VwGH 2009/05/0097

VwGH2009/05/009719.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des P S in Wien, vertreten durch Mag. Klaus Heintzinger, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Berggasse 4/7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 18. Februar 2009, Zl. BOB-518 und 519/08, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2009050097.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610, 60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 763/3 und Nr. 763/21 Czartoryskigasse 141 der Liegenschaft EZ 1198, Grundbuch 01401 Dornbach, und des Grundstückes Nr. 763/2 der Liegenschaft EZ. 1202, Grundbuch 01401 Dornbach, welches südlich des Grundstückes Czartoryskigasse 143 liegt.

Für diese Grundstücke gilt der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Planungsdokument (PD) 6717. Dieses PD enthält unter Punkt II. 5 unter dem Titel "Besondere Bestimmungen gemäß § 3 des Wiener Kleingartengesetzes mit Plandarstellung" nachstehende Regelungen:

"5.1. Innerhalb der mit BB 8 bezeichneten und als Erholungsgebiet/Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen gewidmeten Grundflächen darf jeweils ein Objekt für Gemeinschaftsanlagen von maximal 80 m2 errichtet werden.

5.2. Die mit BB 9 bezeichneten und als Erholungsgebiet/Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen gewidmeten Flächen sind Gemeinschaftsflächen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen vorbehalten".

Die gegenständlichen Grundstücke des Beschwerdeführers befinden sich in einem als "Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" gewidmeten Gebiet, für das die unter BB 8 und BB 9 genannten besonderen Bestimmungen gelten.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. April 2006, Zlen. BOB-612 und 613/05, wurde die vom Beschwerdeführer beantragte Errichtung von jeweils 8 KFZ-Stellplätzen auf den eingangs erwähnten Grundstücken wegen Widerspruchs zu den wiedergegebenen im Plandokument 6717 normierten Bebauungsbestimmungen versagt.

Mit Eingabe vom 17. April 2007 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Erteilung einer auf 5 Jahre befristeten Baubewilligung für die Errichtung von jeweils 8 KFZ-Stellplätzen für jedes der genannten Grundstücke gemäß § 71 Bauordnung für Wien (in der Folge: BO).

Die erstinstanzliche Behörde führte am 20. März 2008 eine Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer und die anderen Parteien des Verfahrens ordnungsgemäß geladen wurden. In dieser Verhandlung änderte der Beschwerdeführer sein Ansuchen dahingehend ab, dass er nunmehr eine unbefristete Baubewilligung für die Errichtung von je 8 KFZ-Stellplätzen gemäß § 70 BO auf den gegenständlichen Liegenschaften beantragte.

Mit den Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37) je vom 22. August 2008 wurden die Anträge abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobenen Berufungen des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab; die angefochtenen Bescheide wurden mit der Maßgabe wie folgt bestätigt:

"Zu I.:

Das mit Schreiben vom 17. April 2007 eingebrachte Ansuchen um baubehördliche Bewilligung der Errichtung von 8 KFZ-Stellplätzen auf der Liegenschaft Wien 17, Czartoryskigasse 143, EZ 1202 der KG Dornbach, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen."

Zu II.:

Das mit Schreiben vom 17. April 2007 eingebrachte Ansuchen um baubehördliche Bewilligung der Errichtung von 8 KFZ-Stellplätzen auf der Liegenschaft in Wien 17, Czartoryskigasse 141, EZ 1198 der KG Dornbach, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen".

Begründend führte die belangte Behörde in ihrer Entscheidung aus, es sei das Projekt hinsichtlich Lage, Zahl und Ausmaß der Stellplätze identisch mit jenem Projekt, über das bereits mit Berufungsbescheid zu den Zahlen BOB-612 und 613/05 rechtskräftig abgesprochen worden sei. Es stehe auch fest, dass in den relevanten rechtlichen Bestimmungen seither keine Änderung eingetreten sei; insbesondere der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei unverändert geblieben. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweise, dass der damals bestehende Stadtheurige mittlerweile entfernt und fünf Kleingartenwohnhäuser errichtet worden seien, sei dazu anzumerken, dass es sich dabei nicht um für die Versagung entscheidungswesentliche Gründe handle. Wesentlich für die Versagung sei, dass die Stellplätze der besonderen Bebauungsbestimmung (BB 8) des Bebauungsplanes widersprechen. Dass der nunmehrige Antrag eine Befristung von fünf Jahren enthalte, sei lediglich für die Bewilligungsfähigkeit nach § 71 BO, nicht jedoch nach § 70 BO von Relevanz. Vom Vertreter des Beschwerdeführers sei jedoch diese beantragte Befristung in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zurückgenommen und eine Bewilligung nach § 70 BO beantragt worden. Es sei daher keine relevante Änderung des Sachverhaltes gegenüber dem damaligen Verfahren feststellbar, weshalb die Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hätten werden müssen.

In seiner dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht "eine Baubewilligung zur Errichtung von jeweils 8 KFZ-Stellplätzen zu errichten" verletzt. Er habe im "Verfahren aus dem Jahr 2005" um eine befristete Baubewilligung angesucht, nunmehr allerdings würde er um eine unbefristete Bewilligung ansuchen. Es lägen nunmehr eine Stellungnahme unter anderem der MA 21 A vor, aus welcher sich ergebe, dass auf Grund der geänderten Rahmenbedingungen (Wegfall des Heurigenbetriebes, Errichtung von Kleingartenhäusern und einer Gemeinschaftsanlage) die Errichtung von Stellplätzen möglich sei. Dies auch mit dem Hinweis, dass laut WKlGG Stellplätze nur in Gemeinschaftsanlagen errichtet werden dürften und "Gemeinschaftsanlagen auf den im Bebauungsplan dafür vorgesehenen Flächen zulässig seien". Jene Behörde, welche den Flächenwidmungsplan erlassen habe, erachte somit eine Errichtung der Stellplätze als rechtlich zulässig und auch gewollt. Schon eine "teleologische Interpretation der Bebauungsbestimmungen" zeige, dass auf Grund der Stellungnahme jener Behörde, die die Baubestimmungen erlassen habe, eine Errichtung auf Grund der geänderten Rahmenbedingungen nunmehr zulässig sei. Es sei dieser Stellungnahme zu entnehmen, dass der Flächenwidmungsplan in der vorliegenden Form deswegen erlassen worden sei, um etwa bei Betrieb des (ursprünglichen) Heurigenlokals "reine Gästeparkplätze und die damit verbundenen allfälligen Nachteile" zu vermeiden, da sich der Stellplatzbedarf u.a. vorwiegend an der benachbarten Wohnbevölkerung, dem damit verbundenen Parkplatzbedarf, aber auch an der neu errichteten Kleingartenwohnhausanlage und dem damit verbundenen Stellplatzbedarf orientiert habe. Es sei allerdings im Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Flächenwidmungsplanes durch die MA 21 A nicht vorherzusehen gewesen, dass die Errichtung der Kleingartenhausanlage erst im Jahr 2007 erfolgen werde. Auf Grund dieser Tatsache habe die MA 21 A den gegenständlichen Flächenwidmungsplan "in der überaus lobenswerten Voraussicht erlassen/gewidmet, die ggst. Grundstücke, - insbesondere jene, welche mit BB 8 gewidmet wurden - bedarfsgerecht später zu benutzen. Dies entspricht der modernen Gesetzgebung, um ohne langwierige Verfahren (Erlassung eines neuen Flächenwidmungsplanes) alltagsgerecht reagieren zu können und um der allgemein bekannten Parkraumnot im städtischen Bereich gerecht zu werden". Auch nach Aussage der MA 22 stünden dem Vorhaben in "Lärm-/immissionstechnischer Sicht" keine Bedenken entgegen und auch aus "öffentlicher/bezirksrelevanter Sicht" gebe es zumindest für das auf fünf Jahre befristete Bauvorhaben keine Bedenken. Es lägen durch die Entfernung des Heurigen geänderte Voraussetzungen vor und es sei daher widersinnig, die Anträge "mit der Begründung res iudicata" abzuweisen bzw. zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer bestreite weiterhin, dass die Bestimmungen in BB 8 einer Errichtung der Stellplätze entgegenstünden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob im Beschwerdefall eine entschiedene Sache vorliegt, ob also im gegenständlichen Bauverfahren dieselbe Sache zu beurteilen war, die bereits Gegenstand des rechtskräftigen Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 25. April 2006 war.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann wegen "res iudicata" zurückzuweisen, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet. Die Rechtskraft eines Bescheides erfasst jedoch nicht einen Sachverhalt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat, es sei denn, dass sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. November 2007, Zl. 2006/05/0278, m.w.N.).

Gegenstand der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft ist nur der im Bescheid enthaltene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde gestützt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/09/0041). Bei der Beurteilung der "Identität der Sache" ist in primär rechtlicher Betrachtungsweise festzuhalten, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgeblich für die Entscheidung der Behörde ist dabei nicht nur § 68 Abs. 1 AVG und für die Berufungsbehörde § 66 Abs. 4 AVG. Vielmehr hat die Behörde die Identität der Sache im Vergleich mit dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt im Lichte der darauf angewendeten (insbesondere materiellrechtlichen) Rechtsvorschriften zu beurteilen und sich damit auseinander zu setzen, ob sich an diesem Sachverhalt oder seiner "rechtlichen Beurteilung" (an der Rechtslage) im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den neuen Antrag eine wesentliche Änderung ergeben hat (vgl. dazu Hengstschläger/ Leeb, § 68 Rz 24). Wesentlich ist eine Änderung nur dann, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (vgl. Hengstschläger/ Leeb, a.a.O. Rz 26).

Unbestritten steht fest, dass die vom Beschwerdeführer eingereichten Bauvorhaben hinsichtlich Lage, Zahl und Ausmaß der Stellplätze identisch mit jenen Projekten sind, über die die Bauoberbehörde für Wien im Instanzenzug mit rechtskräftigem Bescheid vom 25. April 2006 entschieden hat. Die beantragten Baubewilligungen wurden damals deshalb versagt, weil die Errichtung von KFZ-Stellplätzen auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken deren Widmung widersprochen hat, da diese in einem Bereich lagen, für den Besondere Bebauungsbestimmungen (BB 8 und BB 9) gegolten haben.

Mit den der Beschwerde zu Grunde liegenden Anträgen begehrte der Beschwerdeführer erneut die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von je 8 KFZ-Stellplätzen auf denselben Grundstücken, die nach wie vor in als BB 8 und BB 9 gewidmeten Gebieten liegen. Die belangte Behörde kam zutreffend zu dem Ergebnis, dass in den entscheidungsrelevanten Fakten keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Das der Entscheidung der Bauoberbehörde vom 25. April 2005 zu Grunde liegende PD 6717 war auch im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nach wie vor in Geltung. Es hat sich also die Rechtslage seit dem Jahr 2005 nicht geändert. Auf Grund der nach wie vor bestehenden Besonderen Bebauungsvorschriften (BB 8) war der belangten Behörde die Erlassung eines anders lautenden Bescheides nicht möglich. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Umstand, dass der damals bestehende Heurige nunmehr entfernt wurde, daran nichts zu ändern, da der Bestand des Heurigenbetriebes für die Entscheidung der Bauoberbehörde im Jahr 2005 nicht entscheidungsrelevant war. Eine das Vorliegen einer res iudicata ausschließenden Änderung der Sachlage lag daher ebenfalls nicht vor.

Fällt die Behörde erster Instanz eine Sachentscheidung, obwohl das Parteianbringen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen wäre, hat die belangte Behörde die Berufung gegen den betreffenden Bescheid mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf "Zurückweisung wegen entschiedener Sache" zu lauten habe (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 92/05/0063).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die Bestimmungen des §§47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus folgenden Gründen Abstand genommen werden. Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen", weshalb keine mündliche Verhandlung mit der Zweitbeschwerdeführerin durchzuführen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2007, Zl. 2006/07/0066). Im Übrigen ist über die materielle Rechtsfrage, ob die gewünschte Bauführung zulässig ist, bereits in einem früheren Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof rechtskräftig entschieden worden.

Wien, am 19. Jänner 2010

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