VwGH 2007/19/0342

VwGH2007/19/034226.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. April 2007, Zl. 227.948/18/26E-XIV/39/05, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, gelangte am 20. August 2001 in das Bundesgebiet und stellte am 21. August 2001 einen (ersten) Asylantrag. Er stützte diesen Antrag auf Verfolgungsbehauptungen, denen die Asylbehörden keinen Glauben schenkten. Die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 26. August 2004, mit dem der Antrag in letzter Instanz abgewiesen und die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien bestätigt wurde, lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20. Jänner 2005, Zl. 2004/20/0445, ab.

Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2005, beim Bundesasylamt eingelangt am 6. Oktober 2005, beantragte der Beschwerdeführer neuerlich Asyl. Begründend führte er aus, dass er "jetzt nunmehr laufend" von der Polizei in Indien gesucht werde. Diese patrouilliere um das Haus seines Vaters und habe dort auch eine Razzia durchgeführt. Er würde somit aktuell "intensiv gesucht". Zum Beweis dieses Vorbringens legte der Beschwerdeführer eidesstattliche Erklärungen seines Vater und des Dorfvorstehers vom 14. Juli 2005 vor. In einem weiteren Schreiben einer indischen Rechtsanwaltskanzlei selben Datums wird dem Beschwerdeführer von einer Rückkehr nach Indien abgeraten.

Das Bundesasylamt wies diesen (zweiten) Asylantrag nach einer am 2. November 2005 erfolgten Einvernahme des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 10. November 2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten führte das Bundesasylamt in der Begründung seines Bescheides aus, dass alle Dokumente am selben Tag von Personen ausgestellt worden wären, die in einem Naheverhältnis zum Beschwerdeführer stünden. Erschüttert würde nach Ansicht des Bundesasylamtes die "Glaubwürdigkeit dieser Dokumente" auf Grund der darin verwendeten Wortwahl. Zudem würden diese Schreiben auf Grund einer Anmerkung des Übersetzers auch sprachliche Mängel aufweisen. Dazu komme die Aussage des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme, wonach er diese Dokumente bereits im Mai 2005 erhalten habe, obwohl diese erst im Juli 2005 ausgestellt worden seien. Am Ende dieser beweiswürdigenden Überlegungen lautet es wörtlich wie folgt: "Diese Bescheinigungsmittel werden der weiteren rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt." In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Bundesasylamt zu dem Schluss, dass durch die Vorlage der Bezug habenden Dokumente auch keine "Änderung der Entscheidung herbeigeführt werden könne". Dies deshalb, da bereits im Erstverfahren das Vorbringen des Beschwerdeführers, welches durch diese Schriftstücke offensichtlich untermauert werden sollte, "als unglaubwürdig qualifiziert wurde und kein neuer Sachverhalt vorliegt".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobene Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 22. März 2007 gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. In ihren Ausführungen zur Begründung dieses Bescheides ließ es die belangte Behörde dahingestellt, ob die Ausführungen des Beschwerdeführers im Verfahren zu seinem Folgeantrag einen glaubhaften Kern aufweisen oder nicht. Jedenfalls habe nach Ansicht der belangten Behörde das Bundesasylamt den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers zu Recht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer habe seinen zweiten Antrag nämlich auf "behauptete Tatsachen gestützt", die seinem Vorbringen zufolge bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden hätten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde vermeint, das neue Vorbringen des Beschwerdeführers deswegen nicht im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2005/20/0365, und die dort zitierte Vorjudikatur) auf seinen "glaubhaften Kern" hin prüfen zu müssen, da sich der neuerliche Asylantrag auf bereits vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahren vorliegende Tatsachen stützen würde. Dagegen spricht jedoch - wie die Beschwerde zutreffend ausführt -, dass der Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylantrag vom 6. Oktober 2005 u.a. ausgeführt hatte, "jetzt nunmehr laufend von der Polizei gesucht" zu werden. Damit macht der Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen geltend, die dem Vorbringen zufolge nach Abschluss des ersten Asylverfahrens stattgefunden haben sollen und deshalb zusammen mit den von ihm vorgelegten Dokumenten von der belangten Behörde auf ihren "glaubhaften Kern" hin untersucht hätten werden müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Zuerkennung der vom Beschwerdeführer beantragten Eingabegebühr ("entrichteten Stempelgebühren") kam - wegen der diesbezüglich bewilligten Verfahrenshilfe - nicht in Betracht.

Wien, am 26. September 2007

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