AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L512.2202464.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, Zentrum für europäische Integration und globalen Erfahrungsaustausch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, Zentrum für europäische Integration und globalen Erfahrungsaustausch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge entsprechend der Reihenfolge im Spruch als BF1 bis BF2 bezeichnet), Staatsangehörige der islamischen Republik Iran, reisten legal mit dem Flugzeug aus dem Iran aus und am XXXX legal mit einem Schengen-Visum C (ausgestellt von der XXXX , gültig vom XXXX bis XXXX ) in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX .03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF1 am 30.03.2016 Folgendes vor:
Er sei im Iran geboren, verheiratet und gehöre der Volksgruppe der Perser an. Er sei Christ/Katholik. Er habe 12 Jahre die Grundschule und sechs Jahre die Universität besucht und sei zuletzt XXXX gewesen.
Er sei legal mit dem Flugzeug aus dem Iran ausgereist und legal mit einem Touristenvisum in Österreich eingereist. Seine Ehefrau sei mit ihm mitgereist und sei auch in Österreich.
Zum Fluchtgrund befragt brachte der BF1 vor, sie seien als Touristen nach Österreich gereist und hätten eigentlich gar nicht vorgehabt einen Asylantrag zu stellen. Der BF habe seine Religion gewechselt und sei im Jahr XXXX , getauft worden. Sein Vater habe erfahren, dass er nun Christ sei und deshalb sei sein Leben in Gefahr. Der Iran sei ein islamischer Staat und eine Konvertierung bedeute die Todesstrafe.
Bei einer Rückkehr in die Heimat habe der BF1 Angst um sein Leben; ihm drohe die Todesstrafe.
Die BF2 (Ehefrau des BF1) erklärte ebenfalls, im Iran geboren zu sein, der Volksgruppe der Perser anzugehören sowie Christin/Katholikin zu sein. Sie habe 12 Jahre die Grundschule besucht, zwei Jahre die Universität und sei zuletzt XXXX gewesen. Sie könne der Einvernahme ohne Probleme folge, leide jedoch seit XXXX an der Krankheit Multiple Sklerose.
Zum Fluchtgrund befragt, brachte die BF2 ebenfalls ihre Konversion zum Christentum und ihre Taufe vor XXXX vor. Sie habe Angst um ihr Leben und drohe ihr die Todesstrafe.
I.2. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF1 am 18.07.2017 im Wesentlichen Folgendes vor:
Er habe bis dato die Wahrheit gesagt und seien seine Angaben rückübersetzt worden, es gebe jedoch ein paar Unstimmigkeiten. In der Erstbefragung stehe, dass der BF katholisch sei, er habe jedoch nur gesagt, dass er Christ sei und der Dolmetscher habe übersetzt, er sei Christ, Katholik.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF zusammengefasst an, er sei geborener Muslim. Sie hätten kein Recht zu konvertieren, egal zu welcher Religion. Dennoch hätten er und seine Frau entschieden zum Christentum zu konvertieren. Sie hätten immer Urlaub gemacht, zB in der XXXX und zuletzt in Österreich. Während ihres Aufenthaltes in Österreich hätten die Behörden irgendwie herausgefunden, dass sie konvertiert seien. Seine Frau sei krank und habe einen XXXX besucht. Eine Zeit lang sei es ihr gesundheitlich nicht gut gegangen und sie habe nicht einmal stehen können. Ihre XXXX sei Christin gewesen. Am Tag vor der Heimreise von Österreich in den Iran habe seine Schwiegermutter angerufen. Sie habe gesagt, dass jemand bei ihnen zuhause gewesen sei und das ganze Haus durcheinandergebracht habe. Alle Zeichen vom Christentum seien zerstört worden, alle Bücher seien durcheinandergebracht und durchsucht worden. Der BF1 und seine Frau hätten die Schwiegermutter gefragt, ob die Tagebücher und Notizen da seien, was diese verneint habe. Sie hätten auch gefragt, ob Geld oder Schmuck fehle und sie habe gesagt, dass nur alles durcheinander sei. Dann habe der BF gedacht, dass es keine Räuber gewesen seien, sondern jemand, der gewusst habe, dass sie dort „etwas Anderes“ haben; Dinge, die zu ihrem Glauben gehören, hätten sie gesucht. Sie seien von Anfang an sehr vorsichtig gewesen und hätten gewusst, dass etwas Schlimmes passieren würde. Sie hätten ihre Notizen während ihrer Reisen verborgen. Seine Schwiegermutter und sein Vater hätten gesagt, dass es für sie zu gefährlich wäre, in den Iran zurückzukehren. Konvertiten würden als Abtrünnige beschimpft werden. Er sei sich ganz sicher, dass er und seine Frau bei einer Rückkehr umgebracht werden würden.
Die BF2 brachte vor einem Organwalter der belangten Behörde am 18.07.2017 im Wesentlichen Folgendes vor:
Sie seien als Touristen nach Österreich eingereist und hätten zum iranischen Jahresanfang einen Ausflug nach XXXX gemacht. Sie wollten in den Iran zurückfliegen, als ihre Mutter angerufen und gesagt habe, dass ein paar Leute ihre Wohnung durchsucht, alles durcheinandergebracht und ein paar Bücher gefunden hätten. Diese Bücher bzw. Notizen habe sie selber geschrieben. Die Leute hätten auch die Bibel in ihrer Wohnung gefunden. Sie habe alles in ihr Tagebuch geschrieben, als sie begonnen habe, sich für das Christentum zu interessieren. Sie hätten alles gefunden. Deswegen hätten sie Angst bekommen und um Asyl angesucht.
I.3. Die Anträge des BF1 und der BF2 auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA), jeweils vom XXXX , Zlen: XXXX , XXXX , gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF1 und die BF2 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde die Vorbringen der BF1 und 2 angesichts mehrfacher Widersprüchlichkeiten als unglaubwürdig. Die Angaben der BF seien im Laufe der Verfahren gesteigert und geändert worden und seien zudem oberflächlich und teilweise nicht nachvollziehbar. Die BF hätten die behauptete Konversion zum Christentum überdies auch nicht glaubhaft darstellen können.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 2 FPG vorliegen würden.
I.4. Gegen die Bescheide der belangten Behörde wurde mit in den Akten ersichtlichen Schriftsätzen wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Es wurden die Anträge gestellt:
- den BF1 und 2 gemäß § 3 AsylG den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen;
- allenfalls den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkennen;
- allenfalls die angefochtenen Bescheide beheben und zur Ergänzung der Verfahren an die erste Instanz zurückverweisen;
- einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Iran und den spezifischen von den BF vorgebrachten Punkten befasst;
- eine mündliche Verhandlung anberaumen, ich welcher die BF1-2 ihre Fluchtgründe ausführlich darlegen können;
- allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;
- allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen;
- allenfalls festzustellen, dass die Ausweisung aus dem Bundesgebiet in den Iran unzulässig sei;
I.5. Die gegenständlichen Rechtssachen langten am 02.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, und wurden der Gerichtsabteilung L510 zugewiesen. In der Folge wurde diese mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 14.01.2021 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung am 18.01.2021 zugewiesen.
I.6. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Den Verfahrensparteien wurden mit den Ladungen jeweils Länderberichte zur Lage im Iran zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.
I.7. Die mündliche Verhandlung am XXXX wurde aufgrund der Angaben der BF2, wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr klar denken zu können und falsche Angaben zu machen, zur Einholung eines neurologischen-psychiatrischen Gutachtens bezüglich der BF2 unterbrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt.
I.8. Das neurologisch-psychiatrische Gutachten langte im Folgenden am 12.11.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.9. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien erneut zu einer mündlichen Verhandlung. Den Verfahrensparteien wurden mit den Ladungen jeweils aktualisierte Länderberichte zur Lage im Iran sowie der BF2 zusätzlich Feststellungen zur medizinischen Versorgung im Iran und das eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu bis spätestens in der mündlichen Verhandlung zu äußern.
I.10. Am 14.01.2022 langte eine Stellungnahme zum Sachverständigengutachten betreffend die BF2 sowie eine ergänzende Stellungnahme zu den Länderfeststellungen beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.11. Am XXXX fand erneut eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, im Rahmen derer den BF die Möglichkeit eingeräumt wurde zum Fluchtvorbringen, der Rückkehrsituation, der Integration und der dargelegten Konversion Stellung zu nehmen.
I.12. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Die Beschwerdeführer
Bei dem BF1 und der BF2 handelt es sich um iranische Staatsbürger und Angehörige der Volksgruppe der Perser, welche die Sprachen Farsi, etwas Englisch und Deutsch sprechen.
Der BF1 und die BF2 sind seit XXXX verheiratet und haben keine Kinder.
Die BF1-2 haben den Iran legal mit dem Flugzeug verlassen und reisten am XXXX legal mit einem Schengen-Visum C (ausgestellt von der XXXX , gültig vom XXXX bis XXXX ) in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX .03.2016 Anträge auf internationalen Schutz stellten.
Seither halten sie sich ununterbrochen im Bundesgebiet auf.
Die BF1-2 verfügten auch in den Jahren 2013 und 2015 über Schengen-Visa C, reisten im XXXX nach XXXX und XXXX , im XXXX in die XXXX und im XXXX nach XXXX und XXXX .
Zur Person des BF1:
Der BF1 stammt aus XXXX , besuchte im Iran zwölf Jahre lang die Schule und sechs Jahre lang die Universität. Er hat ein XXXX und ein XXXX absolviert und als XXXX in einem XXXX gearbeitet. Der BF hat XXXX geschrieben und veröffentlicht bzw. verkauft. Er hat im Monat durchschnittlich XXXX verdient.
Der BF1 hat im Iran XXXX besucht.
Im Iran sind nach wie vor die Eltern, drei Schwestern und ein Bruder des BF1 aufhältig.
Der BF1 ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Der BF1 verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel. Der BF1 möchte in Österreich einer Arbeit nachgehen.
Der BF1 besuchte in Österreich mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen, zuletzt im Jahr 2019 auf B1-Niveau, und hat die Deutschprüfung des ÖIF im Februar 2017 auf dem Niveau A1 absolviert. Am 13.10.2018 hat der BF1 die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz Niveau A2 und zu Werte-und Orientierungswissen bestanden.
Der BF1 hat von Mitte November 2019 bis Anfang Jänner 2020 den Grundkurs „Kinaestethics Pflegende Angehörige“ besucht.
Der BF1 pflegt und kümmert sich um die BF2 und unterstützt sie im Alltag.
Der BF1 hat sich in Österreich seinen iranischen Führerschein in einen österreichischen Führerschein umschreiben lassen.
Der BF1 ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Zur Person der BF2:
Die BF2 stammt aus XXXX , besuchte im Iran zwölf Jahre die Schule und zwei Jahre die Universität, wo sie ein XXXX absolvierte. Sie hat als XXXX gearbeitet und XXXX .
Die BF2 hat im Iran im Jahr XXXX besucht.
Im Iran leben nach wie vor die Eltern und die Schwester der BF2.
Die BF2 leidet an Multipler Sklerose (ICD: G35: Encephalomyelitis disseminata) mit sekundär chronisch-progredienter Verlaufsform und damit in Zusammenhang stehenden neurologischen und psychischen Beschwerden (unter anderem einem leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndrom, einem Chronic-Fatigue-Syndrom und einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer).
Die MS-Erkrankung der BF2 wurde bereits XXXX im Iran diagnostiziert. Die BF war im Iran in regelmäßiger neurologischen Behandlung. Sie erhielt eine Zeitlang eine immunmodulatroische Therapie.
Aktuell wird die BF2 medikamentös mit Psychopharmaka und Schmerzmittel behandelt. Bezüglich der vorliegenden multiplen Sklerose mit einer chronisch-progredienten Verlaufsform kann eine spezifisch-medikamentöse Therapie nicht empfohlen werden. Die immunmodulatorische Therapie ist nicht mehr indiziert.
Im Herkunftsstaat der BF2 ist die medizinische Versorgung gewährleistet und eine Weiterführung der notwendigen Therapie möglich; es stehen sowohl Behandlungsmöglichkeiten als auch Medikamente für neurologische und psychische Erkrankungen zur Verfügung.
Eine allfällige Überstellung der BF2 in den Iran führt zu keiner signifikanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Zusammenhang mit der MS-Erkrankung führen, jedoch ist eine Verschlechterung der Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion zu erwarten. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass die BF2 in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten würde.
Die BF2 ist aufgrund ihrer Erkrankung im Besitz eines Behindertenpasses (ausgestellt am 28.10.2020); der Gesamtgrad ihrer Behinderung beträgt 80 %.
Aufgrund des Gesundheitszustandes der BF2 wird diese im Alltag insbesondere von ihrem Ehemann, dem BF1 unterstützt. Mitglieder der XXXX unterstützen zudem den BF1 und die BF2.
Die BF2 möchte als Designerin in Österreich arbeiten. Die BF2 geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und lebt von staatlichen Leistungen. Sie verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel.
Die BF2 besuchte in Österreich mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen, zuletzt im Jahr 2019 auf B1-Niveau und hat die Deutschprüfung des ÖIF im Februar 2017 auf dem Niveau A1 absolviert.
Am 13.10.2018 hat die BF2 die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz Niveau A2 und zu Werte-und Orientierungswissen bestanden.
Die BF2 ist strafrechtlich unbescholten.
BF1 und BF2:
In Österreich haben die Beschwerdeführer keine Familienangehörigen.
Sie leben gemeinsam in einer Mietwohnung, für welche sie EUR XXXX Miete zahlen. Die XXXX leistet einen Beitrag zur Wohnungsmiete.
Seit 2016 besuchen der BF1 und die BF2 die XXXX , nehmen, wann immer es ihnen möglich ist, am Sonntagsgottesdienst teil und besuchen sporadisch den 14-tägig stattfindenden Bibelkreis.
Am XXXX wurden der BF1 und die BF2 in der XXXX getauft.
Die BF pflegen soziale Kontakte zu Mitgliedern XXXX .
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:
COVID-19
Letzte Änderung: 28.06.2021
Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft, da das Land von einer erneuten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen ist. Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 16.6.2021). Nach dem persischen Neujahrsfest Norouz Ende März hatten viele Iraner trotz Warnungen von Präsident Hassan Rohani Verwandte besucht. Danach stiegen die Infektionszahlen stark an. Die Regierung reagierte darauf mit einem Teil-Lockdown (SZ 1.5.2021). Mittlerweile scheint sich die Zahl der Infektionen einigermaßen stabilisiert zu haben, deshalb wurden einige der bisherigen Beschränkungen aufgehoben bzw. gelockert. Neben den Geschäften und Institutionen der Kategorie 1, also essentiell notwendigen, dürfen auch solche der Kategorie 2, also ein Großteil des Einzelhandels, auch in Einkaufszentren und Basaren, öffnen. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile leicht im Abnehmen begriffen ist, ist sie allerdings immer noch hoch (WKO 10.5.2021). Auch die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist weiterhin sehr hoch (WKO 10.5.2021; vgl. DW 23.4.2021), verschiedentlich gibt es noch Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Der Großraum Teheran und zahlreiche andere Städte wurden von der höchsten, 'roten' Gefahrenstufe auf 'orange' zurückgestuft (WKO 10.5.2021).
Personen, die nach Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 16.6.2021). Reisende können bei Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden befragt und bei COVID-19-Symptomen ärztlich untersucht werden. Ein erneuter COVID-19-Test kann von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird Selbstisolation angeordnet. Bei positivem Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen, und es ergehen weitere verpflichtende Anweisungen der iranischen Behörden. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Die Verfahren können sich kurzfristig ändern. Abweichende Handhabungen sind jederzeit möglich (AA 16.6.2021).
In Teheran gilt von 21 Uhr bis 3 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Es kommt, abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen, abhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen, ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 16.6.2021). Private Personenkraftwagen dürfen den auf den Kennzeichen angeführten Zulassungsbezirk nicht verlassen. Eine Ausnahme besteht für die Bezirke Teheran und Karaj, da täglich mehrere Millionen Berufspendler zwischen den beiden Orten verkehren. Die Beschränkungen gelten nicht für den öffentlichen Verkehr, Taxis und Internettaxis. In Behörden ist die Anwesenheit der Beschäftigten reduziert. In Orten der Warnstufe 'rot' müssen Handelsunternehmen, die nicht wie Apotheken oder Lebensmittelhändler dringende Bedürfnisse abdecken, schließen (WKO 10.5.2021). Auch Touristen- und Ausflugsziele bleiben teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 16.6.2021). In allen Schulen und Universitäten wird auf teilweise Fernunterricht umgestellt. Religiöse und kulturelle Veranstaltungen dürfen nur in reduzierter Form stattfinden. Die Maßnahmen gelten auf unbestimmte Zeit (WKO 10.5.2021).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte und Reisen zu vermeiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und den Öffentlichen Personennahverkehr zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr. Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 16.6.2021).
Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 10.5.2021).
