälschlich als Herkunftsstaat bezeichneten Staat ist die Asylbehörde ohne ein weiteres konkretes Vorbringen oder sonstigen konkreten Hinweis nicht verhalten zu ermitteln, welcher Staat der (wahre) Herkunftsstaat des Asylwerbers sein könnte und ob er dort allenfalls im Sinne der Flüchtlingskonvention bedroht sein könnte." (vgl. auch VwGH vom 23.07.1999, Zahlen: 98/20/0464 und 99/20/0220).

 

Auch in seinem Erkenntnis vom 06.03.2001, Zahl 2000/01/0402, nimmt der Verwaltungs-gerichtshof Bezug auf sein Erkenntnis vom 23.07.1999, Zahlen: 98/20/0464 und 99/20/0220, und erläutert, dass diesem "bereits deutlich zu entnehmen ist, dass die Angabe des Herkunftsstaates im Rahmen der Erfüllung der den Asylwerber treffenden Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes zu erfolgen hat und es im Falle einer zunächst wahrheitswidrigen Angabe bei entsprechender Ergänzung des Vorbringens (oder bei Vorliegen "sonstiger Hinweise") auch die Pflicht der Behörde sein kann, auf die Gefahr der Verfolgung in einem anderen - tatsächlichen - Herkunftsstaat einzugehen.

 

Aus der zitierten Judikatur geht zweifelsfrei hervor, dass die Behörde [das Gericht] - entsprechende Hinweise vorausgesetzt, nicht nur den tatsächlichen Herkunftsstaat eines Asylwerbers zu ermitteln, sondern darüber hinaus nach dessen Feststellung diesen zum Gegenstand von Ermittlungen bezüglich der Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz zu machen hat.

 

Für Staatenlose gilt der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat iSd § 15 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005. Der zeitliche Bezug des Wortes "frühere" ist nicht auf die Asylantragstellung im Sinne von "wo hat sich der Fremde vor der Asylantragstellung aufgehalten" bezogen, sondern ist im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdefinition der GFK davon auszugehen, dass sich der Wortsinn "frühere" auf den Vorgängeraufenthaltsstaat bezieht, also auf jenen Staat, in dem sich der Fremde dauernd aufgehalten hat, bevor er in den Asylantragstaat eingereist ist (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 3. Auflage, K36f zu §2).

 

Primär ist jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, als dessen Herkunftsstaat zu bezeichnen.

 

Die Gleichsetzung des Staates des früheren Aufenthaltes mit dem Herkunftsstaat setzt eine annähernd gleiche Qualität der Beziehung zwischen Fremden und Aufenthaltsstaat voraus. Der bloße Aufenthalt - insbesondere der illegale - kann keine einer Staatsbürgerschaft gleichwertige Staat-Bürger-Beziehung bewirken.

 

UNHCR erläutert in seinem Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1993), es müsse zur Festlegung des maßgeblichen Herkunftsstaates geprüft werden, ob eine Wechselbeziehung zwischen den angegebenen Fluchtgründen und dem Land, in dem der bisherige Wohnsitz lag, und im Verhältnis zudem Furcht vor Verfolgung geltend gemacht wird, bestehe. Er bezieht sich dabei (wie auch Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law I (1966), 160 f) auf die Materialien zur Genfer Flüchtlingskonvention, wonach es sich um das Land handle, "in dem er (der Asylwerber) seinen Wohnsitz hatte und wo er Verfolgung erlitten hatte bzw. fürchtete, verfolgt zu werden, wenn er dahin zurückkehrte" (UNHCR-Handbuch, Rz 103). Gefordert wird eine 'feste Bindung' zu diesem Staat im Sinne einer zumindest für eine gewisse Dauer erfolgten Verlagerung der Interessen dorthin (vgl. Grahl-Madsen, a.a.O., 160; Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999(, Rz 158, und ihm folgend das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0089, sowie Schmidt/Frank, AsylG 1997, K 22 zu § 1). Unter dem "Land seines (das heißt des Asylwerbers) gewöhnlichen Aufenthaltes" ("country of his former habitual residence" bzw "pays dans laquelle elle avait sa résidence habituelle") iSd Art 1 lit A Z 2 GFK ist nur ein solcher Aufenthalt zu verstehen, der sich auf eine gewollte Rechtsbeziehung zwischen Flüchtling und Aufenthaltsstaat gründet.

 

Solch eine Beziehung würde jedenfalls bei sich unrechtmäßig im betreffenden Staatsgebiet aufhaltenden Personen nicht vorliegen (vgl. Amann, Die Rechte des Flüchtlings, 129, zum gleichlautenden Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltes" in Art 14 GFK; Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 3. Auflage, E7 zu §2).

 

II.3.1.2. Familienverfahren gemäß § 34 AsylG:

Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Z 1); einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist (Z 2) oder einem Asylwerber (Z 3) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Der BF1 ist der Ehegatte der BF2 und sind beide die leiblichen Eltern der BF3 und des BF4. Hinsichtlich der Beschwerdeführer liegt daher ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

 

Zu A)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) …

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.

dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2.

der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

  

...“

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen war.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

II.3.2.2. Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre überhaupt fraglich, ob unter solchen Umständen noch von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

Die StatusRL 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 und vom 01.09.2005, 2005/20/0357).

II.3.2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Es ist festzuhalten, dass die BF keine Fluchtgründe ins Treffen führten, die auf eine persönliche Verfolgung im Herkunftsland im Sinne der GFK, mithin aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung schließen lassen.

Auch eine Verfolgung durch staatliche Behörden bzw. dass eine solche Verfolgung durch staatliche Behörden drohen würde, wurde von den BF nicht in substantiierter Weise behauptet oder belegt und verneinten sie eine solche zudem dezidiert. Aber selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens würde eine Schutzgewährung ausscheiden. Hinsichtlich Armenien ist festzuhalten, dass die Polizei bzw. staatlichen Behörden Schutzfähig und Schutzwillig sind. Auch wenn ein solcher Schutz nicht lückenlos, wie in keinem anderen Staat der Erde sonst auch möglich ist, stellen die geschilderten Drohungen in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und existieren andererseits im Herkunftsstaat Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben. Zudem wäre es dem BF freigestanden, sich an eine übergeordnete Polizeidienststelle, eine StA ein Gericht oder einer NGO oder den Ombudsmann zu wenden.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft, wobei als zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ erachtet wird. Diese ist dann gegeben, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist.

II.3.2.4. Wie im gegenständlichen Fall aber bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der BF, primär natürlich jenem des BF1, zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von den BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Im vorliegenden Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die BF keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt waren oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wären, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798). Die Beschwerdeführer sind außerdem sunnitischen und schiitischen Glaubens, sie haben demnach im Fall einer Rückkehr insbesondere keine Schwierigkeiten aufgrund ihres Religionsbekenntnisses zu befürchten.

 

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.

der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.

  

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.…“

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffenen Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solch innerstaatlich bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).

Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH U. 17.02.2009, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).

Dessen ungeachtet sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen im Übrigen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der BF scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), haben doch die erwachsenen BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung nach Armenien jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie und ihre Töchter in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Zur Epilepsie der BF2 und zu den ohnehin nicht mehr vorhandenen Herzproblemen der BF3 wird festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).

Wie bereits erwähnt, geht der EGMR weiter davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst, unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05. 1997 -146/1996/767/964 („St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMRaußerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im „St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher lautmedizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8-14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage (er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt hätte und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02. 05. 1997 - 146/1996/767/964).

Auch der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter wären als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nichtausschlaggebend (HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05).

Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier auf die Entscheidung SALKIC and others against Sweden (Application no. 7702/04) hingewiesen, wo die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina bejaht wurde, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig unterliegt.

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Armenien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005 (Appl. 1383/04), wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der sich seit 2002 in psychiatrischer Behandlung befunden hat und der selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes „real risk“.

Aufgrund der hier vorliegenden Krankheitsbilder ist jedenfalls nicht ableitbar, dass eine Überstellung nach Armenien zu einer Beeinträchtigung des gesundheitlichen Zustandes der BF2 und der BF3 führt, womit folgerichtig keine Verletzung von Art 3 EMRK gegeben ist.

