AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L512.2183540.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG 1991, §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005, § 55 Abs. 1a FPG 2005, § 53 Absatz1 iVm Absatz 2 FPG 2005 abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 06.07.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz und wurde am Folgetag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass es eine Feindschaft wegen ihres Grundstücks gegeben habe. Das sei sein Fluchtgrund, sonst könne er nichts sagen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat sei er in Lebensgefahr. Er sei oft geschlagen worden, daher wolle er nicht zurück nach Pakistan.
Am 22.02.2017 wurde der BF niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") einvernommen. Als Fluchtgrund gab der BF im Wesentlichen einen alten Grundstücksstreit an. Die Gegner hätten das Land vor seiner Geburt unrechtmäßig übernommen und seine Familie bedroht. Sie seien bei der Polizei gewesen, aber diese habe ihnen nicht geholfen und nicht auf sie gehört. Dann habe es zwei Anzeigen gegen den BF gegeben, er sei per Haftbefehl gesucht worden und habe fliehen müssen. Im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan befürchte er Gefahr von der Polizei und den Gegnern.
Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor dem BFA unter anderem zwei pakistanische FIRs in englischer Übersetzung und einen pakistanischen Zeitungsartikel vor.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass die vom BF angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes, nämlich eine lange bestehende Grundstücksfehde, wegen welcher er zweimal zu Unrecht angezeigt und ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden wäre, nicht glaubhaft sei. Eine Gefährdungslage im Heimatland sei nicht glaubhaft vorgebracht worden. Die Schilderungen des BF seien als äußerst vage und oberflächlich, vor allem aber als widersprüchlich zu bezeichnen und würden jegliche persönlichen Eindrücke fehlen.
Gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , erhob der Vertreter des BF mit Schreiben vom 16.01.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Artikel 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erachtet.
Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden konnte. Der BF habe seine Angaben im Laufe des Verfahrens gesteigert bzw. deutlich abgewandelt.
Der BF bzw. seine rechtsfreundliche Vertretung haben gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , außerordentliche Revision erhoben und hat einen Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG gestellt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG nicht stattgegeben.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Revision zurückgewiesen.
I.2. Am 30.08.2021 stellte der BF den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
I.3. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF im Zuge der Erstbefragung am 30.08.2021 an, er habe seit der Entscheidung bezüglich seines ersten Asylantrages Österreich nicht verlassen. Er stelle einen neuen Asylantrag, da seine alten Asylgründe noch immer gelten würden. Vor ca. XXXX sei sein Vater von denselben Leuten, die den BF in Pakistan verfolgen, angeschossen und dabei verletzt worden. Daraufhin habe sein Vater bei der Polizei eine Anzeige erstattet. Daraufhin sei die Tante des BF von den Leuten ermordet worden. Es sei über den Mord in einer Tageszeitung in Pakistan berichtet worden. Der BF könne die Zeitung besorgen. Im Falle seiner Rückkehr habe der BF Angst um sein Leben.
I.4. Am 14.10.2021 brachte der BF vor einem Organwalter der belangten Behörde im Wesentlichen Folgendes vor:
Der BF sei körperlich und geistig in der Lage Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Es gehe ihm gesundheitlich gut. Er sei nicht in medizinischer Behandlung. Er habe in der Erstbefragung und auch im Rahmen seines ersten Asylverfahrens wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Der BF legte in Kopie drei Anzeigen, einen Zeitungsartikel und eine ärztliche Bestätigung über die Behandlung seines Vaters vor.
Der BF erklärte weiter, er arbeite seit ca. vier Jahren selbständig als XXXX , er habe ein Gewerbe angemeldet. Er befinde sich nicht in Grundversorgung. In Österreich sei er nicht vorbestraft, es sei auch gegen den BF kein Gerichtsverfahren in Österreich anhängig. Der BF sei in Österreich kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Der BF habe Deutschkurse besucht. Er habe diesbezüglich die A1-Prüfung bestanden, die A2-Prüfung habe er nicht bestanden. Der BF habe in Österreich den Führerschein gemacht.
In Pakistan würden sein Vater und seine drei Schwestern leben. Seine Mutter sei bereits verstorben. Außerdem habe der BF vier Onkel väterlicherseits und vier Onkel mütterlicherseits sowie fünf Tanten in Pakistan. Der BF habe hauptsächlich mit einem seiner Onkel Kontakt, selten auch mit seinem Vater. Der BF habe keine Verwandten in Österreich. Der BF lebe mit keiner sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.
Er habe einen Asylantrag gestellt, da er in Österreich schon lange gelebt und auch selbstständig gearbeitet habe. Er habe sich bemüht, sich zu integrieren. Er habe Deutschkurse besucht, zahle Steuern und Sozialversicherung. Im XXXX sei sein Vater attackiert worden. Die Gefahr in Pakistan bestehe nach wie vor. Sein Vater habe damals eine Anzeige erstatte. Daraufhin hätten die Gegner die Tante des BF ermordet. Der Grund dafür sei gewesen, dass diese Leute zum BF nach Hause gekommen seien und eigentlich den Vater des BF attackieren wollten. Doch weil dieser nicht zu Hause war, hätten sie die Tante des BF ermordet.
Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte der BF dass ihm dasselbe passieren werde wie seinem Vater und seinem Onkel. Der BF würde entweder ins Gefängnis kommen oder umgebracht werden. Die Zukunft des BF werde ruiniert.
I.5. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte das BFA aus, die Identität des BF stehe nicht fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF an einer schweren lebensbedrohlichen Krankheit leide. Der BF habe keine Gründe vorgebracht, die eine neue Beurteilung des Sachverhaltes notwendig machen würden. Das Vorbringen sei bereits im Vorverfahren einer Prüfung unterzogen worden bzw. habe der BF keine weiteren glaubwürdigen asylrelevanten Gründe vorgebracht.
Der BF verfüge über keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Es habe keine besondere Integrationsverfestigung bezüglich des BF in Österreich festgestellt werden können. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nach Abschluss seines letzten Asylverfahrens in Österreich beharrlich nicht nachgekommen. Der BF habe sich nicht bemüht, ein Reisedokument zu erhalten.
I.6. Der BF bzw. seine gewillkürte Vertretung erhoben fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte seit seiner erstmaligen Einreise nach Österreich bzw. seiner ersten Asylantragstellung am 06.07.2016 insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig negativ entschieden. Dem Vorbringen des BF wurde kein Glauben geschenkt bzw. keine Asylrelevanz zuerkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Artikel 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erachtet. Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden konnte.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Revision des BF zurückgewiesen.
Am 14.10.2021 stellte der BF seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die dem BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umstände.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.
Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF ist Staatsangehöriger von Pakistan und der Volksgruppe der XXXX zugehörig. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam. Der BF spricht Punjabi als Muttersprache sowie Urdu; weiters spricht er ein wenig Englisch. Der BF ist gesund.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX , Provinz Punjab. Er besuchte zunächst fünf bzw. sechs Jahre die Schule, danach – im Anschluss an zwei bis drei Jahre einer Koranschule. Der BF lebte gemeinsam mit seinem Vater, seinen drei Schwestern sowie den Ehegatten seiner beiden verheirateten Schwestern in einem Haus. Die Mutter des BF ist bereits verstorben. Der Vater des BF ist XXXX und arbeitet als XXXX ; zudem verfügt er über landwirtschaftliche Gründe.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF reiste im XXXX aus Pakistan aus.
Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF reiste im Juli 2016 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Der BF verfügt über soziale Kontakte in Österreich; engere freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern konnten nicht festgestellt werden. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Vom XXXX bis XXXX war der BF im XXXX freiwillig tätig und hat dort Gartenarbeiten bzw. sonst anfallende Arbeiten, z.B. Malerarbeiten, erledigt. Der BF unterstützte bedürftige Menschen.
Seine Freizeit verbringt der BF mit Fußballspielen oder im Fitnessstudio. Er wohnt in einer Mietwohnung.
Der BF hat Deutschkurse besucht. Der BF hat eine Deutschprüfung auf A1 Niveau bestanden, jedoch keine auf A2 Niveau.
Der BF verfügte über aufrechte Gewerbeberechtigungen als XXXX . Er war als XXXX berufstätig und als XXXX nach GSVG sozialversichert. Der BF verfügt über österreichische Lenkberechtigungen der Klassen AM und B und besitzt auch ein eigenes Fahrzeug. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr und ist derzeit nicht selbsterhaltungsfähig.
Der BF ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Von ihm begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die den BF betreffende allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsland hat sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Erstverfahrens nicht geändert. Dies basiert auf den vorliegenden Länderfeststellungen zu Pakistan (Stand 24.06.2021), die von der Staatendokumentation des BFA laufend aktualisierten werden.
Covid-19
Letzte Änderung: 16.06.2021
In Pakistan wurden bisher mehr als 882.900 Infektionen mit dem Virus Covid-19 sowie mehr als 19.700 Todesfälle bestätigt (Stand 18.5.2021). Laut lokalen Medienberichten mit Verweis auf das Gesundheitsministerium, wurden bisher etwa 3,9 Millionen Menschen landesweit geimpft (Einwohner gesamt: 220 Millionen). Hauptsächlich wurden Personen, die im Gesundheitsbereich tätig sind und Personen über 50 Jahre geimpft. Am 17. Mai 2021 hat man mit der Impfregistrierung für die Altersgruppe der 30 bis 49-Jährigen begonnen. Am gleichen Tag hat Pakistan die Covid-Maßnahmen nach der landesweiten Sperre vom 8. bis 16. Mai gelockert und Geschäften, Märkten und Büros unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln die Öffnung erlaubt. Märkte und Geschäfte dürfen nun wieder bis 20 Uhr öffnen. Das pakistanische National Command and Operation Center hat zudem festgehalten, dass touristische Aktivitäten im Land weiterhin untersagt seien. Öffentliche städtische und interprovinzielle Verkehrsmittel haben ihren Betrieb wieder aufgenommen, dürfen jedoch nur mit einer maximal 50 prozentigen Belegung operieren. Auch wenn sich die Covid-19-Situation aktuell etwas entspannt, warnen die Behörden, dass das Gesundheitssystem noch immer unter Druck stehe und Krankenhäuser stark belegt seien (ÖB 18.5.2021).
Pakistan hat am 2.2.2021 mit seinem nationalen Impfprogramm gegen das Coronavirus begonnen. In dem südasiatischen Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern werden zunächst Beschäftigte des Gesundheitswesens geimpft, gefolgt von älteren Menschen. Dazu waren etwa eine halbe Million Impfdosen des chinesischen Unternehmens Sinopharm mit einem Militärflugzeug aus Peking nach Pakistan gebracht worden. Das Land hat zudem 17 Millionen Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca bestellt, die im Lauf des Monats Februar 2021 geliefert werden sollen. Nach einer einer Ende Januar 2021 veröffentlichten Umfrage des Instituts Gallup, will sich fast die Hälfte aller Pakistaner nicht impfen lassen (ÄfW 2.2.2021). Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).
Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021; vgl. WKO 18.2.2021).
Quellen:
ÄfW - Ärztekammer für Wien (2.2.2021): Pakistan startet mit Coronaimpfung, https://www.medinlive.at/gesundheitspolitik/pakistan-startet-mit-corona-impfungen , Zugriff 26.2.2021
IMF - International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P , Zugriff 28.1.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (18.5.2021): Kurzbericht zur Entwicklung der Covid-19-Situation in Pakistan, per E-Mail, Zugriff 11.6.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Pakistan, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-pakistan.html , Zugriff 26.2.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020). Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021).
Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Die 20 Aktionspunkte des NAP haben seither unterschiedliche Erfolge erzielt. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass der NAP bei der Bekämpfung des gewalttätigen und gewaltfreien Extremismus im Land nur geringe Erfolge erzielt hat. Extremistische Literatur ist online und offline in Hülle und Fülle vorhanden und die Verherrlichung von Terroristen und ihren Taten geht weiter. Auch zur Unterstützung des politischen Versöhnungsprozesses in Belutschistan wurde bisher nichts Wesentliches unternommen (FES 12.2020; vgl. GIZ 9.2020).
Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. 220 Menschen kamen bei diesen Anschlägen ums Leben - ein Rückgang von 38% im Vergleich zu 2019. Eine Verteilung dieser Terroranschläge nach ihren Urhebern legt nahe, dass sogenannte religiös inspirierte militante Gruppen wie die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), ihre Splittergruppen Hizbul Ahrar und Jamaat-ul Ahrar, sowie andere militante Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Taliban-Gruppen, Lashkar-e-Islam und ISIS-nahe Gruppen die meisten Terroranschläge verübten. Anschläge nationalistisch aufständischer Gruppen der Belutschen und Sindhi verübten weitere Anschläge. In KP wurden dabei die meisten Terroranschläge in Pakistan verübt, mehrheitlich im Stammesgebiet Nord-Waziristan. Während die Mehrheit dieser Anschläge auf Sicherheitskräfte abzielte, waren auch Zivilisten, Stammesälteste, politische Führer/Mitarbeiter und Schiiten Ziele der Anschläge. Nach KP war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terrorismus durch verschiedene aufständische Gruppen der Belutschen wie die Baloch Liberation Army (BLA), die Balochistan Liberation Front (BLF), Lashkar-e-Balochistan, die Baloch Republican Army (BRA) und die United Baloch Army (UBA) usw. betroffen (PIPS 2021; vgl. USDOS 30.3.2021, AA 29.9.2020).
Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und des mit ihnen verbundenen Haqqani-Netzwerks, sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT (Lashkar-e Taiba) und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM (Jaish-e Mohammad), von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020; vgl. CEP o.D.).
Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021).
Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021).
Quelle: ACLED o.D.; UCDP Candidate o.D.; UCDP GED o.D.Farbig hervorgehoben: Hauptstadtregion. UCDP weist sicherheitsrelevante Vorfälle in den ehem. FATA eigens aus, hier wurden sie zur besseren Vergleichbarkeit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hinzugezählt.
Anmerkung: ACLED und UCDP erfassen sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung, wobei sich die festgelegten Kriterien der beiden Organisationen voneinander unterscheiden. Dies trägt zur unterschiedlichen Höhe bei den dargestellten Fallzahlen bei (ACLED 2020; UCDP 2020).Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.5.2021): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_0 , Zugriff 14.5.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.4.2021
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2020): ACLED Codebook, https://acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Codebook_2019FINAL.docx.pdf , Zugriff 10.3.2021
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (o.D.): ACLED Data, http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 26.2.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc&content=briefing%20notes&page=2 , Zugriff 14.5.2021
CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.counterextremism.com/countries/pakistan , Zugriff 28.4.2021
EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 14.4.2021
FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf , Zugriff 9.3.2021
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 9.3.2021
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf , Zugriff 2.3.2021
UCDP Candidate - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Candidate Events Dataset Version 20.01.20.12 (global), https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 2.3.2021
UCDP GED - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Georeferenced Event Dataset (GED) Global version 20.1, https://ucdp.uu.se/downloads/ , Zugriff 4.3.2021
UCDP - Uppsala Conflict Data Program (2020): UCDP Candidate Events Dataset CodebookVersion 1.1, https://ucdp.uu.se/downloads/candidateged/ucdp-candidate-codebook%201.1.pdf , Zugriff 10.3.2021
USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html , Zugriff 14.4.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
Punjab und Islamabad
Letzte Änderung: 23.06.2021
Insgesamt fanden im Jahr 2020 in Punjab sieben (7) Terroranschläge statt, die fünf Todesopfer und 59 Verletzte forderten. Mit Ausnahme eines Anschlags, der von der aufständischen Gruppe der Belutschen (BLA) in Tehsil Sadiqabad im Bezirk Rahim Yar Khan im Süden des Punjab verübt wurde, konzentrierten sich alle anderen Anschläge auf Rawalpindi und wurden von den pakistanischen Taliban, einschließlich der TTP und ihrer Abspaltungen Jamaat-ul Ahrar und Hizb-ul Ahrar, die sich im August 2020 wieder der TTP anschlossen, verübt. Während fünf dieser Anschläge im Punjab offenbar Zivilisten zum Ziel hatten, richtete sich ein Anschlag gegen die Polizei und ein weiterer gegen eine Gaspipeline (PIPS 2021).
Quellen:
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf , Zugriff 29.4.2021
Rechtsschutz, Justizwesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber laut NGOs und Rechtsexperten unterliegt die Justiz oft externen Einflüssen, wie z.B. der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemie-Fällen und der öffentlichen Politisierung von hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen zu entlasten, weil sie Selbstjustiz befürchten (USDOS 30.3.2021). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020).
Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es derzeit noch eigene Justizsysteme (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Einzelpersonen können gegen Entscheidungen der FSC Berufung bei der Shariat Appellate Bench des Obersten Gerichtshofs einlegen, wobei noch eine weitere Berufung durch den Obersten Gerichtshof zugelassen werden kann. Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts (USDOS 30.3.2021).
Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020).
De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Berichte über Korruption im Justizsystem hielten sich hartnäckig, einschließlich Berichten, dass Gerichtsmitarbeiter Zahlungen verlangten, um Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Untere Gerichte blieben Berichten zufolge korrupt, ineffizient und unterlagen dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung stellte staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt werden, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. Für andere Fälle wird keine regelmäßige rechtliche Vertretung zur Verfügung gestellt. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff 4.5.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer sowie militärischen und paramilitärischen Hilfstruppen wie dem Frontier Corps (FC) und den Rangers, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).
In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).
Straflosigkeit ist bei den Sicherheitskräften ein erhebliches Problem. Die Regierung bietet nur begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021).
Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DFAT 20.2.2019).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 30.4.2021
EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf , Zugriff 30.4.2021
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf , 30.4.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
Korruption
Letzte Änderung: 24.06.2021
Von der international tätigen Compliance-Plattform wird das Risiko, mit Korruption konfrontiert zu werden, für folgende Bereiche als hoch eingestuft: Justizsystem, Polizei, öffentlicher Dienst, Steuer-, Grund- und Zollverwaltung sowie öffentliche Beschaffung (GAN Integrity 10.2020).
Nach den Effizienz- und Disziplinarvorschriften muss sich ein Beamter einer Untersuchung stellen, wenn er der Korruption oder finanzieller Unregelmäßigkeiten beschuldigt wird. Eine Person, die wegen Korruption verurteilt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren, einer Geldstrafe oder beidem rechnen, und die Regierung kann sich alle Vermögenswerte aneignen, die durch korrupte Mittel erlangt wurden (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht also strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen aber nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021; vgl. GAN Integrity 10.2020).
Korruption ist in Politik und Regierung allgegenwärtig (GIZ 9.2020) und verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, darunter Bestechung, Erpressung, Nepotismus, Klientelismus und Veruntreuung. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind korrupt, ineffizient und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020).
