BVwG W124 1419503-3

BVwGW124 1419503-318.9.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs1 Z6
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W124.1419503.3.00

 

Spruch:

W124 1419503-3/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX ,

 

1. zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

 

"Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen."

 

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, §§ 9, 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

III. Der Beschwerde war hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und der Ausspruch über den Verlust des Aufenthaltsrechtes ersatzlos zu beheben.

 

IV. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dieser wie folgt zu lauten hat:

 

"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wird gegen Sie ein Einreiseverbot für die Dauer von 12 Monaten erlassen."

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

2. den Beschluss gefasst:

 

A) Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird

zurückgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Vorverfahren

 

1.1 Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er an, er heiße XXXX , sei am XXXX in XXXX geboren und sei Staatsangehöriger Indiens. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er werde aufgrund seiner politischen Gesinnung von Mitgliedern der Congress Partei verfolgt, da er Sympathisant der Partei Akali Dal sei.

 

Dieses Verfahren wurde in der Folge am XXXX gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt, da der Aufenthalt des BF unbekannt war und er laut Zentralmeldeauskunft nicht in Österreich gemeldet war.

 

1.2 Aufgrund einer Anfrage der zuständigen Behörden in Großbritannien wurde der BF am XXXX nach den Bestimmungen der Dublin II-Verordnung nach Österreich rücküberstellt, woraufhin er am selben Tag vor der Grenzpolizeiinspektion Schwechat, Flughafen, den zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Eine EURODAC-Abfrage vom selben Tag ergab, dass der BF am XXXX in Großbritannien unter dem Namen XXXX , geboren am XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

 

Im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX gab der BF an, Religionsangehöriger der Sikh zu sein und führte zu seinen Fluchtgründen aus, seine Mutter sei an einem Herzinfarkt gestorben, als er fünf Jahre alt gewesen sei. Sein Vater sei XXXX nach Großbritannien ausgewandert, woraufhin er bei seinem Großvater gelebt habe. Als dieser XXXX verstorben sei, hätte er niemanden mehr in Indien gehabt. Der BF hätte beschlossen, seine Heimat zu verlassen und seinen Vater in Großbritannien zu suchen. Er habe ihn dort allerdings nicht gefunden. Da er auch in Indien niemanden mehr habe, zumal seine Schwester nach Kanada ausgewandert sei, suche er nun in Österreich um Asyl an.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am XXXX brachte er vor, XXXX habe es in XXXX Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Sikhs gegeben. Sein Vater sei verfolgt worden, da er als Sikh eine Ehe mit einer Hindu-Frau eingegangen sei. Zunächst habe er sich in Indien versteckt, sei dann aber im Jahr XXXX ausgereist. Nach Überflutungen hätten der BF und sein Großvater aus ihrem Dorf wegziehen müssen, woraufhin der Großvater gestorben sei. Da der BF im Punjab keine Arbeit gefunden habe, sei er nach XXXX gegangen, wo er mit Unterstützung aus dem Sikh-Tempel eine Arbeit als Eisverkäufer erhalten habe. Im Jahr XXXX sei sein Eiswagen zerstört und er selbst sei verletzt worden. Andere Geschäftsleute hätten die Unbekannten als Hindus erkannt. Dem BF sei zugetragen worden, dass es sich um dieselben Männer handle, die auch seinen Vater verfolgt hätten. Der BF sei von Verfolgung bedroht, da er einer gemischt-religiösen Ehe entstamme. Der Vater habe ihn XXXX , seine Mutter XXXX genannt.

 

Der Antrag des BF wurde mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 nach Indien ausgewiesen, da er keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft machen habe können. Zudem bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung sowie gegen eine Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien.

 

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des BF wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom XXXX , Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen, wobei inhaltlich im Wesentlichen der Entscheidung des BAA gefolgt wurde. Diese Entscheidung wurde dem BF am XXXX durch die PI XXXX persönlich zugestellt.

 

1.3 Der BF reiste erneut zu einem unbekannten Zeitpunkt aus Österreich aus und wurde am XXXX aus Großbritannien nach Österreich überstellt, woraufhin er den dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Die Erstbefragung erfolgte am XXXX vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Schwechat Sondertransit. Im Wesentlichen gab er an, seine bisher genannten Fluchtgründen würden weiterbestehen. Er habe in Indien niemanden.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt am XXXX sowie am XXXX gab er zusammengefasst an, er habe in Indien keinen Besitz und keine Familie. In England habe er Freunde und es lebe einer seiner Neffen dort. In Österreich habe er eine Freundin, mit welcher er jedoch keine Beziehung führen würde.

 

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, da sich das Vorbringen lediglich auf die bereits im Vorverfahren geschilderten Fluchtgeschichte stütze.

 

Das BVwG wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom XXXX , Zl. XXXX , als unbegründet ab.

 

1.4 Am XXXX beantragte der BF zum vierten Mal vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes internationalen Schutz. Das Verfahren wurde jedoch am XXXX gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG eingestellt, da der Aufenthaltsort des BF wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt noch leicht feststellbar war und eine Entscheidung ohne weitere Einvernahme nicht erfolgen konnte. Nachdem der BF eine neue Meldeadresse bekanntgab, wurde das Verfahren fortgesetzt.

 

Im Zuge der Einvernahme am XXXX vor dem Bundesamt gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, er suche seinen Vater und habe gewusst, dass er in England sei. Er habe keine Probleme in seinem Herkunftsstaat, kenne dort aber niemanden und wolle daher nicht zurück.

 

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag vom XXXX wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass die Ausreise nach Indien zulässig sei. Am XXXX wurde der Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

 

1.5 Am XXXX stellte der BF den fünften Antrag auf internationalen Schutz, woraufhin die Erstbefragung des BF durch ein Organ der LPD XXXX erfolgte. Zu seinen Personaldaten gab er an, er heiße XXXX , sei am XXXX geboren, spreche Hindi und gehöre dem Sikhismus an. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes führte er aus, er habe in einem Dorf an einem Fluss gelebt. Das Hochwasser habe alles zerstört, daher sei er geflüchtet. In seinem Dorf gebe es jemanden, der ihm gegenüber gewalttätig sei. Im Falle einer Rückkehr nach Indien fürchte er um sein Leben.

 

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG2005 oder § 55 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Indien zulässig ist. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht ausgesprochen. Da der Aufenthalt des BF unbekannt war, wurde der Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde am XXXX hinterlegt.

 

2. Gegenständliches Verfahren

 

2.1 Am XXXX stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Die Erstbefragung erfolgte am XXXX durch ein Organ der LPD Oberösterreich. Zu seinen persönlichen Daten gab er an, sein Name sei XXXX , er sei am XXXX geboren, stamme aus Indien und gehöre dem Hinduismus an. Zu den Fluchtgründen, welche er im Rahmen des am XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens bei seiner Erstbefragung angegebenen habe, seien keine neuen Gründe hinzugekommen. Es sei nicht seine Schuld, dass Österreich negativ entschieden habe. Der Staat Österreich habe ihn damals von England zurückgerufen, weshalb er nun hier Asyl bekommen möchte. Er habe keine Angehörigen in Indien und keinen Grund zurückzukehren.

 

2.2 Am XXXX erging ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 BFA-VG gegen den BF, da sein Aufenthaltsort unbekannt war. Das Verfahren wurde daher gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt. Mit XXXX wurde der Festnahmeauftrag nach freiwilliger Bekanntgabe des neuen Aufenthaltsortes widerrufen und das Verfahren fortgesetzt.

 

2.3 Am 19.03.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt. Zu seiner Identität gab er an, er habe nie einen Reisepass besessen, verfüge aber über einen indischen Personalausweis, der bei einem Freund sei. Der Name XXXX sei sein Spitzname in England gewesen. Er spreche Punjabi, Hindi, Englisch und etwas Deutsch. Gesundheitlich gehe es ihm gut. Er leide lediglich an Schlafstörungen, welche er medikamentös behandle. In Therapie oder ärztlicher Behandlung befinde er sich nicht.

 

Er stamme aus dem Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Punjab. Dieses Dorf liege am XXXX . Er sei nie in die Schule gegangen und habe von XXXX verschiedene Gelegenheitsjobs angenommen. Seine Mutter sei XXXX an einem Herzinfarkt verstorben. Zu seinem Vater habe er seit XXXX keinen Kontakt mehr, da er verschwunden sei. Seine Schwester habe XXXX geheiratet und sei nach Kanada ausgewandert. Zu seinen übrigen Verwandten habe er seit XXXX keinen Kontakt mehr. Im April XXXX habe er Indien schließlich verlassen.

 

In Indien sei er unbescholten, sei niemals vor Gericht gestanden und auch nie inhaftiert worden. Er habe weder gröbere Probleme mit den Behörden oder Militärangehörigen gehabt, noch würden aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestehen. Der BF sei nie politisch aktiv bzw. Mitglied einer Partei oder Organisation gewesen. Mit Privaten habe er keine Schwierigkeiten gehabt und er sei auch nicht wegen seiner Volkszugehörigkeit verfolgt worden.

 

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, seine Mutter habe der Religion der Hindu angehört, sein Vater sei Sikh. Die Familien seien auf beiden Seiten gegen die Ehe gewesen. Die Onkel mütterlicherseits hätten den BF geschlagen, als er acht Jahre alt gewesen sei und hätten ihn auch in XXXX gemeinsam mit anderen Personen attackiert. In Indien habe er ständig Angst gehabt. Er kenne in seinem Herkunftsstaat niemanden mehr und wisse auch nicht, wohin er gehen oder wo er leben solle, wenn er zurückkehren müsse.

 

In Großbritannien habe er zunächst auch niemanden gekannt, habe aber in einem Sikh-Tempel Leute kennengelernt, die ihm zu Schwarzarbeit verholfen hätten. Die Reise nach Großbritannien sowie die Reise von Indien nach Österreich habe er mit seinen Ersparnissen finanziert.

 

Er habe weder Verwandte in Österreich noch in anderen EU-Mitgliedstaaten. Derzeit lebe er im Asylheim. In Vereinen sei er nicht tätig. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und habe gemeinnützige Arbeit in der Gemeinde XXXX erbracht. Um eine Arbeit zu finden, sei er bereits einmal in der Nähe von XXXX beim AMS gewesen. Es habe jedoch keine Arbeit für ihn gegeben. In Österreich wolle er Deutsch lernen und arbeiten.

 

Zu den Länderfeststellungen äußerte sich der BF während der Einvernahme nicht, sondern gab bekannt, er werde binnen zwei Wochen eine diesbezügliche Stellungnahme abgeben.

 

2.4 Mit E-Mail vom XXXX gab die Flüchtlingsbetreuerin XXXX bekannt, der BF habe das übergebene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Indien (09.01.2017) gelesen und stimme dem Inhalt nicht zu.

 

2.5 Am XXXX verständigte die Staatsanwaltschaft Wels das Bundesamt über die Einbringung eines Strafantrags zu XXXX gegen den BF wegen § 107 (1,2) 1. Fall StGB.

 

2.6 Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet mitgeteilt.

 

2.7 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ausgesprochen, dass der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren hat (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG wurde gegen den BF ein auf 5 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

 

Zur Erlassung des Einreiseverbotes führte das Bundesamt begründend aus, der BF sei nicht in der Lage, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung reiche nicht aus, zumal die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung rechtlich erlaubt sei. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, gemeinnützige Tätigkeiten oder einer Arbeit auf Werkvertragsbasis nachzugehen.

 

2.8 Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF für ein etwaiges Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt. Zudem wurde ihm mitgeteilt, dass er verpflichtet ist, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum XXXX in Anspruch zu nehmen.

 

2.9 In der gegen diese Entscheidung durch den BF, vertreten durch die XXXX , fristgerecht erhobenen Beschwerde vom XXXX wurde der Bescheid vollinhaltlich angefochten. Weiters wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens durchzuführen.

 

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde hätte gegen ihre gemäß §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG bestehende Pflicht verstoßen, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Konkret seien die Länderfeststellungen unzureichend, da sie nicht auf die Situation einer gemischt-religiösen Familie eingehen würden. Der BF verwies in diesem Zusammenhang auf den Bericht von EASO - European Asylum Support Office sowie die beigelegte ACCORD-Anfrage vom 21.09.2016.

 

Die Beweiswürdigung sei mangelhaft erfolgt, da es sich bei den Widersprüchen im Vorbringen des BF von der Einvernahme XXXX bzw. der Einvernahme XXXX betreffend seine Eltern lediglich um ein Missverständnis handle. Darüber hinaus wurde erläutert, indische Kinder seien wesentlich selbständiger und es sei daher nachvollziehbar, dass ein Achtjähriger Grundstücke verkaufe, um für sich selbst zu sorgen. Die von der Behörde aufgezeigten Widersprüche seien insgesamt willkürlich und konstruiert.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde dem BF dem Antrag auf Asyl stattgeben müssen und hätte bei Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur sowie einer korrekten Interessensabwägung die Rückkehrentscheidung dauerhaft für unzulässig erklärt werden müssen.

 

Die aufschiebende Wirkung sei zuzuerkennen, da bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK drohe.

 

Das Einreiseverbot sei aufzuheben oder in eventu herabzusetzen, da es die Behörde verabsäumt habe, eine Gefährdungsprognose vorzunehmen und die Dauer des Einreiseverbotes in keiner Weise begründet habe.

 

2.10 Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim BVwG mit dem Vermerk ein, das Bundesamt verzichte auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des BVwG zugewiesen.

 

2.11 Mit Schreiben vom XXXX teilte das Landesgericht XXXX mit, dass das Strafverfahren gegen den BF zu XXXX unter Bestimmung einer Probezeit von 2 Jahren diversionell erledigt wurde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen

 

1.1 Der BF ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Punjab, gehört der Volksgruppe der Punjabi an und ist ledig. Seine Religionszugehörigkeit und seine Identität konnten nicht festgestellt werden.

 

1.2 Der BF reiste unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am XXXX erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde eingestellt, da der BF seiner Meldeverpflichtung nicht nachkam und nicht auffindbar war.

 

Der BF reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt weiter nach Großbritannien und hielt sich dort unrechtmäßig auf. Infolge einer Anhaltung durch die britischen Behörden wurde er am XXXX nach Österreich rücküberstellt und beantragte daraufhin erneut internationalen Schutz.

 

Zu seinen Fluchtgründen gab er in diesem Vorverfahren an, seine Eltern hätten eine gemischt-religiöse Ehe geführt, weshalb der Vater verfolgt worden sei und aus Indien geflüchtet sei. -Seine Mutter sei bereits XXXX an einem Herzinfarkt gestorben. In der Folge sei er bei seinem Großvater aufgewachsen. Sie hätten ihr Dorf aufgrund von Überflutungen verlassen müssen, woraufhin auch der Großvater gestorben sei. Da der BF im Punjab keine Arbeit gefunden habe, sei er nach XXXX gegangen, wo er mit Unterstützung aus einem Sikh-Tempel eine Arbeit als Eisverkäufer gefunden habe. Dieselben Personen, die seinen Vater verfolgt hätten, hätten ihn schließlich in XXXX verletzt und seinen Eiswagen zerstört. Er habe in Indien nichts mehr, da das Haus verkauft worden sei und seine noch lebenden Angehörigen ausgewandert seien.

 

Mit Bescheid wurde der Antrag des BF abgewiesen. In weiterer Folge wurde auch seine dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgewiesen. Daraufhin reiste der BF erneut nach Großbritannien aus, wurde jedoch am XXXX nach Österreich rücküberstellt.

 

1.3 Am XXXX , XXXX und am XXXX stellte der BF Anträge auf internationalen Schutz, welche allesamt rechtskräftig wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurden.

 

Der BF konnte seit der ersten Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz weder in den Vorverfahren noch im gegenständlichen ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun.

 

In der Zwischenzeit sind auch keine Umstände eingetreten, wonach dem BF in Indien aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Indien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

1.4 In der Zeit vom XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX und von XXXX bis XXXX befand sich der BF im Krankenhaus XXXX . Der BF nutzte sein Verhalten, um nach Linz transferiert zu werden und um seine Freunde dort zu besuchen. Bei seinem letzten Aufenthalt entfernte er sich zweimal unerlaubterweise mehrere Stunden von der Station. Im Kontrollharn vom Folgetag wurde ein fallender Opiatspiegel und erstmaliger Nachweis von Cannabis festgestellt. Im Entlassungszeitpunkt war er frei von selbst- und fremdgefährdendem Verhalten.