Nach wiederholten Ankündigungen über die baldige Produktion iranischer Corona-Impfstoffe gab Präsident Hassan Rohani im April 2021 zu, dass im Land produzierte Impfdosen im besten Fall ab Ende des Sommers 2021 zur Verfügung gestellt werden könnten. Rohani lud Firmen und Geschäftsleute ein, im Auftrag der Regierung Corona-Impfstoffe aus dem Ausland zu importieren. Die Regierung selbst könne keine Corona-Impfdosen importieren, weil die US-Sanktionen deren Einfuhr behindere. Die Tatsache, dass die Regierung sich erst sehr spät für den Kauf ausländischer Impfstoffe entschieden hat, erwähnte der Präsident nicht. Laut iranischen Medien gibt es schon jetzt einen florierenden Schwarzmarkt für illegal importierte Corona-Impfdosen in Teheran. Viele verzweifelte und schwerkranke Menschen suchen auf dem Schwarzmarkt nach preiswerten Impfdosen. Je nach Hersteller werde die Einzeldosis Impfstoff für bis zu 2.000 Euro verkauft (DW 23.4.2021). Laut iranischen Behörden, wurde am 13.6.2021 eine Notfallgenehmigung für einen im Inland entwickelten Impfstoff (COVIran Barekat) gegen COVID-19 erteilt. Der Schritt kommt aufgrund der erwähnten Probleme mit dem Import von genügend Impfstoffen (RFE/RL 14.6.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.6.2021, unverändert gültig seit 14.6.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 16.6.2021
BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (16.6.2021, unverändert gültig seit 11.4.2021): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 16.6.2021
DW – Deutsche Welle (23.4.2021): Kein Licht am Ende des Corona-Tunnels im Iran, https://www.dw.com/de/kein-licht-am-ende-des-corona-tunnels-im-iran/a-57310659 , Zugriff 16.6.2021
DW – Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen Corona-Lockdown auf, https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-lockdown-auf/a-55651492 , Zugriff 1.12.2020
RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (14.6.2021): Iran Approves Emergency Use Of Domestic COVID Vaccine, https://www.rferl.org/a/iran-domestic-covid-vaccine-coviran-barekat/31307467.html , Zugriff 16.6.2021
SZ – Süddeutsche Zeitung (1.5.2021): Welle des Todes in Iran, https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-corona-1.5280191 , Zugriff 17.6.2021
WKO – Wirtschaftskammer Österreich (10.5.2021): Coronavirus: Situation im Iran, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html , Zugriff 16.6.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 28.06.2021
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der 'velayat-e faqih', der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel 'Revolutionsführer' (GIZ 12.2020a; vgl. BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 4.3.2020a; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021). Der derzeitige Präsident Rohani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren (DW 19.6.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und derzeitige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26%. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vgl. DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im vorhinein ausgesiebt (Tagesschau.de 18.6.2021). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt. Der neue Präsodent tritt sein Amt im August 2021 an. Es ist möglich, dasst er nicht lange Präsident bleibt, da er als Favorit für die Nachfolge des Revolutionsführers Khamenei, der 82 Jahre alt ist, gilt (Zeitonline 23.6.2021).
Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 3.3.2021). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 12.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 3.3.2021).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 12.2020a, FH 3.3.2021, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der 'Gesamtinteressen des Systems' zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 12.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 12.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 3.3.2021). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020a): Politisches Portrait - Iran, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 27.4.2021
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020b): Steckbrief - Iran, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394 , Zugriff 27.4.2021
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 27.4.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 27.4.2021
DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran, https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 27.4.2021
DW – Deutsche Welle (19.6.2021): Raeissi wird neuer Präsident im Iran, https://www.dw.com/de/raeissi-wird-neuer-pr%C3%A4sident-im-iran/a-57961660 , Zugriff 25.6.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 27.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 27.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 27.4.2021
Standard.at (19.6.2021): Hardliner Raisi gewann Präsidentenwahl im Iran, https://www.derstandard.at/story/2000127545908/kleriker-raisi-fuehrt-laut-medienberichten-bei-praesidentenwahl-im-iran , Zugriff 25.6.2021
Tagesschau.de (18.6.2021): Keine Macht dem Volk? https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-wahlen-kandidaten-stimmung-101.html , Zugriff 25.6.2021
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 27.4.2021
Zeitonline (23.6.2021): Wofür steht Ebrahim Raissi? https://www.zeit.de/2021/26/iran-praesidentenwahl-ebrahim-raissi-ali-chamenei , Zugriff 25.6.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 28.06.2021
Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 14.6.2021).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 14.6.2021; vgl. AA 14.6.2021b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 14.6.2021b).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 14.6.2021b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 14.6.2021b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 14.6.2021).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 14.6.2021b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften (EDA 14.6.2021). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2020). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 14.6.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.6.2021b, unverändert gültig seit 17.5.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 14.6.2021
EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (14.6.2021, unverändert gültig seit 3.11.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html , Zugriff 14.6.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 14.6.2021
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 28.06.2021
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2020). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 3.3.2021).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (USDOS 30.3.2021). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 13.1.2021; vgl. AA 26.2.2020, HRC 11.1.2021). Die Behörden setzen sich ständig über Bestimmungen hinweg, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). In einigen Fällen wurde in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt, weil man sie nicht über ihre Verhandlungstermine informiert oder sie nicht vom Gefängnis zum Gericht transportiert hatte (AI 7.4.2021).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen 'göttlichen Wissens' [divine knowledge] für schuldig befinden (USDOS 30.3.2021).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die 'Sondergerichte für die Geistlichkeit' sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BS 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere 'Feindschaft zu Gott' und 'Korruption auf Erden';
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Viele Gerichtsverfahren finden hinter verschlossenen Türen statt. Bei Verfahren vor Revolutionsgerichten herrscht offene Feindseligkeit gegenüber den Angeklagten, und Anschuldigungen von Sicherheits- und Geheimdiensten werden als Tatsachen behandelt, die bereits feststehen. Erzwungene 'Geständnisse', die unter Folter und anderen Misshandlungen zustande kommen, werden vor Beginn der Prozesse im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Gerichte nutzen sie durchweg als Beweismittel und begründen damit Schuldsprüche, selbst wenn die Angeklagten ihre Aussagen widerrufen. In vielen Fällen bestätigen Berufungsgerichte Schuldsprüche und Strafen, ohne eine Anhörung abzuhalten. Häufig weigern sich Gerichte, Angeklagten, die wegen Straftaten in Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit verurteilt wurden, das Urteil in schriftlicher Form zukommen zu lassen (AI 7.4.2021).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann (ÖB Teheran 10.2020). Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020). Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann der ursprünglich Verletzte auch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom 'Geschädigten' gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 7.4.2020
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf , Zugriff 7.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020) – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 28.4.2021
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FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
HRC – UN Human Rights Council (11.1.2021): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50],https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 4.5.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran,https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
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Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 30.06.2021
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enqhelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Revolutionsgarde und die nationale Armee (Artesh) sorgen für die externe Verteidigung. Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Trotzdem können Angehörige der Sicherheitskräfte Misshandlungen begehen, ohne befürchten zu müssen, bestraft zu werden (USDOS 30.3.2021). Organisatorisch sind die Basij den Revolutionsgarden unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut macht. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2020).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst (AA 26.2.2020). Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden und den Basij Milizen unterstützt. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BS 2020).
Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den Revolutionsgarden (BS 2020). Letztere nehmen eine Sonderrolle ein, ihr Auftrag ist formell der Schutz der Islamischen Revolution. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben die Revolutionsgarden neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 3.3.2021). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der Revolutionsgarden Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist also aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Präsident Hassan Rohani versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BS 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem 'Hohen Rat für den Cyberspace' beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete (BS 2020). Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen, darunter Folter, Verschwindenlassen und Gewaltakte gegen Demonstranten und Umstehende bei öffentlichen Demonstrationen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (USDOS 30.3.2021). In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 7.4.2020
DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff 7.4.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/ , Zugriff 7.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 2.12.2020
Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html , Zugriff 7.4.2020
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 30.06.2021
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind psychische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, DIS 7.2.2020). Folter betrifft vorrangig eben diese nicht registrierten, aber auch offizielle Gefängnisse - insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet, vor allem während Verhören (AI 7.4.2021). Zudem wurden 2020 mindestens 160 Personen zu Peitschen- bzw. Stockhieben verurteilt sowohl wegen Diebstahls oder Überfällen als auch wegen Handlungen, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z.B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche oder einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen sowie Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Männer als auch Frauen anwesend waren. In vielen Fällen wurden die Auspeitschungen vollstreckt (AI 7.4.2021). Berichten zufolge unterhalten Behörden abseits des nationalen Gefängnissystems auch noch inoffizielle, geheime Gefängnisse und Haftanstalten, in denen Missbrauch stattfindet (USDOS 30.3.2021).
Bei Delikten, die im Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischt-geschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser sowie die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).
Folter und andere Misshandlungen geschehen häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um dadurch Geständnisse zu erzwingen (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 13.1.2021). Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Ehemalige Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 3.3.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020
HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 8.4.2020
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 2.12.2020
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 30.06.2021
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene 'Hohe Rat für Menschenrechte' untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten 'Pariser Prinzipien' (AA 26.2.2020).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
Konvention über die Rechte behinderter Menschen
UN-Apartheid-Konvention
Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020)
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention
Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2020). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten (GIZ 12.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der 'schwersten Verbrechen' entsprechen und ohne einen fairen Prozess; rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 7.4.2021, FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte; Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der Religionsfreiheit; Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung; weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen; rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien; Menschenhandel; Gewalt gegen ethnische Minderheiten; strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten; Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten sowie Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten; und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Die Regierung unternimmt kaum Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (USDOS 30.3.2021).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB) sowie Staatsschutzdelikte (insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, laufen Gefahr, der Spionage beschuldigt zu werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2020). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (BS 2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 28.4.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 3.12.2020
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Meinungs- und Pressefreiheit, Internet
Letzte Änderung: 30.06.2021
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht 'schädlich' für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die 'Rechte der Öffentlichkeit' sind (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020, AI 7.4.2021, USDOS 30.3.2021). Die Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten, Dissidenten und Menschenrechtsverteidiger wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 13.1.2021), bzw. nutzen Behörden Gesetze, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen. Die Behörden dulden es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (USDOS 30.3.2021).
Der staatliche Rundfunk wird von Hardlinern streng kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 3.3.2021). Insgesamt spiegelt die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter 'roter Linien' des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen 'Propaganda gegen das System' bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). 'Propaganda gegen das System' ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei 'Propaganda' nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden. Dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2020). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, FH 3.3.2021). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa 'regimefeindliche Propaganda' verhängt (ÖB Teheran 10.2020).
Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 3.3.2021). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 3.3.2021). Alle Arten von Medien unterliegen der Zensur (AI 7.4.2021). Andererseits besitzt nahezu jede iranische Familie eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind (GIZ 12.2020c).
Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2020c). Etwa 70% der iranischen Bevölkerung sind aktive Internetnutzer. Seit 2009 haben die iranischen Behörden erhebliche Mittel für den Ausbau der Infrastruktur, aber auch für die Kontrolle ihrer Nutzung aufgewendet. Zensur und Überwachung sind umfangreich. Eine Cyberpolizei wurde eingerichtet, und auch mehrere andere Regierungsbehörden haben Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung des Internets und der sozialen Medien übernommen. Darüber hinaus haben die iranischen Behörden ein lokales, staatlich kontrolliertes Netzwerk entwickelt, das National Information Network (NIN). Die regimekritische Debatte findet vor allem in den sozialen Medien statt. Für illegale Oppositionsparteien ist das Internet der bevorzugte Kanal für den Informationsaustausch. Die iranischen Behörden konzentrieren sich insbesondere auf Personen, die die öffentliche Meinung in Iran beeinflussen können, wie beispielsweise diejenigen, die viele Anhänger in den sozialen Medien haben. Dies gilt auch für im Ausland lebende Iraner. Iranische Journalisten, die für internationale Medienhäuser arbeiten, werden streng überwacht (Landinfo 31.5.2021).
Gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder 'islamfeindliche' Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber 'gefiltert' bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen 'Cyber-Krieg' gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).
Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als 'Bürgerrecht' und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema 'Cyberspace' hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App 'Telegram' gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreiche Frauen, die 'unsittliche' Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen. Seitdem seit Februar 2020 konservative und erzkonservative Kräfte im iranischen Parlament die Mehrheit der Abgeordneten stellen, ist der Druck auf den jungen Telekom-Minister für eine Filterung der noch nicht gefilterten sozialen Medien wie Instagram und WhatsApp und die Einführung des bereits nach chinesischem Vorbild vorbereiteten internen Internets gewachsen. Der junge Minister mit seiner Vergangenheit als Beamter des Geheimdienstes konnte sich bisher gegen diesen Druck wehren. Es ist aber zu erwarten, dass sich der Zugriff der Iraner auf die virtuelle Welt in Zukunft noch weiter einschränken wird (ÖB Teheran 10.2020). Die Internetseiten von Facebook, Telegram, Twitter und YouTube bleiben blockiert (AI 7.4.2021).
Die 1997 unter Khatami gegründete 'Association of Iranian Journalists' wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020).
Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als 'unislamisch' oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist 'regimefeindlicher Propaganda' und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2020).
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um einen Platz verschlechtert und liegt nun an Position 174 (2020: 173) von 180 (ROG 2021a). Iran bestätigt mit der weltweit ersten staatlichen Hinrichtung eines Journalisten seit 30 Jahren seine Stellung als einer der schlimmsten Unterdrücker der Pressefreiheit (ROG 2021b).
Hinsichtlich der Corona-Pandemie spielt die Islamische Republik die Opferzahlen herunter, verschärft die Einschränkungen für traditionelle Medien und soziale Netzwerke, verhört, verhaftet und verurteilt Medienschaffende für ihre unabhängige Berichterstattung (ROG 2021b). Die Behörden ergriffen im Jahr 2020 Maßnahmen, die eine unabhängige Berichterstattung über Covid-19 und jegliche Kritik am staatlichen Umgang mit der Pandemie unterbinden sollten. Das Ministerium für Kultur und islamische Führung wies Medien und Journalisten an, bei der Berichterstattung nur offizielle Quellen und Statistiken zu verwenden. Die Internetpolizei gründete eine spezielle Einheit, um gegen 'Internet-Gerüchte' und 'Fake News' über Corona in den sozialen Medien vorzugehen. Zahlreiche Journalisten, Nutzer Sozialer Medien, Mitarbeiter im Gesundheitswesen und andere Personen wurden festgenommen, verhört oder verwarnt. Im April 2020 erhoben die Behörden Anklage gegen einen Arzt aus Saqqez in der Provinz Kurdistan, wegen 'Verbreitung von Propaganda gegen das System' und 'Störung der öffentlichen Meinung', weil er auf Instagram Beiträge über Covid-19 veröffentlicht hatte (AI 7.4.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 29.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 29.4.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 29.4.2021
Landinfo [Norwegen] (31.5.2021): Iran. Internett og sosiale medier, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052678/Temanotat-Iran-Internett-og-sosiale-medier-31052021.pdf , Zugriff 14.6.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 3.12.2020
ROG – Reporter ohne Grenzen (2021a): Rangliste zur Pressefreiheit 2021, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2021/Rangliste_der_Pressefreiheit_2021_-_RSF.pdf , Zugriff 29.4.2021
ROG – Reporter ohne Grenzen (2021b): Rangliste der Pressefreiheit. Weltweite Entwicklungen im Überblick, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2021/ueberblick , Zugriff 29.4.2021
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 29.4.2021
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen (USDOS 30.3.2021). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung - in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Von mangelnden hygienischen Zuständen ist auszugehen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Im Allgemeinen verschlechterten sich die Haftbedingungen während der COVID-19-Pandemie erheblich (USDOS 30.3.2021). Politische Gefangene haben in den letzten Jahren wiederholt Hungerstreiks durchgeführt, um gegen Misshandlungen in Gewahrsam zu protestieren (FH 3.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Von Februar bis Mai 2020 ließen die Behörden als Reaktion auf die Corona-Pandemie etwa 128.000 Gefangene vorübergehend frei und begnadigten 10.000 weitere (AI 7.4.2021), um die Ausbreitung von COVID-19 in Gefängnissen zu verhindern. Berichten zufolge befanden sich nur sehr wenige politische Gefangene unter jenen, denen Urlaub gewährt wurde (FH 3.3.2021). Hunderte gewaltlose politische Gefangene waren von Begnadigungen und vorübergehenden Freilassungen ausgeschlossen (AI 7.4.2021). Mehrere Menschenrechtsverteidiger wurden unter der richterlichen Anordnung bezüglich COVID-19 freigelassen. In vielen anderen Fällen haben sich die Behörden trotz der Gesundheitsrisiken geweigert, Menschenrechtsverteidigern vorübergehende Freilassungen zu gewähren (HRW 13.3.2021). Die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Gefängnissen dürfte höher sein als von den Behörden angegeben (FH 3.3.2021).
In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. (ÖB Teheran 10.2020). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet - vor allem während Verhören (AI 7.4.2021). Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2020).
Eines der berüchtigtsten Gefängnisse ist nach wie vor das im Norden Teherans gelegene, von den Amerikanern für den Schah (und den Geheimdienst SAVAK) errichtete Evin-Gefängnis. Von außen fällt auf, dass es weniger aus Gebäuden, sondern eher aus Hügeln besteht, zumal sich ein Großteil des Gefängnisses in unterirdischen Anlagen befindet. Dies verstärkt den psychischen Druck (Mangel an Tageslicht). Manche Trakte unterstehen nicht der Justiz/Polizei, sondern direkt den Nachrichtendiensten der Revolutionsgarden. Aber auch andere Gefängnisse, wie das neue 'Große Teheraner Gefängnis' im Süden der Stadt sind für ihre Haftbedingungen berüchtigt (ÖB Teheran 10.2020).
Straflosigkeit bei Vergehen von Beamten ist weiterhin ein Problem. Berichten zufolge hat Folter zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt (AI 7.4.2021). Gefangene können Beschwerden bei den Justizbehörden einreichen, werden jedoch häufig mit Zensur oder Vergeltung in Form von Verleumdung, Schlägen, Folter und Verweigerung von medizinischer Versorgung und Medikamenten oder Urlaubsanträgen sowie Anklage wegen zusätzlicher Straftaten konfrontiert (USDOS 30.3.2021).
Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020), in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021). Im März und April 2020 protestierten Gefangene im ganzen Land mit Hungerstreiks und Aufständen, weil die Behörden nicht in der Lage waren, sie vor Corona-Infektionen zu schützen. Die Behörden reagierten mit rechtswidrigen Mitteln. Sie schlugen die Inhaftierten und beschossen sie mit scharfer Munition, Metallkugeln und Tränengas, um die Proteste niederzuschlagen. Dies führte dazu, dass am 31. März 2020 im Sheiban-Gefängnis in Ahwaz in der Provinz Khuzestan mehrere Gefangene, die der arabischen Ahwazi-Minderheit angehörten, getötet und viele weitere verletzt wurden (AI 7.4.2021).
Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in 'sichere Häuser' gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen. Dort werden sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten (ÖB Teheran 10.2020). Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AI 7.4.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 29.4.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 29.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 3.12.2020
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 29.4.2021
Todesstrafe
Letzte Änderung: 01.07.2021
Iran ist auch weiterhin eines der Ländern, wo die Todesstrafe am häufigsten durchgeführt wird (HRW 13.1.2021; vgl. CSW 3.2021). Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, 'Moharebeh' (Waffenaufnahme gegen Gott) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. HRW 13.1.2021, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2020) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRW 13.1.2021, FH 3.3.2021, HRC 11.1.2021, AI 7.4.2021, CSW 3.2021). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2020). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020).
Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilogramm Opium oder zwei Kilogramm industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2020). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 3.3.2021). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Ca. 9% aller Exekutionen stehen in Verbindung mit Drogenvergehen (AI 4.2021). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 3.3.2021). Im Jahr 2020 wurden mindestens 233 Menschen hingerichtet (HRC 11.1.2021; vgl. AI 4.2021, HRW 13.1.2021). 18 der Hinrichtungen betrafen Drogenvergehen und 11 Moharebeh oder Korruption auf Erden (HRC 11.1.2021). Mindestens drei jugendliche Straftäter wurden hingerichtet (AI 4.2021; HRW 13.1.2021, HRC 11.1.2021).
Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AI 7.4.2021): Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei politischen oder die 'nationale Sicherheit' betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom 'Geschädigten' gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen. Seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (4.2021): Todesurteile und Hinrichtungen 2020, https://www.amnesty.at/media/8345/amnesty_bericht-zur-todesstrafe-2020_web.pdf , Zugriff 30.4.2021
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920/iran---march-2021-2.pdf, Zugriff 7.5.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 30.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 3.12.2020
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 01.07.2021
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen' (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als 'mohareb' (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratisches System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen aber immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI 7.4.2021).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha'i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (USDOS 12.5.2021). Die Inhaftierung von Angehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 18.12.2020
BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 17.4.2020
CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920/iran---march-2021-1.pdf, Zugriff 7.5.2021
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HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
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USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Christen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 23.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als 'christlich' anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, BAMF 3.2019, IRB 9.3.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020).
Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 23.5.2018; vgl. BAMF 3.2019, FH 3.3.2021). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam (ÖB Teheran 10.2020). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (USDOS 12.5.2021; vgl. IRB 9.3.2021).
Grundrechtlich besteht 'Kultusfreiheit' innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 3.2019, BFA 23.5.2018, Open Doors 2021). Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA 23.5.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2020), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ('Hauskirchen') oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 10.2020). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 23.5.2018; vgl. Open Doors 2021). Im Weltverfolgungsindex 2021 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem achten Platz (2020: Platz 9). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der verhafteten Christen des Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr (169) gesunken. Es gab keine breitangelegte Verhaftungswelle, auch wenn es im Juni 2020 eine Razzia gab. Eine genaue Zahl wird im Bericht nicht genannt (Open Doors 2021). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt (AI 7.4.2021; vgl. CSW 3.2021). Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben (BFA 23.5.2018). Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 23.5.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 4.1.2021
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USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen 'mohareb' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich 'konvertierte' Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen 'illegaler Kirchenaktivität' zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise, welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch 'low-profile' Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 4.1.2021
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DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
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Landinfo [Norwegen] (16.10.2019): Iran: Kristne konvertitter – en oppdatering om arrestasjoner og straffeforfølgelse, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019853/Respons-Iran-Kristne-konvertitter-en-oppdatering-om-arrestasjoner-og-straffeforf%C3%B8lgelse-AVA-16102019.pdf , Zugriff 5.1.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 7.1.2021
Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum: 1. Oktober 2019 –30. September 2020), https://www.opendoors.de/sites/default/files/country_dossier/8_laenderprofil_iran.pdf , Zugriff 7.5.2021
UKHO – UK Home Office [Großbritannien] (2.2020): Country Policy and Information Note Iran: Christians and Christian converts, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/868800/Iran_-_Christians-Converts_-_CPIN_-_v6.0_-_Feb_2020_-_EXT_PDF.pdf , Zugriff 7.5.2021
USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Frauen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis inzwischen verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Insbesondere junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen (GIZ 12.2020c).
Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2020c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot). In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen also vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden (AA 26.2.2020).
Iran hat die 'Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau' als einer von wenigen Staaten weltweit nicht unterzeichnet. Im Global Gender Gap Report 2020 des World Economic Forum liegt Iran an Stelle 148 von 153 (WEF 2020). Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen (AA 26.2.2020; vgl. BAMF 7.2020). Es ist hier anzumerken, dass es sehr wohl einige Richterinnen - insbesondere an Familiengerichten - gibt. Ihnen steht es aber nicht zu, ein Urteil auszusprechen oder den Prozess zu leiten. Sie dürfen unter der Aufsicht eines männlichen Richters lediglich beratend tätig werden (BAMF 7.2020).
Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BS 2020). Zusätzlich sind Frauen seit dem Beginn der Coronakrise stärker als Männer vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen. Bereits zum Ende des Frühjahres 2020 haben 145.000 Frauen offiziell ihren Arbeitsplatz verloren. Da Arbeitgeber durch die Pandemie wirtschaftlich unter Druck geraten sind, versuchen diese, den ausbleibenden Umsatz durch eine Reduzierung der Lohnzahlungen auszugleichen. Am stärksten davon, aber auch vom Verlust des Arbeitsplatzes, betroffen sind die Lohnzahlungen von Frauen (BAMF 7.2020). Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 13.1.2021, ÖB Teheran 10.2020, AI 7.4.2021, BAMF 7.2020). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 13.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 7.2020). Kinder unter 18 Jahren benötigen für die Ausstellung des Reisepasses die schriftliche Erlaubnis ihres Vaters. Wenn der Ehemann oder der Vater nicht anwesend ist, hat die Frau sich bei einem Wunsch zur Ausreise an die zuständige Behörde des Außenministeriums zu wenden, sofern die schriftliche Erlaubnis nicht vorliegt. Während dieses Verfahrens werden auch Unterschrift sowie personenbezogene Angaben überprüft (BAMF 7.2020). Unverheiratete und geschiedene Frauen und Witwen benötigen keine Erlaubnis ihres Vaters oder eines männlichen Vormunds um zu reisen (Cedoca 30.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 13.1.2021; vgl. BAMF 7.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Mädchen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Buben mit 15 Jahren) (AA 26.2.2020; vgl. BAMF 7.2020). Zeugenaussagen von Frauen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020, BAMF 7.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine Jungfrau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (USDOS 30.3.2021). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020, AI 7.4.2021, BAMF 7.2020), jenes für Buben bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der 'Wert' der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2020). Nach offiziellen Angaben werden jedes Jahr etwa 30.000 Mädchen unter 14 Jahren verheiratet (AI 7.4.2021).
Im Juni erließ der Präsident ein Dekret, mit dem eine Änderung des Zivilgesetzbuchs in Kraft gesetzt wurde. Dadurch wird es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, ihren Kindern die Staatsbürgerschaft zu übertragen (USDOS 30.3.2021; vgl. BAMF 7.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (USDOS 30.3.2021; vgl. BAMF 7.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über mögliche (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende bzw. alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2020).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2020).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich (ÖB Teheran 10.2020).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz betrachtet Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie staatliche Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (USDOS 30.3.2021).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z.T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2020). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BS 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2020). Die Sittenpolizei und Bürgerwehren gingen auch 2020 weiterhin massiv gegen Millionen Frauen und Mädchen vor, um den Kopftuchzwang durchzusetzen, der gesetzlich vorgeschrieben ist. Mehrere Frauenrechtsverteidigerinnen, die sich gegen den Kopftuchzwang engagieren, befinden sich noch immer in Haft (AI 7.4.2021). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch in Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 7.2020). Die 2022 vorgesehene Weltmeisterschaft erlaubt der FIFA starken Druck auf Iran auszuüben, um Frauen den Zugang zu ermöglichen (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 23.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 6.6.2021
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2020): Länderreport Nr. 28. Iran. Frauen - Rechtliche Stellung und gesellschaftliche Teilhabe, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_28_Iran_July-2020.pdf , Zugriff 16.12.2020
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administration/belgium/PLib/COI_Focus_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 17.12.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 6.5.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 6.5.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 6.5.2021
Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: 'Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch', https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht-mehr_Besorgniserregender-Widerstand , Zugriff 23.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 4.12.2020
USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 6.5.2021
WEF – World Economic Forum (2020): Global Gender Gap Report 2020, http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2020.pdf , Zugriff 28.12.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 01.07.2021
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (USDOS 30.3.2021). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020).
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
USDOS – US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Grundversorgung
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BS 2020). Sowohl auf Grund der 'Maximum Pressure'-Politik der USA als auch wegen der Zurückhaltung westlicher Unternehmen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Iran aber auch wegen der Folgen der Corona-Pandemie steht die iranischen Wirtschaft schlechter da als jemals zuvor. Die Erdölexporte sind auf ein Minimum gesunken, auch die Devisenreserven sind erschöpft. Insofern sind die mittelfristigen Prognosen für die iranische Wirtschaft nicht gut (ÖB Teheran 10.2020).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger 'brain drain', der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2020).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 12.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BS 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 12.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BS 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 12.2020b). Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen (Landinfo 12.8.2020) und Tausende wurden verletzt (FH 3.3.2021) [Bezüglich der Unruhen vgl. Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 12.2020b; vgl. BS 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 12.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BS 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 24.4.2020
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html ,Zugriff 29.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 29.4.2021
Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 14.1.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 4.12.2020
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Dem Arbeitsministerium ist die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten 'Hohen Versicherungsrat' (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die 'Organisation für Sozialversicherung' (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in deren System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden (ÖB Teheran 10.2020). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020). Selbstständige und Beamte sind nicht Teil der Arbeitslosenversicherung, da angenommen wird, dass ihre Arbeitsverträge nicht gekündigt werden können (Landinfo 12.8.2020).
Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Iranischen Bürgern und Bürgerinnen stehen zwei Arten von Versicherungsschutz zur Verfügung: 1. Bei der obligatorischen Versicherung wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber versichert. Dabei wird ein bestimmter Prozentsatz des monatlichen Gehalts abgezogen. 2. Eine freiwillige Abdeckung steht vor allem freiberuflichen Personen und Hausfrauen zur Verfügung. Es gibt drei Prämiensätze von 12%, 14% und 16% für die Versicherungspolizzen, bei denen die Regierung 2% der Prämie zahlen muss. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag bezahlen (IOM 2020). Die Mittel für die Altersrente werden durch gemeinsame Beiträge der versicherten Person, des Arbeitgebers und der Regierung gedeckt und variiert je nach Beitragsjahren. Die Altersrente wird über die Pensionskasse für Beamte, die Organisation für soziale Sicherheit sowie 16 weitere Pensionsfonds in Iran bereitgestellt. Die Hinterbliebenenrente wird an Angehörige einer versicherten verstorbenen Person gezahlt. Zu den Angehörigen zählen Witwe/Witwer, Kinder (das heißt Söhne bis zum Alter von 20 Jahren und Töchter bis zur Heirat) und Eltern. Die Rente des Ehepartners beträgt 50% der Alters- oder Invalidenrente der versicherten Person, während sie für Waisen 25% und für Eltern 20% beträgt. Die kombinierte Hinterbliebenenrente darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder über der Rente des Verstorbenen liegen. In Iran gibt es einen gesetzlichen monatlichen Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer, der unter Berücksichtigung der Inflation jährlich neu berechnet wird. Im April 2020 lag der Mindestlohn bei 18,34 Millionen Rial (113 USD). Darüber hinaus zahlt der Staat (praktisch) jeder Familie eine Wohnungs- und Lebensmittelzulage in Form von monatlichen Geldtransfers (yaraneh-ye naqdi), wobei der Gesamtbetrag für einen unverheirateten Arbeitnehmer 25 Millionen Rial (155 USD) und 30 Millionen Rial (186 USD) für einen verheirateten Arbeiter pro Monat beträgt. Familienbeihilfe wird im Rahmen von Sozialversicherungssystemen für Eltern gewährt, die mindestens 720 Tage gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Die Familienbeihilfe wird gezahlt, bis das Kind 18 Jahre alt ist oder - wenn es studiert - bis das Studium abgeschlossen ist. Die Familienbeihilfe wird monatlich gezahlt und als das Dreifache des gesetzlichen täglichen Mindestlohns eines ungelernten Arbeitnehmers für jedes Kind berechnet. Die Leistungen werden jährlich angepasst (Landinfo 12.8.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020). Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2020).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die 'sadeqe', die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 12.2020b). Die staatliche Wohlfahrtsorganisation betreibt Selbsthilfegruppen für Familien in schwierigen Situationen, die in Familienzentren organisiert sind. Einige erhalten Unterstützung bei der Arbeitssuche. Ein Projekt mit einem Mikrofinanzierungsansatz umfasst 50.000 Menschen - nicht nur Frauen, sondern auch Landbevölkerung und andere. Ziel ist es, die Armut zu verringern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf weiblichen Ernährern. Es gibt ca. drei Millionen Familien, die von Frauen geführt werden. 180.000 von ihnen werden von der staatlichen Wohlfahrtsorganisation betreut. Das Budget ist begrenzt und nicht alle Bedürftigen erhalten Hilfe. Die Leistungen gehen nicht unbedingt an die Frauen, sondern könnten beispielsweise die Bildung für Kinder abdecken (Landinfo 12.8.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2020
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 30.12.2020
IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4275%3Ahttps%3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dotdsintegration%2Eredirect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebamf%252Ede%252Fmilop%252Fcs%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&PreserveFragment=true , Zugriff 5.5.2021
Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 30.12.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 30.12.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 01.07.2021
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 10.2020). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2020). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020, IOM 2020) und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2020). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2020).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen 'Behvarz' (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise 'nahversorgt' werden. In Städten übernehmen sogenannte 'Gesundheitsposten' in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2020). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2020). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2020).
Es ist anzuführen, dass der Anteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2020).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die 'Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste' (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die 'Imam Khomeini Stiftung', um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2020).
Für schutzbedürftige Gruppen in Iran gibt es zwei Arten von Zentren: öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familien usw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich, aber wie bereits erwähnt, gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden / Organisationen abgedeckt werden (IOM 2020).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen (ÖB Teheran 10.2020). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.12.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396#content_5 , Zugriff 30.12.2020
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.12.2020
IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4275%3Ahttps%3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dotdsintegration%2Eredirect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebamf%252Ede%252Fmilop%252Fcs%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&PreserveFragment=true , Zugriff 5.5.2021
Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 11.1.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 30.12.2020
Rückkehr
Letzte Änderung: 28.01.2021
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus (AA 26.2.2020). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 26.2.2020). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2020).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regime-kritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 29.4.2020
Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administration/belgium/PLib/COI_Focus_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 18.12.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 29.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 14.12.2020
Individuell zur BF2:
Medizinische Versorgung:
Ein Artikel mit dem Titel „Historical Perspective of Neurology in Iran", der am 8. April 2015 von der American Academy of Neurology (ANN) veröffentlicht wurde, stellte fest:
Derzeit bilden 55 Assistenzärzte für Neurologie jährlich an 12 Residenzprogrammen im Iran aus. Die Zahl der Stipendienprogramme für Neurologie ist jedoch begrenzt. Schlussfolgerungen: Unsere Forschungen zur Geschichte der iranischen Neurologie zeigen, dass Iraner zwar in der Vergangenheit ein besseres Verständnis für verschiedene neurologische Erkrankungen hatten, ihre Rolle in der weltweiten neurologischen Forschung und Ausbildung jedoch derzeit weniger prominent ist. Im Iran gibt es ungefähr 950 praktizierende Neurologen, und die Zahl der Ärzte mit einer Facharztausbildung für Neurologie nimmt allmählich zu. Daher ist mit der steigenden Zahl von Neurologie-Ausbildungsprogrammen und Forschungszentren eine bessere Zukunft für die Neurologie im Iran zu erwarten.
MedCOl stellte fest, dass die folgenden Behandlungen in den angeführten Krankenhäusern im
Iran verfügbar sind:
Stationäre Behandlung durch einen Neurologen:
- Day General Hospital, Tehran (private Einrichtung)
- Milad Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung)
- Imam Hossein Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung)
- Imam Khomeini Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung)
Ambulante Behandlung und Nachbehandlung durch einen Neurologen:
- Taleghani Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung)
- Milad Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung)
- Imam Hossein Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung)
MedCOl stellte fest, dass die folgenden Medikamente für die folgenden neurologischen Erkrankungen verfügbar waren:
Epilepsie:
- Valproic Acid
- Valproate Clobazam
- Clonazepam (i.v. Injektion bei epileptischen Anfällen)
- Diazepam
Laut einem neuen Bericht des iranischen Gesundheitsministeriums leidet fast ein Viertel der iranischen Erwachsenen an einer psychischen Erkrankung.