Pakistan nimmt im Corruption Perceptions Index von Transparency International 2020 Platz 124 von 180 Ländern ein (2019:120) (TI 1.2021). Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Durchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch. Die Regierung setzte im Laufe des Jahres ihre Korruptionsermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung von Führern der Oppositionsparteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari sowie gegen führende Mitglieder anderer Oppositionsparteien, einschließlich der JUI-F, öffentlichkeitswirksame Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021).
Das NAB schüchtert weiterhin politische Gegner und Kritiker der Regierung ein, schikaniert sie oder nimmt sie in Haft. Im Februar kritisierte die Europäische Kommission das NAB wegen politischer Voreingenommenheit. Seit den Wahlen 2018 sind demnach nur sehr wenige Fälle von Ministern und Politikern der Regierungspartei verfolgt worden, was als Ausdruck der Parteilichkeit des NAB angesehen wird. Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass das NAB bei der Verhaftung von zwei Oppositionspolitikern, die für 15 Monate ohne glaubwürdige Anklage festgehalten wurden, das Recht auf ein faires Verfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess verletzt hatte (HRW 13.1.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021
GAN Integrity (last updated 10.2020): Pakistan Corruption Report, https://www.ganintegrity.com/portal/country-profiles/pakistan/ , Zugriff 16.4.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 16.4.2021
GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/ , Zugriff 15.4.2021
TI - Transparency International (1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/pak , Zugriff 9.3.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 15.4.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 24.06.2021
Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).
Dennoch kommt es regelmäßig zu Verletzungen der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte wie z.B. die Schikanierung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, Anwälten und Journalisten, weil sie Regierungsbeamte und die Politik kritisierten. Die Behörden setzen drakonische Gesetze zur Terrorismusbekämpfung ein, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, und gehen streng gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen vor, die sich kritisch zu Regierungsmaßnahmen oder -politik äußern. Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender-Personen sind weiterhin Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, wobei die Behörden es oft versäumen, angemessenen Schutz zu bieten oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung versäumte es, die Strafverfolgungsbehörden für schwerwiegende Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen - selbst als neue Vorwürfe über Folter und außergerichtliche Tötungen aufkamen. Die pakistanischen Behörden gehen hart gegen Mitglieder und Anhänger von Oppositionsparteien vor. Mehrere Oppositionsführer - darunter ehemalige Staatsoberhäupter und Kabinettsminister - werden weiterhin wegen politisch motivierter Korruptionsvorwürfe strafrechtlich verfolgt (HRW 13.1.2021).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet. Bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle (AA 29.9.2020).
Der Einsatz von Verschwindenlassen zur Bestrafung von Dissens kommt immer verbreiteter zur Anwendung, wobei auch schon Menschen von Geheimdiensten am helllichten Tag aus städtischen Zentren entführt wurden. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, Studenten und Journalisten, die außerhalb ihrer Gemeinschaften kaum bekannt waren (AI 7.4.2021; vgl. HRCP 4.2020).
Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu Menschenrechtsproblemen bei - wenn auch in geringerem Maße als vor 2020. Nichtsdestotrotz tragen Gewalt, Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nichtstaatliche Akteure, zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei. Es mangelte an staatlicher Rechenschaftspflicht, und Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob offiziell oder inoffiziell - fördert. Die Behörden bestrafen nur selten Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 30.3.2021).
Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 neu eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 30.3.2021).
Die COVID-19-Pandemie stellt die wirtschaftliche und soziale Lage im Land vor neue Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird das Vorgehen gegen Beschäftigte im Gesundheitssektor genannt. Nach friedlichen Protesten wegen der Zustände in den Krankenhäusern wurden mehrere Dutzend Personen für mehrere Stunden vorübergehend festgenommen: allein am 6. April 2020 etwa mehr als 50 Menschen nach friedlichen Protesten in Quetta (Belutschistan). Auch war diese Personengruppe an ihrem Arbeitsplatz gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Des Weiteren wird die Verfolgung von religiösen Minderheiten nach den Blasphemiegesetzen genannt, sowie die von nichtstaatlichen Akteuren verübten, strafrechtlich häufig nicht verfolgten, gewaltsamen Übergriffe aus religiösen Motiven oder wegen des Geschlechts (BAMF 19.4.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 30.4.2021
AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601.html , Zugriff 22.4.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=ab7209f5eb&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc , Zugriff 14.5.2021
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 30.4.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043507.html , Zugriff 10.3.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 22.4.2021
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Bedingungen in den Gefängnissen sind oft extrem schlecht. Überbelegung bleibt ein ernstes Problem, vor allem aufgrund struktureller Probleme im Strafrechtssystem, die wiederum zu einer hohen Rate an Untersuchungshäftlingen führen. Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden waren im August 2020 landesweit 82.139 Gefangene in 116 Gefängnissen inhaftiert. Die vorgesehene Kapazität dieser Gefängnisse beträgt 64.099, womit die Belegung 28% über der Kapazität liegt (USDOS 30.3.2021). Die Gefängnisse in Pakistan sind nach wie vor sehr stark überbelegt, mit einer Belegungsrate von 133,8%. Der Anteil der Untersuchungs- und Strafgefangenen an der gesamten Gefängnispopulation beträgt 62,1%. Überbelegung, unhygienische Bedingungen und schlechte medizinische Einrichtungen für Gefangene blieben ein ständiges Problem, was ihre Anfälligkeit für Tuberkulose, HIV/AIDS und Hepatitis, neben anderen Krankheiten (HRCP 2020). Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind also generell sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und der NGO HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Die medizinische Versorgung ist auch hinsichtlich der Behandlung psychisch kranker Häftlinge unzureichend (AA 29.9.2020). Die unzureichende Ernährung und medizinische Versorgung in den Gefängnissen führt weiterhin zu chronischen Gesundheitsproblemen. Unterernährung bleibt ein Problem, insbesondere für Insassen, die nicht in der Lage sind, ihre Ernährung durch Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind die sanitären Anlagen, die Belüftung, die Beleuchtung und der Zugang zu Trinkwasser unzureichend (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020).
Im Laufe des Jahres 2020 setzten die Gefängnisabteilungen von Punjab, Sindh und Khyber Pakhtunkhwa den Bau ihrer eigenen Gefängnisakademien fort und konzentrierten sich dabei auf moderne Gefängnismanagementtechniken, die die Menschenrechte fördern und gewalttätigem Extremismus entgegenwirken (USDOS 30.3.2021). Es gibt Ombudspersonen für Gefangene, mit einer Zentralstelle in Islamabad und Büros in jeder Provinz. Die Generalinspektoren der Gefängnisse besuchen in unregelmäßigen Abständen die Haftanstalten, um die Bedingungen zu überwachen und Beschwerden zu bearbeiten. Laut Gesetz müssen die Gefängnisbehörden den Gefangenen und Inhaftierten erlauben, sich ohne Zensur bei den Justizbehörden zu beschweren und eine Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe über unmenschliche Bedingungen zu verlangen. Es gibt jedoch Berichte, wonach Gefangene davon absehen, Beschwerden einzureichen, um Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden zu vermeiden. Internationalen Organisationen wird der Zugang zu Gefängnissen in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan untersagt (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.4.2021
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 14.4.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 14.4.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (USDOS 30.3.2021).
Es gibt einige gesetzliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, den Arbeitsplatz oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. Die Behörden behindern in einigen Teilen des Landes aus Sicherheitsbedenken routinemäßig Reisen bzw. interne Bewegungen. Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt. Sie soll sowohl jene umfassen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellen, als auch jene, gegen die ein Gerichtsverfahren läuft. Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 3.3.2021).
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 30.3.2021). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).
Quellen:
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052851.html , Zugriff 9.6.2021
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 10.5.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html , Zugriff 10.5.2021
Meldewesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad haben ein System für die Registrierung der Bewohner. In den Provinzen Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und den ehemaligen FATA konnten laut IRBC keine Infos über solche Registrierungssyteme gefunden werden. In allen vier Provinzen besteht jedoch eine Meldepflicht. Die Gesetze werden allerdings nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Bezirksleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Bezirken verantwortlich (IRB 23.1.2018).
Bei gemieteten Räumlichkeiten ist es die Pflicht des Mieters oder Vermieters oder auch des Immobilienhändlers, der Polizei zusammen mit dem Mietvertrag vollständige Angaben über den Mieter zu machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRB 23.1.2018).
Quellen:
PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021
IRB - Immigration and Refugee Board [Kanada] (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration systems, including implementation; whether authorities share information on tenant registration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html , Zugriff 10.5.2021
Grundversorgung
Letzte Änderung: 24.06.2021
In Pakistan gibt es über 63 Millionen Arbeitskräfte mit einer Arbeitslosenquote von fast 6%. Die Mehrheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist im Dienstleistungssektor (38%) und in der Landwirtschaft (37%) beschäftigt. 60% der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert. Insgesamt arbeiten fast 72% der Erwerbstätigen im informellen Sektor. Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde durch Nachfrage- und Angebotsschocks als Folge der COVID-19-Krise hart getroffen. Das Center for Labor Research (CLR) schätzt die strukturelle Arbeitslosigkeit in Pakistan auf drei bis fünf Millionen, die temporäre Arbeitslosigkeit als Folge der Pandemie auf 10,5 Millionen (IOM 30.3.2021).
Pakistan gehört zu den Entwicklungsländern, in denen die Urbanisierung schnell voranschreitet. In wirtschaftlicher Hinsicht führen das rasche Bevölkerungswachstum und Covid-19 zu steigendem Druck auf Ressourcen, Beschäftigungsmöglichkeiten, Einkommensverteilung, Armut und sozialen Schutz (IOM 30.3.2021). Derzeit machen der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel, der industrielle Sektor etwa ein Viertel, Handel und Dienstleistung ca. 50% des BIP aus. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40% der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60% der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020).
Nach Angaben des Pakistan Bureau of Statistics stieg der Verbraucherpreisindex zwischen Mai 2019 und Mai 2020 um 8,2%. Die Lebensmittelinflation ist um 10,94% für städtische Verbraucher und 13,73% für ländliche Verbraucher seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie angestiegen. Insgesamt ist die Ernährungsunsicherheit sehr hoch - 20 bis 30% der Bevölkerung (40 bis 62 Millionen Menschen) sind in irgendeiner Form von Ernährungsunsicherheit betroffen. Schätzungsweise 36,43 Millionen Menschen sind dauerhaft und chronisch von Ernährungsunsicherheit bedroht. Weitere 2,45 Millionen Menschen könnten infolge widriger Umstände in Ernährungsunsicherheit geraten (IOM 30.3.2021).
Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (LIPortal 9.2020). Die pakistanische Regierung bietet Projekte zur Unterstützung von Arbeitslosen an, z. B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Es gibt auch eine Arbeitslosenunterstützung für Absolventen & MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen. Eine weitere Möglichkeit wird durch ein Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) geboten, um ein Unternehmen zu gründen, mittels Projekten, die jährlich von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken angekündigt werden. Weiters gibt es für die Unterstützung von Arbeitslosen zwei bestehende Mechanismen: Das Tameer-e-Pakistan-Programm wird als Maßnahme zur Armutsbekämpfung initiiert, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; das Programm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021; vgl. IOM 2019).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92% des Bruttoinlandsprodukts (LIPortal 9.2020). Im aktuellen Human Development Index 2020 von UNDP, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, liegt Pakistan auf Rang 154 (Rang 152 im Jahr 2019) (UNDP 15.12.2020).
Quellen:
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan -Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwicklung/#c39827 , Zugriff 7.5.2021
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socio-economic situation in Pakistan, Email 30.3.2021
IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf , Zugriff 7.5.2021
UNDP - United Nations Development Programme (15.12.2020): Human Development Report 2020, http://hdr.undp.org/en/2020-report , Zugriff 31.3.2021
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die pakistanische Verfassung garantiert "soziale Gerechtigkeit" für alle ohne Diskriminierung. Das DWCP (decent work country programme) (2016-22) soll die Herausforderung angehen, die bestehenden Sozialschutzsysteme zu erweitern und nachhaltiger zu gestalten. Die bestehenden Sozialschutzsysteme schließen die Beschäftigten in der informellen Wirtschaft aus indem sie nur die Bedürfnisse der Beschäftigten in der formellen Wirtschaft abdecken. Die am stärksten benachteiligten Gruppen - wie arme Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Wanderarbeiter - bleiben oft in einem andauernden Kreislauf von Armut und Verwundbarkeit gefangen (ILO o.D.).
Auch wenn Pakistan bei der Armutsbekämpfung wichtige Fortschritte gemacht hat, gibt es weiterhin erhebliche Unterschiede in den Armutsraten zwischen ländlichen (30,7%) und städtischen Gebieten (12,5%), wobei die Armut in den städtischen Gebieten schneller zurückgegangen ist. Traditionelle Geldtransferprogramme hatten einen beträchtlichen Anteil an den Sozialschutzausgaben für Arbeitnehmer des formellen Sektors, und es gab eine erhebliche Verlagerung von Sicherheitsnetzen zu den Nicht-Armen (TWB 15.12.2020).
Auf Bundesebene wurde mit dem Benazir Income Support Programme Act (2010) BISP eine autonome Struktur etabliert, deren Umsetzungskompetenz sich auf das gesamte Land erstreckt. Das Planning & Development Department (P&DDs) jeder Provinz ist die Verwaltungsabteilung, die für die Koordination des Sozialschutzes in der Provinz verantwortlich ist. In allen vier Provinzen gibt es Sozialabteilungen, die für viele Initiativen im Zusammenhang mit der Pflege, der sozialen Fürsorge und der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Sozialschutzprogramme in Pakistan umfassen z.B. das Government Servants’ Pension-cum-Gratuity Scheme für Beamte, die Employees’ Old Age Benefits Institution (EOBI) mit Programmen wie dem Old Age Pension, Invalidity Pension, Survivors’ Pension and Old Age Grants. Weiters sind Einrichtungen wie der Workers’ Welfare Fund, Zakat and Ushr, welches Sozialhilfe für die Armen und Ausgegrenzten bietet, Bait-ul-Maal, welches finanzielle Unterstützung und Sachleistungen für die "bedürftigen Armen", insbesondere für Minderheiten, die von Zakat nicht bedient wurden, bietet, und das BISP zu nennen (ILO 2019).
Das BISP - Pakistans größte einzelne Sicherheitsnetz- und bedingungslose Geldtransferinitiative - konzentriert sich auf die Unterstützung und Stärkung armer Frauen (ILO 2019). Es zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch gestärkt werden (ILO 2017; vgl. TWB 15.12.2020). Die wohl bedeutendste Sicherheitsnetz-Initiative ist das bedingungslose Geldtransferprogramm der Bundesregierung im Rahmen des BISP. Dieses sieht einen Zuschuss von 1.600 PKR/Pakistanische Rupie (ca. 9 Euro) pro Monat für Haushalte vor, die im nationalen Register einen Wert von unter 16 PMT (Proxy Means Test-PMT; Berechnung zur Armutsschwelle) aufweisen (ILO 2019). Weitere verfügbare Leistungen sind Wohnkolonien für Arbeiter in Industriegebieten, die vom Workers' Welfare Fund bereitgestellt werden. Konsumgüter werden im ganzen Land in speziellen Verkaufsstellen der Utility Stores Corporation und in den vom Workers' Welfare Fund betriebenen Fair-Price-Shops in Industriegebieten zu ermäßigten Preisen angeboten (ILO 2019).
Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (SSA o.D.). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019).
Wie für Personen im erwerbsfähigen Alter gibt es auch für ältere Menschen in Pakistan keine universellen Systeme. Alle Staatsbediensteten erhalten bei Eintritt in den Ruhestand eine Rente, ebenso wie die Mitarbeiter von Unternehmen, die bei der Employees' Old Age Benefits Institution (ESSI) registriert sind. Die ESSI der Provinzen bieten auch eine Renteneinrichtung für die Familien von Arbeitnehmern, die bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen. Die Sozialversicherungseinrichtungen der Provinzen für Arbeitnehmer bieten eine Reihe von Dienstleistungen für gering bezahlte Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen an. Finanziert durch eine Abgabe - d.h. eine zusätzliche Abgabe von 6-7% der Lohnsumme, die vom Arbeitgeber gezahlt wird - auf die Lohnsumme, die bei der Regierung hinterlegt wird, bieten die ESSIs Mutterschafts- und Krankheitsleistungen, Leistungen bei Invalidität und Verletzungen sowie Leistungen für Witwen/Witwer. Die Sozialämter in allen Provinzen verwalten eine Reihe von Diensten für bedürftige Erwachsene, darunter Zentren für Frauen, die Missbrauch und/oder häusliche Gewalt überlebt haben, Heime für ältere Menschen und Heime für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Die Hochschulbildung wird von der Higher Education Commission (HEC) unterstützt, die eine Reihe von Stipendienprogrammen für Studenten aus entlegenen Gebieten und solche, die einen Bedarf an Unterstützung nachweisen können, finanziert. Mehrere Bait-ul-Maal-Programme sind ebenfalls relevant, wie z.B. finanzielle Unterstützung, Heiratszuschüsse und Bildungsstipendien - ebenso wie Bildungsstipendien, die von Zakat-Abteilungen angeboten werden (ILO 2019).
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft anhand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2019).
Die Ausgaben für Pensionen sind im öffentlichen Sektor Pakistans recht hoch. Der pakistanische Entwurf des Nationalen Rahmenwerks für Sozialschutz nennt einen Wert von 3,9% des BIP für die Ausgaben für den Sozialschutz auf nationaler Ebene. Nach einer konservativen Schätzung belaufen sich die Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz in einem repräsentativen Jahr auf etwa 405,6 Mrd. PKR (ca. 2 Milliarden Euro). Insgesamt werden die Ausgaben der Bundesregierung für den Sozialschutz durch das BISP dominiert. Zwei Komponenten des Programms (Bedingungslose Geldtransfers und Waseela-e-Taleem) machen fast 98% der Gesamtausgaben im Rahmen der föderalen Sozialhilfeprogramme aus (ILO 2019).
Die Edhi Foundation ist - nach eigenen Angaben - die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edhi o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Bezirken der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Tab.: Leistungsempfänger und Ausgaben für Sozialschutz auf Bundesebene (Anm.: Auf Provinzebene gibt es zusätzliche Programme) (ILO 2019)
Quellen:
Edhi - Edhi Foundation (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/ , Zugriff 10.5.2021
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf , Zugriff 7.5.2021
ILO - International Labour Organization (o.D.): Social security in Pakistan, https://www.ilo.org/islamabad/areasofwork/social-security/lang--en/index.htm , Zugriff 7.5.2021
ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamabad/documents/publication/wcms_737630.pdf , Zugriff 7.5.2021
IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf , Zugriff 10.5.2021
NRSP - National Rural Support Programme [Pakistan] (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.pk/about.html , Zugriff 15.10.2020
SSA - Social Security Administration [USA] (o.D.): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/pakistan.html , Zugriff 10.5.2021
WB - World Bank (15.12.2020): Responsive Social Protection Program and Systems to Serve Pakistan’s Poorest People, https://www.worldbank.org/en/results/2020/12/09/responsive-social-protection-program-and-systems-to-serve-pakistans-poorest-people , Zugriff 7.5.2021
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 24.06.2021
Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle in der Gesundheitsversorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen gekennzeichnet, mit einem Mangel an medizinischen Fachkräften, Krankenschwestern, Sanitätern und qualifiziertem Gesundheitspersonal, insbesondere in den Randgebieten (TSOP 2020). Generell wurde ein mehrstufiges System öffentlicher Gesundheitseinrichtungen eingerichtet. Dieses soll eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu minimalen Kosten auf ambulanter Basis bieten. Die Gesundheitsversorgung liegt in erster Linie in der Verantwortung der Provinzregierungen. Generell sollen die Leistungen in den Notfallzentren der Krankenhäuser kostenlos sein. Die Bundesregierung betreibt außerdem ein kostenloses Impfprogramm im ganzen Land und stellt ein Netzwerk von Lady Health Workers (LHWs) zur Verfügung. Diese Fachkräfte für die medizinische Grundversorgung arbeiten auf Gemeindeebene und bieten Beratung und grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen medizinische Grundversorgung, Familienplanung und Krankheitsprävention an. Während die offizielle Politik zur Gesundheitsversorgung in Pakistan bekräftigt, dass alle diese Leistungen verfügbar sein müssen, sind die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in der Praxis eher schlecht ausgestattet. Die Personalausstattung - insbesondere die Anwesenheit von Ärzten - ist in vielen Einrichtungen unsicher. Eine dringende Herausforderung ist der schlechte Zustand von Ausrüstung und Test- bzw. Analysemöglichkeiten (ILO 2019).
Insgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, zu denen öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen gehören - wobei in den privaten, anders als in den öffentlichen, entsprechende Kosten für die Behandlung anfallen. Die von der Regierung neu ins Leben gerufene "Sehat Insaaf Card"-Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus dem unteren sozioökonomischen Sektor die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die "Sehat Insaaf Card" ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d.h. mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag) und ist ein Jahr gültig. Die Karte deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021).
Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73% der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57% in den Städten und 83% am Land (ILO 2017). Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017).
Als Reaktion auf die schlechte Qualität der Dienstleistungen in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen hat die Regierung Systeme der Sozialversicherung eingeführt, um die Bereitstellung der grundlegenden Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Das jüngste Beispiel ist das Prime Minister's National Health Programme (PM-NHP), das 2018 in 23 Bezirken in Betrieb genommen wurde und auf 40 Bezirke ausgeweitet werden soll. Das Programm, das zwei Arten von Versicherungsschutz bietet, wird von der pakistanischen Provinzregierung und der Bundesregierung gemeinsam finanziert. Bis heute hat das Programm 1,5 Millionen Familien eingeschrieben. Das PM-NHP deckt Familien ab, die unter eine bestimmte Armutsgrenze im Haushaltsregister fallen. Letzteres wird von der wichtigsten Sozialschutzinitiative der Regierung, dem Benazir Income Support Programme, geführt. Die Programme zur Armutsbekämpfung - wie die Zakat-Initiative und Pakistan Bait-ul-Maal - bieten auch Unterstützung für die grundlegende Gesundheitsversorgung. Sie tun dies in Form von Mitteln, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden; die Krankenhäuser entscheiden dann ihrerseits, welche Patienten für die Versorgung in Frage kommen (ILO 2019).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 29.9.2020). In Punjab wurde im Februar 2019 mit der Verteilung von Krankenversicherungskarten in 36 Bezirken der Provinz begonnen. Die Krankenversicherung umfasst die Behandlung von acht Krankheiten (z.B. Kardiologie, Neurologie usw.) bis zu einem Grenzwert von 720.000 PKR (ca. 3.800 Euro). Die Krankenversicherung gilt sowohl für die öffentlichen als auch privaten Krankenhäuser (HRCP 4.2020).
Es gibt staatliche Sozialleistungen für Angestellte in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern und bis zu einem Gehalt von 18.000 PKR (ca. 96 Euro) pro Monat (22.000 PKR/ca. 116 Euro in Punjab) sowie für von ihnen abhängige Personen. Ausgenommen von den Sozialleistungen sind Mitarbeiter in Familienbetrieben und Selbständige. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Eisenbahn sowie Mitglieder der Armee, der Polizei und der örtlichen Verwaltung gibt es eigene Systeme. Begünstigte erhalten allgemeinmedizinische Leistungen, Medikamente, Krankenhausbehandlungen und Krankentransporte. Während der Krankheit werden 75% des Gehalts weiterbezahlt (100% bei Tuberkulose und Krebs; in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa generell 50% Gehaltsfortzahlung). Die Begünstigung setzt sich bei Beendigung des Dienstverhältnisses für sechs Monate oder für die Dauer der Krankheit (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) fort (SSA 3.2019). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.). Die nichtstaatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network betreibt landesweit 450 Kliniken, fünf Krankenhäuser sowie ein Universitätskrankenhaus in Karatschi und fördert zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, um den Zugang zur Grundversorgung zu verbessern (AKDN o.D.).
In Pakistan sind etwa 400 qualifizierte Psychiater tätig. Die meisten Psychiater gibt es in Städten, obwohl im ganzen Land auch Stellen für Bezirkspsychiater geschaffen wurden. Der Mental Health Atlas 2017 der WHO berichtet, dass es nur vier große psychiatrische Krankenhäuser im Land gibt, mit 344 stationären Einrichtungen und 654 psychiatrischen Einheiten in allgemeinen Krankenhäusern (TSOP 2020). Der Mangel an Psychiatern in peripheren Regionen sowie die Kosten der Behandlung sind für durchschnittliche Menschen unleistbar (Dawn 13.5.2019; vgl. Dawn 15.7.2019).
Die Telefonseelsorge Talk2Me ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar und führt 75-90 psychologische Beratungen pro Woche durch (Dawn 13.5.2019). Die Menschen sind aber eher zurückhaltend, wenn es darum geht, zu offenbaren, dass sie eine psychische Krankheit haben. Denn psychische Gesundheitsprobleme sind ein Tabuthema, über das man nicht spricht. Dies wirkt sich ungünstig auf die Qualität der Versorgung von Menschen aus, die an psychischen Krankheiten leiden. Scham aufgrund von psychischen Problemen sowie Vorurteile gegenüber Patienten und Familien halten Menschen davon ab, psychologische Hilfe und psychiatrische Versorgung in Anspruch zu nehmen (TSOP 2020). Zudem genießt die psychische Gesundheit keine hohe Priorität. Außerdem ist durchaus üblich, sich bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen an spirituelle oder traditionelle Heiler zu wenden, da die Menschen psychische Erkrankungen in der Regel als Folge übernatürlicher Einflüsse wahrnehmen. So genannte Glaubensheiler sind eine wichtige Quelle für die Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen in Pakistan, insbesondere für Frauen und Menschen mit geringer Bildung (TSOP 2020).
Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (AA 29.9.2020).
Tab.: Key initiatives for essential health care (ILO 2019)
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in derIslamischen Republik Pakistan (Stand Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 14.5.2021
AKDN - Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan – Health, https://www.akdn.org/where-we-work/south-asia/pakistan/health-pakistan , Zugriff 10.5.2021
Dawn (15.7.2019): Pakistan's silent suicide problem, https://www.dawn.com/news/1494208/pakistans-silent-suicide-problem , Zugriff 15.10.2020Dawn (13.5.2019): Why are more Pakistanis taking their own lives?, https://www.dawn.com/news/1481826/why-are-more-pakistanis-taking-their-own-lives , Zugriff 15.10.2020
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf , Zugriff 10.5.2021
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf , Zugriff 15.10.2020
IJARP - International Journal of Advanced Research and Publications (10.2017): Healthcare System of Pakistan, http://www.ijarp.org/published-research-papers/oct2017/Healthcare-System-Of-Pakistan.pdf , Zugriff 15.10.2020ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamabad/documents/publication/wcms_737630.pdf , Zugriff 10.5.2021
ILO - International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017–19 - Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreportsasia/---dcommro-bangkok/---publilo-islamabad/documents/publication/wcms_604882737630.pdf , Zugriff 15. 10.2020
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socio-economic situation in Pakistan, per Email
Kujri Zohra, Zahra Shaheen Premani, Yasmin Mithani (2016): Analysis of the Health Care System of Pakistan: Lessons Learnt and Way Forward, https://pdfs.semanticscholar.org/178f/79039bb1c5cb826d957d27825f8a692020c9.pdf , Zugriff 15.10.2020
PBM - Pakistan Bait-ul-Mal [Pakistan] (o.D.): How To Get Assistance, http://www.pbm.gov.pk/forms.html , Zugriff 14.5.2021
SSA - Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/ssptw18asia.pdf , Zugriff 14.5.2021
TSOP - Taiwanese Journal of Psychiatry (2020): Mental Health Care in Pakistan, https://e-tjp.org/article.asp?issn=1028-3684;year=2020;volume=34;issue=1;spage=6;epage=14;aulast=Javed;type=3, Zugriff 10.6.2021
Rückkehr
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 29.9.2020). Für pakistanische Staatsangehörige gibt es keine Einreisebeschränkungen, wenn sie freiwillig zurückkehren wollen (IOM 30.3.2021). Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte werden von den Grenzbehörden befragt, um herauszufinden, ob die Person illegal aus Pakistan ausgereist ist bzw. ob strafrechtliche Vorwürfe vorliegen. Wenn keine Vorwürfe vorliegen, wird die Person normalerweise nach einigen Stunden entlassen (DFAT 20.2.2019).
Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben (AA 29.9.2020). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 12.2020). Nach anderen Angaben werden Personen, die illegal ausgereist sind, verhaftet und normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Bei strafrechtlichen Vorwürfen oder wenn im Ausland eine Straftat begangen wurde, wird die Person verhaftet (DFAT 20.2.2019).
Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Return and Reintegration Network (ERRIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 29.9.2020). Derzeit gibt es keine von IOM Österreich durchgeführten Reintegrationsprojekte in Pakistan. Allerdings können freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Pakistan durch das ERRIN-Projekt unterstützt werden. Dieses wird von einer NGO in Pakistan durchgeführt und bietet freiwillig und zwangsweise rückgeführten Personen Wiedereingliederungshilfe an, abhängig von ihrer Berechtigung, die von dem jeweiligen europäischen Land festgelegt wird. Einige Organisationen helfen bei der Gründung von Kleinunternehmen, indem sie finanzielle Unterstützung für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, in Form von Krediten oder Mikrokrediten unterstützen, z. B. die KASHF-Stiftung oder die Jinnah Welfare Society (IOM 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): DFAT Country Information Report Pakistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-pakistan.pdf , Zugriff 10.5.2021
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic situation in Pakistan, per Email
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff 10.5.2021
Dokumente
Letzte Änderung: 07.06.2021
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA). Über 96% der Bürger Pakistans verfügen über biometrische Personalausweise. Die 2012 eingeführte Smart National Identity Card (SNIC) hat auf einem Chip zahlreiche biometrische Merkmale gespeichert und soll bis 2020 die älteren Versionen der NIC vollständig ersetzen. Eine SNIC wird benötigt, um beispielsweise Führerschein oder Reisepass zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte oder Breitbandinternet zu erhalten (PI 1.2019).
Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten. Um gefälschte Dokumente zu erlangen, werden meist Bestechungsgelder bezahlt und/oder politischer Einfluss bzw. Kontakte von Familie und Freunden genutzt. Manche Dokumente sind sogar online oder in Märkten erhältlich. Folgende Dokumente werden regelmäßig gefälscht: Zeugnisse, akademische Titel, Empfehlungsschreiben, Geburts-, Todes-, Heirats- und Scheidungsurkunden, finanzielle Belege/Bestätigungen bzw. Kontoauszüge, Besitzurkunden, polizeiliche Dokumente (u.a. First Information Reports / FIRs), Einreise- und Ausreisestempel in Reisepässen sowie ausländische Visa. Überprüfungen der Echtheit von Dokumenten sind zwar möglich, allerdings bestehen in diesem Zusammenhang mehrere Herausforderungen: Vielfach sind Dokumente zwar nicht komplett gefälscht, aber wurden nicht ganz richtig ausgestellt; von verspäteten Eintragungen oder Änderungen sollte z.B. von den Behörden eine Kopie gemacht werden, was nicht immer der Fall ist; in manchen Städten (insbesondere in Gujranwala, Gujrat und Sialkot) kennen die zuständigen Beamten die zu überprüfenden Personen und nehmen Bestechungsgelder an. Es kommt auch vor, dass Auskünfte verweigert werden. Darüber hinaus werden mitunter auch vermeintlich echte und in die Register eingetragene Urkunden ausgestellt, die jedoch inhaltlich nicht oder nur zum Teil richtig sind (z.B. Heiratsurkunden). Die Überprüfungen erfolgen relativ aufwändig über die lokalen Vertrauensanwälte (hoher administrativer Aufwand) (ÖB 12.2020).
Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, fiktive oder verfälschte Standesfälle (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung formal echte Urkunden ausgestellt zu bekommen. Merkmale auf modernen Personenstandsurkunden und Reisepässen zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte mühelos unterlaufen werden. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. FIR) dann formal echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 29.9.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.5.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf , Zugriff 10.5.2021
PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan , Zugriff 10.5.2021
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Im gegenständlichen Fall ist anzuführen, dass die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchführte und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenfasste. Die Erstbehörde hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt und auch die vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindende allgemeine Lage mit jener, welche dem BF bei Erlassung des Erkenntnisses im Erstverfahren vorfand, verglichen.
Der BF führte zur Begründung seines Folgeantrages aus, dass seine Asylgründe, die er im Erstverfahren vorbrachte, weiterhin aufrecht seien. Der BF erklärte unmissverständlich in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde, er sei in Pakistan in Gefahr. Die Probleme würden noch immer bestehen
Folglich stützt sich der BF – wie das BFA schlüssig darlegte - auf Fluchtgründe, die im ersten Asylverfahren als nicht asylrelevant bzw. als nicht glaubwürdig gewertet wurden.
Diese Folgerung wird auch dadurch unterstützt, dass der BF klar und deutlich im Rahmen seiner Erstbefragung am 30.08.2021 anführte, dass seine alten Asylgründe noch immer gelten würden.
Soweit der BF vorbringt, dass sein Vater von den Gegnern im XXXX angegriffen bzw. angeschossen wurde sowie die Tante des BF ermordet wurde, ist Folgendes in Betracht zu ziehen:
Die belangte Behörde hat schlüssig und nachvollziehbar verdeutlicht, dass der BF durch diesen Sachvortrag und durch die Vorlage von Beweismitteln im gegenständlichen Verfahren keine neuen (glaubhaften) Tatsachen geltend machen konnte. Zum einen wurde darauf verwiesen, dass der BF sich nach wie vor auf Rückkehrhindernisse bzw. eine Bedrohung stützt, die bereits im ersten Verfahren als unglaubwürdig bewertet wurde. Zum anderen wurde darauf verwiesen, dass die vom BF vorgelegten Beweismittel ein gänzlich anderes Bild darlegen, als der BF schildert. Demnach wäre die Tante des BF von ihrem Gatten im Zuge eines Beziehungsstreites umgebracht worden, da der Gatte der Tante gerne ein Haus verkaufen hätte wollen, die Tante dem jedoch nicht zugestimmt hätte. Es hätte offenbar auch Zeugen für diese Tat gegeben, unter anderem wäre der Vater des BF anwesend gewesen.
Der BF gab jedoch diesbezüglich an, dass die verfeindete Familie ins Haus der Eltern des BF gekommen wäre, weil diese den Vater des BF gesucht hätte, welcher aber nicht anwesend gewesen wäre. Die Tante wäre jedoch anwesend gewesen und hätte die gegnerische Familie die Tante umgebracht, weil diese mit den Eindringlingen diskutiert hätte.
Aus den vorgelegten Anzeigebestätigungen ergebe sich überdies, dass der BF vom Bruder der Tante beschuldigt worden wären, gemeinsam mit dem Vater des BF den Tod der Tante geplant zu haben.
Diese Unstimmigkeiten lassen – wie das BFA zutreffend darlegte- nur den Schluss zu, dass konstruierte bzw. ge- oder gefälschte Anzeigenbestätigungen vorgelegt wurden, um den Aufenthalt des BF zu sichern.
Auffallend ist, wie die belangte Behörde erörterte auch der Umstand, dass der BF bereits im Vorverfahren Beweismittel vorlegte, über deren Inhalt er keine Kenntnisse hatte.
Die belangte Behörde hat zu Recht diese nunmehrigen Beweismittel insofern die Beweiskraft abgesprochen, dass diese nicht dazu geeignet waren, einen „glaubhaften Kern“ des Vorbringens des BF aufzuzeigen.
Soweit im Beschwerdeschreiben gerügt wurde, dass sich die belangte Behörde nicht inhaltlich mit den Beweismitteln auseinandergesetzt habe, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Wie bereits oben veranschaulicht, setzte sich das BFA beweiswürdigend mit dem vom BF vorgelegten Unterlagen (drei Anzeigen, ein Zeitungsartikel, eine ärztliche Bestätigung) auseinander. Die belangte Behörde hat nachvollziehbar näher erörterte, aufgrund welcher Ungereimtheiten sie Zweifel an deren Authentizität habe.
Es wird festgestellt, dass nach Ansicht des ho. Gerichts die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat.
Die Erstbehörde hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt und auch die vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindende allgemeine Lage mit jener, welche dem BF bei Erlassung des Erkenntnisses im Erstverfahren vorfand, verglichen.
Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung der belangten Behörde dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufgekommen wären. Vom BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch die belangte Behörde ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, korrespondiert. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Den Ausführungen in der Beschwerde, wonach das BFA seinen Ermittlungspflichten nicht in einem ausreichenden Maß nachgekommen sei bzw. auf das individuelle Vorbringen nicht eingegangen wäre, kann nicht gefolgt werden.
Das Protokoll der Einvernahme vor dem BFA vermittelt den Eindruck, dass der zuständige Organwalter den BF objektiv zu seinem behaupteten Herkunftsstaat und seinem Fluchtvorbringen befragt und den BF mit entscheidungswesentlichen Fragen konfrontiert hat. Bei Betrachtung der gegenständlichen Niederschrift kann der Vorwurf einer mangelhaften Befragung daher nicht nachvollzogen werden.
Zu bedenken ist, dass in einem Großteil der Asylverfahren die mündliche Aussage eines Asylwerbers, das einzige unmittelbare Beweismittel darstellt, um das zentrale Element des Fluchtvorbringens zu erforschen. Nicht auf ein Unterbleiben von Ermittlungsschritten kann sich der BF dann berufen, wenn der maßgebende Sachverhalt von Amts wegen vollständig ermittelt und festgestellt wurde. Im konkreten Fall konnte der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch Angaben des BF erhoben werden.
Wenn bemängelt wird, dass die belangte Behörde die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht berücksichtigt habe, wird verkannt, dass die belangte Behörde sämtliche Angaben des BF zu seinem Privat- und Familienleben als wahr erachtet hat und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt hat. Anhand von Auskünften der Sozialversicherung und des GISA konnte jedoch erhoben werden, dass der BF keiner selbstständigen Erwerbstätigkeit mehr nachgeht bzw. über keine Gewerbeberechtigung verfügt. Somit wurde auch der Umstand, dass der BF nicht mehr selbstständig tätig ist, bei der für die Prüfung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung gemäß Art. 8 MRK miteinbezogen.
Im gegenständlichen Fall wurden die seitens des BF getätigten Äußerungen zu seinen Integrationsschritten im Bundesgebiet in ihrem objektiven Aussagekern seitens der belangten Behörde als wahr unterstellt, sodass letztlich der für den BF günstigste Sachverhalt, wie er sich darstellen würde, wenn sich das Gericht im Rahmen einer Verhandlung einen positiven Eindruck verschafft hätte, der rechtlichen Beurteilung unterzogen, weshalb auch in Bezug auf die Rückkehrentscheidung keine Verhandlung durchzuführen war (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289).
Sofern in der Beschwerde in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des BFA zum Einreiseverbot vorgebracht wird, die belangte Behörde habe nicht dargelegt, warum dieses erlassen wurde, wird auf Seite 56 des Bescheides der belangten Behörde verwiesen, wonach dargelegt wurde, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes auf die abermalige Stellung eines unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrages sowie die Nichtbefolgung der Ausreiseverpflichtung gestützt wurde.
Insoweit die neuerliche Antragstellung des BF unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes zu betrachten ist, ist auszuführen, dass bereits dem rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde im Erstverfahren umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage in Pakistan zugrunde gelegt wurden, welche nach wie vor aktuell sind.
Es sind darüber hinaus auch keine wesentlichen, in der Person des BF liegenden, neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden (wie bspw. eine schwere Krankheit), die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Es gibt keine Hinweise, dass der BF an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet bzw. arbeitsunfähig wäre. Der BF arbeitete als XXXX in Österreich. Der BF könnte bei seiner Rückkehr den Lebensunterhalt selbst bestreiten. Eine medizinische Grundversorgung ist in Pakistan gewährleistet. Es liegen daher nach wie vor keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, bei seiner Rückkehr in eine existenzielle Notlage zu geraten.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan wird auf die, dem im gegenständlichen Bescheid beinhaltende, der Akte beigeschlossenen bzw. in den Bescheiden und im Erkenntnis enthaltenen Feststellungen der belangten Behörde bzw. dem Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
In diesem Kontext ist darauf zu verweisen, dass sich - wie vom BFA zutreffend festgestellt - bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen keine solchen Hinweise ergaben, dass sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorangegangenen, bereits abgeschlossenen Erstverfahrens die maßgebliche allgemeine Lage in Pakistan zum Nachteil des BF geändert hätte.
Das BFA legte seinem Bescheid aktuelle Feststellungen zur Lage in Pakistan zugrunde, aus denen sich ergibt, dass die allgemeine Situation in Pakistan – soweit sie den BF betrifft – im Vergleich zu den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom XXXX im Vorverfahren im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den BF nicht geändert hat
Bezogen auf den vorliegenden Fall hat bereits das das BFA bzw. das Bundesverwaltungsgericht in den im Vorverfahren ergangenen Entscheidungen, die nicht unproblematische Rückkehrbedingungen, vor allem die Sicherheitslage, aber auch die COVID-19 Situation berücksichtigt.
Das BFA hat zudem eine Befragung bzw. Ermittlungen bezüglich der privaten und familiären Verhältnisse des BF in Österreich durchgeführt, im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung Feststellungen dazu getroffen und eine Gegenüberstellung der vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung vorgenommen. Das BFA kam nachvollziehbar zum Ergebnis, dass es zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes gekommen ist.
Die Identität des BF konnte in Ermangelung der Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente nicht festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Konfession und zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine in diesen Punkten gleichbleibenden Angaben während der Verfahren.
Die festgestellten Aspekte zum Privat- und Familienleben des BF beruhen auf den Sachvortrag des BF in seinen beiden Verfahren.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
Zu Spruchpunkt I: Abweisung der Beschwerde gem. § 68 AVG
II.3.2. Prüfungsumfang der „Entschiedenen Sache“
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).
„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235).
Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266). Selbiges gilt, wenn sich das neue Parteibegehren mit dem früheren deckt (etwa das Begehren der Gewährung von internationalem Schutz), die Partei dieses Begehren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage jedoch anders begründet (vgl. ho. Erk. v. 6.10.2011, Zl. E10 417.640-2/2011/3E, E10 417.639-2/2011/3E, Zl. E10 417.641-2/2011/3E).
Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, ho. Erk. vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).
„Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder – falls entschiedene Sache vorliegt – das Rechtsmittel abzuweisen oder – falls dies nicht zutrifft – den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrecht erhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Erk. d. VwGH v.26.2.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).
Als Vergleichsbescheid ist im Falle mehrfacher Asylfolgeanträge derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden - und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen - wurde (vgl. in diesem Sinn VwGH 26.06.2005, 2005/20/0226, mwN).
II.3.3. Entschiedene Sache in Bezug auf den asylrelevanten Sachverhalt
Das Verfahren hinsichtlich des ersten Antrages des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , unter anderem gemäß § 3 AsylG 2005 rechtskräftig negativ abgeschlossen und wurde das Vorbringen des BF als nicht asylrelevant bzw. als unglaubwürdig beurteilt.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Würdigung der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren an, dass der BF nunmehr keinen Sachverhalt vorgebracht hat, welcher die Führung eines neuerlichen inhaltlichen Asylverfahrens erforderlich machen würde.
Der Akteninhalt bzw. die Protokolle der Einvernahmen zeigen, dass die belangte Behörde bemüht war, den Sachverhalt zu ermitteln und die wesentlichen Elemente zu erfragen.
Im Detail darf darauf hingewiesen werden, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Begründung des Bescheides, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Die belangte Behörde hat mit dem BF Einvernahmen durchgeführt und darauf aufbauend richtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
Im Hinblick auf das Vorbringen des BF, dass er weiterhin anführt, seine Angaben im Erstverfahren würden der Wahrheit entsprechen und weiterhin gelten, stützt sich der BF auf sein bisheriges Vorbringen. Diesbezüglich liegt zweifelsfrei entschiedene Sache vor.
Insbesondere gilt dies für die vom BF beschriebene individuelle Bedrohung. Damit bezieht sich der BF auf die im Zuge der ersten Asylantragstellung vorgebrachten Fluchtgründe und wird diesbezüglich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum "Fortbestehen und Weiterwirken", VwGH 20.03.2003, 99/20/0480 ("Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt") verwiesen. Von einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhaltes seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag kann daher diesbezüglich nicht gesprochen werden.
Wenn sich der BF im gegenständlichen Verfahren darauf stützt, dass seine Gegner seinen Vater angeschossen und die Tante ermordet haben, ist Folgendes in Betracht zu ziehen:
Es handelt sich hierbei um neue Sachverhaltselemente. Das vom BF vorgebrachte Vorbringen ist jedoch als nicht glaubhaft zu werten. Es liegt in Bezug auf dieses Vorbringen kein "glaubhafter Kern" vor, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).
Im gegenständlichen Fall ist es dem BF im Ergebnis nicht gelungen, zulässige neue individuelle Gründe darzutun, welche eine allenfalls in seiner Person gelegene neue individuelle Bedrohung begründen könnten.
Es liegt damit schlussendlich entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG vor, da sich gegenüber der Entscheidung im Vorverfahren weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben.
II.3.4. Entschiedene Sache in Bezug auf den zur Prüfung der Voraussetzung der Zuerkennung des Statuts des subsidiär Schutzberechtigten relevanten Sachverhalts „§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. | der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder |
2. | … |
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.…“
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss der BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.4.1. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des BF begründeten Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.
Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. Eine medizinische Grundversorgung ist in Pakistan gewährleistet.
II.3.4.2. In der Beschwerde wurde von dem BF kein substantiiertes bzw. glaubhaftes Vorbringen zu einer etwaig geänderten Lage im Herkunftsstaat erstattet. Weder aus dem Vorbringen des BF, noch aus dem sonstigen Ermittlungsergebnis ergaben sich Hinweise, dass sich neue subsidiäre Schutzgründe ergeben hätten.
Aufgrund dessen, dass auch im zweiten Asylverfahren kein glaubwürdiges konkretes Vorbringen im Hinblick auf eine Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG 2005 erbracht wurde, ist demnach wiederum nur die allgemeine Situation in Pakistan zu betrachten. Von Amts wegen sind seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens keine Änderungen der allgemeinen Situation in Pakistan notorisch, welche die Annahme einer allgemeinen extremen Gefährdungslage gerechtfertigt erscheinen lassen würden.
Da sohin auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom BFA von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, da sich die allgemeine Situation in Pakistan in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das BFA im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
Die derzeitige COVID-19 (sog. Corona-) Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, führt zu keiner Änderung der oben angeführten Erläuterungen zu Pakistan.
Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich der BF in Pakistan mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert bzw. auf dort wegen der Krise herrschende Einschränkungen des Wirtschaftslebens und die daraus resultierende Versorgungslage betroffen ist, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn der BF aufgrund der Bedingungen mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, dass der BF detailliert und konkret darlegt, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Dies wurde vom BF nicht dargelegt (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
Eine derartige Extremgefahr kann für den BF im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass der BF als Mann ohne schwerwiegenden Erkrankungen in Pakistan gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
II.3.5. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.5.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der gegenständliche gestellte Antrag auf internationalen Schutz war zurückzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im obigen Sinn.
Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.5.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und wenn gemäß § 52 Abs 3 FPG dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
II.3.5.2.1. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8
EMRK
ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8
EMRK
besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.
Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,
innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.
II.3.5.2.2. Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten.
Der Beschwerdeführer stellte am 06.07.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig negativ entschieden. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , GZ: XXXX wurde die Revision des BF zurückgewiesen.
Am 14.10.2021 stellte der BF seinen zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der BF hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Der BF verfügt über soziale Kontakte in Österreich; engere freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern konnten nicht festgestellt werden. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Vom XXXX bis XXXX war der BF im XXXX freiwillig tätig und hat dort Gartenarbeiten bzw. sonst anfallende Arbeiten, z.B. Malerarbeiten, erledigt. Der BF unterstützte bedürftige Menschen.
Seine Freizeit verbringt der BF mit Fußballspielen oder im Fitnessstudio. Er wohnt in einer Mietwohnung.
Der BF hat Deutschkurse besucht. Der BF hat eine Deutschprüfung auf A1 Niveau bestanden, jedoch keine auf A2 Niveau.
Der BF verfügte über aufrechte Gewerbeberechtigungen als XXXX . Er war als XXXX berufstätig und als gewerblich selbständig Erwerbstätiger nach GSVG sozialversichert. Der BF verfügt über österreichische Lenkberechtigungen der Klassen AM und B und besitzt auch ein eigenes Fahrzeug. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr und ist selbsterhaltungsfähig.
Der BF ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Von ihm begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
Die Rückkehrentscheidung betreffend des BF stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben.
II.3.5.2.3. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
II.3.5.2.4. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten Folgendes:
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Der BF ist illegal im Jahr 2016 nach Österreich eingereist und stellte insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz, die sich als unberechtigt erwiesen haben. Sein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet war ihm nur in den Zeiträumen zwischen Antragstellung und der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz möglich.
Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.
Er verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund der Asylverfahren. Selbst dieses galt jedoch nur bis zu der rechtskräftigen negativen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag bzw. ab seinen weiten Asylantrag. Ab dem Zeitpunkt der rechtskräftig negativen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag hielt sich der BF bis zu seiner zweiten Asylantragstellung illegal in Österreich auf und missachtete die gegen ihn erlassene rechtskräftige Rückkehrentscheidung nach Pakistan.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).
Denn auch der Verfassungsgerichtshof trat der Ansicht des Asylgerichtshofes nicht entgegen, wonach einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus wesentliche Bedeutung zugemessen worden war (VfGH 12.06.2010, U614/10-U613/10). In einer weiteren Entscheidung verweist der VfGH darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenen führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).
Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten des BF ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
Im Hinblick auf den Umstand, dass der nunmehr erwachsene BF den prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte, dort sozialisiert wurde, die dortige Sprache spricht, ist hingegen die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Vergleich zu seinem Lebensalter als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen und er die Sprache des Herkunftsstaates beherrscht.
Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, bei seiner Rückkehr sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren. Der Beschwerdeführer ist mit den Traditionen und den Gebräuchen in Pakistan vertraut.
Zugunsten des BF ist zu berücksichtigen, dass dieser über Deutschkenntnisse verfügt, beruflich und ehrenamtlich tätig war und am gesellschaftlichen Leben teilnahm.
Auch wenn der BF über Deutschkenntnisse verfügt, vermag den grundlegenden Kenntnissen der deutschen Sprache vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof den Umstand, perfekt Deutsch zu sprechen, als kein über das übliche Maß hinausgehendes Integrationsmerkmal erachtete (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029), kein wesentliches Gewicht zukommen.
Auch wenn sich der BF um seine sprachliche, soziale und berufliche Integration bemüht zeigte, kommt seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gesamtbetrachtend vor dem Hintergrund der angeführten Judikatur kein allzu großes Gewicht zu, zumal die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt überwiegend auf im Ergebnis nicht berechtigten Asylanträge gestützt hat, wesentlich gemindert wird.
Bezüglich seiner beruflichen Tätigkeit ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass die Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH vom 15.09.2010, 2007/18/0612 und vom 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Im Besonderen ist hier ferner auf die folgenden aktuellen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen. Trotz langjährigem Aufenthalt wurde auch hier seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit der Ausweisung bejaht: VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis; mit Rechtsstellung eines anerkannten Flüchtlings gerechnet; keinerlei Unterstützung im Herkunftsstaat zu erwarten), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (etwa siebenjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang eheliche Gemeinschaft mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; Unterkunft; Krankenversicherungsschutz; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; Erlernen der deutschen Sprache; Freundes- und Bekanntenkreis; Verwandte in Österreich; Unbescholtenheit; kaum bzw. keinen Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert; Zeitungsausträger), VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 (rund siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (fast achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; perfekte Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Freundes- und Bekanntenkreis; Unbescholtenheit; wirtschaftlicher Neubeginn; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; Lebensunterhalt finanziert; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; im Heimatland keine Existenzgrundlage; eingeschränkte Bindungen zum Heimatland; sozial integriert).
Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).
Das BFA ist sohin zu Recht davon ausgegangen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die privaten Interessen des BF. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK daher nicht geboten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
II.3.5.3. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Im gegenständlichen Fall liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde bzw. im Beschwerdeverfahren nicht schlüssig dargelegt.
II.3.5.4. Gemäß § 55 Absatz 1 a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht.
II.3.6. Einreiseverbot:
Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:
§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
….(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
Der mit „Einreiseverbot“ betitelte Artikel 11 der Rückführungsrichtlinie lautet:
(1) Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher,
a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder
b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.
In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen.
(2) Die Dauer des Einreiseverbots wird in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt.
(3) Die Mitgliedstaaten prüfen die Aufhebung oder Aussetzung eines Einreiseverbots, wenn Drittstaatsangehörige, gegen die ein Einreiseverbot nach Absatz 1 Unterabsatz 2 verhängt wurde, nachweisen können, dass sie das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter uneingeschränkter Einhaltung einer Rückkehrentscheidung verlassen haben.
…
II.3.6.1. § 53 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht die Judikatur zum Einreiseverbot auch nach wie vor als anwendbar.
Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VwGH) hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Dass bei Vorliegen der letztgenannten Konstellation - wie die ErläutRV formulieren - "jedenfalls" ein unbefristetes Einreiseverbot zu erlassen ist, findet im Gesetz aber keine Deckung und stünde auch zu Art. 11 Abs. 2 der Rückführungs-RL (arg.: "kann") in Widerspruch. Dagegen ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. E 20. November 2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.
Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230. Außerdem ist auf die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).
II.3.6.2. Die belangte Behörde erließ über den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und stützte es auf § 53 Abs 2 FPG. Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen aus, dass der BF offenbar wegen nicht asylrelevanter Gründen ausgereist ist und durch das Asylverfahren seinen Aufenthalt missbräuchlich sichern wollte. Der BF ist im Erstverfahren seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Der BF verblieb im Verfahren bezüglich seines ersten Antrages auf internationalen Schutz trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und Verstreichen der eingeräumten Frist zur freiwilligen Rückkehr unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet. Das illegale Verbleiben des BF nach Abschluss des Asylverfahrens und die Unwilligkeit, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, stellen eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen, sowie des Interesses einer demokratischen Gesellschaft an der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes, der Verteidigung der Ordnung, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dar. Im Hinblick auf dieses Gesamtverhalten kann sohin derzeit nicht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden.
Zudem wurde auch kein relevanter familiärer oder sonstiger Bezug zu Österreich geltend gemacht. Es war der vom BF ausgehenden Gefährdung und den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Einreiseverbotes auf Grund seines bisherigen Fehlverhaltens größeres Gewicht beizumessen als seinen nicht ausgeprägten persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
Aufgrund der aufgezeigten Umstände ist die Annahme der belangten Behörde gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, weil er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.
Für die belangte Behörde bestand auch kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 53 Abs 1 FPG (arg: "kann") von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen, liegen doch die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 FPG für die Erlassung eines Einreiseverbotes vor, sodass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Einreiseverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs 2 B-VG) liegen würde.
Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes von zwei Jahren stellt sich angesichts der zulässigen Höchstdauer von fünf Jahren sowie den im gegenständlichen Fall vorliegenden Umständen als angemessen dar.
Abschließend darf ergänzend angefügt werden, dass eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von der belangten Behörde durchgeführt wurde und sich dabei keine Umstände, welche aus dem Blickwinkel des § 53 FPG zu Gunsten des BF zu beurteilen gewesen wären, ergaben.
Somit war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
II.3.7. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG entfallen, da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In der rechtlichen Beurteilung in Bezug auf das Vorliegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache verweist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis auf die umfassende höchstgerichtliche Judikatur des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes. Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht zudem hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.
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