Es liegt aktuell auch bei der BF2 und der BF3 keine derartige Erkrankung vor, welche das Risiko bergen würden, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen in Armenien zu sterben. Es gibt in Armenien, speziell in Jerewan, auch wie in der Beweiswürdigung bereits ausführlich erörtert Behandlungsmöglichkeiten. So wurden bereits die BF2 und die BF3 vor ihrer Ausreise in Jerewan behandelt. Es kann damit nicht von einem gänzlichen Fehlen von angemessenen Behandlungsmöglichkeiten ausgegangen werden und muss zwar eventuell mit einer Verschlechterung des persönlichen Zustandes der BF2 gerechnet werden, diese ist jedoch nicht unwiederbringlich oder derart gravierend, dass eine Abschiebung unzulässig zu erklären oder subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. Die BF konnten auch trotz der Erkrankung vor ihrer Ausreise für den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder sorgen. In Ejmiatsin (24km von Armavir, 21km von Jerewan entfernt) begründen noch die Eltern des BF1 ihren Lebensmittelpunkt. Daneben halten sich dort noch ca. 20 weitere Verwandte auf. Die Eltern leben von der eigenen Landwirtschaft, sie haben ca. 150 Schafe und zehn Kühe. Der BF1 hat laufend Kontakt zu den Eltern. In Proshyan (12km von Jerewan entfernt) wohnen noch die Eltern, eine Schwester und ein Bruder der BF2. Der Vater arbeitet auf einer Baustelle, die Mutter ist Hausfrau, ebenso die verheiratete Schwester. Der Bruder besucht noch in die Schule. Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten. Neben den Möglichkeiten, Sozialleistungen zu beziehen, steht den BF damit auch ein Netz von Verwandten zur Verfügung, welche zur Finanzierung der etwaig teilweise kostenpflichtigen Behandlung beitragen können.

Im vorliegenden Fall konnten seitens der BF2 und BF3 keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden.

Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die BF vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Armenien ausgeschlossen wären und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der BF beschriebenen und diagnostizierten Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der BF gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN). Zur individuellen Versorgungssituation der BF wird weiter festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Einerseits stammt die BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

II.3.3.3. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.

Weder droht den BF im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht abgewiesen wurde.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.“

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017 aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

§ 18 BFA-VG, lautet auszugsweise:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde“

(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

II.3.4.2. Die gegenständlich in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz waren abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Es liegen keine Umstände vor, dass den BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre.

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

II.3.4.4. Die BF haben in Österreich keine Verwandten. Der BF1 und die BF2 sind außer für ihre minderjährigen Kinder für niemanden sorgepflichtig. Die BF halten sich seit 09.03.3023 in Österreich auf und beziehen Grundversorgung. Die volljährigen BF besuchen keine Deutschkurse. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen tätig und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Sie haben keine österreichischen Freunde, Einstellungszusagen und Unterstützungsschreiben wurden nicht vorgelegt. Die BF sind strafrechtlich unbescholten bzw. strafunmündig.

Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.

II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der geltenden Judikatur Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die BF sind seit 09.03.2023 in Österreich aufhältig. Sie reisten legal aus Armenien auf dem Luftweg aus und über Griechenland, ebenfalls auf dem Luftweg, bzw. Polen mit dem Zug in das österreichische Bundesgebiet ein. Die BF konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

- das tatsächliche Bestehen eines Privatlebens:

Die BF verfügen über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte.

- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Die BF begründeten ihr Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert war. Auch war der Aufenthalt der BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die BF nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise allenfalls bestehende Bindungen zur Gänze abzubrechen. So stünde es ihr frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN).

- Grad der Integration

Die BF sind erst kurz in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen. Die BF leben von der Grundversorgung und haben keine Deutsch- und Integrationskurse besucht. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen tätig und leisten keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Einstellungszusagen und Unterstützungsschreiben wurden nicht vorgelegt.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die volljährigen BF verbrachten annähernd ihr gesamtes Leben in Armenien, wurde dort sozialisiert, sind Angehörige der jesidischen Volksgruppe und bekennen sich zum Glauben der Sonnenanbeter. Sie sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. In Ejmiatsin (24km von Armavir, 21km von Jerewan entfernt) begründen noch die Eltern des BF1 ihren Lebensmittelpunkt. Daneben halten sich dort noch ca. 20 weitere Verwandte auf. Die Eltern leben von der eigenen Landwirtschaft, sie haben ca. 150 Schafe und zehn Kühe. Der BF1 hat laufend Kontakt zu den Eltern. In XXXX (12km von Jerewan entfernt) wohnen noch die Eltern, eine Schwester und ein Bruder der BF2. Der Vater arbeitet auf einer Baustelle, die Mutter ist Hausfrau, ebenso die verheiratete Schwester. Der Bruder besucht noch in die Schule. Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten. Auch steht den BF eine Rückkehr nach XXXX , wo sie die letzten Jahre vor der Ausreise verbrachten, offen. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es der BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Die minderjährigen BF befinden sich in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch wieder in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade Kindern, welche noch im jungen Alter sind und die mit ihren Eltern gemeinsam ausreisen, die (Re-)Integration im Herkunftsstaat der Eltern zumutbar. So nahm der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0015 an, dass bei einem 6 Jahre und 3 Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erwartet werden kann, die Kinder werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Begebenheiten im Herkunftsstaat der Eltern anpassen können (vgl. auch VwGH vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 116, mwN). Selbst Schwierigkeiten bei der (Re) Integration sind in derartigen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282).

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Die BF sind strafrechtlich unbescholten bzw. strafunmündig.

Diese Feststellung stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

- die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Den BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.

- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Derartiges ist nicht feststellbar.

 

- Kindeswohl

Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten droht, ist nach der Judikatur des VwGH eine eventuelle besondere Vulnerabilität der Betroffenen im Speziellen zu berücksichtigen, wobei der VwGH auch auf die Definition schutzbedürftiger Personen in Art. 21. Der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) verweist (vgl. zuletzt VwGH vom 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0336 sowie vom 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0089 zum Irak sowie VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0315 und diverse andere zu Afghanistan). Art. 21 der Aufnahmerichtlinie zählt als besonders schutzbedürftige Personen unter anderem Minderjährige auf.

Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund der vom BVwG selbst herangezogenen UNHCR-Richtlinien- in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Zl E 667/2018 hinsichtlich einer Familie aus Kabul festgehalten, dass Familien mit besonderem Schutzbedarf - nach Ansicht des UNHCR - nur dann eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht, wenn sie Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, die Zurückkehrenden tatsächlich zu unterstützen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG wurde behoben, da vom BVwG nicht näher begründet wurde, warum es davon ausging, dass der Bruder der Erstbeschwerdeführerin eine sechsköpfige Familie ausreichend unterstützen könne bzw wolle. Es sei verabsäumt worden, die Erstbeschwerdeführerin zur konkreten Lebenssituation ihres Bruders und ihrer Schwester zu befragen.

Demnach wird von der Judikatur – zuletzt auch in einer Einzelentscheidung hinsichtlich des sicheren Herkunftsstaates Georgien (VwGH vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0216 bis 0217-13) - eine konkrete Auseinandersetzung damit gefordert, welche Rückkehrsituation eine Familie mit minderjährigen Kindern im Herkunftsstaat tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479) sowie der Unterkunftsmöglichkeit (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).

Im vorliegenden Fall ist daher insbesondere zu berücksichtigen, dass die BF3 und BF4 minderjährige Kinder – somit Angehöriger einer besonders vulnerablen und besonders schutzbedürftigen Personengruppe - sind. Daher ist eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation, die die minderjährigen BF bzw. die Eltern mit ihren minderjährigen Kindern im Heimatstaat tatsächlich vorfinden würden, erforderlich.

Im gegenständlichen Fall sind die Eltern und die Kinder armenische Staatsbürger und sind somit alle vier BF im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Die BF3 und BF4 teilen somit das sozioökonomische Schicksal der Eltern. Den BF stehen nach der Rückkehr sowohl private, karitative als auch bei Bedarf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie Unterkunft finden werden und wird auf die Beweiswürdigung oben verwiesen. Eine Verletzung des Kindeswohles ist daher nicht ersichtlich.

- Zurechenbarkeit des Verhaltens der Eltern

Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Art. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich.

Der Verfassungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 10.03.2011, Zl. B1565/10 (betreffend einem im Alter von 8 Jahren mit seinen Eltern eingereisten, im Entscheidungszeitpunkt 17jährigen, welcher beinahe die gesamte Schullaufbahn in Österreich absolvierte und herausragende sportliche Leistungen für einen österreichischen Sportklub erbrachte) fest, dass es in der Verantwortung des Staates gelegen ist, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass dem 17jährigen die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre, - neun Jahre verstreichen. Es sei die Aufenthaltsverfestigung des 17jährigen zwar überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgt, keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung sei vorgelegen; jedoch sei ihm als Minderjährigem, der seine Eltern nach Österreich begleitete, dies nicht in jenem Maße zuzurechnen wie seinen Obsorgeberechtigten. In diesem Fall wurde festgehalten, dass keine Anpassungsfähigkeit des 17jährigen mehr vorliege, der wesentliche Teile seiner Kindheit und Jugend in Österreich verbrachte (im Gegensatz zu Kindern, die sich im Zeitpunkt ihrer Ausweisung noch in anpassungsfähigem Alter befinden; vgl EMRK 26.01.99, Fall Sarumi, Appl 43279/98) und wurden grundsätzliche Ausführungen zur herabgesetzten Verantwortlichkeit von Minderjährigen getroffen.

Auch in der Entscheidung des VfGH vom 07.10.2010, Zl. B 950-954/10-08 wurde unter Bezugnahme auf das mangelnde Verschulden der Beschwerdeführer an der 7jährigen Verfahrensdauer festgehalten, dass die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung zusätzlich stärker gewichten hätte müssen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens ins Österreich verbracht haben, sich mitten in ihrer Schulausbildung befanden und sich hier sowohl schulisch als auch gesellschaftlich sehr gut integriert haben.

Insbesondere hätte die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass - anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) – in diesem Fall die Integration der BF1 während ihres einzigen Asylverfahrens, sieben Jahre (in denen keine einzige rechtskräftige Entscheidung ergangen ist) dauerte, erfolgte. Dass dies auf eine schuldhafte Verzögerung durch die Beschwerdeführer zurückzuführen wäre, wurde von der belangten Behörde weder dargestellt, noch war es aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten ersichtlich.

Obwohl der Verfassungsgerichtshof in diesen beiden Entscheidungen die den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen hat, ist dennoch aus dem Beschluss des VfGH vom 12.6.2010, U614/10 ableitbar, dass in gewissen Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Minderjährigen im Hinblick auf die Verfahrensdauer dennoch das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder eine Rolle spielt.

Es wird in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010, erstens Zl. U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), zweitens Zl. U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss desselben Tages Zl. U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten) hingewiesen. In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führte, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK geltend machen können. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter, nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfinden, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK –anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg. cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für einen BF grundsätzlich nicht mehr möglich, den Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass der BF gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung ihres Aufenthaltes vom Inland aus offensteht, sodass sie mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens sind die BF somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art „Handreichung des Staates“ - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man – wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

Weiter wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

II.3.4.6. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von den BF in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht ansatzweise erkennbar. Die erwachsenen BF halten sich im Vergleich zu ihrem Lebensalter erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf. Eine über das normale Maß hinausgehende gesellschaftliche Integration ist nicht feststellbar. Die erwachsenen BF haben nahezu ihr gesamtes Leben in Armenien verbracht und wurden dort sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen Beziehungen zum Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Armenien eine – wenn überhaupt vorhandene – Integration in Österreich bei weitem überwiegen.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

 

II.3.5. Abschiebung

II.3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

 

Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.

 

Eine im § 50 Abs. 3 FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.

 

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.5.2. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG stammt.

 

Gemäß § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sichere Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 13 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) gilt Armenien als sicherer Herkunftsstaat.

 

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hätte das Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen müssen, wenn anzunehmen gewesen wäre, dass den BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3, 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gedroht hätte oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich gebracht hätte.

 

Aus den vorangehenden Ausführungen zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung folgt, dass keine Rechtsverletzung drohte, welche die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geboten hätte.

 

Besondere individuelle Gründe, die für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sprechen könnten, wurden im gesamten, so auch im Beschwerdeverfahren, durch sämtliche Ausführungen ausreichend konkret und substantiiert nicht dargelegt, bzw. konnten die BF das Vorliegen von diesbezüglich besonders berücksichtigungswürdigen Gründen insgesamt nicht glaubhaft machen.

 

Wie die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden zu Recht dargelegt hat, gilt Armenien als sicherer Herkunftsstaat. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit zu Recht erfolgt und konnte so der Anregung der rechtsfreundlichen Vertretung, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht entsprochen werden.

 

Folglich war auch gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen.

 

II.3.5.3. Da auch alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Rückkehrentscheidungen und keine Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, waren die Beschwerden auch gegen diese Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

 

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens, sowie zur Feststellung des Herkunftsstaates bzw. den rechtlichen Folgen von dessen Nichtfeststellbarkeit abgeht.

Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auch die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte