VwGH 2005/20/0300

VwGH2005/20/030025.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des S A in W, geboren 1982, vertreten durch Mag. Gerhard Pilz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Grashofgasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Jänner 2005, Zl. 226.165/13-V/13/04, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27. Juli 2001 einen (ersten) Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Jänner 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen; zugleich wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat (belangte Behörde) mit Bescheid vom 27. Mai 2002 keine Folge gegeben. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. September 2002, Zl. 2002/01/0248, abgelehnt.

Am 18. Oktober 2004 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag und brachte dazu vor:

Er sei im August 2002 von Deutschland aus mit dem Schiff nach Nigeria zurückgereist. Dort habe er feststellen müssen, dass seine Probleme "noch größer" geworden seien. Sein Vater sei mittlerweile verstorben und er hätte dessen Position in einem Geheimbund - die Verfolgung durch diesen hatte der Beschwerdeführer schon im ersten Asylverfahren behauptet - übernehmen sollen. Da er in seinem Dorf niemanden von seiner Familie mehr angetroffen habe, habe er sich in der Folge der MASSOB-Bewegung angeschlossen. Im Zusammenhang damit werde er nun von den nigerianischen Behörden gesucht.

Das Bundesasylamt hielt dem Beschwerdeführer bei dessen Einvernahme am 22. Oktober 2004 vor, dass er bis zum 3. Mai 2004 in Wien aufrecht gemeldet gewesen sei. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass er Österreich vor dem Mai 2004 verlassen habe. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, er sei im August 2002 nach Nigeria zurückgekehrt und sei im Mai 2004 von Nigeria nach Deutschland gereist, von wo er schließlich wieder nach Österreich gelangt sei. Er verneinte, "bis Mai 2004 in Österreich gewohnt" zu haben.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 3. November 2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Den Angaben des Beschwerdeführers, dass er Österreich im Jahr 2002 verlassen hätte, werde kein Glauben geschenkt, weil der Beschwerdeführer erst im Mai 2004 von seinem Hauptwohnsitz in Wien amtlich abgemeldet worden sei. Auch der Reiseweg, den der Beschwerdeführer zurück nach Nigeria genommen habe, "nämlich ohne Geld und ohne Papiere, indem er nach Deutschland gefahren sei und dort am Hafen eine unbekannte Person angesprochen hätte, die ihn in ein Schiff gesetzt und nach Nigeria zurückgebracht hätte", widersprächen der "Lebenserfahrung und Logik", zumal der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt "ja absolut legal in seine Heimat zurückkehren hätte können". Das Argument des Beschwerdeführers, dass er "vorsichtig sein musste" und nicht gerne fliege, sei nicht geeignet, sein Vorbringen glaubwürdig erscheinen zu lassen. Es werde daher davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer erst im Frühjahr 2004 Österreich verlassen habe, um nach Deutschland zu fahren, wo er "im April 2004 aufgegriffen wurde".

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer in Bezug auf seine Rückkehr nach Nigeria vor, die einzige Möglichkeit, ohne Dokumente nach Hause zurückzukehren, sei in der von ihm beschriebenen Weise mit dem Schiff zu reisen; einer Person ohne Reisepass würde man nicht erlauben, ein Flugzeug zu benützen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde u.a. aus, das vom Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt erstattete Vorbringen sei im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben und es würden "die bezughabenden Passagen des bekämpften Bescheides zum Gegenstand dieses Bescheides erklärt". Der Beschwerdeführer habe sich im nunmehrigen (zweiten) Asylverfahren "dem Kerne nach auf jene Fluchtgründe (berufen), die er bereits im ersten Rechtsgang umfassend vorgetragen hatte, ohne hiedurch auf eine sich entscheidend geänderte Faktenlage zu verweisen". Der Beschwerdeführer habe einerseits auf seine ursprünglich im ersten Verfahren getätigten - damals als unglaubwürdig qualifizierten - Angaben verwiesen, ohne jedoch Indizien für eine allenfalls vorzunehmende Neubewertung der Glaubhaftigkeit derselben aufzuzeigen; andererseits vermöchten die vom Beschwerdeführer "im zweiten Rechtsgang ins Verfahren eingeführten Ergänzungen zum Sachverhalt (...) keinen hinreichenden Grund dafür zu bieten, eine Verpflichtung der erkennenden Behörde zur neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit seinem im ersten Rechtsgang dargelegten Asylvorbringen auszulösen". Der Beschwerdeführer habe keinen neuen bzw. geänderten Sachverhalt bzw. wesentlich geänderte Fakten, welche sich nach der ersten Asylantragstellung ereignet hätten, behauptet. Eine wesentliche Änderung in Bezug auf die dem Antrag zu Grunde liegende (behauptete) Faktenlage sei nicht eingetreten. "Im Rahmen des Berufungsschriftsatzes neu ins Verfahren eingeführte Sachverhaltselemente bzw. Beweismittel" seien im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen gewesen. Es habe somit nicht erkannt werden können, dass dem nunmehrigen Asylantrag ein neuer bzw. wesentlich veränderter Sachverhalt oder eine neue Rechtslage zu Grunde liege.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Während sich das Bundesasylamt mit der behaupteten Rückkehr des Beschwerdeführers nach Nigeria beweiswürdigend auseinandergesetzt hat und davon ausgegangen ist, dass die behauptete Rückkehr nach Nigeria nicht habe glaubhaft gemacht werden können, hat die belangte Behörde ausgeführt, der Beschwerdeführer behaupte "keinen neuen bzw. geänderten Sachverhalt bzw. wesentlich geänderte Fakten".

Dies trifft nicht zu, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem zweiten Asylantrag, sollte es einen glaubhaften Kern enthalten, jedenfalls eine maßgebliche Sachverhaltsänderung gegenüber dem ersten Asylverfahren darstellen würde. Auch wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers teilweise - in Bezug auf die Verfolgung durch einen "Geheimbund" - auf einem schon im ersten Asylverfahren als unglaubwürdig beurteilten Sachverhalt aufbaut, so machten die von ihm behaupteten, nach Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens eingetretenen Ereignisse (Tod des Vaters und daraus folgende Verpflichtung zur Übernahme von dessen Position durch den Beschwerdeführer) eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit diesem neuen Vorbringen erforderlich (vgl. zur Verpflichtung einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung, um beurteilen zu können, ob dem Vorbringen ein "glaubhafter Kern" zuzubilligen ist oder nicht, z.B. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, Zl. 2005/20/0556). Die Verpflichtung zu einer solchen Auseinandersetzung gilt ebenso für das weitere Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer sich nach der Rückkehr in sein Heimatland der MASSOB angeschlossen habe und nun aus diesem Grund von den nigerianischen Behörden verfolgt werde. Die belangte Behörde hat daher insofern die Rechtslage verkannt.

Dass das Bundesasylamt die behauptete Rückkehr des Beschwerdeführers nach Nigeria auf Grund der gebotenen Beweiswürdigung als nicht glaubhaft angesehen hat, kann an der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nichts ändern. Abgesehen davon, dass dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen ist, dass er die Beweiswürdigung und die darauf beruhende Feststellung des Bundesasylamtes, der Beschwerdeführer sei nach seinem ersten Asylverfahren nicht nach Nigeria zurückgekehrt, übernommen hätte, ist die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes auch nicht schlüssig:

Die Feststellung, der Beschwerdeführer sei nicht nach Nigeria zurückgekehrt, wurde vom Bundesasylamt in erster Linie darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer bis Mai 2004 in Wien gemeldet gewesen sei. Eine bloß auf eine Meldeauskunft gestützte Feststellung wäre aber nicht schlüssig (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004, Zl. 2002/20/0015) und es ist der Beschwerdeführer auch dem weiteren Argument des Bundesasylamtes, der von ihm angegebene Reiseweg nach Nigeria sei nicht plausibel, in seiner Berufung konkret entgegengetreten. Im Hinblick darauf konnte der unabhängige Bundesasylsenat nicht bloß auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verweisen, vielmehr hätte dieses Berufungsvorbringen eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung erfordert.

Der angefochtene Bescheid war somit - da die Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzforderung 2003.

Wien, am 25. April 2007

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