 

Der BF leidet an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit.

 

1.5 Er ist in der Lage, im Herkunftsstaat trotz fehlender Schulbildung seinen notwendigen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu sichern, da er gesund und arbeitsfähig ist. Neben Punjabi spricht der BF Hindi und Englisch. In Indien hat der BF Verwandte, pflegt jedoch keinen Kontakt zu ihnen.

 

1.6 In Deutsch erhielt er das ÖSD Zertifikat A1 und war zur Deutschprüfung A2 zumindest angemeldet. Der BF hat in Österreich keine Angehörigen und lebt im Asylheim. Im Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX erbrachte er an insgesamt 10 Tagen gemeinnützige Leistungen für die XXXX . Darüber hinaus leistete er von XXXX bis XXXX insgesamt 80 Stunden gemeinnützige Arbeit im Seniorenheim XXXX für den Verein XXXX . Einer Erwerbstätigkeit ist er in Österreich jedoch zu keinem Zeitpunkt nachgegangen.

 

1.7 Gegen ihn wurde ein Strafantrag wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 erster Fall StGB eingebracht. Das Strafverfahren wurde jedoch unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren diversionell erledigt. Bisher ist der BF in Österreich unbescholten.

 

1.8 Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

a. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

 

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

 

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

 

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

 

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

 

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

 

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

b. Politische Lage

 

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9 .2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9 .2016a).

 

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9 .2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9 .2016a).

 

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

 

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9 .2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

 

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

 

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9 .2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

 

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

 

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9 .2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9 .2016b).

 

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

 

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9 .2016b).

 

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

 

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

c. Sicherheitslage

 

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

 

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

 

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

 

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

 

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

 

Pakistan und Indien

 

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9 .2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

 

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9 .2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9 .2016b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

c.1. Jammu und Kaschmir

 

Erhebliches Unruhepotential besteht weiterhin im Bundesstaat Jammu und Kaschmir, wo Angriffe eindringender Militanter, der ungeklärte Konflikt zwischen Indien und Pakistan um die Region, die Unzufriedenheit der mehrheitlich muslimischen kaschmirischen Bevölkerung und teils drakonische Sonderrechte indischer Sicherheitskräfte ein Klima des Misstrauens und der Angst schaffen (AA 9 .2016b). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft" (AA 16.8.2016).

 

Indien zählt weltweit zu den zehn am stärksten vom islamistischen Fundamentalismus betroffenen Staaten. In den letzten zehn Jahren wurden über 6.000 Menschen Opfer islamistischer Gewalt. Den Schwerpunkt bildet dabei der von Indien kontrollierte Teil Kaschmirs. Das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten in Indien bleibt die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.11.2015).

 

Seit September 2014 ist es wiederholt zu Feuergefechten gekommen. Zehntausende Zivilisten auf beiden Seiten mussten ihre Häuser verlassen. Indische Regierungsvertreter erklären die Verletzungen des Waffenstillstands als Taktik Pakistans, um Kämpfer und Terroristen in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu schleusen. Die Lage in der Region ist seit Jahrzehnten angespannt, weil dort mehrere bewaffnete Gruppen aktiv sind, u.a. militante Separatistengruppen, die den indischen Staat bekämpfen und in Pakistan Zuflucht finden (BPB 20.11.2015). Seit Monaten wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die Unruhen sind in ihrer Intensität stärker als die von 2010. Manche Beobachter interpretieren sie gar als die blutigsten in der Geschichte Kaschmirs (GIZ 11.2016).

 

Der von 2014 bis 2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen (AA 9 .2016b). Pakistanische Streitkräfte haben das Waffenstillstandsabkommen allein im August 2014 16mal verletzt. Berichten zufolge waren Aufständische jedoch nicht in der Lage, die internationale Grenze zu überschreiten (FH 28.1.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 183 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 117, für das Jahr 2013 181, für das Jahr 2014 193 für das Jahr 2015 174 und für das Jahr 2016 267 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

 

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BPB 20.11.2015). Unter dem Sonderermächtigungsgesetz für das indische Militär kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Im September 2015 wurden sechs indische Soldaten aufgrund ihrer Rolle bei der Tötung von Zivilisten in Kaschmir von einem Militärgericht zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Allgemein gilt die steigende Wahlbeteiligung im indischen Unionsstaat Jammu und Kaschmir als Indikator für eine wachsende Anerkennung der Legitimität Indiens in der Region (BPB 20.11.2015). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

c.2. Naxaliten

 

Die ländlichen Gebiete im Osten haben sich zum Schauplatz für den schwersten innerstaatlichen Konflikt in Indien entwickelt. Gewalttätige linksextremistische Gruppen (sogenannte "Naxaliten" oder "maoistische Guerilla") (AA 16.8.2016) führen einen "Volksbefreiungskrieg" gegen den indischen Staat (BPB 12.11.2015) und stellen weiter eine große innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar (AA 16.8.2016). Dem seit Jahrzehnten existierenden Phänomen des maoistischen (naxalitischen) Terrors wurde bislang nur mit geringem Erfolg mit polizeilichen Maßnahmen auf lokaler Ebene begegnet (ÖB 12.2016). Die Naxaliten, die überwiegend in der landesweit verbotenen Communist Party of India (CPI-Maoist) zusammengeschlossenen sind verüben regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, politische Gegner und die öffentliche Infrastruktur (BPB 12.11.2015). Sie operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im ländlichen Raum. In Chhattisgarh, Jharkhand, Bihar, Madhya Pradesh, Westbengalen, Odisha und Andhra Pradesh ist es den Naxaliten in zahlreichen Distrikten gelungen, eigene Herrschaftsstrukturen zu errichten (AA 16.8.2016). Die Naxaliten streben die gewaltsame Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung an. Ihre maoistische Guerillastrategie zielt auf die Kontrolle über die ländliche Bevölkerung und die Zerstörung der zentralen Institutionen des Staates (BPB 12.11.2015).

 

Die Naxaliten verfolgen eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite stehen soziales Engagement, Arbeitsbeschaffung und die Verteidigung der Armen und Schwachen, auf der anderen Seite brutale Gewalt, Guerillaaktionen, Einschüchterung und Erpressung gegen echte und vermeintliche, auch zivile "Gegner". Mordkommandos gegen Polizeieinheiten sind nicht selten. Allerdings sind auch Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte in den Naxaliten-Gebieten dokumentiert. Die Zivilbevölkerung findet sich zwischen den Fronten wieder (AA 16.8.2016).

 

Nach einer zunehmenden Militarisierung und räumlichen Ausdehnung des Konflikts zwischen 2005 und 2009 hat die indische Zentralregierung im Frühjahr 2009 einen nationalen sicherheits- und entwicklungspolitischen Aktionsplan zur Eindämmung der Gewalt beschlossen. Hierdurch konnten die Naxaliten vielerorts zurückgedrängt und durch die Verhaftung, Tötung oder Kapitulation führender Kader erheblich geschwächt werden. Trotz des Rückgangs des Gewaltniveaus seit 2012 ist ein Ende des Konflikts nicht in Sicht. Die Rebellen verüben auch weiterhin Anschläge auf Sicherheitskräfte. Im Mai 2013 griffen sie einen Konvoi der regierenden Kongress-Partei im indischen Bundesstaat Chhattisgarh an, wobei 27 Kongress-Politiker ums Leben kamen (BPB 12.11.2015). In jüngster Vergangenheit kam es zu einer Häufung spektakulärer Attentate der Maoisten, nicht nur gegen Sicherheitskräfte der Regierung, sondern auch gegen zivile Ziele, wie Eisenbahnverbindungen (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

c.3. Punjab

 

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

 

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

 

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

 

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

 

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

 

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

 

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

d. Rechtsschutz/Justizwesen

 

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

 

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

 

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

 

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

 

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 16.8.2016).

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Hierbei kann die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Überzeugung des Opfers eine Rolle spielen. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben beispielsweise 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

 

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht, sich dem Ankläger zu stellen und ihre eigenen Zeugen und Beweismittel zu präsentieren, jedoch konnten Angeklagte dieses Recht manchmal aufgrund des Mangels an ordentlicher Rechtsvertretung nicht ausüben. Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 13.4.2016).

 

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.

 

Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2016).

 

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

e. Sicherheitsbehörden

 

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

 

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.4.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.1.2016).

 

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.4.2016).

 

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.8.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

 

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.8.2016 vgl. USDOS 25.6.2015).

 

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.8.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze -, die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten-, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.4.2015; vgl. auch USDOS 25.6.2015).

 

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

f. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 16.8.2016). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 6.2016). Ein innerstaatlicher Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter, welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN-Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament nicht verabschiedet (AA 16.8.2016).

 

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 16.8.2016) und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2016). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 13.4.2016). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 16.8.2016).

 

Nach zuverlässigen Angaben des "Asia Pacific Human Rights Network" wird Folter systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung und der Gelderpressung oder der summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016); Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NROs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang (AA 16.8.2016).

 

Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 13.4.2016).

 

Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir. Folter wird aber auch in anderen Landesteilen, vor allem in sozial schwachen und bevölkerungsreichen Staaten wie Uttar Pradesh und Bihar, angewandt. Folter und Misshandlungen in Gefängnissen sind nach belastbaren Erkenntnissen von Amnesty International verbreitet (AA 16.8.2016).

 

Trotz der Trainings für senior police officers, bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse durch Sicherheitskräfte verbreitet (ÖB 12.2016).

 

Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam. In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Von etlichen Ausnahmen abgesehen, werden gesetzeswidrige Handlungen in diesem Bereich geahndet. Die angerufenen Gerichte haben hierbei in den letzten Jahren verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten. Auch über Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (vor allem in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) berichten Menschenrechtsorganisationen und die Nationale Menschenrechtskommission. Auch diese werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

g. Korruption

 

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 13.4.2016). Indien scheint im Korruptionsindex 2015 von Transparency International auf Platz 76 (Anmerkung: 2014 Platz 85 von 175) von insgesamt 168 Ländern auf (TI 2016).

 

NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 13.4.2016). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.1.2015). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 13.4.2016).

 

Obwohl jedes Jahr Politiker und Beamte bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.1.2016). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 13.4.2016). Nationaler und internationaler Druck hat zu gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption geführt. Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 unterzeichnete Lok Pal und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken, wobei es aber Fragen der Umsetzung gibt. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 45 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 250 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.1.2016).

 

Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich. Einer speziellen Ermittlungsgruppe zufolge haben Beamte der Lokayukta, einem gesetzlichen Organ zur Korruptionsbekämpfung, Bestechungsgelder zum Schutz vor Korruptionsrazzien in Karnataka entgegengenommen. Dabei wurden zehn Personen verhaftet, einschließlich des Sohnes des Gerichtsombudsmannes (Ombudsman Justice Bhaskar) und dem Public Relations Officer von Lokayukta (USDOS 13.4.2016). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.1.2016).

 

Zivilgesellschaftliche Organisationen lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit unter anderem mit öffentlichen Demonstrationen und mittels Websites während des gesamten Jahres 2015 auf das Thema Korruption (USDOS 13.4.2016).

 

Die Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) registrierte im Untersuchungszeitraum [Anm.: Jänner bis November 2015] 583 Korruptionsfälle. Das CBI betreibt ein Webportal und eine gebührenfreie Hotline - um Beschwerden aufzunehmen (USDOS 13.4.2016). Eine neue Helpline, um Menschen im Umgang mit Bestechungsforderung durch Regierungsmitarbeiter in der Hauptstadt Delhi zu unterstützen, erhielt mehr als 4.000 Anrufe in den ersten Stunden ihres Bestehens. Diese Helpline steht 14 Stunden pro Tag zur Verfügung und soll helfen die alltägliche Korruption zu bekämpfen (BBC 9.1.2014).

 

Die Regierung ernannte Hauptüberwachungsbeamte (Chief Vigilance Offifers), um öffentlichen Beschwerden und Missstände im Banken-, Versicherungs- und anderen Sektoren, die durch private, öffentliche und körperschaftliche Gremien bedient werden, nachzugehen. Das Parlament verabschiedete im Dezember 2014 ein Gesetz zu Ombudsmannorganisation, Lok Pal, um Vorwürfe von Regierungskorruption zu untersuchen (USDOS 25.6.2015).

 

Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

h. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Indiens Zivilgesellschaft ist vielstimmig; es gibt eine schier unüberschaubare Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (offizielle Schätzungen gehen von über 3 Millionen aus), darunter viele in- und ausländischer Menschenrechtsorganisationen (AA 16.8.2016), die sich für soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte einsetzen (USDOS 13.4.2016). Diese können grundsätzlich frei (AA 16.8.2016) und in der Regel ohne Einschränkungen durch die Regierung operieren, Fälle von Menschenrechtsverletzungen untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen (USDOS 13.4.2016). Die Website NGOsIndia.com enthält umfangreiche weiterführende Informationen über die zahlreichen, in den verschiedensten Bereichen und Regionen aktiven Menschenrechtsorganisationen in Indien (NGOsIndia.com o.D.).

 

Es gibt keine systematischen staatliche Behinderungen oder Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger (AA 16.8.2016), in manchen Fällen kommt es aber zu Einschränkungen (USDOS 13.4.2016). NGOs sind nicht selten subtilen Schikanen der Behörden (Verzögerung oder Versagung von Genehmigungen vor allem auch zum Empfang ausländischer Mittel, häufige Rechnungs- und Finanzprüfungen, schleppende Bearbeitung oder Versagung der Visaerteilung für ausländisches Personal, Ausreiseverbote) und auch Drohungen, etwa durch Armee oder Polizei, ausgesetzt (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Einzelne Menschenrechtsverteidiger, vor allem im Bereich sozialer und wirtschaftlicher Rechte, und Journalisten sehen sich durch lokale Behörden/Polizei in ihrer Arbeit eingeschränkt. Vereinzelt werden diese auch Opfer von Gewalt (AA 16.8.2016). Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir konnten Menschenrechtsverletzungen dokumentieren (USDOS 13.4.2016), jedoch kommt es insbesondere im konfliktbetroffenen Bundesstaat Jammu und Kaschmir und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens kommt es immer wieder zu Einschüchterungsversuchen von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern (u.a. Festnahmen, Lizenzentzug), bis hin zu physischen Angriffen. In diesen Gebieten herrscht aufgrund der besonderen gesetzlichen Rahmenbedingungen oftmals Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen (AA 16.8.2016).

 

Obwohl Indien eine starke Zivilgesellschaft und eine akademische Gemeinschaft hat, werden ausländischen Beobachtern, die ins Land reisen wollen, um die Menschenrechte und andere Themen zu untersuchen, manchmal Visa verwehrt. Unter speziellen Umständen erlaubt der "Foreign Contributions Regulation Act" (FCRA) der Bundesregierung, Nichtregierungsorganisationen den Zugang zu ausländischer Finanzierung zu verwehren (FH 27.1.2015). Die Regierung wird bezichtigt, dieses Gesetz für die Bekämpfung der politischen Opposition zu missbrauchen. Im Jahr 2016 annullierten die Behörden die FCRA Lizenzen von etwa 20.000 NGOs wegen Nichteinhaltung von FCRA Bestimmungen, darunter auch wegen nicht genehmigter ausländischer Finanzierung. Damit bleiben 13.000 legale NGOs und es wurden 2000 erstmalige Registrierungsersuchen beim Innenministerium eingebracht (TOI 27.1.2016).