MedCOl hat festgestellt, dass die folgenden Behandlungen in den folgenden Krankenhäusern verfügbar sind:
Stationäre Behandlung durch einen Psychiater:
- Mehregan Private Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
Ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Psychiater:
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Iran Psychiatric Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
Stationäre Behandlung durch einen Psychologen:
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Mehregan Private Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
Ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Psychologen:
- Iran Psychiatric Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Mehregan Private Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Rezai Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
Psychiatrische Krisenintervention bei Suizidversuch inkl. Magenspülung:
- Iran Psychiatric Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
MedCOl stellte fest, dass die folgenden Medikamente (unter anderem) verfügbar sind:
- Antidepressiva
- Mirtazapin
- Trazodon
- Amitriptylin
- Duloxetin
- Venlafaxin
- Escitalopram
- Paroxetin
- Sertralin
- Vortioxetin
- Bupropion
Quelle: UK Home Office (9.2019): Country Policy and Information Note Iran: Iran: Medical and healthcare issues
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat
Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich die Beschwerdeführer im Iran tatsächlich dem christlichen Glauben zugewandt haben, die iranischen Behörden davon Kenntnis erlangten, ihr Haus durchsucht und verwüstet haben. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Österreich tatsächlich überzeugte Christen geworden sind und im Iran aufgrund ihrer religiösen Gesinnung seitens staatlicher Organe Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein werden.
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie Beschwerdeverhandlungen durchgeführt.
Aufgrund der vorliegenden Verwaltungsakte, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlungen ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die Feststellungen zur Person der BF1 und des BF2 (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, familiäre und private Verhältnisse im Heimatland) ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität – aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen.
Aufgrund der Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente (insbesondere iranische Reisepässe) konnte die Identität der BF1 und des BF2 festgestellt werden.
Die Eheschließung der BF1-2 geht aus der vorgelegten Heiratsurkunde (vgl.: BF2: AS 217f) und den übereinstimmenden Angaben der BF1-2 hervor.
Die legale Ausreise aus dem Iran mittel Flugzeug, die legale Einreise nach Österreich mit Visa C, der Zeitpunkt der Asylantragstellung sowie die Aufenthaltsdauer der BF1-2 in Österreich ergeben sich insbesondere aus den Unterlagen zur Asylantragstellung, den Visumsakten der BF1-2, den Einträgen in deren Reisepässen, Anfragen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und den unwiderlegten Angaben der BF1-2.
Dass die BF1-2 auch bereist in den Jahren XXXX und XXXX über Schengen-Visa C verfügten und Reisen nach XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und die XXXX unternahmen ist den im Akt befindlichen Kopien der Reisepässe und darin enthaltenen Einträgen zu entnehmen (BF1: 49-55; BF2: AS 47-51).
Der Besuch von XXXX ergibt sich aus den vorgelegten Zertifikaten und den damit übereinstimmenden Angaben der beiden Beschwerdeführer. (vgl.: BF2: AS 211f.)
Dass der BF1 gesund ist, ergibt sich aus den unwiderlegten Angaben des BF1, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am XXXX . Der BF1 erklärte, er sei grundsätzlich gesund und derzeit nur etwas verkühlt. Medizinische Unterlagen betreffend den BF1 wurden im Verfahren überdies nicht vorgelegt.
Von einer Arbeitsfähigkeit des BF1 ist aufgrund seiner Angaben im Asylverfahren auszugehen. Der BF1 gab unter anderem an, er habe im Iran die Schule und eine Universität besucht und als XXXX in einem XXXX gearbeitet. Er habe XXXX und XXXX . In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF überdies an, auch in anderen Branchen arbeiten zu können (vgl. VHS XXXX S 20). Folglich ist davon auszugehen, dass der BF1 im Falle einer Rückkehr in der Lage ist, einer Arbeit nachzugehen und somit auch seinen Lebensunterhalt bzw. den seiner Gattin zu bestreiten, auch wenn er anfänglich Gelegenheitsjobs annehmen müsste. Es sind keine Hinweise ersichtlich, weshalb der BF1 keiner Beschäftigung nachgehen können sollte.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF2 ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben der BF2, den vorgelegten medizinischen Unterlagen und den vom BFA bzw. vom BVwG in Auftrag gegebenen Gutachten (vgl. zB: AS 75ff., AS 253-267, AS 283 ff., OZ 23, OZ 32, OZ 40).
Soweit bei der Beschwerdeführerin ihre neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen sowie damit im Zusammenhang stehende körperliche Probleme zu berücksichtigen sind, wird vorrangig auf die im Verfahren erstatteten Schlussfolgerungen in den Gutachten hingewiesen (AS 283ff., OZ 32). Aus diesen, insbesondere aus dem aktuellen Gutachten eines Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie vom Oktober 2021, geht zusammengefasst hervor, dass die BF2 an Multipler Sklerose (ICD: G35: Encephalomyelitis disseminata, Erstdiagnose 2005) mit sekundär chronisch-progredienter Verlaufsform und damit in Zusammenhang stehenden weiteren neurologischen und psychischen Beschwerden, unter anderem einem leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndrom, einem Chronic-Fatigue-Syndrom und einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer leidet.
Bezüglich der vorliegenden Multiplen Sklerose kann eine spezifisch-medikamentöse Behandlung nicht empfohlen werden, es erfolgt eine rein symptomatische Therapie, insbesondere zur Behandlung der Schmerzen. Aufgrund der begleitenden psychiatrischen Erkrankungen erhält die Beschwerdeführerin auch eine medikamentöse Psychopharmakatherapie, wobei alle gängigen Psychopharmaka unter Beachtung der Nebenwirkungen infrage kommen. Eine Weiterführung der Therapie sei zu empfehlen. Eine immunmodulatorische Therapie ist nicht mehr indiziert.
Bei der Beschwerdeführerin ist im Laufe der Zeit die Verlaufsform der Erkrankung in eine chronisch-progrediente Verlaufsform übergegangen. Die Beschwerdeführerin ist auf den Rollstuhl und auf fremde Unterstützung angewiesen. So gab diese vor dem Gutachter an, dass Sie den Rollstuhl schon seit frühen Jahren verwenden würde, früher bei Bedarf. Etwas seit XXXX benötige sie den Rollstuhl regelmäßig.
Diese Diagnosen sowie damit im Zusammenhang stehende Schlussfolgerungen wurden vom Gutachter in Zusammenschau mit den von der BF2 vorgelegten medizinischen Unterlagen, den Befragungen im Asylverfahren, eingeholten Befunden des Sachverständigen, einem Gespräch mit der BF2 und einem Auszug aus dem neurologischen-psychiatrischen Gutachten vom 22.09.2017 getroffen.
Wie dem Gutachten ferner zu entnehmen ist, kann bezüglich der vorliegenden Multiplen Sklerose eine spezifisch-medikamentöse Behandlung nicht empfohlen werden, sondern eine rein symptomatische Therapie, insbesondere zur Behandlung der Schmerzen. Für die begleitenden psychiatrischen Erkrankungen kommen alle gängigen Psychopharmaka unter Beachtung der Nebenwirkungen infrage. Eine Weiterführung der Therapie ist zu empfehlen und könnte diese auch im Heimatstaat weitergeführt werden. Aufgrund der Symptome im Rahmen der Grunderkrankungen ist davon auszugehen, dass eine längere dauernde Behandlungsnotwendigkeit besteht. Eine allfällige Überstellung der BF2 in den Iran würde jedoch zu keiner signifikanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Zusammenhang mit der MS-Erkrankung führen, eine Verschlechterung der Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion wäre hingegen zu erwarten, da der Wunsch in Österreich zu bleiben nicht erfüllt werden würde. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass die BF2 in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten würde.
Dem Sachvortrag der BF2 in der Verhandlung am XXXX , wonach sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr klar denken könne und falsche Angaben mache, kann laut Gutachten nicht gefolgt werden. So wurde vom Gutachter festgestellt, dass die BF2 trotz der neurologisch-psychiatrischen Einschränkungen zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert und in der Lage ist, gestellte Fragen entsprechend und nachvollziehbar zu beantworten. Es zeigen sich zwar leichte Konzentrationsstörungen sowie subjektiv empfundene Einschränkungen der Merkfähigkeit und der Gedächtnisleistungen, die BF2 ist aber in der Lage dem Gespräch zu folgen und kann auch adäquate, nachvollziehbare Angaben zu ihrer Biographie tätigen, weshalb die BF2 einvernahmefähig ist. Es gibt aus neurologisch-psychiatrischer Sicht auch keine Hinweise, dass die BF2 zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht imstande gewesen wäre, Angaben zu ihrer Person und zur Flucht zu tätigen.
Soweit in der Stellungnahme der BF2 zum Gutachten (OZ 38) ausgeführt wurde, dass hinsichtlich der Beurteilung der Merkfähigkeit und Gedächtnisleistung der BF2 im vorliegenden Gutachten ein Widerspruch bestehe, da einerseits von „Einschränkungen der Konzentrationsleistungen und Merkfähigkeitsleistungen aufgrund der cerebralen Veränderungen“ (Seite 22 4. Absatz), andererseits von bloß „subjektiv empfundenen Einschränkungen der Merkfähigkeit und der Gedächtnisleistungen“ die Rede sei, kann dieser Behauptung nicht gefolgt werden. Der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, dass die BF aufgrund der Erkrankung und der daraus resultierenden Einschränkungen psychische Beschwerden, eine vermehrte Weinerlichkeit und Traurigkeit angab, auch Einschränkungen der Konzentrationsleistungen und der Merkfähigkeitsleistungen aufgrund der cerebralen Veränderungen liegen vor. In diesem Zusammenhang ist der Ausdruck „subjektiv empfunden“ unmissverständlich dahingehend auszulegen, dass die Beschwerdeführerin dies selbst anführte. Dass diese Einschränkungen bestehen, bezweifelte der Sachverständige in keinster Weise, er führte aber ebenso aus, dass trotz neurologisch-psychiatrischen Einschränkungen die BF2 zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert ist und auch in der Lage ist, gestellte Fragen entsprechend und nachvollziehbar zu beantworten. Es wurde zudem festgehalten, dass die BF2 in der Lage ist dem Gespräch zu folgen und auch adäquate, nachvollziehbare Angaben zu ihrer Biographie zu tätigen. Ebenso könne sie während des Gespräches nachvollziehbare Angaben zu ihrer Ausreise machen. Diese Angaben würden sich mit ihren Angaben bei der ersten neurologisch-psychiatrischen Begutachtung am 22.09.2017 decken. Aus Sicht des Gutachters zeigen sich aus neurologisch-psychiatrischer Sicht keine Hinweise, dass die BF zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht in der Lage gewesen wäre, diesbezüglich Angaben zu tätigen.
Der BF2 ist es folglich nicht gelungen im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs diesbezüglich Mängel bezüglich des Sachverständigengutachtens aufzuzeigen.
Sofern weiters moniert wurde, dass der Sachverständige ein Facharzt für Neurologie und nicht für Psychiatrie ist, konnten im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs eine fehlende Eignung des Sachverständigen bzw. in der Folge Mängel bezüglich des Inhalts des Sachverständigengutachtens nicht aufgezeigt werden.
Für die Beurteilung der Frage, bspw. ob der Betroffene an einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung leidet bzw. einvernahmefähig ist, ist ein Sachverständiger beizuziehen, bei dem es sich um eine Person handeln muss, die aufgrund ihrer Ausbildung, ihres Berufs und ihrer Erfahrung geeignet ist, ein medizinisches Gutachten über den Gesundheitszustand des Betroffenen abzugeben, soweit es für die Beurteilung einer psychischen/neurologischen Krankheit von Bedeutung ist. Nach § 2 Absatz 3 Ärztegesetz ist jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
In der Regel kommt bei psychiatrischen/neurologischen Fragen vor allem ein Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie in Betracht, jedoch ist auch ein anderes einschlägiges Fachgebiet, wenn es den Sachverständigen zur Erfüllung des Gutachtensauftrags fachlich befähigt, nicht von vornherein ausgeschlossen (siehe gleichlautende bzw. übertragbare Ausführungen OGH 26.01.2018, 8 Ob 2/18d bzgl. Sachwalterschaftssache). Ein Anspruch auf Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung besteht nicht, weil es nur auf die Begründung und die Schlüssigkeit des Gutachtens ankommt (Hinweis E 6.9.1988, 87/12/0179, VwSlg N F 12753 A/1988). VwGH 20.12.2006, 2002/12/0161
Soweit Bedenken hinsichtlich der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen vorgebracht werden, ist auf die Stellungnahme des Sachverständigen hinzuweisen. Dieser wies schlüssig darauf hin, dass aufgrund seines Ausbildungsweges eine fachliche Qualifikation zur Behandlung und Begutachtung von neurologisch-psychiatrischen Patienten gegeben ist bzw. wird diese Qualifikation auch im Spital von ihm durchgeführt. So hat er im Jahr XXXX seine Ausbildung an der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie abgeschlossen und wurde von Fachärzten der Fächer Neurologie und Psychiatrie ausgebildet. Er ist seit XXXX als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger bei mehreren Gerichten tätig, ua. in Strafsachen, Pflegschaftssachen, Zivilrechtsachen, Sozialrechtssachen und Unterbringungssachen. Weiters ist der Sachverständige aufgrund seiner Tätigkeiten in der Ärztekammer und an anderen Stellen in den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie tätig. Er ist auch Wahlarzt und bietet als Facharzt neurologische und psychiatrische Leistungen an. Er arbeitet zudem aktuell als Konsiliararzt in einem Krankenhaus (siehe XXXX im Fachbereich Neurologie und Psychiatrie.
Wenn seitens der BF2 zusammengefasst angeführt wurde, dass der Sachverständige vor allem im Fachgebiet Neurologie, insbesondere der Geriatrie, neurologischer Intensivmedizin und Schlafmedizin tätig ist, wird dies nicht in Abrede gestellt, dadurch hat die BF2 jedoch nicht begründet, warum der Sachverständige nicht in der Lage sei eine psychiatrische Erkrankung bzw. die Einvernahmefähigkeit der BF2 festzustellen und damit verbundene Themenbereiche zu erörtern. Nach dem Gesagten erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob die Ausbildung nach dem Ärzte-Ausbildungsordnung 1994 und 1974 die Facharztrichtungen "Psychiatrie" einerseits und "Neurologie" andererseits unterschiedliche Inhalte aufweisen.
In einer Gesamtbetrachtung ist folglich den Erläuterungen und Feststellungen des Gutachters Folge zu leisten und konnte die BF2 keine substantiierten Einwände dagegen vorbringen.
Die BF2 hat zudem keine substantiierten Ausführungen getätigt, inwiefern das im gegenständlichen Verfahren erstellte Gutachten nicht der Wahrheit entspricht bzw. unschlüssig sei.
Der Wille der Beschwerdeführer, einer Arbeit zugehen, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführer vor dem erkennenden Gericht, wonach sie beide arbeiten gehen wollen und die BF2 als XXXX auch von zuhause arbeiten könne (vgl. VHS XXXX , S, 20). Ferner geht auch aus dem von der BF2 im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ hervor, dass die BF2 trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlich auf einem geschützten Arbeitsplatz oder einem Integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.
Dass der BF1 die BF2 pflegt und im Alltag unterstützt ergibt sich aus den unwiderlegten Angaben des BF1 (vgl. u.a. VHS vom XXXX , S 19). Der Besuch des Kurses „Kinaestethics Pflegende Angehörige“ durch den BF1 wird durch das im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vorgelegte Zertifikat bestätigt.
Dass die BF1-2 von staatlichen Leistungen leben, über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel verfügen und von der XXXX durch einen Beitrag zu den Mietkosten finanziell unterstützt werden, ist dem Betreuungsinformationssystem, den gleichlautenden Angaben der BF1-2 und dem Schreiben von XXXX vom 20.10.2019 (vgl. BF1: OZ 11, BF2: OZ 13) zu entnehmen.
Der Besuch von Deutschqualifizierungsmaßnahmen sowie die Ablegung von Deutschprüfungen bzw. der Integrationsprüfung ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen und Zeugnissen. (vgl. BF1: AS 121-125, OZ 5, OZ 11; BF2: AS 153-157, OZ 7, OZ 13)
Dass der BF1 seinen iranischen Führerschein in einen österreichischen Führerschein, umschreiben ließ, konnte anhand des im Verwaltungsakt befindlichen diesbezüglichen Führerscheinantrag festgestellt werden. (vgl. BF1: AS 95)
Dass die BF1-2 in Österreich über keine Familienangehörigen verfügen, ergibt sich aus deren übereinstimmenden, unwiderlegten Angaben.
Die Kontakte der BF1-2 zur XXXX seit 2016 und die Teilnahme an Sonntagsgottesdiensten bzw. dem Bibelkreis der Gemeinde gehen aus dem Schreiben von XXXX vom 20.10.2019 und dem inhaltlich fast gleichlautenden Schreiben der Gemeindeleitung vom 30.05.2021 hervor. (BF1: OZen 11, 16; BF2: OZen 7, 13)
Dem Schreiben ist ebenso zu entnehmen, dass die BF1-2 soziale Kontakte zu den Gemeindemitgliedern pflegen und diese die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Erkrankung der BF2 unterstützen.
Die Taufe der BF1-2 am XXXX in der XXXX konnte durch die vorgelegten Taufkurkunden und dem undatierten Schreiben des Obmannes der Glaubensgemeinde XXXX belegt werden. (BF1: AS 71f., OZ 11; BF2: AS 63,69, OZ 13)
Dass die BF1-2 in Österreich strafrechtlich unbescholten sind, geht aus der Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich hervor.
II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten – immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).
Die BF1 und der BF2 traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.
Anzumerken ist in diesem Kontext zweifelslos, dass aus der Berichtslage ableitbar ist, dass es im Iran nur eine in eingeschränktem Maße bestehende Religions- und Glaubensfreiheit gibt. So ist bspw. Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein.
Zu den größten menschenrechtlichen Problemen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt.
Zwar ist die Menschenrechtslage im Iran äußerst prekär, anhand der Auskunftslage kann nicht festgestellt werden, dass auch für jeden Bürger im Iran dadurch eine Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, vielmehr muss eine aktuelle Gefahr eigener und persönlicher Betroffenheit bestehen.
Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die den Beschwerdeführern im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Iran zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation der Beschwerdeführer in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie den Iran mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.
II.2.4. Das Vorbringen der BF1-2, sie hätten sich bereits im Iran dem Christentum zugewandt, wovon die iranischen Behörden Kenntnis erlangt hätten und hätten aufgrund ihrer religiösen Gesinnung bzw. Konversion zum christlichen Glauben bei ihrer Rückkehr mit Verfolgungshandlungen des iranischen Staates zu rechnen, wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.
Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Die BF1-2 wurden im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass ihre Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Die BF1-2 wurden zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurden darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.
Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist ( vgl. die Erkenntnisse vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0117, und vom 24. September 2014, Ra 2014/19/0084). Ähnlich fordert auch der Verfassungsgerichtshof, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012).
II.2.4.1. Dem BFA ist zuzustimmen, wenn es anführt, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der BF1-2 bestehen. Die BF1-2 konnten auch keine von innerer Überzeugung getragene Konversion zum Christentum glaubwürdig darlegen.
Zunächst ist auf das markant divergierende Vorbringen der BF1-2 in der Erstbefragung im Vergleich zu jenem in der späteren behördlichen Einvernahme hinzuweisen.
So brachten die BF1-2 im Rahmen der Erstbefragung zusammengefasst und übereinstimmend vor, dass sie ihre Religion gewechselt hätten und vor XXXX , im Jahr XXXX getauft worden seien, weswegen ihnen im Iran die Todesstrafe drohe. Der Vater des BF1 habe – wie vom BF1 ferner dargelegt – von der Konversion des BF1 erfahren, weshalb sein Leben in Gefahr sei.
Auch in ihren behördlichen Einvernahmen begründeten die BF1-2 ihre Asylantragstellung mit ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben und den damit in Zusammenhang stehenden Gefahren, steigerten ihr Vorbringen aber insofern, als sie behaupteten, dass ihr christliches Interesse unbekannten Personen bzw. iranischen Behörden während ihres Aufenthaltes in Österreich bekannt geworden und es zu einer Durchsuchung ihrer Wohnung im Iran gekommen sei. Die Mutter der BF2 habe sie am Tag vor der geplanten Heimreise über den Vorfall informiert und berichtet, dass christliche Zeichen zerstört und Bücher bzw. Notizen mitgenommen worden seien. Sie und der Vater des BF1 hätten die BF1-2 daraufhin davor gewarnt, in den Iran zurückzukehren.
Soweit Ungereimtheiten zwischen den Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde von der belangten Behörde ins Kalkül gezogen und letztlich auch vom BVwG beachtet wurden, ist im Hinblick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.6.2012, U 98/12, festzuhalten, dass die vom Höchstgericht aufgezeigten besonderen Aspekte einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht verkannt werden. Es kann jedoch nicht sein, dass den Angaben vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Ausreisegrund generell kein Beweiswert zukommt, sondern sind im Rahmen einer Beweiswürdigung lediglich die Spezifika einer solchen Befragung zu berücksichtigen. Darüber hinaus stellt die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die erste sich dem Antragssteller bietende Möglichkeit dar, vor den Organen jenes Staates, den er für gewillt und befähigt hält, ihm Schutz vor Verfolgung zu gewähren, darzulegen aus welchen Gründen er diesen Schutz begehrt.
Die BF wurden zudem im Zuge ihrer Erstbefragung darauf hingewiesen, dass ihre Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung sind. Sie wurden aufgefordert wahre und vollständige Angaben zu machen bzw. hingewiesen, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben können. Die BF1-2 gaben überdies an, dass sie an keinen Beschwerden oder Krankheiten leiden würden, die sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Erst nach Rückübersetzung fügte die BF2 hinzu, seit XXXX an Multipler Sklerose zu leiden, brachte jedoch nicht vor, dass sie deswegen nicht in der Lage gewesen sei, die Fragen im Rahmen der Erstbefragung wahrheitsgemäß und schlüssig zu beantworten. Weder in ihrer Beschwerde noch im Zuge der Befragung vor dem BFA brachten die BF1-2 von sich aus vor, dass sie in der Erstbefragung gehindert waren ihre Fluchtgründe darzulegen. Folglich gibt es keine Hinweise darauf, dass die BF1-2 nicht schlüssig darlegen konnten, warum sie um Asyl angesucht haben.
Ergänzend ist hervorzuheben, dass der BF1 vor dem BFA zwar Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Erstbefragung geltend machte, diese sich jedoch allein auf die Fehlprotokollierung der Glaubensrichtung (Katholizismus) des BF1 und nicht auf das konkrete Fluchtvorbringen bezogen (AS 111, 113).
Mit Blick auf diese Erwägungen waren die Angaben der BF1-2 in der Erstbefragung im Vergleich zu jenen in den Einvernahmen vor dem BFA in maßgeblicher Weise inkonsistent bzw. divergierend.
Insbesondere erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, weshalb weder der BF1 noch die BF2 das Telefonat mit der Mutter der BF2 und in der Folge die Durchsuchung ihrer Wohnung und die Zerstörung bzw. Beschlagnahme christlicher Gegenstände, welche auf eine tatsächliche Kenntnis unbekannter Personen bzw. iranischer Behörden vom christlichen Interesse der BF1-2 und damit auf drohende Gefahren hindeuten, nicht erwähnten.
Im Hinblick darauf, dass dieses Gespräch laut Angaben der BF1-2 vor dem BFA ausschlaggebend für die Asylantragstellung gewesen sei und nur kurze Zeit davor stattgefunden habe, ist nicht nachvollziehbar, dass die BF1-2 im Rahmen der Erstbefragung diesbezüglich keinerlei Angaben machten. Das Aussageverhalten der BF1-2 wiederspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach davon auszugehen ist, dass eine Person bei der Schilderung ihrer Asylgründe mit dem eindringlichsten Erlebnis beginnt. Dies auch dann, wenn in der Erstbefragung sämtliche Details noch nicht erwartet werden können.
Die Nichterwähnung dieses Vorfalls durch den BF1 und die BF2 lässt daher bereits an dieser Stelle darauf schließen, dass das von ihnen erstatteten Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sondern lediglich für das Asylverfahren konstruiert wurde.
In Bezug auf den BF1 ist ferner festzuhalten, dass er mit seiner Aussage im Rahmen der Erstbefragung, wonach sein Vater erfahren habe, dass er nun Christ sei und sein Leben deshalb in Gefahr sei, den unzweifelhaften Eindruck erweckte, dass die im Herkunftsstaat drohende Gefahr primär von seinem Vater ausgehe, dem sein christliches Interesse erst kürzlich bekannt geworden sei.
Dem widerstreiten jedoch sämtliche Angaben des BF1 vor dem BFA, in denen er keinerlei Befürchtungen aufgrund des Wissens seines Vaters von der Konversion äußerte, sondern sogar erklärte, sein Vater habe den BF1-2 von einer Rückkehr in den Iran aufgrund drohender Gefahren abgeraten bzw. sie davor gewarnt. Die Eltern des BF1 hätten – wie vom BF1 weiter dargelegt – schon seit XXXX (von der behördlichen Einvernahme zurückgerechnet somit bereits seit XXXX und weit vor der Reise nach Österreich) von seinem Interesse am christlichen Glauben gewusst und sei der Vater des BF1 zwar dagegen (gewesen), wolle jedoch nicht, dass der BF1 sterbe (AS 114). Dass der Vater des BF1 somit (Mit-)Grund für dessen Asylantragstellung gewesen sei, ist angesichts dieser Aussagen des BF1 ausgeschlossen und wirft auch diese Divergenz Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF1 auf.
Auf Vorhalt dieser Ungereimtheiten durch den behördlichen Einvernahmeleiter, erklärte der BF1 zunächst, „damals“ (Anmerkung: während der Erstbefragung) nur gefragt worden zu sein, woher sie wüssten, dass jemand in der Wohnung gewesen sei, womit er sich jedoch nur weiter in Widersprüche verstrickte, da im Rahmen der Erstbefragung eben keine Angaben die Wohnung der BF1-2 betreffend gemacht wurden und folglich auch keine Fragen in diese Richtung gestellt werden konnten.
Wenn der BF1 schließlich auf erneuten Vorhalt behauptet, „anders“ gefragt worden zu sein, nicht detailliert erzählen gekonnt zu haben und unter Druck gestanden zu sein, ist dies nach Ansicht des erkennenden Gerichts als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren, die nicht geeignet ist, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF1 zu beseitigen. Insbesondere darf hier erneut hervorgehoben werden, dass der BF1 am Beginn der behördlichen Einvernahme zwar „Unstimmigkeiten“ im Protokoll der Erstbefragung geltend machte, diese jedoch nicht Widersprüche im konkreten Fluchtvorbringen betrafen und der BF auch nicht vorbrachte aufgrund von Stress, Druck oder sonstigen Umständen gehindert gewesen zu sein, schlüssige Angaben zu machen.
Schließlich ist in diesem Konnex hervorzuheben, dass die BF1-2 im Rahmen der Erstbefragung gleichlautend vorbrachten, vor XXXX getauft worden zu sein, während sie vor dem BFA diesbezüglich keine Angaben machten bzw. wie im Falle der BF2 eine Taufe im Iran dezidiert verneinten (vgl.: BF1: AS 116; BF2: AS 105).
Von der erkennenden Richterin auf diesen Widerspruch hingewiesen, war weder der BF1 noch die B2 in der Lage, diesen zu erklären bzw. auszuräumen. Vielmehr versuchten sie ihre divergierenden Angaben pauschal in Abrede zu stellen bzw. auf mögliche Dolmetscherprobleme zurückzuführen (vgl. VHS vom XXXX , S 8 und 18), womit sie das erkennende Gericht jedoch nicht überzeugen konnten.
Auch dieser – nach Ansicht des erkennenden Gerichts gravierende – Widerspruch im Vorbringen der BF1-2 wirkt sich zur Lasten ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit aus und lässt abermals den Rückschluss darauf zu, dass die von den BF1-2 gemachten Angaben nicht der Wahrheit entsprechen.
Abgesehen von den Differenzen im Vergleich zur Erstbefragung widersprachen die BF1-2 einander auch mehrfach vor dem BFA bzw. dem erkennenden Gericht.
Die BF1-2 gaben zwar gleichlautend an, dass sie durch die ehemalige XXXX der BF2 vom Christentum erfahren hätten, doch stimmen die Aussagen der BF1-2, wie der Kontakt zur XXXX entstanden sei, nicht überein. Während der BF1 nämlich sowohl vor dem BFA als auch dem erkennenden Gericht erklärte, dass er die XXXX für seine Ehefrau gefunden bzw. organisiert habe (vgl. BF1: AS 113, VHS XXXX , S 9), meinte die BF2, dass ihr eine Freundin sowohl den Besuch eines Kurses als auch die Trainerin vorgeschlagen habe (VHS XXXX , S 17).
Auf diesen Widerspruch angesprochen, führte die BF2 ausweichend an, dass es sich dabei wahrscheinlich um ein Missverständnis handle und ihr Mann die XXXX beim Training unterstützt habe. Da der BF1 jedoch explizit erklärte, die Trainerin gefunden bzw. organsiert zu haben, während von einer Unterstützung nie die Rede war, scheint diese Erklärung der BF2 ein bloßer Vorwand bzw. eine ungeeignete Erklärung zu sein und ist daher nicht geeignet, diesen – nach Ansicht des erkennenden Gerichts gravierenden – Widerspruch auszuräumen.
In diesem Zusammenhang ist ferner anzuführen, dass laut Schilderungen der BF1-2 vor dem erkennenden Gericht die XXXX der BF2 eine Privattrainerin gewesen sei, die die BF2 alleine bei ihnen zuhause trainiert habe. (VHS XXXX , S 9,17) Dem stehen jedoch jene Angaben der BF2 in der behördlichen Befragung, wonach „dort mehrere“ den XXXX besucht haben und sie am Anfang nicht gewusst habe, dass „dort“ auch Christen gewesen seien, entgegen (BF2: AS 107f.). Ferner spricht auch der BF1 vor dem BFA davon, dass „auch andere Mitglieder des XXXX zu ihnen gekommen seien, um den christlichen Glauben gemeinsam zu praktizieren, womit er ebenfalls den Eindruck erweckt, als hätte es sich bei dem Kurs um kein Privattraining gehandelt (BF1: AS 115). Auch diese Divergenz in den Angaben der BF1-2 ist nicht nachvollziehbar, ist doch davon auszugehen, dass die BF1-2 die konkreten Umstände des XXXX , insbesondere, ob dieser privat zuhause oder an einem anderen Ort mit weiteren Kursteilnehmern stattgefunden hat, im Gedächtnis behalten und gleichbleibend und vor allem konkreter wiedergeben können.
Dass die BF2 tatsächlich XXXX erhalten hat und die BF1-2 in der Folge durch die XXXX über das Christentum erfahren bzw. gelernt haben, ist angesichts dieser Erwägungen erheblich anzuzweifeln.
In diesem Konnex ist vorwegzunehmen, dass auch die Begründung der BF1-2, wie ihr Interesse am Christentum entstanden sei – unabhängig von den divergierenden, inkonsistenten Angaben der BF1-2 zum Kontakt mit der XXXX – nicht glaubhaft ist und die behauptete Konversion stark in Zweifel zu ziehen ist.
Übereinstimmend berichteten die BF1-2 vor dem BFA, dass ihr Interesse am Christentum durch ein „Wunder“ geweckt worden sei. Ein Traum der BF2 von Jesus, der dazu geführt habe, dass die BF2 wieder stehen bzw. gehen können habe und keine Medikamente mehr gebraucht habe (vgl. BF1: AS 115; BF2: AS 107, 111).
Dazu ist anzuführen, dass die vermeintliche „Heilung“ der BF2 der dem erkennenden Gericht zur Kenntnis gebrachten Krankengeschichte der BF2 eindeutig widerspricht. Wie sich aus den verschiedenen vorgelegten medizinischen Unterlagen ergibt, insbesondere dem Ambulanzbericht des Klinikums XXXX vom 24.08.2016 (BF2: AS81), war die BF2 seit ihrer MS- Diagnose XXXX durchgehend im Iran in Behandlung und hat verschiedene Medikamente erhalten. Die erste Symptomatik sei eine Sehstörung am linken Auge gewesen. Die BF2 sei mit Kortison behandelt worden. Ein Jahr hätte die BF Azathiopren eingenommen bzw. bis vor zwei Jahren (ca. XXXX ) Rebif. Dann sei eine Therapie mit Prednisolon und Imurek begonnen worden. Zum Beweis dafür legte die BF2 den behandelnden Ärzten in Österreich einen Arztbrief in der Sprache Farsi vor. Die Erkrankung der BF2 begann mit Schüben, mittlerweile liegt ein kontinuierlich fortschreitender Verlauf vor. Eine plötzliche Besserung ihres Zustandes bzw. eine daraus folgende Beendigung der Therapie ist aus den medizinischen Unterlagen hingegen nicht abzuleiten, weshalb das Vorbringen der BF1-2 als vergeblicher Versuch gewertet werden muss, persönliche Beweggründe für ihre Hinwendung zum Christentum zu konstruieren, die ihn Wirklichkeit jedoch nicht gegeben sind.
Da sich das von den BF1-2 beschriebene Schlüsselerlebnis somit nicht tatsächlich ereignet haben kann, müsste die behauptete Hinwendung der BF1-2 zum christlichen Glauben auf anderen Gründe basieren.
Von diesem „Wunder“ abgesehen nannten die BF1-2 jedoch im Laufe der behördlichen Einvernahme an keiner Stelle (konkrete) Punkte oder Themenbereiche im Christentum, die sie besonders faszinierten, innerlich berührten, näher und länger beschäftigten und schließlich überzeugten, sich dem Christentum anschließen zu wollen. Sie gaben auch keine Inhalte von Gesprächen, die sie mit der XXXX über Jesus und das Christentum geführt haben, wieder, erklärten nicht, was sie von dieser (aus der Bibel) lernten oder welche Notizen sie sich anfertigten. Schließlich beantworteten sie auch die (konkrete) Frage der erkennenden Richterin, welcher Umstand für ihre Entscheidung Christen zu werden, maßgeblich gewesen sei, lediglich vage und floskelhaft (vgl. VHS XXXX , S 9, BF1: Nachdem wir dieser Trainerin näherkamen und sie uns besser kennengelernt hat, hat sie uns beide missioniert. Sie war gebürtige Christin. Sie hat vom Christentum gesprochen und sagte, dass der einzige Weg zur Erlösung, der Glaube an Jesus und an das Christentum ist.
VHS XXXX , S 17, BF 2: Sie hat mehrmals versucht uns klarzumachen, dass er einzige Wege, dass man gerettet und erlöst wird von den Schwierigkeiten im Leben, ist nur der Glaube an Jesus Christus. Mit dem Glauben an Jesus wird man erlöst.).
Die Ausführungen der BF1-2, wie ihr Interesse am Christentum entstanden sei, lassen somit gravierende Zweifel an der ernsthaften beginnenden Hinwendung zu einem neuen Glauben entstehen, da von tatsächlich konvertierten Personen diesbezüglich nachvollziehbare und umfassendere Angaben, vor allem auch in spiritueller Hinsicht erwartet werden können, was bei den Antworten beider Beschwerdeführer, die sich auf oberflächliche und inhaltsleere Aussagen, wie beispielsweise „der Glauben an Jesus und das Christentum sei der einzige Weg zur Erlösung“ beschränkten, keineswegs der Fall war. Diese Erklärung der BF1-2 lässt jegliche Begeisterung für die neue Religion und deren konkrete Glaubensinhalte vermissen und lässt weder einen inneren Bezug bzw. persönliche Gedanken der BF1-2 über das Christentum noch eine tatsächlich intensive Auseinandersetzung mit diesem erkennen. Die BF1-2 beteuerten im Verfahren zwar mehrmals ihren Glauben an Jesus und das Christentum, da sie mit Ausnahme der Nennung gewisser Schlagworte wie Liebe, Demut und Vergebung jedoch keine weiteren Eckpunkte, Glaubenssätze oder Inhalte des Christentums zum Ausdruck brachten oder erklären konnten, was sie daran begeistere, ist fraglich woran die BF1-2 nun konkret glauben, um dadurch die von ihnen genannte Erlösung zu erfahren.
Was die BF1-2 am Christentum tatsächlich überzeuge, kam somit bis zuletzt nicht hervor.
Insbesondere aufgrund dessen, dass die BF1-2 vor dem BFA angaben, nicht immer gläubig gewesen zu sein (BF2) bzw. keinen Glauben gehabt zu haben (BF1), wäre einer überzeugenden Darlegung ihrer Motivation, weshalb sie sich dem Christentum zugewandt haben, aber eine besondere Bedeutung zugekommen.
Sofern die BF1-2 im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erklärten an Hauskirchentreffen teilgenommen zu haben, kann auch dieser Behauptung aufgrund inkonsequenter, widersprüchlicher und vager Angaben der BF1-2 kein Glaube geschenkt werden.
Insbesondere ist hervorzuheben, dass weder der BF1 noch die BF2 vor dem BFA den Besuch einer Hauskirche explizit erwähnten. Zwar gaben sie übereinstimmend an, dass die XXXX zu ihnen gekommen sei und ihnen die Bibel gelehrt habe, dass es sich dabei um eine Hauskirche gehandelt habe, ist ihren Angaben jedoch nicht zu entnehmen, weshalb von einer weiteren unglaubwürdigen Steigerung des Vorbringens der BF1-2 auszugehen ist, die ihre bisherigen Angaben, insbesondere die Kenntnis unbekannter Personen bzw. iranischer Behörden von ihrem christlichen Interesse, im Nachhinein plausibler gestalten soll.
Die BF1-2 stützten ihre Verfolgungsfurcht bis zur Beschwerdeverhandlung nur auf Vermutungen und Spekulationen, während mit Tatsachen untermauerte Angaben zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlten.
Die behauptete Kenntnis unbekannter Personen bzw. gar staatlicher Behörden von ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben, begründeten sie bisher allein mit der vermeintlichen Durchsuchung ihrer Wohnung, wobei sie jedoch nicht beantworten konnten, wer die Personen, die ihre Wohnung durchsucht hätten, gewesen seien oder woher irgendjemand von ihrer Konversion wissen sollte (BF1: AS 114, 115; BF2: AS 109). Dass gegen die BF1-2 aufgrund ihres Religionswechsels tatsächlich Ermittlungen eingeleitet wurden und Verfolgungsmaßnahmen gesetzt wurden bzw. werden, stellte eine reine Mutmaßung der BF1-2 dar. Bis zum Zeitpunkt der Einvernahme beim BFA, welche XXXX nach der Asylantragstellung stattfand, sei es nämlich zu keinen weiteren Vorfällen gekommen, hätte bei ihren Verwandten niemand nach ihnen gefragt und hätten sie keine polizeilichen oder gerichtlichen Anordnungen/Verfügungen oder sonstige Schriftstücke erhalten, welche ihre Vermutung bestätigt hätten (BF1: AS 116; BF2: AS 113).
Erst vor dem erkennenden Gericht, berichteten die BF1-2 schließlich von der Verhaftung von Herrn XXXX , einem Mitglied der von ihnen besuchten Hauskirche, der die BF1-2 wohlmöglich verraten habe, wobei es sich hierbei nach Ansicht des erkennenden Gerichts um einen Versuch handelt, ihr Vorbringen im Nachhinein schlüssig erscheinen zu lassen und ihre persönliche Bedrohungssituation zu verdeutlichen (vgl. VHS XXXX , S 10; VHS XXXX , S 12, 17).
Zwar hätten die BF1-2 zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme vom BFA noch nichts von der Verhaftung gewusst und sie deswegen auch nicht vorbringen können, jedoch hätten sie davon schon wenige Monate (BF1: vier Monate; BF2: drei oder fünf Monate) nach der Befragung erfahren, weshalb ihnen bis zur Bescheiderlassung im XXXX genügend Zeit zur Verfügung stand, um der Behörde diese – für ihr Verfahren wohl relevante – Information mitzuteilen. Dies wurde von den BF1-2 jedoch unterlassen und auch in der Beschwerde keinerlei Angaben in diese Richtung gemacht oder beim erkennenden Gericht eine diesbezügliche Stellungnahme eingebracht.
Diese Vorgehensweise der BF1-2 ist jedoch keineswegs nachvollziehbar, stellt gerade die Verhaftung eines Mitgliedes ihrer Hauskirche ein wesentliches Indiz dafür dar, dass auch die Beschwerdeführer in Gefahr sind und lässt das Zurückhalten derartiger Information bis zur Beschwerdeverhandlung darauf schließen, dass diese nicht den Tatsachen entspricht.
Dass sich die BF1-2 im Iran jedoch mit keinen weiteren Personen getroffen und über das Christentum ausgetauscht, geschweige denn eine Hauskirche besucht bzw. abgehalten haben, wird auch durch nachfolgende Aussagen der BF1-2 verdeutlicht.So gaben die BF1-2 die Teilnahme weiterer Personen an den Treffen mit der XXXX , erst nach konkreter Nachfrage des Einverahmeleiters bekannt, wobei die BF2 die Frage nach Treffen mit Gleichgesinnten zuerst verneinte und erst auf erneute Nachfrage hin meinte, dass manchmal auch andere Personen anwesend gewesen seien (BF1: AS 115; BF2: AS 107). Nach dem Tod der XXXX ungefähr im Jahr XXXX seien nach Angaben des BF1 ferner nur mehr sehr selten andere Mitglieder des XXXX zu ihnen gekommen. Die BF1-2 hätten den Glauben von da an nur mehr zu zweit praktiziert (BF1: AS 115).
Diesen Aussagen der BF1-2 vor dem BFA stehen jene der BF2 vor dem erkennenden Gericht, wonach sie circa ab dem Jahr XXXX lang regelmäßig einmal in der Woche eine Hauskirche besucht bzw. bei ihnen zuhause abgehalten haben, jedoch diametral entgegen (VHS XXXX , S 13).
Es ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts keineswegs nachvollziehbar, dass die BF1-2 nach ihrer Glaubenspraxis im Iran befragt, einen mehrjährigen, regelmäßigen Besuch bzw. die Veranstaltung von Hauskirchentreffen bei ihnen zuhause nicht erwähnten bzw. derart divergierenden Aussagen tätigten.
Nur ergänzend darf in diesem Zusammenhang angemerkt werden, dass die BF2 es auch nicht vermochte, die Versammlungen in einer Hauskirche konkret und detailliert zu beschreiben, was ebenfalls gegen deren Existenz spricht. Über Aufforderung vor Gericht, etwas über die Hauskirche zu erzählen, erklärte die BF2 allgemein und abstrakt: „Wir waren insgesamt zwischen sechs und 7 Personen, die regelmäßig teilgenommen haben. Diese Hauskirchensitzungen haben ca. eine Stunde bis eineinhalb Stunden gedauert. Manchmal dauerte es länger, weil ein Teil aus der Bibel gelesen wurde, mit dem man sich beschäftigt hat.“ (VHS XXXX , S 13).
Dass die BF1-2 tatsächlich an Hauskirchentreffen teilgenommen haben, lässt sich aus dem soeben zitierten substanzlosen Vorbringen, welches sich auf die Anzahl der Teilnehmer und Dauer der Treffen sowie darauf reduziert, dass die Bibel gelesen worden sei, nicht ableiten, da dies auch von jeder Person angegeben werden könnte, die nicht an Hauskirchen teilgenommen hat, handelt es sich bei den von der BF2 gemachten Angaben, um Inhalte, die einerseits einer christlichen Hauskirche (Lesen der Bibel) zuzuordnen sind, andererseits jede andere Veranstaltung (Dauer und Anzahl der Teilnehmer) betreffen können. Diese Ausführungen lassen jedoch keinerlei Rückschlüsse auf persönliche, individuelle Eindrücke und Erlebnisse der BF2 zu.
Gerade von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewandt hat und welche die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnimmt, an einer Hauskirche teilzunehmen, müssten solche Erlebnisse doch mit zahlreichen Emotionen verknüpft und von äußerster Einprägsamkeit sein, weshalb bei tatsächlicher Teilnahme umfassendere und detaillierte Angaben erwartet werden können, welche von der BF2 jedoch nicht gemacht wurden.
Zusammenfassend ist anzuführen, dass aufgrund der widersprüchlichen und vagen Angaben der BF1-2 nicht davon auszugehen ist, dass sich diese im Iran tatsächlich mit dem Christentum beschäftigt, den Glauben praktiziert und an Hauskirchentreffen teilgenommen haben. Folglich ist auch eine daraus resultierende Verfolgung der BF1-2 nicht glaubhaft.
Dazu ist ergänzend anzumerken, dass die BF1-2 zwar übereinstimmend von einer Dursuchung und einem „Durcheinanderbringen“ ihrer Wohnung und den darin befindlichen Gegenständen erzählten, wobei Notizen und (Tage-)Bücher weggenommen und christliche Zeichen zerstört worden seien (BF1: AS 113, 115; BF2: AS 105, 109), Von der erkennenden Richterin nach den zerstörten „christlichen Zeichen“ befragt, unterschieden sich die Antwort der BF1-2 jedoch. Vor allem fällt auf, dass die BF2 das Kreuz, welches laut Angaben des BF1 an der Wand angebracht gewesen und während der Wohnungsdurchsuchung zerstört worden sei, in ihren Ausführungen nicht erwähnte, sondern lediglich von der Bibel und ihrem Tagebuch berichtete (VHS XXXX , S 9, 16). Diese seien jedoch nach bisherigen Angaben der BF1-2 nicht zerstört, sondern mitgenommen worden, weswegen die Antwort der BF2, woher ihre Mutter von der Zerstörung dieser Gegenstände wissen konnte (vgl. VHS XXXX , S 16: Meine Mutter hat uns erzählt, dass Einbrecher bei uns zu Hause waren. Wir haben ihr gesagt, dass sie dorthin gehen soll und alles anschauen soll. Sie hat es gemacht und erzählte, was kaputt war…), nicht stimmen kann.
Zu weiteren, konkret gegen sie gerichteten Verfolgungsmaßnahmen, machten die BF1-2 schließlich auch in der Beschwerdeverhandlung keinerlei Angaben.
Die BF1-2 haben, nicht von sich aus von weiteren, insbesondere auch aktuellen Verfolgungsmaßnahmen berichtet, geschweige denn von konkreten schriftlichen Dokumenten, die sie auch dem Gericht hätten vorlegen können.
Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass die BF1-2 nicht aus eigenem Antrieb weitere konkretere Erkundigungen eingezogen haben, die auf einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfolgungsgefahr für sie selbst hindeuten.
Gerade wenn jemand verfolgt wird - und damit sein Asylbegehren begründet -, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den österreichischen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung haben die BF1-2 jedoch nichts Substanzielles vorgetragen. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass gegen die Beschwerdeführer überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.
Zur Konversion der Beschwerdeführer in Österreich:
Angesichts der beweiswürdigenden Ausführungen zum Fluchtgrund der BF1-2, wonach zusammengefasst nicht davon auszugehen ist, dass sich diese bereits im Iran mit dem Christentum auseinandergesetzt haben, kann seitens der Beschwerdeführer ein Interesse am Christentum erst in Österreich entstanden sein. Das erkennende Gericht geht jedoch davon aus, dass eine Person, die vom Islam abfällt und folglich behördliche Verfolgung und den Tod zu fürchten hat, vor ihrer inneren Konversion einen gewissen Nachdenk- und Findungsprozess durchläuft. Ein derartiger Prozess konnte bei näherer Betrachtung der Angaben der Beschwerdeführer jedoch nicht erkannt werden.
Vor allem drängt sich schon durch die Vorgehensweise der Beschwerdeführer, dem Besuch einer Kirchengemeinde innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Einreise, der Eindruck auf, dass die BF1-2 die erste Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit einer christlichen Gemeinschaft nutzten, um einen Fluchtgrund zu generieren.
Von Personen, die den christlichen Glauben kennenlernen und eine Beziehung zu Gott aufbauen möchten, ist jedoch zu erwarten, dass sie sich grundsätzlich grundlegende Kenntnisse über das Christentum und die entsprechende Glaubensgemeinschaft aneignen, um sich bewusst für die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft entscheiden zu können. Sind sie doch frei in der Entscheidung, welcher Glaubensgemeinschaft sie sich anschließen.
Wenn die Beschwerdeführer – wie im vorliegenden Fall – jedoch nur oberflächlich darlegten, dass sie die Glaubensgemeinde XXXX bzw. im Folgenden die XXXX besuch(t)en, da ihnen diese durch Frau XXXX empfohlen worden sei (VHS XXXX , S 6, 14) zeigt dies, dass es den BF1-2 zweckmäßig erschien, sich diesen Glaubensgemeinschaften anzuschließen. Eine reife persönliche Entscheidung für die Zugehörigkeit zu diesen Gemeinschaften kann hingegen nicht erkannt werden. Insbesondere weist auch das Nichterwähnen der XXXX -Kirche durch den BF1, obwohl er konkret nach Glaubensgemeinschaften, mit denen er seit seiner Einreise in Österreich Kontakt hatte, gefragt wurde, auf eine mangelnde Beschäftigung bzw. ein Desinteresse an der von ihm besuchten Gemeinde hin.
Auch die Taufe am XXXX und somit nur wenige Monate nach der Asylantragstellung bestätigt den Eindruck, dass die Beschwerdeführer sich nicht aufgrund eines ernsthaften und aufrichtigen Interesses, sondern zur Erlangung von Asyl dem Christentum anschlossen, hätten sie sich ansonsten mehr Zeit genommen, das Christentum näher kennenzulernen und sich damit intensiv zu beschäftigen, bevor sie sich zum Empfang der Taufe entschieden. Zwar gaben die BF1-2 an, vor der Taufe einen „Glaubenskurs“ besucht zu haben (VHS XXXX S 7, 8, 15), dass dieser besonders umfassend und ausführlich gewesen ist, kann schon allein aufgrund der Dauer nicht angenommen werden. Ferner lassen die Angaben des BF1, wonach der Glaube und die Beichte für die Taufe reichen würden, darauf schließen, dass weder für die Glaubensgemeinschaft noch für die Beschwerdeführer eine ernsthafte Vorbereitung und nähere Auseinandersetzung mit dem Christentum für eine Taufe notwendig sei (vgl. dazu VHS XXXX , S 7: RI: Haben Sie vor Ihrer Taufe ein Glaubensgespräch geführt, Kurse besucht, etc.? P: Im Christentum reicht es, wenn man mit dem Herzen sich zu Jesus bekennt und an ihn glaubt und beichtet. Mit dem Glauben und der Beichte reicht es, dass man sich taufen lassen kann. RI wiederholt die Frage und stellt die Frage: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie vor Ihrer Taufe keine Kurse besucht haben? P: Natürlich. Davor haben wir am Glaubensunterricht teilgenommen. Für den Pastor war wichtig, sich zu Jesus zu bekennen und die Beichte. Er war derjenige, der uns gefragt hat, wollt ihr euch taufen lassen, dann sagten wir ja.).
Zum Ablauf dieses Glaubenskurses befragt, konnte der BF1 auch keine konkreten inhaltlichen Angaben dazu treffen, sondern führte vage und abstrakt aus, dass sie von Frau XXXX unterrichtet worden seien und sie ihnen die Grundsätze der Bibel und des Christentums gelehrt habe. Er könne aber nicht sagen, wie oft sie zu ihnen gekommen sei; manchmal sei sie zweimal in der Woche, manchmal weniger oder mehr gekommen (VHS XXXX , S 7,8). Die BF2 erklärte nach Kursen vor der Taufe befragt ebenfalls, von XXXX aus der Bibel unterrichtet worden zu sein, wobei sie für die anderen übersetzt habe. Nähere Ausführungen zum Inhalt oder Ablauf des Kurses unterließ die BF2 (VHS XXXX , S 15).
Auch diese Beschreibungen der Beschwerdeführer, insbesondere des BF1, lässt Rückschlüsse auf die mangelnde Ernsthaftigkeit der Konversion zu, ist von einer Person, welche sich tatsächlich für einen neuen Glauben interessiert und sich für den Schritt zur Taufe entschieden hat, zu erwarten, dass diese von sich aus umfassendere Angaben zum Taufvorbereitungskurs macht, etwa über Bibelstellen, welche sie besonders beeindruckt oder beschäftigt haben, über diskutierte Fragen und Ansichten im Kurs sowie über grundsätzliche, einprägsame Kursinhalte und eigene spirituelle Gedanken und Ansichten wiedergibt, was jedoch nicht geschehen ist, und einmal mehr keine fundierte Auseinandersetzung bzw. wenig/nicht vorhandenes Interesse der Beschwerdeführer für den christlichen Glauben indiziert.
Die Beschwerdeführer konnten auch keine individuellen Beweggründe bzw. eine persönliche Bedeutung der Taufe nachvollziehbar schildern. Auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gestellte Frage ihrer persönlichen Motivation, sich taufen zu lassen, antwortete der BF1: „In der Bibel steht, wenn man an Jesus glaubt, sich zu diesem bekennt und dann beichtet, kann man getauft werden. Das war mein Wunsch, dass ich getauft werde.“ bzw. erklärte die BF2: „Wie sie bereits wissen, mein Mann und ich haben bereits im Iran unser Herz Jesus geben, wir konnten uns leider dort nicht taufen lassen und keine offizielle Kirche besuchen können. Als wir da waren, haben sie uns erklärt, wir können uns taufen lassen. Und das haben wir dann gemacht. Es war unser Wunsch.“ (VHS XXXX , S 7, 15). Diesen vagen und schlagwortartigen Aussagen, wonach sie an Jesus glauben würden, sich zu diesem bekennen bzw. diesem ihr Herz geschenkt hätten, ist jedoch nicht zu entnehmen, warum sie für sich persönlich den Entschluss gefasst haben, sich taufen zu lassen. Dass die Entscheidung, sich taufen zu lassen, auf einer inneren religiösen Überzeugung und einem dementsprechenden Wunsch der Beschwerdeführer beruht, ist nicht erkennbar. Vielmehr brachte der BF1 deutlich zum Ausdruck, dass der Pastor, auf sie zugekommen sei und gefragt habe, ob sie sich taufen lassen wollen, der Wunsch somit nicht von den BF1-2 geäußert wurde.
Dass sich die BF1-2 lediglich haben taufen lassen, um im Asylverfahren eine Konversion anführen zu können und um eine günstigere Ausgangsposition im Asylverfahren zu erlangen, gilt aufgrund der obigen Ausführungen daher als wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung des Mangels an individueller und spiritueller Auseinandersetzung mit dem Glauben sowie der nicht nachvollziehbar dargelegten Intention für den Religionswechsel, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die BF1-2 ihren Glauben gewechselt haben. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die BF1-2 pro forma taufen ließen, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).
Obwohl der Frage, über welches religiöse Wissen ein Konvertit verfügt, kein überzogenes Gewicht beigemessen wird, ist dennoch bemerkenswert, dass die BF1-2, die sich laut eigenen Angaben bereits im Iran XXXX mit dem Christentum beschäftigt haben, in Österreich getauft wurden und Gottesdienste sowie Glaubenskurse besuchten, nicht imstande waren, im Rahmen der behördlichen Einvernahme grundlegende Fragen über den christlichen Glauben zu beantworten.
So war der BF1 zum Zeitpunkt seiner Befragung vor dem BFA unter anderem nicht in der Lage das wichtigste Gebot der Christen zu nennen, sondern ging fälschlich davon aus, dass dies das „Gebet“ sei. Ferner beantwortete er die Frage nach den wichtigsten Symbolen des Christentums inkorrekt mit „Liebe“, während die BF2 keine Angaben zur wundersamen Brotvermehrung machen konnte, sondern ausweichend erklärte, dass Brot das Leib und Wein das Blut Jesus sei (BF1: AS 116, BF2: AS 131).
Die BF zeigten hier auf, dass sie – auch nach Empfang der Taufe – über allgemeines religiöses Wissen nicht Bescheid wussten. Dieses Wissen ist von einem interessierten Konvertiten, der in Österreich seinen neuen Glauben frei ausleben kann, jedoch zu erwarten, da es sich hierbei nicht um spezifisches theologisches Wissen handelt.
Vor allem aber wirken sich die wenigen, vagen Angaben der BF1-2 zu ihren Lieblingsstellen in der Bibel zu Lasten ihrer Glaubwürdigkeit aus.
Der BF1 erklärte, nach seiner Lieblingsstelle befragt: „Ich lese die Bibel jeden Tag, aber mein Lieblingstitel ist Psalm. In im 5ten Kapitel von dort steht, dass Gott uns unterstützt und er sagt, dass er immer für uns da ist. Am meistens sind dort Gebete drinnen. Ich lese die Bibel und bete zu Jesus, dass meine Frau endlich gesund wir, dass auch sie ihr Leben genießen kann. Es tut mir weh, dass immer, wenn ich meine Frau sehe, weil sie noch so jung ist. Ich bete immer zu Jesus, dass sie gesund wir. Jeden Sonntag gehe ich in die Kirche, und ich bete nur, dass meine Frau gesund wird.“ (AS 116).
Abgesehen davon, dass sich in Kapitel 5 der Psalmen („Ein Gebet zum Morgenopfer“) die vom BF1 behauptete Aussage nicht findet und daraus auch nicht abzuleiten ist, dass Gott die Menschen immer unterstützt – weshalb schon nicht davon auszugehen ist, dass sich der BF1 tatsächlich näher mit den Bibelinhalten beschäftigt und sie, wie von ihm behauptet, täglich sowie mit Faszination liest – erweckt diese ausweichende Antwort auch nicht den Eindruck, als wolle oder könne sich der BF umfassend über christliche Glaubensinhalte unterhalten.
Auch die BF2 antwortete auf die konkrete Frage, ob sie eine Lieblingsstelle in der Bibel habe oberflächlich mit: „Matthäus, genau Zahl weiß ich nicht. Gott sagt, ich liebe euch und die Welt so, dass ich euch meinen einzigen Sohn geopfert habe.“ (AS 131) ohne aus eigenem weitere Angaben zu machen oder eigene spirituelle Ansichten und Gedanken zu formulieren.
Gerade im Hinblick auf eine Lieblingsstelle wäre jedoch zu erwarten, dass die Beschwerdeführer fundierte, weitergehende und persönliche Ansichten beinhaltende Angaben machen können und müsste es einer Person, welche für sich in Anspruch nimmt, zu einem anderen Glauben konvertiert zu sein, geradezu ein Anliegen sein, von sich aus frei und eigeninitiativ über Glaubensinhalte, vor allem ihre Lieblingsstelle aus der Bibel, zu sprechen und zu diskutieren, was im vorliegenden Fall deutlich zu verneinen ist.
Eine Person, die, wie die BF1-2, behauptet, zum christlichen Glauben konvertieren zu wollen, müsste generell ein größeres Engagement und eine größere Begeisterung auf die gestellten Fragen zeigen und kann davon ausgegangen werden, dass die Antworten substantiierter und detailreicher erfolgen als die Ausführungen der BF1-2, was wiederum ein Indiz für die mangelnde Ernsthaftigkeit der behaupteten Konversion darstellt.
Befragt, wie sie das letzte Weihnachten verbracht haben, gaben die Beschwerdeführer vor dem BVwG an, dass sie gemeinsam zuhause gebetet und aus der Bibel gelesen haben, da es aufgrund der Corona-Krise nicht möglich gewesen sei, in die Kirche zu gehen. Die BF2 führte ferner an, dass sie einen Christbaum geschmückt haben, wovon der BF1 hingegen nicht berichtete. Weitere Angaben machten die Beschwerdeführer nicht. (VHS XXXX , S 8, 16).
Diese knappen, oberflächlichen Antworten der BF1-2 lassen nicht darauf schließen, dass das Weihnachtsfest von besonderer Bedeutung für die Beschwerdeführer ist und sie dieses ernsthaft begangen haben, hätten sie das Begehen dieses christlichen Hochfestes ansonsten detaillierter und mit mehr Begeisterung schildern können. Ferner ist ihren Angaben nicht zu entnehmen, dass sie nach Alternativen für den Gottesdienstbesuch gesucht und versucht hätten online, über Radio oder Fernsehen einer Messe beizuwohnen, was – wenn es ihnen tatsächlich ein Bedürfnis gewesen wäre – leicht möglich gewesen wäre. (vgl. zB: Mitfeiern: Gottesdienste im Internet, Radio und TV › evang.at). Dass den BF1-2 ein Fernseher sowie Internetzugang zur Verfügung steht, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben, wonach sie auf YouTube christliche Inhalte ansehen und gerne fernsehen (VHS XXXX , S 15, 19).
Bemerkenswert ist in diesem Konnex ferner, dass die BF1-2 von selbst keine Angaben zur Bibelstelle, welche sie gelesen haben, machten und insbesondere das Weihnachtsevangelium nicht erwähnten. Vielmehr erklärte die BF2 auf konkrete Nachfrage hin, Kapitel 8 des Römerbriefes gelesen zu haben, da ihr diese Stelle gefalle. Zu deren Inhalt befragt, machte die BF2 jedoch lediglich vage und vor allem auch unzutreffende Angaben, die abermals gegen eine interessierte Auseinandersetzung mit Bibelinhalten und eine Konversion aus innerer Überzeugung sprechen.
Dass die BF1-2 in Österreich den christlichen Glauben tatsächlich praktizieren, jeden Tag von der Bibel lesen und sich unter anderem über YouTube über das Christentum informieren (VHS XXXX , S 8, 15), kann angesichts der bisherigen Erwägungen nicht angenommen werden. Der Besuch von Gottesdiensten durch die BF1-2, welche insbesondere auch durch die Glaubensgemeinschaft bestätigt wurde, kann den Beschwerdeführern nicht abgesprochen werden. Dass diese an den Gottesdiensten jedoch aufmerksam und interessiert teilnehmen, wird von der erkennenden Richterin bezweifelt.
Es kam im Laufe des Verfahrens keine Begeisterung oder ein tatsächlich bestehendes Interesse bzw. gar eine Überzeugung vom christlichen Glauben hervor und darf hier erneut darauf hingewiesen werden, dass es die BF1-2 schon nicht vermochten, einen Umstand in einer nachvollziehbaren Art und Weise darzulegen, warum sie sich dem christlichen Glauben genähert haben. Der Beweggrund, warum sie Interesse am Christentum zeigten, nämlich die Heilung der BF2, erwies sich als nicht den Tatsachen entsprechend.
Sofern die BF1-2 zur persönlichen Bedeutung des christlichen Glaubens befragt wurden, wirkten ihre Antworten zudem einstudiert und blieben durchwegs vage und abstrakt.
Befragt, wie bzw. ob sich ihr Glaube während des Aufenthaltes in Österreich verändert habe, gab der BF1 beispielsweise oberflächlich und formelhaft an: „Ich kann es so sagen, mein Glaube hat sich insofern in den letzten sechs Jahren verändert, dass ich mehr vergebe, ich habe Demut gelernt, Hoffnung habe ich mehr im Leben.“ und führte die BF2 in gleicher Weise aus: „Ja, mein Glaube ist gewachsen. Mein Wissen über das Christentum ist gewachsen. Ich habe in Österreich mit vielen christlichen Brüdern und Schwestern Kontakt. Mein Glaube hat mich stärker gemacht. Er hat mir Hoffnung für das Leben geschenkt.“ (Vgl. VHS XXXX , S 8, 16).
Es ist für die erkennende Richterin in diesem Zusammenhang kaum nachvollziehbar, dass die BF1-2, die aufgrund der „Heilung“ der BF2 zum Christentum gefunden haben wollen, trotz fortschreitender Krankheit der BF2 nach Änderungen im Glauben gefragt, mit keinem Wort bestehende bzw. vergangene Zweifel, Enttäuschung oder mögliche Verzweiflung zum Ausdruck bringen, keinerlei Verbindungen zwischen Bibelinhalten und ihrem Leben herstellten und gewisse Ausschnitte wiedergaben, die grundlegend für die von ihnen behauptete Hoffnung, Demut oder Fähigkeit, zu vergeben waren.
Gerade, da die vom Christentum erwartete Besserung des Gesundheitszustandes der BF2 nicht eingetreten ist, der Krankheitsverlauf vielmehr fortschreitet und die Konversion darüber hinaus mit Risiken und Gefahren und der behaupteten Abwendung der Familienangehörigen verbunden ist, wirkt auch die übereinstimmende Antwort der BF1-2 den Glaubenswechsel nie bereut zu haben, gedanklich kaum nachvollziehbar.
Wenn die BF2 ferner behauptet, der Glaube an Jesus habe sie stärker gemacht, sie sei nicht mehr verzweifelt, sondern glücklich und könne überdies laufen (VHS XXXX , S 18), ist dem entgegenzuhalten, dass die BF2 nach wie vor an einer psychischen Erkrankung leidet, sie gab vor dem Gutachter an, dass sie oft weinerlich sei, in Behandlung ist und sowohl an einen Rollstuhl sowie fremde Hilfe angewiesen ist, sodass der christliche Glaube offensichtlich kaum bzw. keinerlei Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der BF2 hatte. Dies muss auch der BF2 bewusst sein, weshalb sich auch diese Aussagen zu Lasten ihrer Glaubwürdigkeit auswirken.
Aufgrund des oben umschriebenen Verhaltens der BF1-2 kann nicht davon ausgegangen werden, dass die BF1-2 sich tatsächlich aus innerer Überzeugung und ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt haben. Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten der BF1-2, wie der Besuch von Gottesdiensten oder Glaubenskursen, vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel der BF1-2 sprechen, zu kompensieren. Das Bundesverwaltungsgericht geht hierbei von reinen Scheinaktivitäten der BF1-2 aus, um im Asylverfahren einen Aufenthaltsstatus zu erschleichen.
Die erkennende Richterin kommt daher zweifelsfrei zu dem Schluss, dass bei einer Gesamtbetrachtung die genannten Faktoren nicht ausreichen, um von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion der BF1-2 auszugehen ist.
Naturgemäß kann aufgrund des soeben umschriebenen Verhaltens der BF1-2 auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie missionierend tätig sind oder tätig sein werden, setzt eine solche Aktivität doch ein diesbezügliches proaktives Verhalten voraus, den Glauben anderen Personen näherbringen zu wollen.
Sofern die BF1-2 jedoch behaupten, missionarisch tätig zu sein und auf konkrete Nachfrage hin ausführten, dass sie Freunden oder Bekannten von ihrer Lebensgeschichte und ihrem christlichen Leben und Glauben erzählen, ihnen mitteilen, dass Jesus der Retter und Erlöser sei und diese anschließend in die Kirche einladen, ist festzuhalten, dass es sich dabei um keine missionarische Tätigkeit handelt (vgl. VHS XXXX , S 10, 15).
Insbesondere ist ihren Angaben schon nicht zu entnehmen, ob die Personen, mit denen sie sprechen, bereits Christen sind und die Kirche aus eigenem Willen besuchen oder, ob sie diese tatsächlich vom Christentum überzeugten. Zum vom BF1 genannten afghanischen Staatsbürger, mit welchem er sich über das Christentum unterhalten haben will, darf ferner angemerkt werden, dass der BF1 laut eigenen Angaben nur wenig Kontakt zu diesem hatte und aus seinen Schilderungen auch nicht hervorgeht, ob dieser seine Einladung, die Kirche zu besuchen, tatsächlich angenommen hat.
Aufgrund der bloßen Behauptung missionierend tätig zu sein ohne dies genauer zu erklären bzw. lebensnah zu schildern sowie angesichts der Tatsache, dass die Überzeugung und das Wissen der BF1-2 vom Christentum an sich als nicht ausreichend erachtet werden, kann auch dieser Angabe der BF1-2 kein Glaube geschenkt werden.
Sofern die BF1-2 ein Schreiben der Gemeinde XXXX vorlegen, in dem festgehalten wird, dass die Gemeinde von der ernsthaften Konversion der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben überzeugt ist, kann dieser Meinung aufgrund der dargelegten Erwägungen nicht gefolgt werden. Insbesondere ist anzumerken, dass dieses Schreiben nur wenige Monate nach der Einreise der BF1-2 in Österreich verfasst wurde und sich daraus nicht ergibt, woher diese Überzeugung der Gemeinde stammt. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung zu dem Schreiben befragt, konnten auch die Beschwerdeführer nicht mit Sicherheit angeben, wie die Gemeinde zu dieser Überzeugung gekommen ist, sondern gaben sie an, dass sie die Kirche und Glaubenskurse besucht, Gespräche über das Christentum geführt, gebeichtet und ein Glaubensbezeugnis abgelegt haben ( XXXX , S 7, 15). Eine besonders intensive Beschäftigung mit den Beschwerdeführern vor Ausstellung dieser Bestätigung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden, was auch durch die kurze Zeitspanne zwischen dem ersten Kontakt zur Kirchengemeinde und der Vorlage des Schreibens ersichtlich wird.
Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Besuch religiöser Veranstaltungen und Gottesdienste, die Teilnahme an der Beichte oder die Taufe der Beschwerdeführer im Rahmen der Beweiswürdigung nicht unberücksichtigt blieb. Dies ändert aber nichts an der Ansicht des erkennenden Gerichts, dass lediglich eine Scheinkonversion vorliegt.
Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach dem geltenden Recht nicht an die Erwägungen Dritter gebunden ist; und zwar auch nicht an die Erwägungen von Pfarrern, Pastoren, Geistlichen und sonstigen kirchlichen oder religiösen Repräsentanten, die im Rahmen ihrer Funktion darüber befinden, ob jemand die Voraussetzungen dafür aufweise, das Sakrament der Taufe zu empfangen (vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538; XXXX , Ra 2017/01/0381). In einer Gesamtschau konnten auch weiters vorgelegte Schreiben der Glaubensgemeinde der BF1 und der BF2 die Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht erschüttern.
II.2.4.3. Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht daher zu der Überzeugung, dass in den Angaben der BF2 glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren. Folglich wurde auch für den BF1 keine glaubwürdige Verfolgung im Iran bzw. bei seiner Rückkehr glaubhaft gemacht.
II.2.4.4. Soweit im Beschwerdeschriftsatz mangelhafte Ermittlungen seitens des BFA vorgebracht werden und beantragt wird, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Iran und den spezifischen von den BF1-2 vorgebrachten Punkte befasse, wird festgestellt, dass es sich bei weiteren Ermittlungen letztlich um die Herbeischaffung eines als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweises gehandelt hätte. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp. des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist die Behörde/das BVwG nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahingehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
II.2.4.5. Sofern im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht wird, dass die BF2 auch geschlechtsspezifische Verfolgung als Frau aufgrund ihrer intensiven westlich-orientierten Gesinnung befürchtet, ist anzumerken, dass die Annahme einer westlichen Lebensweise in Österreich, bei deren Fortführung die BF2 im Iran einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Insbesondere ist festzuhalten, dass außerhalb des Beschwerdeschriftsatzes in diese Hinsicht kein Vorbringen erstattet wurde und auch im Rahmen der Beschwerde lediglich eine unsubstantiierte, vage Behauptung aufgestellt wurde, die keinen direkten Bezug zur konkreten Lebenssituation der BF2 aufweist. Die BF2 selbst hat im Verfahren nie vorgebracht, dass sie im Iran in ihrer Lebensführung beeinträchtigt gewesen sei, sondern gab an, lediglich aufgrund ihrer vermeintlichen Konversion zum Christentum nicht mehr im Iran leben zu können, ansonsten keine Probleme gehabt zu haben bzw. zu erwarten (VHS XXXX , S 18, 20).
Zudem ist hervorzuheben, dass es der BF2 bereits vor ihrer Ausreise aus dem Iran möglich war, zwölf Jahre die Schule sowie zwei Jahre die Universität zu besuchen und als XXXX tätig zu sein. Aus dem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren ist auch nicht ersichtlich, dass sie sich von ihrer Lebensführung im Iran seit ihrem Aufenthalt in Österreich maßgeblich entfernt hätte. Aus ihren Angaben, unter anderem ihren Plänen für die Zukunft (vgl. dazu VHS XXXX , S 20: P1: Unser Ziel ist es, dass beide von uns arbeiten gehen können… P2: Wie ich bereits erwähnt habe, ich habe als XXXX gearbeitet, ich kann auch von zuhause arbeiten.) ist nicht zu schließen, dass sie in Österreich ein Leben führe bzw. führen wolle, welches ihr im Iran nicht möglich wäre. Insoweit findet sich keine Verhaltensweise, die einen Bruch mit den im Iran verbreiteten gesellschaftlichen Werten darstellen würde.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass das Leben als Frau im Iran nicht mit jenem in Österreich - vor allem in Hinblick auf die im Bundesgebiet gegebenen Freiheiten - vergleichbar ist, allerdings konnte in der Verhandlung nicht der Eindruck vermittelt werden, dass es sich bei der BF2 um eine in ihrer Grundeinstellung westlich orientierte Frau handeln würde, die allein aufgrund ihrer Gesinnung und der Fortführung ihres Lebensstils der potentiellen Gefahr einer Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung, in ihrem Heimatstaat unterliegen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:
„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) …
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. | dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder |
2. | der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat. |
...“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der BF1 und des BF2 inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war den Vorbringen der BF1-2 zu den behaupteten Gründen für die Asylantragstellung bzw. zur vorgebrachten Konversion insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).
Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von den BF1-2 behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist im Falle der BF1-2 eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründe daher nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.
Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass die BF1 bei ihrer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.
Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG , kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.
Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.
Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.
Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen sowie der hg. beweiswürdigenden Erwägungen und auch der zitierten Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der formalen bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne dem Vorliegen einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.
Gemäß § 3 Abs 2 AsylG kann Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, welche nach dem Verlassen des Herkunftsstaates liegen (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten, die der Fremde seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat und insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Dass die BF1-2 im Iran bzw. in Österreich zum Christentum konvertiert sind, kam im Verfahren nicht hervor, sondern waren die diesbezüglichen Angaben der BF1-2 aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen als unglaubwürdig zu qualifizieren. Auch ist im Lichte der Scheinkonversion der BF1-2 nicht davon auszugehen, dass die BF1-2 das Bedürfnis haben, im Rückkehrfall die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder gar missionarisch tätig zu sein.
Die BF1-2 haben in Österreich wie viele andere iranische Konvertiten zwar an kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa Gottesdienste, teilgenommen, sich jedoch nicht in leitender Funktion exponiert.
Dass dies den BF1-2 im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund dessen, dass die BF1-2 aufgrund der festgestellten Scheinkonversion für die iranischen Behörden in keiner Weise von Interesse ist bzw. unter Beobachtung stehen und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten der BF1-2 den iranischen Behörden oder Privatpersonen bekannt werden sollte, nicht festgestellt werden.
Entsprechend den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen betreffen Repressionen vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass die BF1-2, welche zum Schein konvertiert sind, den christlichen Glauben ausüben, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es den BF1-1 ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass die BF1-2 aufgrund ihres rudimentären und unsubstantiiert vorhandenen Wissens hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wären.
Den Feststellungen ist auch zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Ausland zum Christentum konvertiert waren, im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden. Bei den BF1-2 handelt es sich jedoch um keine Geistlichen, sondern Personen, welche formal und lediglich zum Schein konvertiert sind, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung der BF1-2 abzuleiten ist.
Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.
Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten. Das Verhalten der BF1-2, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht der erkennenden Richterin daher nicht gegeben.
Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.
II.3.2.3. Zum Vorbringen hinsichtlich geschlechtsspezifische Verfolgung bzw. Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von "westlich orientierten Frauen", die islamische Moralvorstellungen ablehnen, ist festzuhalten, dass der Umstand, dass die BF2 eine iranische Frau ist, für sich alleine genommen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten und individuellen Lebensumstände im Herkunftsstaat, ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung, ihrem bisherigen Verhalten, sowie ohne gesamtheitliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihres individuellen Fluchtvorbringens nicht ausreichend ist, um jedenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerinnen ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können.
Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren. Es sind daher konkrete Feststellungen zur Lebensweise der Asylwerberin im Entscheidungszeitpunkt zu treffen und ist ihr diesbezügliches Vorbringen einer Prüfung zu unterziehen.
Wie bereits ausgeführt konnte nicht der Eindruck gewonnen werden, dass die BF2 im Falle ihrer Rückkehr nicht bereit wäre, sich den Moralanschauungen ihres Heimatstaates wieder anzupassen.
Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von der BF2 behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
II.3.2.4. Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung im gegebenen Fall für den BF1 und die BF2 nicht existent ist.
II.3.2.5. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten auszugsweise:
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwredeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl zB Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (zB VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat der BF1-2 nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die BF1-2 als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der BF1-2 in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person der BF1-2 begründeten Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Zur individuellen Versorgungssituation der BF1-2 wird zudem festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen.
Bei dem BF1 handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden und arbeitsfähigen Erwachsenen, bei welchen die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF1 verfügt über eine mehrjährige Schulbildung, ein abgeschlossenes Studium und Berufserfahrung als XXXX in einem XXXX . Er hat XXXX geschrieben und veröffentlicht. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF1 im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird für sich und die BF2 ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass die BF1-2 aus einem Staat stammen, auf dessen Territorium einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Andererseits gehören die BF1-2 keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass den BF1-2 im Fall ihrer Rückkehr auch im Rahmen ihres Familienverbandes – sowohl die Eltern und Geschwister des BF1 als auch der BF2 leben im Iran – eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird. Dass sich die Familienangehörigen der BF1-2 aufgrund ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben von ihnen abgewandt haben, ist nicht glaubhaft.
Zudem steht es dem BF1 auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist es den BF1-2 unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Zum Gesundheitszustand der BF2:
Die BF2 leidet an Multipler Sklerose (ICD: G35: Encephalomyelitis disseminata) mit sekundär chronisch-progredienter Verlaufsform und damit in Zusammenhang stehenden neurologischen und psychischen Beschwerden, unter anderem einem leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndrom, einem Chronic-Fatigue-Syndrom und einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer. Sie wird medikamentös mit Schmerzmitteln und Psychopharmaka behandelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können außergewöhnliche Umstände wie etwa lebensbedrohende Ereignisse - in concreto das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung - ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung dieser Frage unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
Außergewöhnlicher Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (statt aller jüngst VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086).
Als iranischer Staatsbürger hat die BF2 wie alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2019). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020, IOM 2019). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2019). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird.
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a).
Im Generellen gibt es keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).
Die BF2 ist aufgrund ihrer neurologischen und psychischen Erkrankung in medizinischer Behandlung. Laut Berichtslage ist im Herkunftsstaat der BF2 die medizinische Versorgung gewährleistet und eine Weiterführung der notwendigen Therapie möglich; es stehen sowohl Behandlungsmöglichkeiten als auch Medikamente für neurologische und psychische Erkrankungen zur Verfügung. So ist eine stationäre Behandlung durch einen Neurologen im Day General Hospital, Tehran (private Einrichtung), im Milad Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), im Imam Hossein Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), im Imam Khomeini Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), eine ambulante Behandlung und Nachbehandlung durch einen Neurologen im Taleghani Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), im Milad Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), im Imam Hossein Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung) verfügbar.
Es gibt überdies zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen im Iran, wie stationäre Behandlung durch einen Psychiater im Mehregan Private Psychiatric Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Psychiater im Maymanat Psychiatric Hospital, Tehran (private Einrichtung), psychiatrische ambulante Langzeitbehandlung durch einen Psychiater im Rouzbeh Psychiatry Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung), psychiatrische Behandlung mittels Psychotherapie im Rouzbeh Psychiatry Hospital, Tehran (öffentliche Einrichtung). Es sind unter anderem folgende Medikamente verfügbar: Antidepressiva, Mirtazapin, Trazodon, Amitriptylin, Duloxetin, Venlafaxin, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin, Vortioxetin, Bupropion.
Die MS-Erkrankung der BF2 wurde bereits im Iran festgestellt und die BF diesbezüglich auch bereits behandelt.
Die BF2 verfügt überdies über Familienangehörige, die sie im Notfall unterstützen könnten, insbesondere ihren Ehemann, den BF1.
Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ist daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall außerordentliche Umstände im Sinne der zuvor zitierten Judikatur des EGMR zu Art 3 EMRK nicht vorliegen.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die derzeitige COVID-19 (sog. Corona-) Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, führt zu keiner Änderung der oben angeführten Erläuterungen zum Iran.
Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich die BF1-2 im Iran mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert bzw. auf dort wegen der Krise herrschende Einschränkungen des Wirtschaftslebens und die daraus resultierende Versorgungslage betroffen ist, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn der BF aufgrund der Bedingungen mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
Eine derartige Extremgefahr kann für die BF1-2 im Falle ihrer Rückkehr in den Iran nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass die BF1-2 im Iran gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wären. Selbst bei Zugrundlegen des derzeit im Iran bestehenden Infizierten und der vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur medizinischen Versorgung besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher die BF1-2 angehören. Insbesondere wurden die BF1-2 in Österreich bereits drei Mal gegen das Corona-Virus geimpft, womit das Risiko eines schweren Verlaufs wesentlich verringert wurde.
Des Weiteren ist die Versorgungslage für die Bevölkerung im Iran auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen nicht derart desolat, dass auch nur annähernd von einer allgemeinen Gefahrenlage gesprochen werden könnte. Derartiges haben die BF1-2 zudem nicht vorgebracht.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist daher im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF1-2 im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und sie nicht in eine - allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende - dauerhaft aussichtslose Lage geraten.
II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
II.3.4.2. Die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz der BF1-2 waren abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die BF1-2 nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Der Aufenthalt der BF1-2 ist nicht geduldet. Die BF1-2 sind nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt im obigen Sinn.
Es liegen folglich keine Umstände vor, dass den BF1-2 allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts Konkretes dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sind diese Entscheidungen daher mit Rückkehrentscheidungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.4.3. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fallen, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).
II.3.4.4. Die BF1-2 reisten im März 2016 legal mit einem Schengen-Visum C (ausgestellt von der XXXX , gültig vom XXXX bis XXXX ) in das Bundesgebiet ein und halten sich seither ununterbrochen in Österreich auf. Sie gehen in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verfügen über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel und leben von staatlichen Leistungen. Die BF1-2 haben keine Verwandten in Österreich und sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Sie verfügen über freundschaftliche bzw. soziale Kontakte im Rahmen ihrer Kirchengemeinde und werden von diesen (finanziell) unterstützt.
Die BF1-2 haben in Österreich mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen, zuletzt im Jahr 2019 auf B1-Niveau besucht, die Deutschprüfung des ÖIF im Februar 2017 auf dem Niveau A1 absolviert und im Oktober 2018 die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz Niveau A2 und zu Werte-und Orientierungswissen bestanden.
Da die BF 1-2 gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, liegt insoweit kein Eingriff in das schützenswerte Familienleben vor (VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/22/0221 mwN) Die Rückkehrentscheidung betreffend der BF1-2 stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst – bezogen auf das Lebensalter der BF1-2 – kurzen Aufenthalt und den Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.
II.3.4.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der BF1-2 im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:
Die BF1-2 sind seit März 2016 durgehend in Österreich aufhältig. Sie reisten legal mit einem Schengen-Visum C (ausgestellt von der XXXX , gültig vom XXXX bis XXXX , XXXX ) in das Bundesgebiet ein. Sie haben Anträge auf internationalen Schutz gestellt, die sich als unberechtigt erwiesen haben. Das Gewicht eines allfällig zwischenzeitig entstandenen Familien- und Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich die Beschwerdeführer nicht darauf verlassen konnten, ihr Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Familien – bzw. Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.
Die BF1-2 begründeten ihr Privatleben zu einem Zeitpunkt, als ihr Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der BF1-2 zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt. Bei der Gewichtung im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG kann maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass die von den BF1-2 gesetzten integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sie sich (spätestens nach Abweisung ihrer unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz durch das BFA im XXXX ) ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten. Daran kann auch die lange Dauer des Verfahrens, mag die BF1-2 daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0076).
Die BF1-2 sind – in Bezug auf ihr Lebensalter - erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig und haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte. Der BF1-2 haben hierorts keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen. Da die BF1 und der BF2 in Österreich somit nicht berufstätig sind, muss eine Selbsterhaltungsfähig verneint werden.
Sie waren bis dato nie legal erwerbstätig und betätigten sich auch nicht ehrenamtlich oder gemeinnützig.
Die BF1-2 sprechen aufgrund der Absolvierung von sprachlichen Qualifizierungsmaßnahmen Deutsch auf zumindest A2 Niveau. Sie haben auch bereits einen B1 Kurs besucht, jedoch bisher keine Prüfung abgelegt. Soweit die BF1-2 Deutschkenntnisse vorbrachten, liegt durchaus ein gewisses Maß an (sprachlicher) Integration vor.
Soweit gewöhnliche soziale Kontakte im Bekanntenkreis bzw. im Rahmen der Kirchengemeinschaft zu berücksichtigen sind, ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029). Damit war auch den vorgelegten Unterstützungsschreiben, insbesondere der Kirchengemeinde, kein entscheidendes Gewicht zuzumessen.
Soweit die Beschwerdeführer über soziale und freundschaftliche Kontakte in Österreich verfügen, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Iran gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass die Beschwerdeführer hierdurch gezwungen werden, den Kontakt zu jenen Personen, die ihnen in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihnen frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.
Die BF1-2 verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens im Iran, wurden dort sozialisiert und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass im Iran Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises der BF1-2 existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die beiden vor ihrer Ausreise in den Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den BF1-2 im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Die BF1-2 führten überdies aus, dass ihre Eltern und Geschwister nach wie vor im Iran leben.
Die Feststellung, wonach die BF1-2 strafrechtlich unbescholten sind, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Beschwerdeführers ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens der BF1-2 sowie ihres Verhaltens im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Im Besonderen ist hier ferner auf die folgenden aktuellen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen. Trotz langjährigem Aufenthalt wurde auch hier seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit der Ausweisung bejaht: VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis; mit Rechtsstellung eines anerkannten Flüchtlings gerechnet; keinerlei Unterstützung im Herkunftsstaat zu erwarten), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (etwa siebenjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang eheliche Gemeinschaft mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; Unterkunft; Krankenversicherungsschutz; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; Erlernen der deutschen Sprache; Freundes- und Bekanntenkreis; Verwandte in Österreich; Unbescholtenheit; kaum bzw. keinen Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert; Zeitungsausträger), VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 (rund siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (fast achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; perfekte Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Freundes- und Bekanntenkreis; Unbescholtenheit; wirtschaftlicher Neubeginn; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; Lebensunterhalt finanziert; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; im Heimatland keine Existenzgrundlage; eingeschränkte Bindungen zum Heimatland; sozial integriert).
II.3.4.7. Eine Gegenüberstellung der von den BF1-2 in dem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung führt daher zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der BF1-2 am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes.
Könnte sich ein Fremder in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen und darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der BF1-2 in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Die BF1-2 halten sich im Vergleich mit ihrem Lebensalter erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf, sind auf die Grundversorgung angewiesen und eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist nicht erkennbar.
Verwandte der BF1-2 leben noch im Herkunftsstaat, wo die BF1-2 den Großteil des Lebens verbracht haben und sozialisiert wurden, und ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen familiären und privaten Beziehungen im Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zum Iran eine – wenn überhaupt vorhandene – Integration in Österreich bei weitem überwiegen.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der BF1-2 im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF1-2 am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.4.8. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheide gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Iran unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
II.3.4.9. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen der BF1-2 und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerde getroffen.
Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
II.3.4.10. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkt III. bis VI. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.
II.3.5 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass die BF1-2 im Falle einer Rückkehr in den Iran dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wären. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz abgeht.
Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
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