 

Die Regierung traf sich in der Regel mit inländischen NGOs, reagierte auf ihre Anfragen und ergriff als Reaktion auf ihre Berichte und Empfehlungen Maßnahmen. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) arbeitet kooperativ mit zahlreichen NGOs zusammen und mehrere Ausschüsse der NHRC arbeiten mit NGO Vertretern zusammen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

i. Ombudsmann

 

Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) ist ein unabhängiges und unparteiisches Untersuchungs- und Beratungsorgan der Zentralregierung. Sie hat das Mandat sich mit Menschenrechtsverletzungen oder Unterlassungen der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch öffentlichen Angestellten zu befassen, sich in Gerichtsverfahren einzuschalten, die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und das öffentliche Bewusstsein für Menschenrechte zu fördern. Die NHRC ist direkt dem Parlament rechenschaftspflichtig. Sie hat die Möglichkeit Zeugen zu laden, Dokumentationen zu erstellen und öffentliche Berichte einzufordern. Sie empfiehlt auch angemessene Entschädigungen in Form von Kompensationen für Familien von Getöteten oder Verletzten. Sie kann aber weder die Umsetzung ihrer Empfehlungen durchsetzen noch Vorwürfen gegen militärisches oder paramilitärisches Personal nachgehen (USDOS 13.4.2016). Die NHRC untersucht Menschenrechtsverletzungen auf Antrag oder von Amts wegen, richtet Empfehlungen an die Regierung oder den Obersten Gerichtshof und kann die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen. Obwohl sie keine Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren hat und mangels Ermittlungsbefugnissen auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen ist, trägt sie zunehmend auch durch in der Öffentlichkeit ausgeübten Druck und durch Zusammenarbeit mit NGOs zur Ahndung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen bei (ÖB 12.2016). Der NHRC behandelt rund 8000 Beschwerden pro Jahr. Ihr steht ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofs vor (FH 27.1.2016).

 

23 Bundesstaaten haben eigene Menschenrechtskommissionen, die eigenständige Untersuchungen durchführen, aber unter der NHRC arbeiten. In sieben Bundesstaaten war die Position des Vorsitzenden nicht besetzt. Menschenrechtgruppen mutmaßen, dass die Menschenrechtskommissionen durch lokale Politik in ihrer Tätigkeit eingeschränkt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Es gibt Vorwürfe von Menschenrechtsgruppen, die die finanzielle Abhängigkeit von der Regierung und die Richtlinie, wonach Fälle, die älter als ein Jahr sind, nicht untersucht werden, beanstanden. Sie kritisieren weiter, dass nicht alle Beschwerden registriert werden, Fälle willkürlich abgewiesen werden, Fälle nicht gründlich untersucht werden und Beschwerden zurück zum angeblichen Verletzer geleitet werden sowie, dass die Beschwerdeführer nicht ausreichend geschützt werden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

j. Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Indien unterhält eine Berufsarmee (AA 16.8.2016). Es besteht keine Wehrpflicht (CIA 12.12.2016). Fälle von Zwangsrekrutierungen sind nicht bekannt. Das Mindesteintrittsalter in die Armee beträgt 16 Lebensjahre. Fahnenflucht, der Versuch der Fahnenflucht und die Beihilfe dazu werden nach dem "Army Act" von 1950 und den entsprechend lautenden "Navy Act" und "Air Force Act" je nach Schwere des Falles mit hohen Gefängnisstrafen oder mit der Todesstrafe geahndet (AA 16.8.2016). Im Alter von 16 bis 18 Jahren kann man sich freiwillig zum Militärdienst melden (CIA 12.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

k. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

 

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

 

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

 

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

 

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

l. Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit. Obwohl die Pressefreiheit in der indischen Verfassung nicht dezidiert erwähnt ist, wird auch diese von der Regierung im Allgemeinen in der Praxis respektiert (USDOS 13.4.2016). Indien befindet sich im Pressefreiheits-Index 2016 auf Platz 133 von 180 Ländern und hat sich im Vergleich zu 2015 um drei Plätze verbessert (RwB 2016).

 

Die unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen und Feindschaften zwischen Gruppen provozieren könnten und die Behörden haben sich auf diese Regeln berufen, um Printmedien, Rundfunk und Fernsehen sowie die Veröffentlichung und Verbreitung von Büchern einzuschränken. Der Staat hat auch weiterhin das Monopol auf das AM Radio und beschränkt die Vergabe von Lizenzen an FM Radiostationen auf jene Sender, deren Sendungen Unterhaltungs- und Bildungszwecken dienen. Satellitenfernsehen ist weit verbreitet und stellt für das staatliche Fernsehnetzwerk eine Konkurrenz dar (USDOS 13.4.2016). Menschrechtsverletzungen, Korruption und politische Skandale finden in Berichterstattung breit Niederschlag. Öffentliche Debatten sind wesentlicher Bestandteil indischer Demokratie. Medien, insbesondere die Printmedien, arbeiten frei (AA 16.8.2016).

 

Im Bereich elektronischer Medien übt der Staat Kontrolle aus (Zulassung privater Sender in den Bereichen Radio und Fernsehen). Fälle von staatlicher Einschränkung der Pressefreiheit bzw. Zensur (z.B. Filmverbote, Blockierung von Webseiten im Nachgang von Anschlägen) werden öffentlich diskutiert (AA 16.8.2016). Indien hat mit derzeit ca. 460 Millionen Internetnutzern nach China die zweitgrößte Netzgemeinde der Welt (AA 16.8.2016). Es gibt jedoch einige Beschränkungen des Internetzuganges sowie Berichte, dass die Regierung gelegentlich Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und persönliche Kommunikation überwachte. IT Gesetze erlauben es der Regierung, Internetwebsites und Inhalte zu blockieren und das Senden von Nachrichten mit aufrührerischem oder anstößigem Inhalt zu kriminalisieren (FH 27.1.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Sicherheitsbehörden haben weitgehende Überwachungsvollmachten und blockieren vereinzelt in ganzen Regionen den Zugang zum Netz, so z. B. bei den gewalttätigen Patidar-Ausschreitungen in Gujarat im August/September 2015 (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Meinungsfreiheit im Internet wird durch IT-Regeln ("Information Technology Rules") eingeschränkt, nach denen z.B. auch rechtswidrige Äußerungen Einzelner strafrechtlich geahndet werden können. Rechtswidrig sind demnach "blasphemische, rassistische, grob verletzende und obszöne" Äußerungen (AA 24.4.2015). Zwischen 25. und 28.9.2015 kam es zu einer Abschaltung des Internets in Jammu und Kaschmir mit der Begründung, eine Verschärfung der Spannungen zwischen muslimischen und hinduistischen Gemeinschaften zu verhindern. Die Abschaltung von 2G, 3G, GPRS und Breitbandinternet dauerte 82 Stunden (RwB 7.10.2015).

 

Aufgrund ihrer Berichterstattung waren einige Journalisten und Medienschaffende Gewalt und Belästigungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Wer in Indien Gewalt gegen Journalisten verübt, geht in der Regel straffrei aus. Obwohl im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Korruption, Politik, Verbrechen oder andere sensible Bereiche eine alarmierende Zahl von Journalisten getötet wurde, hat die Regierung noch keine Maßnahmen zum Schutz von Medienmitarbeitern getroffen (RwB 20.1.2016).

 

Im Allgemeinen können Einzelpersonen die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, ohne Repressalien fürchten zu müssen. In bestimmten Fällen nutzen lokale Behörden Gesetze gegen Obszönität um Personen festzunehmen, die offenbar politische Reden hielten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

m. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Das Gesetz garantiert die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016), wenngleich es auch zu Einschränkungen kommen kann. Gemäß §144 der Strafprozessordnung sind die Behörden ermächtigt, das Recht auf freie Versammlung einzuschränken und Ausgangssperren zu verhängen, wann immer "sofortige Prävention oder schnelle Abhilfe" notwendig ist. Staatsgesetze, die auf diesen Vorgaben basieren, werden oft missbraucht, um das Abhalten von Treffen und Versammlungen einzuschränken. Ungeachtet dessen finden regelmäßig Protestveranstaltungen statt (FH 27.1.2016).

 

Ein Antrag für das Abhalten von Versammlungen und Demonstrationen muss vorab bei den zuständigen lokalen Behörden gestellt werden. Vereinzelt werden Anträge abgelehnt, wie beispielsweise in Jammu und Kaschmir, wo die Behörden Separatistengruppen manchmal keine Erlaubnis ausstellt (ÖB 12.2016) und die Sicherheitskräfte manchmal Mitglieder politischer Gruppen, die an friedlichen Protesten teilnehmen, verhaften oder angreifen (USDOS 13.4.2016). In Zeiten von Unruhen in Jammu und Kaschmir ziehen die Behörden die Strafprozessordnung heran, um öffentliche Versammlungen zu verbieten oder Ausgangssperren zu verhängen (USDOS 13.4.2016).

 

Gewerkschaftliche Streiks und öffentliche Protestveranstaltungen können zur Lahmlegung des gesamten öffentlichen Lebens im betroffenen Gebiet und zu Gewalttätigkeiten führen. Gewerkschaften spielen in Indien jedoch eine relativ geringe Rolle, da nur etwa 8% der indischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind. Der "Essential Services Maintenance Act" erlaubt es der Regierung, Streiks in staatlichen Unternehmen zu verbieten (ÖB 12.2016)

 

Bei der Organisation von internationalen Konferenzen kommt es zu Restriktionen und Genehmigungen aus dem Ministerium für Inneres können nur mithilfe von NGOs erlangt werden. Auch wenn das Genehmigungsverfahren in manchen Fällen langwierig ist, so werden die Berechtigungen von den Behörden doch routinemäßig erteilt (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

m.1. Opposition

 

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Die Wahlen zu den Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabeten-Rate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter korrekt durchgeführt. Behinderungen der Opposition kommen insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene vor, z.B. durch nur eingeschränkten Polizeischutz für Politiker, Versagung von Genehmigungen für Wahlkampfveranstaltungen, tätliche Übergriffe durch Anhänger anderer Parteien. Derartige Vorkommnisse werden von der Presse aufgegriffen und können von den politischen Parteien öffentlichkeitswirksam thematisiert werden. Sie ziehen in der Regel auch Sanktionsmaßnahmen der unabhängigen und angesehenen staatlichen Wahlkommission ("Election Commission of India") nach sich (AA 16.8.2016).

 

Wichtigste Oppositionspartei ist nach ihrer Niederlage bei der jüngsten Lok Sabha-Wahl die Kongresspartei (Indian National Congress - INC) unter Führung von Parteichefin Sonia Gandhi (Schwiegertochter Indira Gandhis und Witwe Rajiv Gandhis). Ihr Sohn Rahul Gandhi, der die Kongresspartei als eine Art unerklärter Spitzenkandidat in den Wahlkampf führte, konnte gegen Narendra Modi und die in Indien weit verbreitete Wechselstimmung wenig Wirkung entfalten. In den letzten Jahren haben eine Reihe von regionalen Parteien an Profil und Einfluss gewonnen (AA 9 .2016a).

 

Indien verfügt über eine vielfältige Parteienlandschaft. Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene von politischer Bedeutung sind. (AA 16.8.2016).

 

Jede offiziell anerkannte Partei wird entweder als Bundes- oder als Regionalpartei eingestuft. Wenn eine Regionalpartei in mehr als vier Bundesstaaten offiziell anerkannt ist, erhält sie den Status einer Bundespartei. Zu den wichtigsten indischen Parteien gehören Indian National Congress, Bharatiya Janata Party, Bahujan Samaj Party (BSP), Communist Party of India und Communist Party of India (Marxist). Bekannte und einflussreiche regionale Parteien sind Telugu Desam in Andhra Pradesh, Muslim League in Kerala, Shiv Sena in Maharashtra, Dravida Munnetra Kazhagam in Tamil Nadu und Samajwadi Party in Uttar Pradesh (GIZ 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

n. Haftbedingungen

 

Dem Bericht des National Crime Records Bureau (NCRB) aus dem Jahr 2014 zufolge, gab es 1387 Gefängnisse landesweit mit einer genehmigten Kapazität von 356.561 Personen - bei einer Häftlingszahl von 418.536 (USDOS 13.4.2016). Der Anteil der Gefängnisinsassen an der Gesamtbevölkerung liegt mit ca. 0,35% niedrig. Trotzdem sind die Gefängnisse zum Teil massiv überbelegt (AA 16.8.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Dem Bericht der NCRB zufolge waren die Gefängnisse in Chhattisgarh mit 261% und in Delhi mit 216,8% ihrer Kapazität ausgelastet. Es gab 17.681 weibliche Häftlinge - etwa 4,2% der Häftlingszahl - und weniger als 1% Jugendliche (USDOS 13.4.2016). Eine Sonderbehandlung für Ausländer ist nicht vorgesehen (AA 16.8.2016). Untersuchungshäftlinge werden häufig zusammen mit bereits verurteilten Häftlingen inhaftiert, Männer und Frauen werden getrennt untergebracht (USDOS 13.4.2016).

 

Der überwiegende Teil der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge (2014: 67,7%), die wegen der sehr starken Überlastung der Gerichte zum Teil jahrelang auf den Beginn ihres Prozesses warten müssen (AA 16.8.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

 

Die Haftbedingungen können stark variieren. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (Standard einer indischen Grundversorgung), für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich, ärztliche Basisversorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA 16.8.2016). Die Sanitäreinrichtungen, das Essen, die medizinische Versorgung und Umgebungsbedingungen sind jedoch oft unzureichend. Trinkwasser ist nur manchmal erhältlich (USDOS 13.4.2016). Häftlinge können sich tagsüber im Gefängnishof bewegen und Sport treiben. Jeder Häftling kann die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Es ist ebenfalls üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 16.8.2016). Gefängnisse und Haftanstalten sind auch weiterhin personell unterbesetzt und eine ausreichende Infrastruktur fehlt. Häftlinge werden physisch schlecht behandelt (USDOS 13.4.2016).

 

Langdauernde, willkürliche Inhaftierung bleibt ein bedeutendes Problem als Folge eines überlasteten und nicht entsprechend ausgestatteten Gerichtssystems sowie wegen mangelnder Rechtssicherheit. Die Regierung unternimmt weiterhin Bemühungen mithilfe von sogenannten "Fast Track-Gerichten", um Überbelegung der Gefängnisse sowie Verringerung langdauernder Inhaftierungen zu reduzieren (USDOS 13.4.2016).

 

Es gab auch weiterhin Berichte über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei. Manche Vergewaltigungsopfer hatten Angst, aufgrund des drohenden sozialen Stigmas und möglichen Vergeltungshandlungen, sich zu melden und das Verbrechen anzuzeigen, speziell dann, wenn der Täter ein Polizist oder ein anderer Beamter war. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) hat das Mandat Vergewaltigungsfälle in denen Polizisten involviert sind zu untersuchen. Die NHRC ist gesetzlich befugt, Informationen über Mitglieder des Militärs und den paramilitärischen Streitkräften zu verlangen, jedoch hat sie kein Mandant, um Fälle zu untersuchen, die diese Einheiten betreffen. Es gab Fälle, in den sich Polizeibeamte weigerten, Vergewaltigungen zu registrieren (USDOS 13.4.2016). Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NGOs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 16.8.2016).

 

Nach Angaben der NHRC ist ein großer Teil der Todesfälle in Gefängnissen (2014: 1.702) auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird. Es steht in den Gefängnissen eine medizinische Basisversorgung zur Verfügung, bei Bedarf wird ins (oftmals unzureichend ausgestattete) Krankenhaus eingeliefert (AA 16.8.2016).

 

Der Public Safety Act gilt nur in Jammu und Kashmir und erlaubt staatlichen Behörden das Festnehmen von Personen ohne Anklage oder gerichtlicher Überprüfung für bis zu zwei Jahren. Während dieser Zeit ist es den Familienmitgliedern nicht erlaubt, Zugang zu den Häftlingen zu haben. Häftlingen ist der Zugang zu einem Anwalt während Befragungen erlaubt. In der Praxis vollzieht die Polizei in Jammu und Kaschmir regelmäßig willkürliche Verhaftungen und verweigert Häftlingen, speziell den mittelosen, den Zugang zu Anwälten und medizinischer Betreuung (USDOS 13.4.2016).

 

Gefangene haben auch das Recht ihre religiösen Riten abzuhalten, was auch in der Praxis in den meisten Fällen berücksichtigt wird. Die Regierung erlaubt NGOs innerhalb bestimmter Richtlinien, Gefangenen Unterstützung anzubieten. Gefängnisbeamte führen umfangreiche Aufzeichnungen. Für Haftanstalten gibt es keinen Ombudsmann, aber die Gefangenen dürfen sich mit Beschwerden an die Justizbehörden wenden. Alternative Strafvollzugsmethoden werden nur selten angewandt (USDOS 25.6.2015).

 

Der "Arbeitsgruppe Menschenrechte in Indien" und den Vereinten Nationen zufolge, starben zwischen 2001 und 2010 14.231 Menschen in Polizeigewahrsam und werden jedes Jahr rund 1,8 Millionen Menschen Opfer von Polizeifolter - wobei es sich dabei nur um die bei der NHRC registrierte Fällen handelt und die Dunkelziffer wahrscheinlich höher ist (FH 28.1.2015). Der NHRC zufolge, sind während der letzten 8 Monate des Jahres 2015 111 Personen in Polizeigewahrsam gestorben (FH 27.1.2016).

 

Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

o. Todesstrafe

 

Die indische Regierung hat im Jahr 2012 das inoffizielle Memorandum in Bezug auf die Todesstrafe aufgehoben (HRW 27.1.2016). 59 Straftatbestände verschiedener Gesetze bzw. des indischen Strafgesetzbuch erlauben das Verhängen der Todesstrafe. In Militärgesetzen ist die Todesstrafe als Regelstrafe für schwere Fälle von Kollaboration, Meuterei und Fahnenflucht, seit Ende 2014 auch für gewaltsame Flugzeugentführung mit Todesfolge vorgesehen. Weder die indische Regierung noch die einzelnen Unionsstaaten führen eine Statistik über zum Tode Verurteilte (AA 16.8.2016).

 

Jedes Strafgericht kann die Todesstrafe verhängen. Der Oberste Gerichtshof hat eine restriktive Rechtsprechung zur Verhängung der Todesstrafe aufgestellt, wonach diese nur unter zwei engen Voraussetzungen verhängt werden kann: Die Tat muss außerordentlich schwerwiegend ("rarest of the rare cases") sein, und für den Täter bestehen keine Aussichten auf Resozialisierung (AA 16.8.2016). Eine Erhebung der renommierten National Law University zeigte im Mai 2016 jedoch auf, dass die Todesstrafe von lokalen Strafgerichten weiterhin kontinuierlich verhängt wird; die Gesamtzahl an Gefangenen im Todestrakt beträgt derzeit ca. 400. Zwischen 2000 und 2015 wurden

1.468 Todesurteile verhängt; davon wurden rund 30% in nächster Instanz freigesprochen, nur etwa 5% der Todesurteile wurden letztinstanzlich bestätigt (AA 16.8.2016).

 

Zum Tode Verurteilte haben das Recht, ein Gnadengesuch einzureichen. Das Begnadigungsrecht steht je nach Instanzenzug dem Staatspräsidenten bzw. dem Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates zu. Der Oberste Gerichtshof hat am 21.1.2014 eine überlange, nicht zu rechtfertigende Dauer des Gnadenverfahrens als verfassungswidrig qualifiziert. Die Todesurteile von 15 Personen wurden daraufhin in lebenslange Haft umgewandelt. Außerdem urteilte das Gericht, dass eine solche Umwandlung auch bei Geisteskrankheit des Täters - unabhängig vom Zeitpunkt der Erkrankung - erfolgen müsse. Mit Entscheidung vom 18.2.2014 ist das Todesurteil gegen drei Attentäter von Premierminister Rajiv Gandhi vom Supreme Court wegen der überlangen Dauer des Gnadenverfahrens in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt worden (AA 16.8.2016).

 

Im August 2015 empfahl die Law Commission of India (beratendes Gremium der Regierung) die Abschaffung der Todesstrafe - mit Ausnahme von Straftaten, die mit Terrorismus und Aufstacheln zum Angriffskrieg im Zusammenhang stehen. Da weite Teile von Parlament und Bevölkerung in Indien die Todesstrafe weiterhin befürworten, ist mit einer baldigen Abschaffung nicht zu rechnen. Zuletzt im November 2014 stimmte Indien im Menschenrechtsausschuss der VN-Vollversammlung gegen eine Resolution, die die weltweite Aussetzung der Todesstrafe zum Ziel hat (AA 16.8.2016; vgl. auch:

HRW 27.1.2016).

 

Im April 2014 verhängte ein Gericht in Mumbai die Todesstrafe gegen drei Männer wegen Vergewaltigung. Grundlage des Urteils war ein neues Gesetz aus dem Jahr 2013, das für mehrfache Vergewaltigung die Todesstrafe vorsieht (AI 25.2.2015). Im Jahr 2015 wurde in Indien eine Person hingerichtet und in mehr als 75 Fällen die Todesstrafe verhängt (AI 6.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

p. Religionsfreiheit

 

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

 

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

 

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

 

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

 

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

 

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

p.1. Christen

 

Christliche Gemeinschaften finden sich im gesamten Land, aber in größerer Konzentration im Nordosten und in den südlichen Bundesstaaten Kerala, Tamil Nadu, und Goa. In drei kleinen Bundesstaaten im Nordosten (Nagaland, Mizoram, und Meghalaya) stellen die Christen die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

 

Die Lage der mehrheitlich katholischen Christen (ausweislich der letzten Volkszählung 2011 ca. 2,3% der indischen Bevölkerung) ist in den letzten Jahren durch das Erstarken hindunationalistischer Bewegungen schwieriger geworden (AA 25.4.2015). Christlichen Gemeinden zufolge kam es zu einer Steigerung von Gewalt und Belästigungen, einschließlich körperlicher Gewalt, Brandstiftung, Schändung von Kirchen und Bibeln sowie Störung von Gottesdiensten. Dem Bericht zufolge gewährte die lokale Polizei selten Schutz und weigerte sich, Beschwerden aufzunehmen und hat die Vorfälle nur selten untersucht (USDOS 10.8.2016).

 

Besonders betroffen von Übergriffen sind die marginalisierten christlichen Dalits, die nach Schätzungen mindestens zwei Drittel der indischen Christen ausmachen, allerdings auch eine anhaltende Diskriminierung durch die eigene Kirchenhierarchie beklagen. Die NGO "Catholic Secular Forum" registrierte in ihrem Jahresbericht 2015 deutliche Steigerungen von Übergriffen auf Christen und spricht von mindestens 213 schwerwiegenden Übergriffen (2014: 120 Fälle), bei denen acht Christen getötet und ca. 8.000 verletzt wurden. Christen (aber auch Muslime) werden häufig ohne Differenzierung von hindu-nationalistischer Seite des Proselytismus bezichtigt, der das eigentliche Motiv aller sozialen und Bildungsaktivitäten sei (AA 16.8.2016). Die christliche Hilfsorganisation "Evangelical Fellowship of India" berichtet von landesweit 177 Fällen von gezielter, gegen Christen gerichteter Gewalt, Belästigung oder Diskriminierung. Diese Vorfälle beinhalten Angriffe auf Missionare, erzwungene Konversion zum Hinduismus sowie Angriffe auf Kirchen, Schulen und privates Eigentum (USDOS 10.8.2016).

 

Für eine staatliche Verfolgung von Christen gibt es keine Anhaltspunkte (AA 25.4.2015). Die in sechs Bundesstaaten bestehenden sogenannten Anti-Konvertierungsgesetze zielen jedoch auf Dalits ab, die sich mit einer Abkehr vom Hinduismus vermeintlich der fortdauernden Diskriminierung durch höherkastige Hindus zu entziehen suchen. Die Gesetze sind vor allem auch wegen ihrer unbestimmten Rechtsbegriffe Gegenstand anhaltender Kritik aus der indischen Zivilgesellschaft, unter anderem von Seiten christlicher Gruppen, die sich dadurch in ihrer verfassungsmäßig garantierten Missionsfreiheit eingeschränkt sehen (AA 16.8.2016). Konversion von Hindus zum Christentum führt gelegentlich zu tätlichen Angriffen auf und Verhaftungen von Christen (USDOS 14.10.2015). Die Polizei störte Gottesdienste und hat Christen unter dem Vorwurf der Zwangskonversion und Ruhestörung festgenommen (USDOS 10.8.2016).

 

Sogenannte Schnellgerichte ("Fast-Track Courts"), die zur Untersuchung von Fällen im Zusammenhang mit der antichristlichen Gewalt 2008 in Odisha eingerichtet wurden, haben weiterhin Fälle untersucht, aber es wurden im Verlauf des Jahres 2016 keine Urteile gefällt. Dem All India Christian Council zufolge sind nach wie vor 255 Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Knadhamal Gewalt anhängig (USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

p.2. Muslime

 

Die mit Abstand größte religiöse Minderheit (14,2% der Gesamtbevölkerung) sind die Muslime. Sie sind weiterhin in wesentlichen Lebensbereichen (Gesundheit, Bildung, Arbeit) besonders häufig benachteiligt. Es gibt große muslimische Gemeinschaften in den Bundesstaaten Uttar Pradesh, Bihar, Maharashtra, West-Bengalen, Andhra Pradesh, Karnataka und Kerala. In Jammu und Kaschmir stellen sie sogar die Mehrheit. Etwas mehr als 85% der Muslime sind Sunniten, der Rest zum Großteil Schiiten (USDOS 10.8.2016).

 

Eine Zunahme der Gewalt gegen Muslime war mit einer von Hindu-Nationalisten geführten Kampagne zur Verschärfung rechtlicher Beschränkungen für den Verkauf und Konsum von Rindfleisch verbunden (FH 27.1.2016). Religiös motivierte Gewalt, einschließlich der Angriffe von Hindus auf Muslime wegen angeblichen Schlachtens von Kühen, führte zu tödlichen Angriffen und öffentlichen Unruhen. Auf Muslime wurde auch aufgrund von Landstreitigkeiten, ihrer traditionellen Lebensgrundlage dem Verkauf von Rindfleisch oder Büffel-Produkten sowie sozialer Interaktionen mit Hindus abgezielt (USDOS 10.8.2016).

 

Für eine systematische staatliche Verfolgung von Muslimen gibt es aber keine Anzeichen; vielmehr bemüht sich die Regierung mit erheblichem finanziellem Einsatz um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen (AA 16.8.2016). In der derzeitigen BJP-Regierung ist ein Muslim Minister für Minderheitenangelegenheiten und 2014 wurden 22 Muslime in die Lok Sabha (Volkskammer) gewählt (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

q. Ethnische Minderheiten

 

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

 

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

 

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

 

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

 

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

 

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

 

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

 

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

 

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

q.1. Dalits

 

Die Zahl der Dalits ("Unberührbare", Kastenlose) wird auf ca. 200 Millionen. geschätzt (USDOS 13.4.2016), was ca. 16,6% der Bevölkerung ausmacht (AA 16.8.2016).

 

Obwohl das Gesetz die Dalits schützt, sind sie in der Praxis weiterhin Gewalt und Diskriminierungen beim Zugang zu Dienstleistungen, wie medizinischer Versorgung und Bildung, oder zu Tempeln, sowie bei Hochzeiten ausgesetzt. Viele Dalits sind unterernährt und die meisten Zwangsarbeiter sind Dalits. Dalits, die ihr Recht durchsetzen wollen, werden oft angegriffen - vor allem im ländlichen Raum. Als Landwirtschaftsarbeiter für Landbesitzer höherer Kasten arbeiten sie Berichten zufolge oft ohne finanzielles Entgelt. Berichte des VN Komitees zur Beseitigung der Rassendiskriminierung sprechen von systematischem Missbrauch von Dalits, einschließlich außergerichtlicher Tötungen und sexueller Gewalt gegen Dalit-Frauen. Verbrechen gegen Dalits bleiben Berichten zufolge häufig ungestraft, entweder weil es die Behörden verabsäumen, Täter strafrechtlich zu verfolgen oder Opfer die Verbrechen aus Angst vor Vergeltung nicht melden (USDOS 13.4.2016). Dalits wird oft der Zugang zu Land und öffentlichen Einrichtungen verwehrt, sie erfahren schlechte Behandlung durch Landbesitzer und sind oft gezwungen, unter schlechten Bedingungen zu arbeiten (FH 27.1.2016). Über Verfolgung und gewalttätige Übergriffe wird fast täglich berichtet (AA 16.8.2016). NGOs berichteten von verbreiteter Diskriminierung, wie beispielsweise dass es Dalits oft nicht erlaubt ist auf öffentlichen Gehsteigen zu gehen oder Schuhe zu tragen. Es wird ihnen der Zugang zu Wasser von öffentlichen Hähnen in den Bezirken höherer Kasten verweigert, ebenso wie die Teilnahme an manchen Tempelfestivitäten, in öffentlichen Pools zu schwimmen oder die Verwendung von Einäscherungsplätzen. Weiters wird NGOs zufolge Dalit-Schülern der Zugang zu bestimmten Schulen unter anderem aufgrund ihrer Kaste verweigert und kommt es zu Diskriminierungen von Dalit-Kindern in den Schulen (USDOS 13.4.2016).

 

Die Bundes- und Staatsregierung implementierten auch weiterhin verschiedene Programme für Mitglieder der "Unberührbaren", wie zum Beispiel Bereitstellung von qualitativ besserer Behausung, reservierten Plätze an Schulen, Regierungsjobs und Zugang zu subventionierten Essen. Kritiker beanstandeten, dass viele dieser Programme unter mangelhafter Umsetzung und/oder Korruption litten (USDOS 13.4.2016). Schätzungsweise die Hälfte der Dalits lebt unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Das Gesetz zur Verhütung von Grausamkeiten ("Prevention of Atrocities Act") aus dem Jahr 1989 sieht scharfe Sanktionen für Übergriffe gegen Dalits vor und wurde am 4.8.2015 noch einmal deutlich verschärft und ergänzt (AA 16.8.2016; vgl. auch: HRW 27.1.2016). Allerdings kommt es auf dieser Grundlage weiterhin nur in seltenen Fällen tatsächlich zur Strafverfolgung (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

q.2. Adivasis

 

Obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur 8,6% beträgt (rund 104 Millionen Menschen), sind Adivasis, die indische Stammesbevölkerung, mit weit über der Hälfte aller Landvertriebenen die am stärksten und brutalsten von Enteignung, Umsiedlung oder Vertreibung betroffene Gruppe in Indien. Sie haben mit Bezug auf fast alle sozioökonomischen Indikatoren die schlechtesten Lebensbedingungen; ca. 80% der Adivasis leben unterhalb der Armutsgrenze. Sie erfahren weitreichende Diskriminierung, häufig auch Gewalt. Adivasi-Vertreter und NGOs berichten glaubhaft von systematischem und oft entschädigungslosem Entzug des von Adivasi genutzten Landes durch Bergbauunternehmen und Industrieprojekte. Auch aus diesem Grund finden linksextremistische Guerilla-Gruppen (sogenannte Naxaliten) in den Gebieten der Ureinwohner, unter andrem in Jharkhand und Chhattisgarh, ihre Haupt-Aktionsbasis. Dort steht die indigene Bevölkerung dann oftmals zwischen den Fronten, wird von beiden Seiten eingeschüchtert und ist gravierenden Grundrechtsverletzungen ausgesetzt. Die Regierung ist gleichwohl bemüht, die Rechte der Adivasis zu stärken: Sie genießen unter anderem privilegierten Zugang zum staatlichen Bildungswesen und zu Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Sie haben das Recht auf teilautonome Selbstverwaltung in speziell zugewiesenen "eingetragenen Gebieten" (AA 16.8.2016). Die Verfassung garantiert zwar die sozialen, ökonomischen und politischen Rechte von benachteiligten Gruppen von indigenen Stämmen und das Gesetz spricht ihnen einen speziellen Status zu, aber Behörden verweigern ihnen oft auch ihre Rechte (USDOS 13.4.2016). Es gibt mehr als 700 "registrierte" Stämme und nach dem Zensus von 2011 machte die Stammesbevölkerung 84,3 Millionen, also ungefähr 8% der Bevölkerung, aus (USDOS 13.4.2016).

 

Das Gesetz verbietet nicht indigenen Personen, inklusive Bürgern anderer Bundesstaaten, das Übertreten der von der Regierung errichteten inneren Grenzen ohne eine gültige Berechtigung. Weder Kautschuk noch Wachs, Elfenbein oder andere Waldprodukte dürfen ohne Genehmigung aus den Schutzgebieten entfernt werden. Die Stammesbehörden müssen den Landverkauf an nicht indigene Personen genehmigen (USDOS 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

r. Relevante Bevölkerungsgruppen

 

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

r.1. Frauen

 

Indien ist eine männerzentrierte Gesellschaft. Trotz verfassungsmäßigen Schutzes, einer Vielzahl entsprechender Gesetze und einer breiten öffentlichen Debatte bleibt die soziale Realität von Frauen in Indien von zum Teil krasser Diskriminierung bestimmt. Materielle Benachteiligung, Ausbeutung, Unterdrückung und fehlende sexuelle Selbstbestimmung prägen häufig den Alltag von Frauen - besonders in ärmeren Gesellschaftsschichten und im ländlichen Kontext. Mitgiftmorde, Entrechtung von Witwen, Analphabetentum und Unterernährung bleiben regional unterschiedlich, insgesamt aber stark verbreitet. Die Alphabetisierungsrate liegt nach den letzten verfügbaren Zahlen von 2011 bei etwa 74,1% (65,5% der Frauen, 82,1% der Männer). Frauen haben größere Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, in leitenden Positionen sind sie die Ausnahme. Im formellen Sektor des Arbeitsmarktes sind lediglich ein Fünftel der Beschäftigten Frauen, der öffentliche Dienst schneidet noch schlechter ab (RP 17.1.2014).

 

Seit 1947 haben Frauen in der indischen Politik und Gesellschaft immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt. Allerdings sind noch heute lediglich 12% der Mitglieder beider Parlamentskammern Frauen. Auf kommunaler Ebene sind nach Einführung einer gesetzlichen Quotenregelung derzeit 37% der Mitglieder in dörflichen Räten Frauen (AA 16.8.2016). Mit der Verabschiedung der "Women¿s Reservation Bill 2008", sind 33% der Parlamentssitze für Frauen reserviert (ÖB 12.2016). Es gibt weithin respektierte Unternehmensführerinnen. In zahlreichen NGOs erheben Frauen ihre Stimme (AA 16.8.2016), die in zahlreichen Gruppen organisierte Frauenbewegung genießt hohes Ansehen. Eine indische Frauenrechtlerin hat 2006 den alternativen Friedensnobelpreis erhalten. Insgesamt sind Frauen in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Frauen und Mädchen werden gesellschaftlich gegenüber Männern benachteiligt (AA 24.4.2015).

 

Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Frauen sind in Indien in nahezu allen Landesteilen und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten weiterhin ein großes Problem (AA 16.8.2016). Ein besonders brutales Verbrechen - die Vergewaltigung einer jungen Studentin mit Todesfolge (16.12.2012, verstorben am 23.12) - hat in der indischen Öffentlichkeit eine breite Diskussion zum Thema Frauenrechte, Gewalt gegen Frauen und sexuelle Selbstbestimmung ausgelöst. Themen wie Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung werden offen diskutiert (AA 24.4.2015; vgl. auch: BICC 6.2016).

 

Ein Großteil sexueller Gewalt findet innerhalb der Familien statt (AA 16.8.2016). Das Gesetz schützt Frauen vor einigen Formen häuslicher Gewalt, darunter physischen, verbalen, emotionalen oder ökonomischen Missbrauch sowie die Androhung von Missbrauch. Das Gesetz erkennt das Recht von Frauen an, in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Gatten oder Partner zu leben, solange der Streit anhält. Frauen können aber auch auf Kosten des Partners in anderen Unterkünften untergebracht werden. Obwohl das Gesetz auch das Recht auf Unterstützung durch die Polizei, rechtliche Hilfe, Schutzunterkünfte und Zugang zu medizinischer Hilfe vorsieht, bleibt häusliche Gewalt ein ernstes Problem (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz zum Schutz der Frauen gegen häusliche Gewalt (Protection of Women From Domestic Violence Act 2005) sieht Strafsanktionen vor und soll die Ehefrau neben häuslicher Gewalt auch vor dem Verlust ihres in die Familie des Mannes eingebrachten Vermögens und vor dem Verstoß aus dem Familienhaushalt schützen. Das Gesetz wurde aber erst von vier der 28 Unionsstaaten ratifiziert (ÖB 12.2016). Mangelhafte Rechtsdurchsetzung und Rechtsschutz sowie allgegenwärtige Korruption schränkten die Effektivität des Gesetzes ein (USDOS 13.4.2016). Die Polizei geht Anzeigen wegen häuslicher Gewalt mit Zurückhaltung nach. Es gibt einige Frauenhäuser, dazu NGOs, die hier aufklärerisch tätig sind. Die aktuelle Regierung plant, je ein Frauenhaus pro Distrikt (660) einzurichten (AA 24.4.2015; vgl. auch: USDOS 25.6.2015).

 

Vergewaltigung ist strafbar, außer Vergewaltigung in der Ehe, wenn die Frau älter als 15 Jahre ist (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016) und wird mit Haft von zwei Jahren bis lebenslang, einer Geldstrafe von 20.418 Rupien (US$ 306), oder beidem geahndet. Laut offizieller indischer Kriminalstatistik (National Crime Records Bureau -NCRB) kam es 2014 (dem letzten Jahr, zu dem Daten verfügbar sind) landesweit zu 36.735 Vergewaltigungsfällen. Dies bedeutet im Vergleich zu 2013 eine Steigerung von 8,9%. Vergewaltigung ist demnach das am stärksten steigende Verbrechen. Beobachter gehen davon aus, dass die Dunkelziffer höher ist und nicht alle Vergewaltigungen angezeigt werden (USDOS 13.4.2016).

 

In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen (BICC 6.2016), jedoch sind Rechtsdurchsetzung und legale Möglichkeiten für Vergewaltigungsopfer inadäquat, überlastet und außerstande das Problem effizient anzugehen. Polizisten versuchen manchmal eine Versöhnung zwischen Täter und Opfer herbeizuführen und haben in einigen Fällen Vergewaltigungsopfer dazu aufgefordert, den Täter zu heiraten. Im März 2016 brachte die Regierung neue Richtlinien für die Behandlung von Vergewaltigungsopfern heraus, die obligatorische forensische und medizinische Untersuchungen in gekennzeichneten Bereichen in Spitälern für Vergewaltigungsopfer festlegen und den sogenannten "zwei Finger Test" verbieten. Viele Gerichtsverfahren und Untersuchungen in Bezug auf frühere Vergewaltigungen sind nach wie vor anhängig (USDOS 13.4.2016).

 

Die Anzahl polizeilich registrierter Fälle von Verbrechen gegen Frauen (insgesamt 14 Tatbestände, von Vergewaltigung über Gewalt durch den Ehemann/Verwandte bis hin zu Mitgift-Nötigung) hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. So registrierte das NCRB im Jahr 2014 insgesamt 337.922 derartiger Straftaten - somit gegenüber 2013 einen Zuwachs von über 9%. Es ist davon auszugehen, dass der Anstieg der Zahlen vor allem einem geänderten Anzeigeverhalten geschuldet ist. Über ein Drittel der Straftaten (insgesamt 122.877) entfielen 2014 auf den Straftatbestand "Grausamkeiten durch Ehemann oder dessen Angehörige". Hintergrund sind zumeist Mitgift(nach-)forderungen der Familie des Ehemannes (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Geschlechtsspezifische Abtreibung oder nachgeburtliche Tötung bleiben verbreitet. Das Geschlechterverhältnis ist entsprechend unausgewogen: 918 Mädchen zu 1.000 Jungen (Alter bis 6 Jahre, Zensus 2011). Diese Diskrepanz ist im Norden gravierender als im Süden, in den Städten deutlicher als auf dem Land. Sozioökonomische Ursache ist vor allem die zwar verbotene aber noch weithin praktizierte Mitgift-Tradition, eine oft gewaltige finanzielle Belastung für die Familie der Braut. Die pränatale Geschlechtsbestimmung ist zwar seit 1997 verboten, wird aber gleichwohl vorgenommen, vor allem in der Mittelschicht (AA 16.8.2016).

 

Trotz des seit 50 Jahren geltenden gesetzlichen Verbots ist das Brautgeld ein selbstverständlich von der Brautfamilie geleisteter und von der Familie des Bräutigams erwarteter finanzieller und materieller Transfer, häufig in der Höhe mehrerer Jahreseinkommen. Mitgift wird nicht selten durch Beleidigungen, Misshandlungen und Hausverweise eingefordert. In extremen Fällen werden die Frauen genötigt oder fallen einem Mitgiftmord zum Opfer, der oft als häuslicher Unfall, Verkehrsunfall oder Selbstmord getarnt wird. Bei Todesfällen verheirateter Frauen innerhalb von sieben Jahren nach Eheschließung besteht gesetzlich unterstellter pauschaler Verdacht für Mitgiftmord und somit polizeiliche Verpflichtung, den Todesfall spezifisch zu untersuchen (AA 16.8.2016).

 

Arrangierte Ehen sind auch bei städtisch und westlich geprägten Jugendlichen akzeptiert. Scheinehen mit dem Ziel der Erlangung eines Aufenthaltstitels im Ausland kommen in Visumverfahren regelmäßig vor (AA 16.8.2016).

 

Das für Hindus geltende Erb- und Familienrecht wurde im Jahr 2005 von diskriminierenden Klauseln befreit, so dass verheirateten Töchtern und Söhnen die gleichen Erbanteile zustehen. In der Praxis wird diese Regelung aber weiterhin nicht durchgehend beachtet und wird insbesondere von der ländlichen Bevölkerung de facto ignoriert. Witwen bleiben oft unversorgt und es kommt vor, dass sie von der Familie des Mannes verstoßen werden, ohne in ihre Ursprungsfamilie zurückkehren zu können. Die erbrechtlichen Regelungen für Muslime sehen vor, dass die Erbanteile der Töchter grundsätzlich nur halb so groß sind wie die der Söhne. Die nach islamischem Recht gegebene Möglichkeit der Scheidung durch dreifache Lossagung (talaq) des Ehemanns von seiner Frau besteht fort. Bei familienrechtlichen Streitfällen vor örtlichen Gerichten werden Frauen oft gar nicht angehört, z.B. weil die Verhandlung in einer Moschee stattfindet, zu der Frauen keinen Zutritt haben (AA 16.8.2016).

 

Frauen in Krisengebieten wie in Jammu und Kaschmir, im Nordosten, Jharkhand und Chhattisgarh sowie vulnerable Dalit- oder Stammesfrauen sind oft Opfer von Vergewaltigungen oder Bedrohungen mit Vergewaltigung ausgesetzt. Laut der nationalen Kriminalstatistik werden - verglichen mit anderen Kastenzugehörigkeiten - die meisten Vergewaltigungen gegen Dalit Frauen verübt (USDOS 13.4.2016).

 

Auch im Rahmen der Religionsausübung wird Gewalt gegen Frauen ausgeübt. Nach glaubhaften Angaben indischer NGOs werden - trotz gesetzlicher Verbote - jährlich bis zu 15.000 meist noch sehr junge Mädchen, oft mit Dalit-Hintergrund, als "Devadasis" einem Tempel geweiht oder mit einer Gottheit "verheiratet" und de facto zur Prostitution im Tempel gezwungen. Das Oberste Gericht Indiens kritisierte im Februar 2016, dass einige Bundesstaten - v.a. Karnataka, Maharashtra, Andhra Pradesh und Tamil Nadu - nicht ausreichend gegen die Devadasi-Praxis vorgingen (AA 16.8.2016).

 

Es gibt kein nationales Gesetz, dass sich mit weiblicher Genitalverstümmelung befasst. Menschenrechtsorganisationen zufolge wird weibliche Genitalverstümmelung von 70% bis 90% der Dawoodi Bohra Muslimen praktiziert. Deren Zahl wird auf eine Million geschätzt, die sich auf die Bundesstaaten Maharashtra, Gujarat, Madhya, Pradesh und Rajasthan verteilt. Eine Gruppe von 17 Dawood Bohra Frauen hat auf social networking Sites von der Regierung ein Verbot dieser Praxis gefordert (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

r.2. Kinder

 

Die Verfassung verbrieft das Recht der Kinder auf eine gesunde Entwicklung in Freiheit und Würde und auf Schutz vor Ausbeutung sowie moralischer und materieller Vernachlässigung. Gleichwohl bleibt die Lebenswirklichkeit von vielen Kindern in Indien schwierig, besonders für Mädchen: Schulabbrüche, Unterernährung, Kinder- und Zwangsarbeit sind - vor allem auf dem Land - keine Ausnahmeerscheinungen. Auch Gewalt gegen Kinder bleibt ein verbreitetes Phänomen in Indien - vor allem im familiären, aber auch im schulischen Umfeld. Noch 2007 wurden rund die Hälfte aller Kinder in Indien gemäß einer Studie des zuständigen Ministeriums Opfer sexuellen Missbrauchs - Beobachter gehen davon aus, dass sich die Situation trotz Aufklärungskampagnen und gesetzlichen Maßnahmen nicht wesentlich verbessert hat (AA 16.8.2016). Die Vergabe des Friedensnobelpreises 2014 an den Aktivisten Kailash Satyarthi stellt die Tatsache, dass noch immer Millionen von Kindern in Indien unter schlimmsten Verhältnissen arbeiten müssen ins Rampenlicht (HRW 29.1.2015).

 

Die Verfassung garantiert freie Bildung für Kinder von sechs bis 14 Jahre, aber die Regierung kann diese Anforderungen nicht immer erfüllen (USDOS 13.4.2016). Zwar hat Indien in Bezug auf Zugang zu Bildung seit der Einführung des "Right to Education Act" im Mai 2010 (Schulpflicht 6.-14. Lebensjahr) bedeutende Fortschritte gemacht (AA 16.8.2016), jedoch sind Kinder aus vulnerablen Gemeinden - besonders der Dalits und Stammesgruppen - Diskriminierung ausgesetzt (HRW 21.1.2014). Es gibt zahlreiche Berichte über Schulen, die unterprivilegierten Schülern die Zulassung verweigern. NGO-Quellen zufolge, besucht weniger als die Hälfte der unterprivilegierten Kinder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren die Schule (USDOS 13.4.2016). Statistiken der Regierung zufolge brechen zwei von fünf Kindern die Schule vor Abschluss der achten Klasse ab, wobei die Zahlen für Kinder aus armen und ausgegrenzten Gemeinden aufgrund der Diskriminierung wegen Kasten- Religions- und ethnischer Zugehörigkeit noch höher sind. Diejenigen, die die Schule vorzeitig abbrechen, enden oft in Kinderarbeit und früher Heirat (HRW 27.1.2016).

 

Mädchen sind besonders benachteiligt. Analphabetismus ist bei ihnen deutlich weiter verbreitet als bei Jungen (AA 24.4.2015). Dem von der NGO Pratham veröffentlichten jährlichen Erziehungsbericht aus dem Jahr 2013 zufolge haben nur 70% der eingeschriebenen Mädchen auch tatsächlich die Grundschule besucht, wobei die Rate in einigen Bundesstaaten bei unter 60% lag. Mädchen im Alter von 11 - 14 Jahren waren meistens nicht eingeschrieben (USDOS 13.4.2016). Eine der wichtigsten Ursachen neben dem Heranziehen der Mädchen zu Haus- und Feldarbeit ist das niedrige Heiratsalter (AA 24.4.2015). So werden z. B. laut der NGO "Children's Investment Fund Foundation" rund ein Drittel aller Mädchen in Indien trotz gesetzlichen Verbots unter 18 Jahren verheiratet (AA 16.8.2016). Eine Verheiratung von Mädchen im Alter von 15 Jahren und darunter ist auf dem Lande keine Ausnahmeerscheinung. Alle diese Mädchen sind dem Bildungswesen und dem Arbeitsmarkt entzogen. Seit 2006 gibt es Bestimmungen zum Mindestalter bei der Heirat: 18 Jahre für Frauen, 21 Jahre für Männer. Minderjährigen-Ehen sind jedoch nicht automatisch nichtig, sondern lediglich (bis zum Erreichen des Heiratsalters) aufhebbar. Antragsberechtigt sind allerdings nur der minderjährige Ehepartner bzw. die Eltern. Da es sich um arrangierte Ehen handelt, werden solche Delikte nicht zur Anzeige gebracht. Die Eltern dieser Kinder bleiben unterhaltspflichtig bis zum gesetzlichen Heiratsalter der betroffenen Kinder; Priester und lokale Beamte, die solche Heiraten zugelassen bzw. registriert haben, können strafrechtlich verfolgt werden. In der dörflichen Gemeinschaft gelten solche Paare als rechtswirksam verheiratet (AA 24.4.2015).

 

Indien ist nach wie vor das Land mit den meisten Kinderarbeitern weltweit (AA 16.8.2016), sie ist gesellschaftlich und auch politisch akzeptiert. Besonders häufig ist Kinderarbeit im Hindugürtel Nordindiens sowie in Rajasthan und Madhya Pradesh. Das Gesetz über Verbote und Vorschriften für Kinderarbeit (Child Labour Prohibition and Regulation Act, 1984) stellt die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren lediglich in "gefährlichen Betrieben" unter Strafe. Solche Betriebe finden sich in der Leder- und Textilindustrie und der Glasproduktion sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe (AA 24.4.2015). Nach offiziellen Zahlen arbeiten rund 10 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 14 Jahren; in der Kategorie bis 18 Jahren sind es insgesamt 33 Millionen (Zensus 2011). Trotz gesetzlicher Verschärfungen und intensiver Bemühungen von Staat und Zivilgesellschaft, Kinderarbeit zu bekämpfen, gab es im Vergleich zum letzten Zensus 2001 eine drastische Zunahme bei den Fünf- bis Neunjährigen. Kinder werden in Indien vor allem zu besonders gefährdeten Tätigkeiten eingesetzt, z.B. in Steinbrüchen; auch heute noch in faktischer Leibeigenschaft. Kinderprostitution ist weit verbreitet. Kinder werden aus materieller Not verkauft, aber es kommt auch zu Entführungen (AA 16.8.2016; vgl. auch: BBC 2.2.2014). Tausende Kinder bleiben weiterhin vermisst, viele von ihnen werden innerhalb oder außerhalb des Landes geschmuggelt (HRW 21.1.2014). Die betroffenen Kinder stammen zumeist aus den ärmsten Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Im Rahmen des Nationalen Kinderarbeitsprojekts (National Child Labour Project, NCPL), mit dem die Regierung seit 1988 versucht, der Kinderarbeit zu begegnen, stehen für Kinder, die aus ihren Arbeitsverhältnissen ausscheiden, etwa 7.300 Sonderschulen des Ministeriums für Arbeit und Beschäftigung offen. Eine auf gesetzlicher Grundlage eingesetzte Kinderrechtskommission soll den zugunsten der Kinder bestehenden Rechtsvorschriften Geltung verschaffen (AA 24.4.2015).

 

Ende Mai 2016 trat das reformierte Jugendstrafrecht (Juvenile Justice Act) in Kraft, demnach Kinder zwischen 16 und 18 Jahren bei "besonders abscheulichen" Verbrechen wie z. B. Vergewaltigung als Erwachsene strafverfolgt werden können (AA 16.8.2016).

 

Zahlen zu Personen unter 18 Jahren in den Streitkräften dienen, liegen nicht vor. Schätzungen von NGOs zufolge werden mindestens

2.500 bewaffnete Kinder den Rebellengruppen in den Maoistengebieten zugeordnet. Es gibt Vorwürfe, wonach von der Regierung unterstützte Anti-Maoistische Dorfstreitkräfte Kinder rekrutieren und auch bewaffnete aufständische Gruppen, einschließlich der Maoisten in den nordöstlichen Staaten sowie islamistische Gruppen in Jammu und Kaschmir Kinder einsetzen. Dem indischen Innenministerium zufolge haben maoistische Gruppen Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis 12 Jahren zu speziellen Kindereinheiten (Bal Dasta und Bal Sangham) in Bihar, Jharkhand, Chhattisgarh und Odisha zwangsrekrutiert und zu Kampf- und nachrichtendienstlichen Tätigkeiten herangezogen. Aufständische bilden Kinder auch als Spione und Kuriere sowie zum Waffeneinsatz, Informationsbeschaffung und Sprengstoffschmuggel. Regierungsquellen zufolge werden Kinder von Maoisten als menschliche Schutzschilde bei Auseinandersetzungen mit Regierungskräften verwendet (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

r.3. Homosexuelle

 

Die indische Gesellschaft hat über die "Hijras" (Trans-Personen, Intersexuelle) einen traditionellen Zugang zu Transgender-Themen (AA 16.8.2016) und seit 2009 werden diese offiziell als drittes Geschlecht anerkannt (ÖB 12.2016). Die Öffentlichkeit steht ihnen aber ablehnend gegenüber, sie werden jedoch nicht verfolgt (AA 24.4.2015). Der Grund ist die Tradition der Hijras, welche historisch gesehen Eunuchen in Frauenkleidung waren und eine eigene Schutzgöttin im Hinduismus haben (ÖB 12.2016). Angehörige sexueller Minderheiten stoßen aber trotzdem weiterhin auf Vorurteile und vielfältige Formen der Diskriminierung, vor allem im ländlichen Raum Indiens. LGBTI (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender/Transsexual and Intersexual)-Personen werden häufig Opfer von Gewalttaten (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016) Manche Polizisten begehen Verbrechen gegen LGBTI Personen und benutzen die Androhung einer Verhaftung als Einschüchterung der Opfer, die Vorfälle nicht anzuzeigen (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016). Gesellschaftliche Diskriminierung erfahren Homosexuelle auch am Arbeitsplatz und im Bildungswesen. Die meisten Homosexuellen sind in arrangierter Ehe verheiratet. Einige Staaten unterziehen Teile ihrer Polizeikräfte LGBTI-Trainings, so z.B. Delhi und Rajasthan.

 

Das indische Strafgesetzbuch (§ 377) stellt homosexuellen Geschlechtsverkehr weiter unter Strafe (AA 16.8.2016). Die Strafverfolgung wird nur auf Anzeige des Betroffenen eingeleitet (ÖB 12.2016). Der Oberste Gerichtshof Indiens prüft derzeit, ob das Gesetz verfassungskonform ist. LGBTI-Aktivisten gehen nicht von einem Urteil vor 2017 aus. Eine Verurteilung auf dieser Grundlage ist für den Berichtszeitraum nicht bekannt (AA 16.8.2016). Im Februar 2016 verwies der Supreme Court eine Pro- LGBT Eingabe von NGOs an einen OGH- Verfassungssenat, was den Weg für eine mögliche Entkriminalisierung ebnen könnte. Im Jänner 2015 wurde Madhu Kinnar zur ersten transgender Bürgermeisterin in Raigarh, Chhattisgarh gewählt (ÖB 12.2016).

 

2008 fanden erstmals koordinierte "Pride Events" in Delhi, Bangalore, Pondicherry, Chennai, Kalkutta und später auch in Mumbai statt (AA 16.8.2016; vgl. auch: Die Presse 28.1.2014).

 

Am 15.4.2014 kodifizierte der Oberste Gerichtshof das Recht, sich selbst als männliches, weibliches oder drittes Geschlecht zu bestimmen. Der Beschluss gibt einer Person das Recht, sich bei der Registrierung zur Wahl, von Besitz, beim Heiraten oder bei der Beantragung eines Reisepasses, eines Führerscheines oder einer Lebensmittelkarte als dritte Person zu bezeichnen. Das Urteil weist auch Staat und Zentralregierungen an, positive Diskriminierung und Vorbehalte gegenüber LGBT Personen bei der Zulassung zu Hochschuleinrichtungen, staatlichen Anstellungen und Zugang zum Gesundheitssystem zu erweitern (USDOS 25.6.2015).

 

Mit Hilfe von NGOs bieten mehrere Bundesstaaten Schulungen und Sensibilisierungstraining für die Polizei an. Aktivisten zufolge haben transsexuelle Personen, die HIV-positiv sind, weiterhin Schwierigkeiten medizinische Behandlung zu erhalten. Interessensorganisation, wie zum Beispiel die "Mission for Indian Gay and Lesbian Empowerment" (MINGLE) dokumentieren Diskriminierung am Arbeitsplatz gegen LGBT-Personen, inklusive Verunglimpfungen und ungerechtfertigten Entlassungen. LGBT Studenten zufolge gibt es auch ein systematische Missachtung der Rechte Homosexueller an Universitäten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

s. Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

 

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

 

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

 

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

 

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

s.1. Meldewesen

 

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

t. IDPs und Flüchtlinge

 

Indien ist ein wichtiges Aufenthaltsland, hat allerdings die VN-Konvention über die Anerkennung von Flüchtlingen von 1951 und das Protokoll von 1967 nicht unterzeichnet und gewährt ausländischen Flüchtlingen in der Regel keinen besonderen Status. Besondere Gesetze zum Status von Flüchtlingen gibt es nicht (AA 16.8.2016). Das Land beherbergt eine große Flüchtlingszahl, inklusive 150.000 tibetischer Flüchtlinge und dabei, insbesondere auch den Dalai Lama (UNHCR 13.4.2016). Indien behandelt Flüchtlinge je nach Nationalität unterschiedlich. Es gewährt Tibetern und Tamilen aus Sri Lanka grundsätzlich Schutz - in der Regel durch indische Passersatzpapiere (Certificate of Identity), die mit einem dauernden Bleiberecht verbunden sind. Nepalesen können frei nach Indien einreisen und genießen mit Ausweispapieren nach dem Freundschaftsvertrag beider Länder von 1950 Rechte, die mit denen indischer Bürger vergleichbar sind. Nach einem 2007 aktualisierten Abkommen von 1949 mit Bhutan erhalten dessen Staatsangehörige eine Aufenthaltsberechtigung in Indien und viele Rechte, die indischen Staatsangehörigen zustehen. Als Asylberechtigte anerkannte myanmarische und afghanische Staatsangehörige erhalten ein UNHCR-Dokument, das sie als anerkannte Flüchtlinge ausweist, sowie eine indische Aufenthaltserlaubnis. Staatsangehörige anderer Nationen, die durch UNHCR als Asylberechtigte anerkannt werden, erhalten ebenfalls ein UNHCR-Dokument, das sie als Asylberechtigte ausweist, jedoch keine Aufenthaltserlaubnis. Hinduistische Afghanen mit mindestens 12-jähriger Aufenthaltsdauer in Indien werden besonders ermutigt, die indische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Eine größere Anzahl lebt gut integriert in der Hauptstadt (AA 16.8.2016)

 

Die Regierung kooperierte im Allgemeinen mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen, in dem sie Schutz und Hilfe, für ausgewählte IDPs, Flüchtlinge, zurückkehrende Flüchtlinge, Asylwerber, staatlose Personen und andere betroffene Personen anbietet (USDOS 13.4.2016). UNHCR hat keinen formalen Status in Indien. Zwar wird den UNHCR-Mitarbeitern Zugang zu Flüchtlingen in den städtischen Gebieten gewährt, aber der weit wichtigere Zugang zu den staatlichen Flüchtlingslagern, außer in Tamil Nadu, wird ihnen verwehrt (AA 16.8.2016).

 

Grundsätzlich kann jeder Flüchtling nach 12-jährigem Aufenthalt in Indien indischer Staatsangehöriger werden. Der Großteil der Tibeter lehnt dies jedoch ab, getragen von der Hoffnung, eines Tages in die Heimat zurückzukehren. Indien teilt den Flüchtlingen Siedlungsgebiete zu, Afghanen erhielten Land in Lajpat Nagar in Delhi. Schon aufgrund der religiösen Verwandtschaft werden diese Flüchtlinge nicht nur toleriert sondern in die indische Gesellschaft integriert und dort akzeptiert. Gerade tibetische Flüchtlinge haben mit Hilfe von NGOs (teils mit ausländischer Unterstützung) sowie Bemühungen der tibetischen Exilregierung und Institutionen Möglichkeiten zur Schul-/Berufsausbildung sowie Zugang zu Startkapital und sind dementsprechend wirtschaftlich aktiv. Nach Erfahrungen der Deutschen Botschaft Neu Delhi handelt es sich bei in Deutschland asylsuchenden Tibetern oft nicht um Personen, die aktuell aus Tibet geflohen sind, sondern um Personen, die schon seit längerer Zeit in Indien gelebt haben (AA 16.8.2016).

 

Bezugnehmend auf Statistiken des International Displacement Monitoring Centre (IDMC) vertrieben langdauernde regionale Konflikte mindestens 616.140 Personen, inklusive 221.090 Hindus aus dem Kaschmir, die durch regierungsfeindliche Aufständische vertrieben wurden. Die Schätzungen der genauen Zahl der Vertriebenen aufgrund von Konflikt oder Gewalt sind schwierig, da keine Zentralregierungsbehörde verantwortlich für die Überwachung der Zahlen derer ist, die vertrieben worden sind. Humanitäre- und Menschenrechtsorganisationen haben eingeschränkten Zugang zu den Lagern und den betroffenen Regionen von Vertriebenen. Während die Bewohner von IDP Camps registriert werden, hält sich eine unbekannte Anzahl von IDPs außerhalb der Camps auf. Viele IDPs haben unzureichenden Zugang zu Nahrung, sauberem Wasser, Unterkunft und Gesundheitsvorsorge. Schätzungen über die Anzahl der Eingeborenen, die aufgrund des Aufruhrs in Chhattisgarh vertrieben wurden, variieren. IDMC schätzt, die Zahl der IDPs in Chhattisgarh auf 50.000, in Telangana auf 13.820 und in Andhra Pradesh auf 6.240 Personen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

u. Grundversorgung/Wirtschaft

 

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9 .2016).

 

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

 

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9 .2016).

 

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9 .2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9 .2016).

 

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

 

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9 .2016).

 

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

 

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

 

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

 

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

 

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

v. Medizinische Versorgung

 

Die Struktur von Indiens Gesundheitssystems ist vielseitig. Nach der indischen Verfassung haben die verschiedenen Staaten die Leitung über die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Rund 80% der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens kommt von den Staaten (BAMF 12.2015).

 

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 16.8.2016) und schließt keine kostenfreie Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung ein (BAMF 8.2014). Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten (BAMF 12.2015).

 

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 23.000 solcher Kliniken in Indien. Gemeindegesundheitszentren (Community Health Centres) sind als Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden verfügbar. Taluk Krankenhäuser werden von der Regierung und dem zuständigen Taluk [Anmerkung: Verwaltungseinheit] betrieben Bezirkskrankenhäuser (District level hospitals) und spezialisierte Kliniken sind für alle möglichen Gesundheitsfragen ausgestattet (BAMF 12.2015).

 

Der private Sektor hat ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung. (BAMF 12.2015) und da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 16.8.2016). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 16.8.2016). Private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und den Großteil der Kosten zahlen die Patienten und deren Familien selbst. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN, driving license) (BAMF 12.2015).

 

Mehrere Versicherungsgesellschaften bieten eine Krankenversicherung an, die bestimmte medizinische Kosten abdeckt, unter anderen auch stationären Krankenhausaufenthalt. Die Abdeckung variiert je nach Versicherungspolizze (BAMF 8.2014). Die staatliche Krankenversicherung (Universal Health Insurance Scheme) erfasst nur indische Staatsbürger unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. Zudem gibt es viele wohltätige Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 12.2015).

 

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 16.8.2016). Medikamentenläden sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 12.2015). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 16.8.2016). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

w. Rückkehr

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

w.1. Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF)

 

Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind nicht bekannt. Im Einzelfall wäre die Aufnahme in ein Waisenhaus oder bei Verwandten sicherzustellen. (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

x. Dokumente

 

Echtheit der Dokumente

 

Der Zugang zu gefälschten Dokumenten oder echten Dokumenten falschen Inhalts ist leicht. Gegen entsprechende Zahlungen sind viele Dokumente zu erhalten. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größeren Aufwand zu ändern. Angesichts der Unzuverlässigkeit des Urkundenwesens werden indische öffentliche Urkunden seit dem Jahr 2000 von den deutschen Auslandsvertretungen nicht mehr legalisiert (AA 16.8.2016).

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts sind problemlos (gegen entsprechende Zahlungen oder als Gefälligkeit) erhältlich. Bei Personenstandsurkunden handelt es sich dabei um echte Urkunden falschen Inhalts, bei Gerichtsentscheidungen (z.B. Scheidung, Sorge) um echte Urteile, die jedoch aufgrund erfundener Sachverhalte und ohne Einhaltung grundlegender Verfahrenserfordernisse (rechtliches Gehör, Interessenabwägung, Begründung) ergehen (AA 16.8.2016).

 

Zugang zu gefälschten Dokumenten

 

Der deutschen Botschaft New Delhi werden im Rahmen laufender Asylverfahren nur sehr selten Unterlagen zur Überprüfung vorgelegt. In der Vergangenheit haben sich Dokumente im Zusammenhang mit Strafsachen und Fahndung sowie dazugehörige Eidesstattliche Versicherungen (affidavits) auch als falsch oder gefälscht herausgestellt. Die Überprüfung der Echtheit von Haftbefehlen gestaltet sich schwierig. Vorgelegte Dokumente ("Warrant of Arrest", "First Investigation Report", Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, "Affidavits" von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung häufig als gefälscht heraus. Überprüfungen im Asylverfahren ergeben häufig, dass weder der Sachvortrag noch die Identität des Betreffenden bestätigt werden kann (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1 Zur Person und zur Identität des BF

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus seinem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen. Bereits in den vorhergehenden Verfahren wurde die indische Staatsangehörigkeit sowie die Volksgruppenzugehörigkeit des BF und sein Herkunftsort festgestellt. Im gegenständlichen Verfahren sind - weder von Seiten des Bundesamtes noch des BVwG - diesbezüglich Zweifel aufgetreten. Auch hinsichtlich des Namens folgt das BVwG der Beweiswürdigung des Bundesamtes, wonach der BF in Österreich stets den Namen " XXXX " anführte und daher davon auszugehen ist, dass es sich bei " XXXX " tatsächlich um seinen Spitznamen handelt. Hinsichtlich seiner Sprachkenntnisse in Punjabi, Hindi und Englisch bestehen aufgrund der einwandfreien Kommunikation mit den Dolmetschern im Laufe sämtlicher Verfahren sowie aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Großbritannien ebenso wenig Zweifel. Die Deutschkenntnisse wurden durch Vorlage eines ÖSD-Zertifikates nachgewiesen.

 

Im Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX sowie bei der Erstbefragung im Verfahren über seinen Antrag vom XXXX gab der BF an, er gehöre dem Sikhismus an. Im gegenständlichen Verfahren sowie in den übrigen Vorverfahren behauptete er hingegen er sei Hindu. Da neben seinen persönlichen Angaben keine weiteren Anhaltspunkte zur Feststellung seiner Religion bestehen, konnte diesbezüglich nur eine Negativfeststellung getroffen werden.

 

Die Identität des BF konnte mangels eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments oder eines sonstigen Bescheinigungsmittels Dokumente ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Die Feststellung hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit beruht auf den Angaben des BF, wonach er nicht nur in Indien, sondern auch in Großbritannien Kontakte knüpfen und sich dadurch Gelegenheitsarbeiten verschaffen konnte. Daraus ergibt sich auch, dass ihm durch eine Rückkehr nach Indien nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

Die Angaben zu seinen Aufenthalten im Krankenhaus XXXX gründen sich auf den Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom XXXX sowie auf den Kurzarztbrief der Psychiatrie 2 des KH XXXX . Aus diesem Schreiben geht hervor, dass der BF sich lediglich auffällig verhielt, um in Linz seine Freunde sehen zu können. Darüber hinaus wurde festgehalten, dass im Zeitpunkt der Entlassung weder eine Gefahr der Selbstgefährdung noch der Fremdgefährdung bestand.

 

Der Beurteilung des Gesundheitszustandes des BF durch das Bundesamt, wonach aus dem Verwaltungsakt eine Alkoholabhängigkeit des BF eindeutig hervorgehe, konnte das erkennende Gericht nicht folgen. Richtig ist, dass der BF laut Vermerk aus dem Betreuungsinformationssystem vom XXXX aufgrund von Alkoholexzessen im Quartier mündlich verwarnt wurde. Am XXXX wurde entschieden, dass er wegen disziplinärer Probleme in ein anderes Quartier nach XXXX verlegt wird und wurde gleichzeitig festgehalten, dass es bereits im Quartier XXXX in XXXX mehrere Entgleisungen des BF infolge Alkoholkonsums gegeben hat. Diese Vermerke reichen jedoch nicht aus, um von einer aktenkundigen Alkoholabhängigkeit auszugehen, zumal sie kein ärztliches Attest ersetzen und keine Unterlagen vorliegen, wonach im Zuge des Krankenhausaufenthaltes im Jahr XXXX oder zu einem späteren Zeitpunkt eine Alkoholabhängigkeit des BF festgestellt worden sei.

 

Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt im gegenständlichen Verfahren gab er an, gesund zu sein und lediglich unter Schlafstörungen zu leiden. Da die letzte Einlieferung des BF in das KH XXXX mehr als drei Jahre zurückliegt und aus dem letzten Kurzarztbrief weder Selbst- oder Fremdgefährdung noch eine Alkoholabhängigkeit hervorgeht, war im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Bundesamt festzustellen, dass der BF an keiner lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit leidet.

 

2.2 Zu den Fluchtgründen

 

Im Hinblick auf das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen kann lediglich als "neu" gewertet werden, dass ihn nicht nur Fremde, sondern auch seine Onkel mütterlicherseits geschlagen und verfolgt hätten. Damit bezog sich der BF im Wesentlichen auf Vorfälle, die bereits bei seiner ersten Asylantragstellung bestanden haben und knüpft er so direkt an die bereits im Vorverfahren als unglaubwürdig gewerteten Fluchtgründe an. Der BF erweitert den damals vorgebrachten Sachverhalt lediglich um weitere Personen, die bei den bereits geschilderten Vorfällen anwesend gewesen sein sollen. Im Rahmen der Erstbefragung gab er auch selbst an, keine neuen Fluchtgründe zu haben.

 

Folglich kann das neue Vorbringen ebenso wenig wie das Vorbringen im Vorverfahren als glaubhaft erachtet werden. Es ist daher nicht näher auf die vom BF in der Beschwerde monierten Widersprüche in der Beweiswürdigung einzugehen, da hinsichtlich der Fluchtgründe kein neues Vorbringen erstattet wurde.

 

2.3 Zur Integration in Österreich

 

Die Feststellungen zur Integration beruhen auf dem diesbezüglich nachvollziehbaren Vorbringen des BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt sowie dem vorgelegten Sprachzertifikat und den beiden Nachweisen über die Leistung von gemeinnützigen Tätigkeiten.

 

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit beruhen auf einem aktuellen Strafregisterauszug der Republik Österreich, während die Feststellungen zur Diversion auf einer Mitteilung des LG XXXX beruhen.

 

2.4 Zur Situation bei einer Rückkehr nach Indien

 

Die Feststellungen zur fehlenden Schulbildung und zur Arbeitserfahrung des BF im Herkunftsstaat beruhen auf seinen dahingehend schlüssigen und mit dem Akteninhalt übereinstimmenden Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX .

 

In Bezug auf seine Angehörigen im Herkunftsstaat brachte der BF in der Einvernahme am XXXX vor, seine Onkel und Tanten wären bei den Unruhen im Jahr XXXX umgekommen. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX gab er hingegen an, er habe seit XXXX keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten. Unter Berücksichtigung dieser Widersprüche ist anzunehmen, dass der BF lediglich vorgab, keine Verwandten zu haben, um sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen zu steigern. Allerdings ist es durchaus nachvollziehbar, dass er nach so langer Zeit in Europa keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten pflegt.

 

Die Feststellungen zur Lage in Indien beruhen auf den angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Hinsichtlich des Beschwerdepunktes, das Bundesamt habe sich nicht ausreichend mit der mit der Situation von Personen auseinandergesetzt, die einer gemischt-religiösen Ehe entstammen, ist darauf hinzuweisen, dass der Asylgerichtshof im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren davon ausgegangen ist, die Darstellungen über die Verfolgung des BF aufgrund seiner Abstammung seien nicht glaubhaft. Da von keiner Verfolgung auszugehen ist, mussten diesbezüglich auch keine zusätzlichen Ermittlungen stattfinden oder Feststellungen getroffen werden. Dies gilt auch für den Beschwerdepunkt, welcher die mangelhafte Auseinandersetzung mit der religiösen Verfolgung des BF aufgreift.

 

Der Vollständigkeit halber sei dennoch auf die Feststellungen zur Situation in Indien verwiesen, wonach die Sicherheitsbehörden im Punjab bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren konnten und die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte ist. Zudem bilden die Sikhs 60% der Bevölkerung des Punjabs und stellen einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Der Verweis des BF auf die Gewaltausbrüche im Jahr XXXX ist im gegenständlichen Fall ebenso irrelevant, da für die Beurteilung der Situation des BF bei einer Rückkehr auf die aktuelle Situation in Indien abgestellt werden muss.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i. d. F. BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. I 1961/194, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. I 1950/173, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl I 1984/29, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

 

Zu Spruchpunkte 1.A)

 

3.1. Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz

 

3.1.1. Gemäß § 27 VwGVG ist der Fall der "Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde" von der Beschränkung des Prüfungsumfanges auf die Beschwerdegründe und das Beschwerdebegehren gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG ausgenommen, dh. vom Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 6 Rz 19 mwN). Wurde über einen bestimmten Sachverhalt bescheidmäßig abgesprochen, kann bei Gleichbleiben der tatsächlichen Verhältnisse und rechtlichen Grundlagen keine weitere Entscheidung in dieser Sache - nicht einmal eine gleichlautende, "bestätigende" - ergehen; sie wäre inhaltlich rechtswidrig und würde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 20 mwN). Wurde von der Behörde erster Instanz ein neuerlicher Antrag trotz Identität der Sach- und Rechtslage - statt wegen res iudicata zurückgewiesen - aus materiellen Gründen wieder abgewiesen, ist die Partei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheides in keinem Recht verletzt, weil sie einerseits keinen Anspruch auf Sachentscheidung hat und andererseits ihre Rechtsposition, insb. die Möglichkeit, bei Änderung der Sach- oder Rechtslage neuerlich einen Antrag zu stellen, nicht beeinträchtigt worden ist. Wird gegen eine solche rechtswidrige meritorische Erledigung Berufung erhoben, hat die Rechtsmittelbehörde den Antrag - ungeachtet der Sachentscheidung der Unterinstanz - wegen res iudicata zurückweisen. Der Partei wird dadurch keine Instanz genommen, weil die Unterbehörde im Zuge der Sachentscheidung bereits alle Prozessvoraussetzungen geprüft und somit auch über die Frage befunden hat, ob entschiedene Sache vorliegt. Daher kann die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG auch in dieser Frage ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterinstanz setzen. Nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann die Partei aber auch durch die Entscheidung der Berufungsbehörde, mit der sie - anstatt den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass er auf Zurückweisung wegen entschiedener Sache lautet - die Berufung abweist, in keinem subjektiven Recht verletzt sein (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 45 mwN). Im Hinblick auf die Kognitionsbefungnis des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 28 VwGVG ist dies auf das hg. Verfahren übertragbar.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf die eindeutige Judikatur des VwGH vom 19.01.2010, 2009/05/0097 zu verweisen: "Fällt die Behörde erster Rechtsstufe eine Sachentscheidung, obwohl das Parteianbringen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen wäre, hat die belangte Behörde die Berufung gegen den betreffenden Bescheid mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf "Zurückweisung wegen entschiedener Sache" zu lauten habe."

 

Gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 steht die Zulassung des Verfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

 

3.1.2. Das Bundesamt hätte § 68 Abs. 1 AVG anzuwenden gehabt, daher ist diese Bestimmung gemäß § 17 VwGVG im hg. Verfahren anzuwenden:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9. 9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd. § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd. § 18 Abs. 1 AsylG 2005 - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 AsylG 1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321;

21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226;

29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100).

 

Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt bzw. verpflichtet die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies allerdings nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391; 26.7.2005, 2005/20/0343; 27.9.2005, 2005/01/0363; 22.12.2005, 2005/20/0556; 22.6.2006, 2006/19/0245; 21.9.2006, 2006/19/0200; 25.4.2007, 2005/20/0300; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH vom 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).

 

Im vorliegenden Fall ist daher als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , Zl. XXXX , heranzuziehen.

 

Sache des gegenständlichen Verfahrens ist folglich für das Bundesverwaltungsgericht ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz geändert hat.

 

Im Rahmen des ersten Asylverfahrens brachte der BF im Wesentlichen vor, er habe in Indien keine Verwandten und kein Vermögen mehr, weshalb er sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht habe. Der Vater sei 1990 vermutlich nach England geflüchtet, da er als Angehöriger des Sikhismus eine Hindu-Frau geheiratet habe und deshalb verfolgt worden sei. Der BF sei aufgrund seiner Abstammung aus einer Mischehe ebenfalls verfolgt worden und sei auch in XXXX , wo er nach dem Tod seines Großvaters als Eisverkäufer gearbeitet habe, von denselben Hindus verletzt worden, die auch seinen Vater verfolgt hätten. Bei dem Angriff sei zudem sein Eiswagen zerstört worden. Dieses Vorbringen wurde vom Asylgerichtshof im Hinblick auf den Wahrheits- bzw. Glaubhaftigkeitsgehalt untersucht und letztlich als unglaubwürdig beurteilt. Es wurde auch verneint, dass der BF für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung im asylrelevanten Ausmaß ausgesetzt wäre.

 

Wie in der gegenständlichen Beweiswürdigung dargelegt wurde, bezog sich der BF zur individuellen Begründung des verfahrensgegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz auf Umstände, die bereits zum Zeitpunkt seiner zweiten Asylantragsstellung bestanden haben. Dies gilt für die behauptete Verfolgung durch Hindus wegen seiner Abstammung aus einer Mischehe, aber auch für die Ausführungen, er habe in Indien weder Verwandte noch Vermögen.

 

Da es sich hierbei um Vorfälle handelt, welche bereits in der Zeit vor dem rechtskräftigen Abschluss des ersten inhaltlich abgeschlossenen Asylverfahrens des BF bestanden haben, war diesbezüglich eine neue Sachentscheidung ausgeschlossen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 98/20/0564; VwGH 24.08.2004, Zl. 2003/01/0431).

 

Wie schon in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, kommt auch aus seinem nunmehrigen Vorbringen, seine Onkel mütterlicherseits hätten ihn als Kind sowie beim Eisverkaufen in XXXX attackiert, bereits im Kern keine Glaubwürdigkeit zu. (vgl. VwGH 04.11.2004, Zl.2002/20/0391, VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315, VwGH 24.02.2000, Zl. 99/20/0173, VwGH 21.10.1999, Zl. 98/20/0467).

 

Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zu den Verhältnissen im Herkunftsstaat kann auch nicht angenommen werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten wären, wonach der BF nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, als dieser bereits als Kind durch Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt sicherte und trotz fehlender Schulbildung vor seiner Ausreise aus Indien in XXXX mit Hilfe der Sikh seinen Lebensunterhalt durch die Arbeit als Eisverkäufer bestritt. Zu berücksichtigen war auch, dass er mit Punjabi und Hindi zwei wesentliche Sprachen Indiens beherrscht.

 

3.1.4 Da sohin keine Anhaltspunkte für eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf das individuelle Vorbringen bzw. Umstände des BF oder allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, steht der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.2 Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides

 

3.2.1 Zwar sehen weder § 10 AsylG noch der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG eine zwingende Verbindung einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird, mit einer Rückkehrentscheidung vor, doch ergibt sich durch Auslegung der Materialien zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (BGBl. I Nr. 87/2012) dass § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG in einer Konstellation wie der vorliegenden die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung darstellt (vgl. VwGH 19.11.2015, Zl. Ra 2015/20/0082). Es ist daher - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung, unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 07.05.2008, Zl. 2007/19/0466, und vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344) auf die ab 01.01.2014 geltende Rechtslage übertragbar (VwGH 19.11.2015, Zl. Ra 2015/20/0082).

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der BF ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Im vorliegenden Verfahren liegt auch kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vor.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der BF reiste erstmals am XXXX unrechtmäßig in Österreich ein. Allerdings setzte er sich zweimal nach Großbritannien ab und wurde von den Behörden nach Österreich rücküberstellt. Seit XXXX hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt ist nicht iSd § 46a FPG geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

 

§ 55 AsylG 2005 "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" lautet wie folgt:

 

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

 

Der mit "Schutz des Privat Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

Art. 8 EMRK lautet wie folgt:

 

"Art. 8 EMRK (1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07-9; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

 

Das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben ist nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch faktische Familienbindungen, bei welchen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Auch eine aufrechte Lebensgemeinschaft fällt unter das von Art. 8 EMRK geschützte Familienleben (VwGH 09.09.2013, Zl. 2013/22/0220 mit Hinweis auf E vom 19.03.2013, Zl. 2012/21/0178, E vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0197, und E vom 21.04.2011, Zl. 2011/01/0131).

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.)

 

3.2.2. Abwägung im gegenständlichen Fall

 

Der BF verfügt in Österreich über kein Familienleben und ist ein Eingriff in ein solches somit nicht möglich. Die Rückkehrentscheidung könnte allenfalls in das Privatleben des BF eingreifen.

 

Wie bereits ausgeführt, hält sich der BF seit XXXX durchgehend in Österreich auf. Insgesamt verbrachte der BF seit seiner erstmaligen Einreise am XXXX über sieben Jahre in Österreich. Die Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet wird aber dadurch relativiert, dass sein Aufenthalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Asylgerichtshofes vom XXXX bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX wurde erstmals der Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen und der Antragsteller aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die weiteren Anträge auf internationalen Schutz legitimierten wiederum nur einen vorläufigen Aufenthalt, wobei diese allesamt wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Dem BF musste daher mangels neuer Fluchtgründe bereits seit der Entscheidung im Jahr XXXX bewusst sein, dass ihm kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommen wird.

 

Zur Integration des BF in Österreich ist auszuführen, dass dieser nicht erwerbstätig ist und keine Ausbildung in Österreich absolvierte. Gemeinnützige Leistungen erbrachte er im Ausmaß von 10 Tagen im Zeitraum XXXX bis XXXX für die XXXX sowie im Ausmaß von 80 Stunden im Seniorenheim der XXXX für den Verein NEUSTART XXXX . Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau A1. Zur Prüfung zum Nachweis des Sprachniveaus A2 war er angemeldet, erbrachte jedoch keinen Nachweis über die bestandene Prüfung. Intensive soziale Bindungen konnte er während seines Aufenthalts in Österreich nicht aufbauen. Setzt man daher die Integrationsfortschritte des BF in Relation zur Dauer seines Aufenthaltes, besteht nur ein äußerst geringer Grad an Integration.

 

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt nach dem Erkenntnis des VwGH vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (Hinweis E vom 17. April 2013, 2013/22/0106, mwN). Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. in diesem Sinn das E vom 19. Februar 2014, 2013/22/0028).

 

Den Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffetnlichen Interessen insbesondere an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, welche die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu ((zB VwGH 16.1.2001, 2000/18/0251). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die privaten Interessen der BF am Verbleib im Bundesgebiet (vgl dazu VfSlg 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und auch nicht unverhältnismäßig.

 

3.2.3. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch dann unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten können keine Gründe erkannt werden, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Indien ist gegeben. Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Feststellungen zur Sicherheitslage und Menschenrechtslage in Indien zu verweisen.

 

3.3 Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist (Z 6).

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (§ 18 Abs. 5 BFA-VG).

 

Ein Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 5 BFA-VG der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß Abs. 6 leg. cit. nicht entgegen.

 

Im vorliegenden Fall waren keine Sachverhaltselemente erkennbar, welche eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die gegenständliche Beschwerde hätten erforderlich erscheinen lassen.

 

3.4 Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides

 

Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (§ 13 Abs. 1 AsylG 2005). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verliert ein Asylwerber sein Aufenthaltsrecht, wenn gegen ihn wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist. Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tag des Verlustes wieder auf.

 

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes tritt ex lege ein und dem Abspruch im verfahrensabschließenden Bescheid kommt lediglich deklarative Wirkung zu.

 

Infolge der Einbringung eines Strafantrags der StA XXXX wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, sohin wegen eines reinen Vorsatzdeliktes, wurde dem BF mit Verfahrensanordnung vom XXXX der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet mitgeteilt und im verfahrensgegenständlichen Bescheid darüber abgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren habe. Da das Verfahren gegen den BF aber nach den Bestimmungen der §§ 198ff StPO für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt wurde und das LG sohin von der Verfolgung der Straftat iSd § 13 Abs. 2 AsylG 2005 zurückgetreten ist, war der Spruchpunkt in Stattgabe der Beschwerde ersatzlos zu beheben.

 

Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass das Bundesamt den Verlust fälschlicherweise mit dem Datum der Verfahrensanordnung anstelle dem Zeitpunkt der Einbringung des Strafantrags ( XXXX ) aussprach. Das Aufenthaltsrecht des BF lebt sohin rückwirkend mit dem XXXX wieder auf.

 

3.5 Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 53 Abs 1 und Abs 2 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens 5 Jahren erlassen werden. Das Bundesamt hat bei der Bemessung der Dauer das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

§ 53 FPG erging in Umsetzung des Art. 11 Rückführungsrichtlinie und ist vor dem Hintergrund des Ziels der Effektivität einer gesamteuropäischen Rückkehrpolitik zu sehen. Dem Wortlaut der Richtlinie zufolge "hat" eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu ergehen, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde, in sonstigen Fällen steht den Mitgliedstaaten die Verbindung der Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot offen (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht Stand: 15.01.2016, § 53 FPG, K2).

 

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (VwGH 15.12.2001, Zl. 2011/21/0237).

 

Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot verpflichten Drittstaatsangehörige zur Ausreise in den Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet derjenigen Mitgliedsstaaten einzureisen, für die die Rückführungs-RL gilt, und sich dort nicht aufzuhalten (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151 mwH). Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf daher nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, vielmehr muss auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten mitberücksichtigt werden (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).

 

Der räumliche Geltungsbereich ist allerdings nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen sind das Vereinigte Königreich und Irland, hinzu kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K3).

 

Der Verhängung eines Einreiseverbotes sowie in weiterer Folge der Bemessung seiner Dauer immanent ist die zum Entscheidungszeitpunkt durchzuführende individuelle Gefährdungsprognose. Der Beurteilung des durch den Fremden potentiell zu erwartenden Gefährdungspotentials kommt sowohl für die Frage, ob ein Einreiseverbot überhaupt zu verhängen ist, als auch hinsichtlich der Bemessung seiner Dauer zentrale Bedeutung zu. Zwar enthalten die Absätze 2 bis 3 des § 55 FPG eine demonstrative Auflistung von Tatbeständen, deren Erfüllung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder anderen in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen durch den Aufenthalt des Fremden indiziert; dennoch ist das Vorliegen eines der genannten Sachverhalte für sich genommen zur Erlassung eines Einreiseverbotes nicht ausreichend, vielmehr hat - unter Berücksichtigung des gesetzten Verhaltens - eine individuelle Gefährdungsprognose zu erfolgen, welche die Verhängung eines Einreiseverbotes in Abwägung mit den persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lässt (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K10).

 

Im Fall der Verhängung eines Einreiseverbots ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der begangenen Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

 

Nach den ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 23 f) soll das Bundesamt "fortan im Einzelfall, zB bei einem nur einmaligen, geringfügigen Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen, auch ein 18 Monate unterschreitendes Einreiseverbot erlassen" können. Die genannten 18 Monate werden zwar im § 53 Abs. 2 leg. cit. (idF BGBl. I Nr. 68/2013) nicht mehr erwähnt (vgl. demgegenüber § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005). Nach der gesetzgeberischen Intention kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) - oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes - regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige "bloß" einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 leg. cit. erfüllt (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207).

 

Eingehend ist festzuhalten, dass der diversionellen Erledigung des gegen den BF geführten Strafverfahrens bei der Beurteilung ob und gegebenenfalls wie lange ein Einreiseverbot zu verhängen ist, kein entscheidendes Gewicht beigemessen wird. Einer Diversion liegt zwar erwiesenermaßen eine strafbare Handlung zugrunde und soll sie, obwohl mit ihr keine Bescholtenheitswirkung verbunden ist, keine Entkriminalisierung darstellen (vgl. Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 3. Diversion (§§ 198-209 StPO) StPO (Stand 26.11.2015, rdb.at)). Allerdings ist ein vorläufiger Rücktritt von der Strafverfolgung gemäß § 198 StPO nur zulässig, wenn eine Bestrafung im Hinblick auf eine der in Ziffer 1 bis 4 genannten Bedingungen nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Im Zuge einer individuellen Gefährdungsprognose im Fall des BF ergibt sich daraus, dass von ihm keine maßgebliche künftige Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgeht, zumal in Bezug auf sein konkret rechtswidriges Verhalten iSd § 107 Abs. 1 StGB eine strafgerichtliche Verurteilung weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Erwägungen erforderlich war.

 

Das Bundesamt stützte die Erlassung des fünfjährigen Einreiseverbotes auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, ließ jedoch eine individuelle Gefährdungsprognose, eine Interessensabwägung sowie eine Begründung der Dauer vermissen.

 

Nach den getroffenen Feststellungen geht der BF keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezieht lediglich Leistungen aus der Grundversorgung. Es ist daher zunächst zu klären, ob der Bezug von Grundversorgung als Nachweis ausreichender Existenzmittel ausreicht oder geradezu die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG bestätigt. Da § 53 Abs. 2 Z 6 FPG im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des § 60 Abs. 2 Z 7 FrPolG 2005 idF vom 27.06.2006 entspricht, ist auf die hierzu ergangene Judikatur des VwGH zu verweisen. Demnach kann es nicht als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Behörde gegenüber einem Asylwerber von ihrer Ermächtigung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Mittellosigkeit Gebrauch macht, solange diesem andererseits Mithilfe der Bundesbetreuung eine Grundversorgung in Österreich ermöglicht wird. Diese Überlegungen lassen sich aber nicht auf jene Fremde übertragen, deren Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ beendet ist, die über keinen Aufenthaltstitel verfügen und gegen die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zulässig sind; dies gilt umso mehr, wenn ihnen bereits eine Ausreiseverpflichtung auferlegt wurde. In Bezug auf die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes wegen Mittellosigkeit unterscheidet sich diese Situation nämlich nicht von der eines anderen unrechtmäßig aufhältigen Fremden, dem von der öffentlichen Hand Unterstützungsleistungen gewährt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung kommt daher dem vormals durchgeführten Asylverfahren und der Art der Unterstützungsleistung in Form der Grundversorgung keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. VwGH 23.20.2008, 2007/21/0245; mwN).

 

Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, dass der Bezug von Grundversorgung nicht als Nachweis über die notwendigen Existenzmittel ausreicht, da der BF bereits mit Erkenntnis vom XXXX rechtskräftig nach Indien ausgewiesen wurde, er jedoch im Bundesgebiet verblieb und wiederholt Anträge auf internationalen Schutz stellte ohne hierfür neue Gründe vorbringen zu können. Der neuerliche Bezug von Grundversorgung resultiert daher lediglich aus der Stellung von Folgeanträgen unter Missachtung der bereits erlassenen Rückkehrentscheidungen. Abgesehen von diesen Leistungen konnte der BF keine Existenzmittel nachweisen und ist auch aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ersichtlich, aus welchen Mitteln er künftig seinen Lebensunterhalt bestreiten wird. Es besteht sohin die konkrete Gefahr, dass der BF infolge der Widersetzung fremdenbehördlicher Anordnungen eine Gebietskörperschaft finanziell belastet (vgl. VwGH 13.09.201, 2011/23/0156). Angesichts des langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet ohne nachhaltige Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit sowie der Missachtung von vier Rückkehrentscheidungen muss die Zukunftsprognose negativ ausfallen und kann auch für das nächste Jahr nicht davon ausgegangen werden, dass der BF seinen Lebensunterhalt ohne staatliche Unterstützung bestreiten kann.

 

Die Erlassung eines Einreiseverbotes steht allerdings, ebenso wie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, unter dem Vorbehalt des § 9 BFA-VG ("Schutz des Privat- und Familienlebens"). Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung demnach nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist (VwGH 02.10.2012, 2012/21/0044, mwN).

 

Wie bereits oben ausgeführt, verfügt der BF in Österreich über kein Familienleben und nur ein schwach ausgeprägtes Privatleben. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Privat- und Familienleben in einem anderen Staat, der vom Geltungsbereich der Rückführungsrichtlinie umfasst ist, liegen nicht vor.

 

In Abwägung der persönlichen Interessen des BF mit dem Interesse an der Verhängung eines Einreiseverbotes erscheint daher die Erlassung eines Einreiseverbotes, insbesondere in Anbetracht der fehlenden Existenzmittel in Zusammenhalt mit der Missachtung fremdenbehördlicher Anordnungen, sowie unter Berücksichtigung des geringen Grades an Integration im Bundesgebiet trotz des langen Aufenthaltes, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung geboten.

 

Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes ist die oben zitierte Judikatur des VwGH zu berücksichtigen, wonach eine Unterschreitung eines achtzehnmonatigen Einreiseverbots dann gerechtfertigt ist, wenn keine gravierende Gefährdung vom Drittstaatsangehörigen ausgeht. Im konkreten Fall wird die vom BF ausgehende konkrete Gefährdung der öffentlichen Ordnung als gering bewertet, zumal er nur einen Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG erfüllt und in Zusammenhang mit der Ziffer 6 leg. cit. auch beachtet werden muss, dass der rechtliche Rahmen zur Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit für Asylwerber äußerst eingeschränkt ist. Insgesamt konnte daher mit der Verhängung eines Einreiseverbots für die Dauer von 12 Monaten das Auslangen gefunden werden.

 

3.6 Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

§ 21 Abs. 7 erster Satz BFA-VG entspricht zur Gänze dem Wortlaut der Bestimmung des durch das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehobenen § 41 Abs. 7 erster Satz AsylG 2005. In der Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP ) wurde zu § 21 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 64/2013 ausgeführt: "§ 21 entspricht dem geltenden § 41 AsylG 2005 und legt Sondernomen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des Bundesamtes fest." Zu § 21 Abs. 7 hält die RV fest: "Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des BFs nicht den Tatsachen entspricht.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

 

Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).

 

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen." (VwGH 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017).

 

3.7.1 In der Beschwerde wurde ein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

3.7.2 Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht).

 

Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

 

Zumal zu Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. keine Sachentscheidung erfolgte, finden sich hinsichtlich des übrigen Vorbringens in der Beschwerde, insbesondere zu integrativen Aspekten, keine weiteren Anhaltspunkte oder ein Tatsachenvorbringen, welches nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte. An dieser Stelle sei festgehalten, dass sich das Bundesamt bei seiner Feststellung bezüglich des Gesundheitszustandes im Ergebnis zur selben Feststellung wie das Bundesamt gelangte. Berichtigt wurde lediglich, dass sich aus dem Akteninhalt keine Alkoholabhängigkeit ergibt. Da der BF selbst angab gesund zu sein, und in der Beschwerdeschrift nichts Gegenteiliges behauptet wurde, war eine mündliche Verhandlung zur Ermittlung des Gesundheitszustandes des BF nicht erforderlich.

 

Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer näher zu erörtern.

 

3.7 Spruchteil 2.A)

 

Nach dem Wortlaut des § 18 BFA-VG besteht - etwa entgegen § 13 Abs. 3 und 4 VwGVG - kein Antragsrecht der Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr amtswegig, ohne dass ein solcher Antrag gestellt werden müsste, über eine mögliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden. Dem steht auch Art. 13 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284; VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Da sohin kein eigenes Provisorialverfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgesehen ist, war der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung daher zurückzuweisen.

 

3.8 Zu Spruchteil 1.B) und 2.B) Unzulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte