BVwG L508 2130432-2

BVwGL508 2130432-23.1.2018

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L508.2130432.2.00

 

Spruch:

L508 2130432-2/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Jordanien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

 

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: BF), Staatsangehörige von Jordanien sowie der arabischen bzw. palästinensischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, reiste im Juli 2014 schlepperunterstützt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.07.2014 - ebenso wie ein minderjähriger Bruder (L508 2130435) und eine minderjährige Schwester (L508 2130433) - einen Antrag auf internationalen Schutz. Bereits zuvor stellten die Mutter (L508 2107264), deren nunmehriger Gatte (L508 2112099) und ein mittlerweile volljähriger Bruder (L508 2107262) der BF am 08.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Am 10.07.2014 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung der Mutter, des nunmehrigen Gatten und des mittlerweile volljähriger Bruders (L508 2107262) statt. Auf die Frage, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen hätten (Fluchtgrund), gaben die Mutter und deren Gatte im Wesentlichen übereinstimmend an, dass die Palästinenser, vor allem die Frauen, in Libyen erniedrigt, regelmäßig beschimpft und teilweise auch vergewaltigt werden würden. Der Gatte der Mutter sei zuletzt von einem Kunden entführt und misshandelt worden. Man habe ihnen gedroht, als Palästinenser ruhig zu sein. Ihr Sohn sei seit der Revolution in Syrien nicht mehr zur Schule gegangen, da er immer erniedrigt worden sei. Aus diesen Gründen hätten sie Libyen verlassen. Der volljährige Bruder schilderte auf die gleiche Frage, dass das libysche Volk keinen Respekt vor den Palästinensern habe. In der Schule sei er regelmäßig geschlagen und beschimpft worden. Sogar der Lehrer habe ihn geschlagen und seine Prüfungen sehr negativ bewertet. Dadurch hätte er in Libyen keine Zukunftsperspektiven. Auf die Frage, was sie im Fall der Rückkehr in ihre Heimat befürchte, erwiderte die Mutter, dass sie befürchte, ein Leben in Angst und Demut zu führen. Sie würde eher sterben als dorthin zurückzukehren. Deren Gatte gab dazu an, dass er Angst vor einem dortigen Leben hätte, weil es dort keine Sicherheit gebe und jeder Waffen tragen würde. Er und seine Familie würden auch nicht mehr erniedrigt werden wollen. Der mittlerweile volljährige Bruder führte aus, dass es für ihn und seine Familie in Libyen keine Zukunft gebe.

 

Am 23.07.2014 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung der BF statt. Auf die Frage, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe (Fluchtgrund), gab sie zu Protokoll, dass in Syrien Krieg herrsche und sie daher keine Möglichkeit hätte, dort in Sicherheit zu leben. Ihr Vater habe dann beschlossen, nach Österreich auszuwandern.

 

2. Mit Schreiben vom 19.08.2014 wurde der leibliche Vater der BF in Vorbereitung der zu bearbeitenden Asylanträge ersucht, binnen einer Frist von drei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens sämtliche in seinem Besitz befindlichen Beweismittel sowie identitätsbezeugende Dokumente im Original vorzulegen.

 

3. Am 23.10.2014 wurden die die Mutter, deren nunmehriger Gatte und der mittlerweile volljährige Bruder (L508 2107262) vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD NÖ, im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

 

Auf Befragung zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates (Fluchtgründe) brachte die Mutter zunächst vor, bislang nicht genau die Wahrheit gesagt zu haben, weil sie bedroht worden sei und dies alles wegen ihrer Kinder verheimlicht hätte. Sie sei mit ihren Kindern, ihrem Ex-Mann (L504 2120994) und ihrem Gatten von Libyen nach Italien gekommen. Sie sei aus Libyen mit ihrer Familie geflüchtet, weil ihre Tochter XXXX (L508 2120646) in Tripolis von den Libyern vergewaltigt worden sei.

 

Aus Angst, ihr Ex-Mann komme hier her und verrate sie, hätte sie angeführt, Palästinenserin aus Syrien zu sein und hätte sie deshalb ihre Kinder nicht angeführt. Fünf ihrer Kinder befänden sich bei ihrem Ex-Mann hier in Österreich. XXXX sei verheiratet und lebe in Jordanien.

 

Sie sei in Jordanien geboren und im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie für zehn Jahre nach Syrien gezogen. Nach ihrer Rückkehr nach Jordanien im Jahr 1977 hätte sie erstmals geheiratet. 1994 sei sie mit ihrem zweiten Mann - ihrem Ex-Mann - nach Libyen gegangen und dort bis 2007 verblieben. Am 14.12.2008 sei ihre zweite Ehe geschieden worden. Ihr Ex-Mann habe sie nicht in Ruhe gelassen und bedroht. Dieser habe die Kinder zu sich nehmen wollen und keinen Unterhalt bezahlt. Im Jahre 2009 hätte sie ihren jetzigen Mann geheiratet. Durch den Druck ihres Ex-Mannes hätte sie es in Jordanien nicht mehr ausgehalten und sei mit ihrem Mann im Jahre 2010 nach Libyen gezogen. Im Jahre 2012 sei sie für die Dauer von 40 Tagen wegen ihrer Tochter nach Jordanien zurückgekehrt. Ihre Tochter XXXX habe sie angerufen und erzählt, dass sie von ihrem Vater sexuell belästigt worden sei. Nach diesen 40 Tagen hätte sie Jordanien das letzte Mal am 13.07.2012 verlassen und sei nach Libyen zurückgekehrt.

 

In Jordanien hätte sie ihren Ex-Mann wegen sexueller Belästigung ihrer Tochter angezeigt. Dieser sei im Juni 2012 festgenommen worden, in U-Haft gewesen, gegen Kaution freigekommen und geflüchtet. Etwa um den 25.07.2012 sei er nach Libyen gekommen.

 

Sie sei wegen ihrer Kinder nach Europa gekommen, weil Kinder in den arabischen Ländern keinen Schutz hätten.

 

Da ihr Ex-Mann ihre Tochter sexuell belästigt habe, habe sie mit diesem nicht mehr zusammenleben können. Dies habe zur Scheidung geführt. Sie sei von diesem belästigt und nicht mehr in Ruhe gelassen worden, nachdem sie ihren letzten Mann geheiratet hätte. Sie seien von ihm bedroht worden, weshalb sie mit ihrem nunmehrigen Mann nach Libyen gereist sei.

 

Ca. zwei Monate nach ihrer Eheschließung hätten diese Belästigungen begonnen. Der Bruder ihres Ex-Mannes sei Taxifahrer und habe sie und ihren Mann durch Losfahren auf ihre Personen erschreckt. Ihre Kinder, die bei ihm gelebt hätten, seien auch oft vor ihm geflüchtet.

 

Bei einer Rückkehr nach Jordanien würde ihre Tochter wegen der Anzeige von ihrem Onkel und Cousin die Kehle durchgeschnitten bekommen.

 

Im Übrigen brachte die Mutter der BF in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.10.2014 einen jordanischen Reisepass im Original, ein jordanisches Familienbuch in Kopie, eine UNRWA-Registrierung im Original aus dem Jahr 1997, einen libyschen Führerschein und eine Registrierungskarte aus Libyen in Vorlage. Der Gatte ihrer Mutter legte einen jordanischen Reisepass im Original, eine jordanische Heiratsurkunde im Original und einen libyschen Führerschein im Original vor. Ferner wurden der Mutter, deren Gatten und dem mittlerweile volljährigen Bruder die aktuellen Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat Jordanien unter Einräumung einer einwöchigen Stellungnahmefrist ausgehändigt.

 

4. Mit den Bescheiden des BFA vom 13.04.2015 wurde der jeweilige Antrag der Mutter, des Gatten der Mutter und des mittlerweile volljährigen Bruders auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der jeweilige Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen diese Personen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Jordanien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt.

 

5. Gegen diese Bescheide erhoben die Mutter, der Gatte der Mutter und der mittlerweile volljährige Bruder fristgerecht mit Schriftsatz vom 05.05.2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellten einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

5.1. Zunächst wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge jeweils den angefochtenen Bescheid des BFA zur Gänze beheben und gem. § 3 AsylG Asyl gewähren; bzw. gem. § 8 AsylG subsidiären Schutz erteilen; bzw. die Rückkehrentscheidung für unzulässig erklären und gem. §§ 55 oder 57 AsylG einen Aufenthaltstitel erteilen; in eventu jeweils den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit hinsichtlich des Spruchpunktes I., II. und III. beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen; eine mündliche Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen.

 

5.2. Sodann wird ausgeführt, dass die Mutter, deren Gatte und der mittlerweile volljährige Bruder entgegen der Ansicht des Bundesamtes die Voraussetzungen für die Asylgewährung erfüllen, da ihnen in Jordanien Verfolgung iSd GFK drohe. Dagegen richte sich die eingebrachte Beschwerde. In einer nachfolgenden Beschwerdeergänzung würde man das vom BFA vorgeworfene gesteigerte Vorbringen entkräften, indem sie Beweise zu ihrem Fluchtvorbringen vorlegen werden, die mangelnde Ermittlungspflicht näher ausführen sowie alle von der Behörde vorgeworfenen Widersprüche aufklären.

 

5.3. Auch im Asylverfahren würden die AVG-Prinzipien des Grundsatzes der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs gelten (§ 37 AVG), wobei das Ermittlungsverfahren in § 18 AsylG weiter konkretisiert worden sei.

 

6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.10.2015, rechtskräftig seit 13.10.2015, wurde der Gatte der Mutter wegen gewerbsmäßiger Schlepperei in Bezug auf mindestens drei Fremde als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und 2 und Abs. 4, 1. Fall FPG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

 

7. Am 20.11.2015 wurde die BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab diese zu Protokoll, dass sie palästinensische Jordanier seien, die aber in Libyen gelebt hätten. Sie würden aus einer Problemfamilie kommen. Ihr Vater habe sie und ihre Schwester öfters eingesperrt und immer verfolgt. Er habe sie öfters in der Nacht nicht schlafen lassen und sie immer gefragt, was ihre Schwester XXXX (L508 2120646) macht und ob diese mit jemandem telefoniere etc. Er habe sie auch öfters zu seinem Bruder XXXX gebracht und dieser habe sie geschlagen. Ihre Mutter habe sich scheiden lassen, weil ihr Vater ihre Schwester XXXX sexuell belästigt habe. Dies hätte sie auch mit ihren eigenen Augen gesehen. Sie selbst habe ihr Vater nicht sexuell belästigt, aber dessen Bruder XXXX und der Schwager ihres Vaters XXXX hätten sie mehrmals sexuell belästigt.

 

Auch ein anderer Verwandter ihres Vaters habe versucht, sie sexuell zu belästigen. Dieser habe seine eigene Tochter vergewaltigt und sei deswegen in Jordanien sechs Monate eingesperrt worden. All diese Vorfälle seien in Jordanien passiert.

 

Sie seien öfters zu ihrer Mutter in Jordanien geflüchtet. Sie hätten auch die Polizei von diesen Vorfällen informiert. Diese habe ihnen nicht geglaubt und sie wieder zu ihrem Vater gebracht. Ihre Mutter habe versucht, das Obsorgerecht zu erhalten, aber das funktionierte nicht. Ihre Mutter habe dann geheiratet und sei nach Libyen gegangen und habe dort versucht, die Kinder zu sich zu nehmen. Ihre Mutter habe mit ihrem Vater wegen der Kinder öfters telefoniert und letztendlich habe sie der Vater nach Libyen gebracht. Dort habe er ihnen den Kontakt zur Mutter verboten.

 

Zur Wegweisung ihres Vaters und Bruders befragt, wurde Folgendes zu Protokoll gegeben: "Mein Vater hat wieder meine Schwester XXXX sexuell belästigt und verfolgte sie überall. Er wollte immer alleine mit meiner Schwester sein und schickte mich immer weg. Er hat uns nie in Ruhe gelassen. Mein Bruder XXXX hat versucht, mich sexuell zu belästigen in XXXX ."

 

8. Des Weiteren wurde mit den Bescheiden des BFA vom 27.01.2016 der jeweilige Antrag der BF und ihrer minderjährigen Geschwister auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 3a iVm § 9 Absatz 2 AsylG wurde dem jeweiligen Antragsteller der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien sei gem. § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG vorübergehend unzulässig.

 

Weiters stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass den Asylwerbern eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG erteilt werde.

 

9. Gegen diese Bescheide wurde ebenfalls fristgerecht mit Schriftsatz vom 08.02.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

10. Mit Schreiben vom 15.03.2016 übermittelten die BF, deren Mutter und die minderjährigen Geschwister eine Beschwerdeergänzung an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Mutter ebenfalls einen Aufenthaltstitel gem. § 55 oder § 57 AsylG 2005. Hinsichtlich des genauen Inhaltes dieses Schriftstücks wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2016 (Mutter, Gatte, mittlerweile volljähriger Bruder) bzw. vom 27.07.2016 (BF und minderjährige Geschwister) wurde in Erledigung der jeweiligen Beschwerde vom 05.05.2015 bzw. 08.02.2016 der jeweils bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG (bezüglich des Gatten der Mutter: iVm § 34 Abs. 4 AsylG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

12. Laut Bericht der Landespolizeidirektion Salzburg vom 25.02.2017 werde zum Ersuchen vom 18.11.2016 um Überprüfung der Identität von

XXXX [leiblicher Vater der BF], geboren am XXXX in Israel, jordanischer Staatsbürger, jordanische Nationalnummer XXXX , berichtet, dass im Zuge eines internationalen polizeilichen Informationsaustausches mit den zuständigen Behörden Jordaniens die Identität aufgrund der übereinstimmenden Personaldaten, des Familienbuches und der Nationalnummer des Vaters der BF festgestellt werden habe können. Dieser sei im Jahr 2012 von seiner damaligen Ehefrau wegen sexueller Belästigung bei der "Family Protection Unit" in Jordanien angezeigt worden. Laut Auskunft der jordanischen Behörden sei die Anzeige aufgrund des Erhebungsergebnisses nicht an das zuständige Gericht weitergeleitet worden.

 

13. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.03.2017 wurden der BF, deren Mutter und den minderjährigen Geschwistern seitens des BFA - unter Setzung einer zweiwöchigen Frist ab Zustellung dieses Schreibens zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme - die aktualisierten länderkundlichen Informationen zur Lage in Jordanien, Stand 03.05.2016, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 23.03.2017 (Gewalt Kinder), die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 04.10.2016 (Gewalt Frauen) und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 04.10.2016 (Familienbuch), zur Kenntnis gebracht.

 

Laut den Anfragebeantwortungen gebe es in Jordanien bezüglich der Rechte, die eine alleinerziehende Mutter in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder habe, unterschiedliche Situationen, die je nach Familie, Stellung der Mutter und Stellung des Vaters unterschiedlich seien. Dies könne heißen, dass in einem Fall der Mutter alle Rechte zukommen, wenn die Mutter selber keine Probleme habe bzw. unter normalen Bedingungen lebe. Die Mutter bekomme das Sorgerecht und der Vater werde dann von einem Zivilgericht zum Unterhalt – jedoch zumeist nur in einem sehr geringen Ausmaß - verpflichtet. Sollte die Mutter nun neuerlich heiraten wollen, könnte der Kindesvater nun das Sorgerecht wiedererlangen, da es ihm zustehe, dass seine Kinder nicht bei einem fremden Vater aufwachsen. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, dass die Mutter das Sorgerecht für die Kinder - bevor sie erneut heirate - auf ihre Mutter (die Großmutter der Kinder) übertrage (wenn ihre Mutter noch lebe). Damit wäre der Kindesvater vorerst wieder aus dem Anspruch des Sorgerechts draußen.

 

Der jordanische Staat sei auch fähig und in der Lage und willens durch eine Sonderabteilung der Polizei "Family Protection Unit" die Kinder zu schützen, wenn Anschuldigungen von Gewalt von Vätern nachgewiesen werden können bzw. erwiesen seien. Abteilungen der "Family Protection Unit" seien in jedem Regierungsbezirk eingerichtet.

 

Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Mutter im Falle eines gewalttätigen Vaters die alleinige Obsorge übertragen werde.

 

Des Weiteren gebe es sogar offizielle Stellen und NGOs, wo sich betroffene Frauen in Fällen von Gewalt und sexuellen Übergriffen hinwenden können. Auch gebe es bei der jordanischen Polizei eine eigene Abteilung für Familienschutz. Dies sei ein Anliegen der Regierung bis hin zur Königin von Jordanien.

 

Die Täter, wenn auch eigene Familienmitglieder, seien zu langen Haftstrafen verurteilt und eingesperrt worden. In diesen Themenbereichen gehe Jordanien im Nahen Osten einen vorbildlichen und westlichen Weg.

 

Wenn die Tat, wirklich wie angezeigt passiert sei, hätten die Frauen in Jordanien nicht mit Repressalien zu rechnen. Sie würden geschützt und die Täter gerichtlich verfolgt und bestraft werden.

 

Ferner werde das jordanische Familienbuch nur Jordaniern ausgestellt, die auch eine Nationalnummer besitzen. Sie würden das Buch erhalten, wenn sie heiraten und diese Ehe beim Sharia-Gericht eingetragen sei. Bis zur Heirat seien sie im Familienbuch der Eltern eingetragen. Beim Sharia-Gericht bekomme man dann eine Heiratsurkunde und mit dieser könne man beim Personenstandsamt das Familienbuch erlangen. Sonst gebe es keine weitere Möglichkeit.

 

Ein Nicht-Jordanier könne dieses Familienbuch nicht besitzen. Somit könne mit dem Familienbuch die jordanische Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden.

 

Ferner wurde diesen vier Personen zur Kenntnis gebracht, dass seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz ermittelt worden sei, dass der Vater der BF ebenfalls die jordanische Staatsangehörigkeit besitze.

 

Weiters habe das Landesamt für Verfassungsschutz festgestellt: " XXXX wurde im Jahr 2012 von seiner damaligen Ehefrau wegen sexueller Belästigung bei der "Family Protection Unit" in der Stadt XXXX , Jordanien angezeigt. Laut Auskunft der jordanischen Behörden wurde die Anzeige aufgrund des Erhebungsergebnisses nicht an das zuständige Gericht weitergeleitet."

 

Diesbezüglich sei anzuführen, dass die Mutter der BF selbst angegeben habe, 2012 gar nicht mehr mit ihrem Ex-Gatten verheiratet gewesen zu sein und andererseits widerspreche die Feststellung des Landesamtes für Verfassungsschutz ihren Aussagen, wonach ihr Ex-Gatte festgenommen und inhaftiert worden wäre.

 

Auch liege dem BFA der Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vor, in welchem die gemeinsame Obsorge bezüglich der minderjährigen Kinder zwischen der Mutter der BF und ihrem Ex-Gatten pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden sei.

 

Sohin könne aufgrund dieser Obsorgevereinbarung, als auch der Einstellung der Verfahren gegen den Vater, sowie dem Umstand, dass es zu keiner Verurteilung des Vaters gekommen sei, nicht davon ausgegangen werden, dass die Kinder Opfer von fortgesetzter Gewalt im familiären Bereich seien.

 

Auch sei in diesem Zusammengang auf die übermittelten Länderinformationen zu verweisen, dass selbst im Falle von gewalttätigen Vätern der jordanische Staat sehr wohl in der Lage und willens sei, sowohl Frauen als auch Kindern Schutz zu gewähren.

 

Dem Gatten der Mutter wurden lediglich die aktualisierten länderkundlichen Informationen zur Lage in Jordanien, Stand 03.05.2016, und dem mittlerweile volljährigen Bruder insbesondere die aktualisierten länderkundlichen Informationen zur Lage in Jordanien, Stand 03.05.2016, und die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des BFA zu Gewalt gegen Kinder und zum Familienbuch zur Kenntnis gebracht.

 

14. Am 19.04.2017 langten bei der belangten Behörde bezüglich der BF und ihrer minderjährigen Geschwister Verlängerungsanträge "Besonderer Schutz" gem. § 59 AsylG ein.

 

15. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017 wurde der Antrag der Mutter der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ebenso wurde der Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vom 19.04.2017 gem. § 57 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Mutter eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Mutter nach Jordanien gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Mutter zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt.

 

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017 wurde jeweils der Antrag des Gatten der Mutter und des mittlerweile volljährigen Bruders auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Gatten der Mutter und den mittlerweile volljährigen Bruder eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Gatten der Mutter und des mittlerweile volljährigen Bruders nach Jordanien gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017 wurde schließlich auch der Antrag der BF und ihrer minderjährigen Geschwister auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ebenso wurde der Antrag auf Verlängerung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vom 19.04.2017 gem. § 57 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF und ihre minderjährigen Geschwister eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der BF und ihrer minderjährigen Geschwister nach Jordanien gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

16. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017 wurde diesen Personen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und die Beschwerdeführer gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

 

17. Mit jeweiligem Schriftsatz vom 19.05.2017 (BF, Mutter und minderjährige Geschwister), 11.05.2017 (Gatte der Mutter) und 09.05.2017 (mittlerweile volljähriger Sohn) erhob die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation der Beschwerdeführer die vorliegenden, fristgerecht erhobenen und zulässigen Beschwerden. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerden wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

17.1. Was die Beschwerde der BF, deren Mutter und minderjährigen Geschwister betrifft, so wurde zunächst beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

 

* eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen

 

* falls nicht alle zu Lasten der Beschwerdeführer gehenden Rechtswidrigkeiten im jeweils angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen;

 

* die angefochtenen Entscheidungen - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und den Beschwerdeführern den Status eines Asylberechtigten zuerkennen;

 

* in eventu die angefochtenen Bescheide des BFA - allenfalls nach Verfahrensergänzung – bezüglich des Spruchpunktes II. beheben und den Beschwerdeführern den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG gewähren ;

 

* in eventu die angefochtenen Bescheide ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

 

* in eventu die Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG der BF und deren minderjährigen Geschwister verlängern bzw. der Mutter eine solche erteilen und

 

* in eventu den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen.

 

17.1.1. Der Mutter würden im Bescheid mehrere (vermeintliche) Widersprüche zwischen ihren Aussagen und jenen ihres Gatten vorgehalten werden. Jedoch habe sie bisher nicht die Möglichkeit gehabt, sich diesbezüglich zu äußern. Die letzte Einvernahme der Mutter habe am 23.10.2014 stattgefunden. Die BF sei ebenfalls zuletzt am 20.11.2015 einvernommen worden und habe diese bisher keine Gelegenheit gehabt, sich hierzu zu äußern.

 

17.1.2. In der Folge wurde moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien, zumal die BF und deren Mutter seit 2014 nicht mehr vom BFA einvernommen worden seien. Die belangte Behörde berufe sich auf veraltete Aussagen und sei ihnen das Recht auf Parteiengehör genommen worden. Es sei in den letzten Monaten regelmäßig zu Bedrohungen durch den Vater der BF gekommen und würden entsprechende – derzeit noch nicht vorliegende – Beweismittel im laufenden Rechtsmittelverfahren vorgelegt werden. Darüber hinaus werde explizit die Befragung des Gatten der Mutter im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt. Des Weiteren werde die volljährige Tochter (L508 2120646) als Zeugin beantragt.

 

Die BF sei schwanger. Mangels Einvernahme habe dies von ihr bisher nicht vorgebracht werden können und sei deren Schwangerschaft und familiäre Situation nicht berücksichtigt worden.

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien erneut hinsichtlich entscheidungswesentlicher Punkte unvollständig und veraltet. Diese würden zwar allgemeine Aussagen über die Lage in Jordanien beinhalten, sich jedoch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Die mangelhaften Länderberichte würden wenige aussagekräftige Passagen über das jordanische Justizwesen sowie über die Rechte von Frauen, insbesondere in Bezug auf sexuelle Gewaltverbrechen, enthalten. So werde im Bescheid ausgeführt, dass das Justizwesen von Vetternwirtschaft geprägt sei und der Einfluss des Königshauses und der Regierung die Unabhängigkeit der Gerichte stark einschränke, sowie dass in Familienangelegenheiten die Scharia Vorrang gegenüber den parlamentarisch erlassenen Gesetzen habe.

 

Zur Situation von Frauen in Jordanien werde ausgeführt, dass Ehrenmorde, Gewalt und Misshandlung in Jordanien ein Problem seien, häusliche Gewalt weit verbreitet sei und zahlreiche Ehrenverbrechen und Vergewaltigungen stattfänden. Insbesondere Mädchen und Frauen seien besonders gefährdet, Opfer von sexueller Gewalt zu werden.

 

Obwohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem jeweiligen Erkenntnis die Länderfeststellungen als veraltet gerügt habe, seien diese überdies in Bezug auf das Kapitel "Frauen" nicht aktualisiert worden.

 

17.1.3. Das BFA behaupte, dass es zwischen der Mutter und deren Ex-Gatten zu einer Aussöhnung gekommen wäre. Jedoch werde dabei die Obsorgesituation in Jordanien außer Acht gelassen. Die Familie sei deshalb gemeinsam mit dem Ex-Gatten geflüchtet, weil dieser die Obsorge über die gemeinsamen Kinder gehabt habe und die Mutter nicht riskieren wollte, die Kinder ohne dessen Zustimmung nach Europa mitzunehmen. Diesfalls hätte es sich um eine Kindesentführung gehandelt. Dass es keinesfalls zu einer friedlichen Aussöhnung gekommen sei, zeige die Tatsache, dass es nur wenige Wochen nach der Ankunft in Österreich bereits zu einer Wegweisung des Ex-Gatten gekommen sei. Dies sei von der belangten Behörde gänzlich unberücksichtigt gelassen worden.

 

Dass es in den letzten Monaten erneut zu Gewaltvorfällen und Bedrohungen gekommen sei, sei von der belangten Behörde – wie bereits geschildert – mangels Einvernahme nicht ausreichend ermittelt und gewürdigt worden.

 

17.1.4. Einen Schutz durch jordanische Behörden könnten die Beschwerdeführer nicht erwarten.

 

17.1.5. Hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.

 

17.1.6. Was die nicht erfolgte Verlängerung bzw. Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG betrifft, so wurde im Bescheid vom 30.12.2015 hinsichtlich der Beschwerdeführer dargelegt, dass eine Abschiebung nach Jordanien vorübergehend unzulässig wäre, weil die volljährige Tochter (L508 2120646) jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden sei und ihr daher ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG erteilt werden müsse. Das BFA spreche selbst davon, dass es sich bei den von ihr erlittenen Gewalttaten um ein "jahrelanges Martyrium der fortgesetzten Gewaltanwendung und Missbrauchs durch Ihren Vater, die bis in Ihr Asylquartier in XXXX angedauert hat", handle. Im nunmehr erlassenen Bescheid werde kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG verlängert oder erteilt, jedoch fänden sich im Bescheid keine Ausführungen, was sich seit den vorangegangenen Bescheiden vom 27.01.2016 geändert haben solle.

 

17.1.7. Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigen, nicht antragsgemäß zu entscheiden, wurde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rechtsprechung des VfGH betreffend Art. 47 GRC zur Zahl U 466/11 und U 1836/11 vom 14.03.2012 verwiesen. Im gegenständlichen Fall liegt der unionsrechtliche Bezug - der zur Anwendung des Art. 47 GRC führt - in der Rückkehr-RL, der Qualifikations-RL und der Verfahrens-RL. Daher kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK - unter Maßgabe des Art. 47 GRC - im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Diesbezüglich verlangte der EGMR in der jüngsten Entscheidung Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden wird und die Durchführung ausdrücklich beantragt wird (vgl. Denk gegen Österreich Rz 18).

 

18. Am 07.06.2017 langte bezüglich der BF, deren Mutter und der minderjährigen Geschwister eine Beschwerdeergänzung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Der nunmehr vorgelegte Befundbericht vom 02.06.2017 belege eindeutig, dass die BF in Furcht und Angst vor dem Familienvater lebe und die unsichere Aufenthaltssituation die ohnehin bestehenden psychischen Belastungen drastisch verschärfen würden. Umso mehr weil sie schwanger sei.

 

Erneut werde bekräftigt, dass im Falle einer abweisenden Entscheidung hinsichtlich der Spruchpunkte zu §§ 3 und 8 AsylG 2005 jedenfalls die Voraussetzungen für die Verlängerung des zuvor erteilten § 57 AsylG 2005 zum Schutz von Gewaltopfern gegeben seien und werde das Gericht ersucht, die besondere Situation im Falle der Beschwerdeführerinnen zu berücksichtigen.

 

Zum Beweis wird neben den in Vorlage gebrachten Bericht vom 02.06.2017 die zeugenschaftliche Einvernahme einer Psychotherapeutin angeboten.

 

19. Aufgrund aktuellerer Länderfeststellungen zu Jordanien wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Schreiben vom 04.10.2017 gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde insbesondere aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zu Jordanien (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß - im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 - das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die Feststellungen des BFA nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen und umfassenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl: 2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6; vgl. auch Erk d. VfGH v. 10.12.2008,

U 80/08-15, wo der unterlassene schriftliche Vorhalt an den BF nach dem Verstreichen eines mehrjährigen Zeitraumes seit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die aktuelle asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat und die Einräumung der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen [neben dem zusätzlichen Unterlassen der Durchführung einer Verhandlung] ausdrücklich als Akt der behördlichen Willkür bezeichnet wurde und hieraus e contrario ableitbar ist, dass aus der Sicht des VfGH die Durchführung einer schriftlichen Beweisaufnahme gem. § 45 AVG im hier erörterten Umfang einen tauglichen Ermittlungsschritt darstellen kann, welcher das erkennende Gericht von der Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung in gewissen Fällen befreien kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.)

 

Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer, binnen selbiger Frist, um Bekanntgabe ersucht, ob sich hinsichtlich ihres Privat- oder Familienlebens in Österreich, seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides Änderungen ergeben haben bzw. aufgefordert ihre derzeitige Lebenssituation in Österreich schriftlich darzustellen und gegebenenfalls durch geeignete Bescheinigungsmittel zu belegen. Des Weiteren wurde die BF ersucht darzulegen, wie sich das persönliche Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater in Österreich darstellt.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ließ diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

 

20. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 18.10.2017 wurde seitens der BF, deren Mutter und den minderjährigen Geschwistern ausgeführt, dass seit Monaten kein Kontakt zum Ex-Gatten bzw. Vater bestehe. Die BF habe am 08.10.2017 einen Jungen zur Welt gebracht. Der Kindesvater sei ein Asylberechtigter. Am 16.10.2017 sei für das Baby ein schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz beim BFA eingebracht worden.

 

Hinsichtlich des psychischen Gesundheitszustandes werde bezüglich der BF erneut auf den bereits vorgelegten Befundbericht vom 02.06.2017 verwiesen.

 

Bezüglich der Integration und gesundheitlichen Situation der minderjährigen Geschwister würden Schulbesuchsbestätigungen vom 05.04.2017 bzw. 06.04.2017 sowie ein Unterstützungsschreiben vorgelegt, worin beschrieben sei, dass sich beide Kinder sehr gut integriert hätten.

 

Darüber hinaus habe am 22.05.2017 ein Termin bei der Jugendhilfe stattgefunden. Man habe mit der BF, deren Mutter und den minderjährigen Geschwistern über ihre Gewalterfahrungen gesprochen. Insoweit wurde auch beantragt, weitere Informationen über dieses Gespräch anzufordern. Die minderjährige Schwester sei seit Juni 2017 in psychotherapeutischer Behandlung.

 

Hinsichtlich der übermittelten Länderberichte werde auf die Beschwerde vom 19.05.2017 verwiesen.

 

21. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2017 wurde dem Antrag auf internationalen Schutz des minderjährigen Sohnes im Familienverfahren bezüglich seines Vaters

XXXX gemäß § 3 AsylG stattgegeben und dem Antragsteller der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

22. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin, des Bescheidinhaltes, des Inhaltes der gegen diesen Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Verfahrensbestimmungen

 

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

1.3. Prüfungsumfang

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

1.4. Familienverfahren

 

§ 34 AsylG 2005 lautet:

 

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber

 

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

 

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

 

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

 

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

 

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

 

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

 

Gemäß § 2 Absatz 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

 

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren zwischen der zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährigen Beschwerdeführerin und ihrer Mutter (L508 2107264) vor. Die Beschwerde der Mutter wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Rückkehrentscheidung wurde wegen der Erkrankung und notwendigen Operation ihres Ehegatten bis zum 30.04.2018 vorübergehend für unzulässig erklärt. Bezüglich ihres nunmehr in Österreich nachgeborenen Sohnes sind die Bestimmungen bezüglich des Familienverfahrens nicht anzuwenden, da diesem der Status des Asylberechtigten im Rahmen eines Familienverfahrens, nämlich zu seinem Vater, zuerkannt wurde. Was den Vater der BF betrifft, so ist bezüglich dieser Person auf die nachfolgenden Ausführungen hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Familienlebens hinzuweisen.

 

2. Zur Entscheidungsbegründung:

 

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

 

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

 

2.1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin und deren Fluchtgründen:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Jordanien und Angehörige der arabischen bzw. palästinensischen Volksgruppe und sunnitischen Glaubens.

 

Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Die BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.

 

Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates Jordanien konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

 

Es konnten im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, in Jordanien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Jordanien in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

 

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland festgestellt werden.

 

Bei der Beschwerdeführerin wurde eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) bzw. eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, mit somatischem Syndrom (F 33.11) diagnostiziert.

 

Die BF lebte vor ihrer Ausreise nach Europa zuletzt in Libyen. Außer längeren Aufenthalten in Libyen war die BF auch vorübergehend in Jordanien wohnhaft. Sie besuchte mehrere Jahre eine Grundschule und wurde von ihren Eltern versorgt. Die BF reiste in der Folge gegen Ende Juli 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Ein Onkel, eine Tante und eine Halbschwester mütterlicherseits leben nach wie vor in Jordanien.

 

In Österreich befinden sich der Vater der BF (L504 2120994), die Mutter (L508 2107264), deren nunmehriger Ehegatte (L508 2112099) und zwei minderjährige Geschwister (L508 2130435 und L508 2130433). Die Beschwerde der Mutter, des Stiefvaters und der zwei minderjährigen Geschwister der BF gegen die Entscheidung des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag in allen Spruchpunkten abgewiesen; festgestellt wurde, dass die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 30.04.2018 vorübergehend unzulässig sei; dies mit der Begründung des bevorstehenden operativen Eingriffs hinsichtlich des Stiefvaters der Beschwerdeführerin.

 

Die Beschwerde zweier weiterer volljährigen Brüder (L508 2122680 und L508 2107262) und einer weiteren volljährigen Schwester (L508 2120646) gegen die Entscheidung des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag in allen Spruchpunkten abgewiesen. Der Vater befindet sich noch in einem laufenden Asylverfahren. Was die übrigen Personen betrifft, so wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag seitens der erkennenden Richterin gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 30.04.2018 vorübergehend unzulässig erklärt.

 

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen minderjährigen Sohn, welcher am 08.10.2017 in Österreich geboren wurde und einen Lebensgefährten, denen der Status des Asylberechtigten - dem Sohn im Familienverfahren - zuerkannt wurde.

 

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2017 wurde dem Antrag auf internationalen Schutz des minderjährigen Sohnes im Familienverfahren bezüglich seines Vaters XXXX gemäß § 3 AsylG stattgegeben und dem Antragsteller der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

Eine Rückkehrentscheidung würde in das Familienleben der Beschwerdeführerin eingriffen und erweist sich daher als unzulässig.

 

Die BF besucht(e) einen Deutschkurs und verfügt über normale soziale Kontakte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Die BF befindet sich in der Grundversorgung und lebt von staatlicher Unterstützung. Unterstützungserklärungen wurden keine vorgelegt.

 

Die BF ist strafrechtlich unbescholten.

 

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsland der Beschwerdeführerin (Jordanien) war insbesondere festzustellen:

 

Zur Lage in Jordanien werden insbesondere folgende, - im Zuge der vorgenommenen Beweisaufnahme (siehe oben, Punkt I.19.) in das Verfahren eingeführte -, Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

 

Politische Lage

 

Jordanien ist eine konstitutionelle Monarchie und verfassungsmäßig als Zentralstaat mit zwölf Gouvernoraten organisiert. Diese nehmen administrative Aufgaben wahr, haben aber keine eigenen politischen Befugnisse. Staatsoberhaupt ist seit 1999 König Abdullah II. Ibn Al-Hussein (AA 9 .2015).

 

Formal sind Exekutive, Legislative und Judikative unabhängig. Faktisch ist die Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt, da der König über weitreichende Kompetenzen verfügt. König Abdullah II. ist Staatschef, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Armee. Der König (nicht der Premierminister) ernennt und entlässt das Kabinett, er kann das Parlament auflösen, und er kann Gesetze auf den Weg bringen oder blockieren. Im Jahr 2012 wurden die Rechte des Parlamentes insofern gestärkt, als dass nun zumindest formal das Parlament den Premierminister bestimmen soll. Außerdem wurde ein Verfassungsgericht installiert, das die Gesetzgebung überwachen soll.

 

In Jordanien werden theoretisch alle vier Jahre Parlaments- und Kommunalwahlen abgehalten. Ausnahmen sind die Regel. Wahlen werden häufig verschoben, bzw. kommt es immer wieder vor, dass das Parlament vom König aufgelöst wird (LIPortal 1.2016). Darüber hinaus besitzt das Wahlgesetz ernsthafte Defizite in Bezug auf Gleichheit und Proportionalität. Es gibt Probleme mit Wahlmanipulation in bestimmten Bezirken, wodurch der Einfluss der Wählerstimmen von palästinensischen Bürgern marginalisiert wird (USDOS 13.4.2016).

 

Bei der Parlamentswahl vom 23. Januar 2013 gewannen königstreue Kräfte rund 75 Prozent der Sitze im jordanischen Parlament. Das Wahlergebnis bedeutet eine Atempause für König Abdullah II., doch die Frage, ob das Ergebnis auch zu dauerhafter politischer Stabilität führt, bleibt offen (LIPortal 1.2016). Auch in Jordanien war es wie in der gesamten Region im Zuge des "Arabischen Frühlings" seit 2011 zu Protesten gekommen, die das jordanische Königshaus herausforderten, und die sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Situation Jordaniens stark beeinflussten (BTI 2016).

 

Die Zusammensetzung des Parlaments hat sich jedoch durch die letzten Wahlen - wie von Beobachtern erwartet - nicht wesentlich verändert. Premierminister der Regierung ist Abdullah Ensour. Auffallend ist, dass trotz des Wahl-Boykotts der Islamischen Aktionsfront [IAF – gegründet von der oppositionellen Muslimbruderschaft], der die Reformen nicht weit genug gingen, insgesamt 37 regierungskritische Kandidaten den Einzug ins Parlament schafften. Davon waren rund zwei Dutzend Islamisten, die teils unabhängig, teils über die Listen moderater religiöser Parteien angetreten waren.

 

Aufgrund der Machtfülle des Königs sind die Einflussmöglichkeiten des Parlaments begrenzt. Da der König das Ministerkabinett häufig umbildet, entspricht die parteipolitische Ausrichtung des Kabinetts nur selten der aktuellen Zusammensetzung des Parlaments. Aus Sicht der Herrschenden sind die Wahlen nicht viel mehr als ein Barometer für die politische Stimmung im Land. Die Säulen der politischen Macht sind in Jordanien der König, das Königshaus, der Geheimdienst und die Armee (LIPortal 1.2016). Während linke und säkulare Oppositionsgruppen in Jordanien jahrzehntelang unterdrückt wurden, konnten islamistische Kräfte sich relativ unbehelligt in den Moscheen entfalten. Das hat dazu geführt, dass die einzig nennenswerten Oppositionskräfte in Jordanien heute durchwegs Islamisten sind, wobei die ideologische und strategische Ausrichtung stark variiert. Die Mehrheit der in Jordanien ansässigen Islamisten befürwortet eine gewaltlose Islamisierung der Gesellschaft. Nur eine winzige Minderheit strebt eine islamische Republik nach dem Vorbild der Taliban an. (LIPortal 1.2016). Jordanien unterhält traditionell sehr enge Beziehungen zu den USA. Im Zug der Irakkriege und vor allem aufgrund der jüngsten Entwicklungen in Syrien hat sich diese Tendenz verstärkt (LIPortal 1.2016). Jordanien ist Teil der US-geführten Luftallianz gegen den IS ("Islamischen Staat") und reagierte auf die Verbrennung eines jordanischen Kampfpiloten Anfang Jänner 2016 durch den IS mit einer erhöhten Schlagzahl seiner Angriffe. Wie alle Länder der Region (und nicht nur der Region) hat auch Jordanien das Problem, dass Teile der Bevölkerung für die jihadistischen Ideen ansprechbar sind. In den Reihen des IS kämpfen auch Jordanier. Jordaniens Machthaber sind bemüht, die islamistische Opposition im Königreich politisch klein zu halten. Dies wird einerseits von vielen Jordaniern befürwortet (Standard 18.11.2015), andererseits verursacht das Vorgehen gegen die Opposition wiederum eine Verschärfung der Fronten - wie z.B. die Schließung der Zentrale der jordanischen Muslimbruderschaft in der Hauptstadt Amman durch Sicherheitskräfte. Die Muslimbruderschaft fordert demokratische Reformen in Jordanien, greift die Monarchie aber nicht an. Die Behörden gaben der Bruderschaft keine Begründung für ihren Schritt. Die Bruderschaft arbeitet seit Jahrzehnten legal in Jordanien und genießt ansehnliche Unterstützung in der Bevölkerung. Ihr politischer Arm, die Islamische Aktionsfront, ist die größte Oppositionspartei Jordaniens. Sie wird vor allem von den Palästinensern unterstützt (Euronews 13.4.2016), die zwar über die Hälfte der jordanischen Bevölkerung ausmachen (LIPortal 2.2016), jedoch in Führungspositionen Jordaniens stark unterrepräsentiert sind (Euronews 13.4.2016).

 

Die in Jordanien herrschende Wirtschafts-/ Finanz- und Energiekriese macht enorme Einsparungen notwendig, die wiederum für innenpolitischen Zündstoff sorgen. Premierminister Ensour setzte im November 2012 die Reduzierung von staatlichen Subventionen für Brennstoffe durch, trotz mehrtägiger landesweiter und teilweise gewalttätiger Proteste. Weitere Sparmaßnahmen sind angekündigt. Jordanien kommt zunehmend in Gefahr, in Insolvenz zu geraten und ist stark von Auslandshilfe abhängig. Zunehmend belastet wird der Staatshaushalt auch durch den Flüchtlingsstrom aus Syrien, der eine enorme Belastung für das soziales Gefüge und die Infrastruktur – einschließlich Gesundheits- und Bildungssystem, darstellt (CE 17.3.2016, vgl. AA 9 .2015, AA 7 .2014, BBC 2.4.2013). Der Flüchtlingsstrom aus Syrien und Irak strapaziert die im kleinen Land Jordanien ohnehin bereits knappen Ressourcen in jeder Hinsicht (BTI 2016). Die Zahl der syrischen Flüchtlinge (Stand November 2015) wird von der jordanischen Regierung mit 1,4 Millionen – nicht alle davon sind beim UNHCR registriert - [bei einer Bevölkerungszahl von knapp 7 Mio.] angegeben (Standard 18.11.2016). (Es gibt derzeit etwa 640.000 beim UNHCR registrierte syrische Flüchtlinge (UNHHC 19.4.2016)). Nur etwa 20 Prozent davon leben laut dem UNO-Flüchtlingswerk in Lagern, der Rest syrischen Flüchtlinge "lastet" direkt auf den Gemeinden. Die Bevölkerung fühlt sich von der enormen Zahl der Flüchtlinge überfordert (Standard 18.11.2016).

 

Trotz der volatilen Umgebung schafft es der Staat, zu vermeiden, in gewaltsame Konflikte mit regionalen oder heimischen Akteuren hineingezogen zu werden (BTI 2016) (mit kleinen Ausnahmen – s. Abschnitt "Sicherheitslage").

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Laut den Sicherheits- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes besteht eine allgemeine Gefahr von Terroranschlägen in Jordanien und eine Sicherheitsgefährdung, insbesondere an Orten, die von Ausländern besucht werden. Die jordanischen Behörden haben daher ihre Sicherheitsvorkehrungen an diesen Orten entsprechend erhöht. An den Grenzen zu Syrien und Irak kommt es zu wiederholten Zwischenfällen. Sowohl das syrisch-jordanische als auch das irakisch-jordanische Grenzgebiet ist militärisches Sperrgebiet, in dem besondere Bestimmungen gelten (AA 22.4.2016).

 

In Jordanien kann es regelmäßig sowohl in Amman als auch in anderen Städten und Ortschaften des Landes vor allem an den Wochenenden nach dem Freitagsgebet zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen artikulieren. Diese Kundgebungen blieben bisher zum weitaus größten Teil friedlich (AA 22.4.2016).

 

Jordanien kämpft mit einem Anstieg an Extremismus (NYR Daily 2.3.2016). Insbesondere die Organisation "Islamischer Staat" stellt eine zunehmende Sicherheitsbedrohung dar (BTI 2016). Trotz dieser Bedrohungen und der volatilen Situation in der Region gelingt es Jordanien aber, zu verhindern, ebenfalls in gewalttätige Konflikte hineingezogen zu werden. König Abdullah II schafft es nach wie vor, den Ruf Jordaniens als eine "Insel der Stabilität" innerhalb des krisengeschüttelten Nahen Ostens zu erhalten (BTI 2016).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle treten dennoch immer wieder auf. Zuletzt kam es im März 2016 in der Stadt XXXX in Nordjordanien zu tödlichen Zusammenstößen zwischen jordanischen Sicherheitskräften und Extremisten, die zu einer salafistisch-jihadistischen Bewegung gehören (New Arab 2.3.2016). Auslöser für diese Zusammenstöße war, dass die jordanischen Sicherheitskräfte in XXXX eine IS-Miliz ausfindig gemacht hatten und dagegen vorgegangen waren. Nach Angaben der jordanischen Behörden, sei dadurch ein Anschlag der IS-Miliz vereitelt worden. In Jordanien wurden bereits Dutzende Rückkehrer aus dem syrischen Bürgerkrieg vor Gericht gestellt und verurteilt. Die meisten waren Jordanier. Einige von ihnen wurden vom syrischen Al-Kaida-Ableger Nusra Front oder der IS-Miliz angeworben. Seit vergangenem Jahr geht Jordanien verstärkt auch gegen Sympathisanten des IS vor (Standard 2.3.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

In punkto Rechtsstaat weist Jordanien nach wie vor beträchtliche Defizite auf. Problematisch ist auch die gelegentlich mangelnde Neutralität der Justiz (LIPortal 1.2016).

 

Das Rechtssystem in Jordanien ist zwar eine getrennt organisierte Einheit und operiert bei Angelegenheiten von geringer allgemeiner Bedeutung weitgehend ohne Einmischung, (wenn auch es immer wieder vorkommt, dass die Rechtsprechung auch in solchen Fällen der politischen Kontrolle unterliegt). Die von der Verfassung garantierte Unabhängigkeit endet aber v.a. dort, wo die politischen und wirtschaftlichen Interessen von politischen Schlüsselfiguren betroffen sind (BTI 2016). Wer mit politisch einflussreichen Geschäftspartnern in Konflikt gerät, kann sich nicht immer auf die Unabhängigkeit der Richter verlassen, geschweige denn auf eine zeitnahe Abwicklung von Klagen und Prozessen (LIPortal 1.2016). Darüber hinaus werden Richter üblicherweise vom König selbst ernannt, wodurch die Interpretation des Rechts meistens in Einklang mit den Prinzipien der Monarchie steht (BTI 2016).

 

Per Gesetz sind alle Zivilgerichts-Verhandlungen öffentlich, es sei denn das Gericht beschließt, dass es für den Schutz der Allgemeinheit notwendig ist, die Verhandlungen in Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Gerichtsverhandlungen zu staatssicherheits-relevanten Fällen können üblicher Weise von Journalisten und NGOs besucht werden, allerdings kann auch dies vom Gericht geändert werden, wenn dies im öffentlichen Interesse zu sein scheint. Angeklagte haben das Recht auf einen Rechtsbeistand, der – im Fall von Anklagen, auf die die Todesstrafe bzw. eine lebenslängliche Haft steht - bedürftigen Personen auf Staatskosten zur Verfügung gestellt wird. Jedoch hatten laut einem Bericht des Justice Center for Legal Aid von 2012 68 Prozent der Angeklagten während ihrem Verfahren keinen Rechtsbeistand, vor Beginn des Verfahrens waren es sogar 83 Prozent der Angeklagten. Laut dem Bericht war der Zugang zu Rechtsberatung in Polizeistationen praktisch nicht vorhanden. Die Behörden missachteten das Recht der Angeklagten frühzeitig und detailliert über ihre Anklagepunkte informiert zu werden, oder ihnen einen fairen und öffentlichen Gerichtsprozess zu gewährleisten. Ausländische Einwohner, insbesondere GastarbeiterInnen, die nicht arabisch sprechen, erhielten zum Teil keine Übersetzungen bzw. keinen Rechtsbeistand. Angeklagte können Einspruch erheben. Obwohl die Verfassung durch Folter erzwungene Geständnisse nicht zulässt, dokumentierten Menschenrechtsorganisationen regelmäßige Fälle, in denen die Gerichte solche erzwungenen Geständnisse dennoch gelten ließ (USDOS 13.4.2016).

 

Das Rechtswesen ist in Jordanien dreigeteilt: säkulares Recht - umfasst u.a. das Handels- und Strafrecht, das nach europäischen Vorbildern gestaltet ist, religiöses Recht - dies betrifft das Personenstandsrecht (Heirat, Scheidung, Erbrecht) etc.), für das die jeweiligen Religionsgemeinschaften zuständig sind. Hintergrund ist das osmanische Millet-System. Das Gewohnheitsrecht wird regional angewendet, vor allem von beduinischen Bevölkerungsgruppen, und nur so lange, wie keine Außenstehenden betroffen sind (LIPortal 1.2016).

 

Die Regierung räumt der Scharia bei Personenstands- und Familienangelegenheiten von Muslimen den Vorrang ein. Für Personenstands- und Familienangelegenheiten, bei denen ein Teil muslimisch und der andere nicht-muslimisch ist, wird ebenfalls die Scharia angewendet. Personenstandsangelegenheiten von Christen werden von konfessionsspezifischen religiösen Tribunalen behandelt (USDOS 14.10.2015).

 

Ein Problem stellt in Jordanien weiterhin die parallele Gerichtsbarkeit von Militär- bzw. Staatssicherheitsgerichten dar, deren Verhandlungen nicht-öffentlich sind (AA 9 .2015). Provinz-Gouverneure haben das Recht, bis zu einem Jahr andauernde Untersuchungshaften mit kaum Möglichkeit auf Einspruch zu verhängen (FH 28.1.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

https://www.ecoi.net/local_link/313321/451585_de.html , Zugriff 02.5.2016

 

Sicherheitsbehörden

 

Das Direktorat für öffentliche Sicherheit (PSD Public Security Directorate) kontrolliert die allgemeinen Polizeifunktionen. Das PSD, das GID (General Intelligence Department – der Geheimdienst), die Gendarmerie, das Civil Defense Directorate und das Militär teilen sich die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das PSD und die Gendarmerie berichten dem Innenministerium mit direktem Zugang zum König, wenn dies nötig ist, und das GID berichtet in der Praxis direkt dem König. Zivile Behörden behielten die Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 2016).

 

Neben der städtischen Polizei, der Gendamerie gibt es auch noch die Wüstenpolizei (oder auch Königliche Wüstenpolizei genannt - vorwiegend bestehend aus Beduinen; sie wurde in den vergangenen Jahren personell stark aufgestockt). Seit 1972 sind in Jordanien auch Frauen zum Polizeidienst zugelassen. Eine weitere Polizeieinheit, die sogenannte Special Police Force (SPF, auch "Darak") ist für Aufstandsbekämpfung zuständig sowie für die Sicherung diplomatischer Missionen und ausländischer Gäste (LIPortal 1.2016). Die jordanischen Sicherheitskräfte sind dominiert von den Stämmen, Jordanier palästinensischen Ursprungs werden bezüglich Jobs bei den Sicherheitskräften – so wie allgemein bei Jobs im öffentlichen Sektor – marginalisiert (FH 28.1.2016).

 

Nach Angaben von örtlichen und internationalen NGOs ging die Regierung selten Berichten von Korruption oder Misshandlung durch die Sicherheitskräfte nach. Kam es doch zu Untersuchungen, folgten selten Verurteilungen. Die Ombudsstelle innerhalb des PSD untersucht Fälle von polizeilichem Missbrauch, allerdings resultieren Beschwerden selten in disziplinären Maßnahmen. Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen führen selten zu substantiellen Strafen. Während des Jahres 2015 gab es einige wenige dokumentierte Fälle, in denen Sicherheitskräfte ungestraft exzessive Gewalt anwendeten, bzw. es verabsäumten, Demonstranten vor Gewalt zu schützen (USDOS 18.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, inhumane oder erniedrigende Behandlung, doch internationale und nationale NGOs berichten weiterhin von Fällen von Folter und weitverbreiteter Misshandlung in den Haftzentren von Polizei und Sicherheitsdienst (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz verbietet Folter und psychologische Schädigung durch Beamte und sieht Strafen von drei Jahren Haft für die Anwendung von Folter vor, mit einer höheren Strafe von bis zu 15 Jahren, wenn ernsthafte Verletzungen entstehen.

Menschenrechtsanwälte fanden das Gesetz mehrdeutig und forderten Änderungen zur besseren Definition von Folter und strengere Richtlinien für die Bestrafung. Gemäß der Quasi-Regierungsorganisation National Center for Human Rights (NCHR) erhielt das Public Security Directorate (PSD) im Jahr 2014 140 Beschwerden wegen Folter oder Misshandlungen in Polizeistationen. In 60 Fällen wurde nichts weiter unternommen, da die Beschwerdeführer ihre Beschwerden zurückzogen, 49 wurden an die Chefs von Polizeistation zwecks Verhängung von Verwaltungsstrafen weitergeleitet, 6 Fälle wurden auf Grund von mangelnden Beweisen geschlossen, 24 bleiben offen und einer wurde an das Polizeigericht weitergeleitet. Der Bericht des NCHR für das Jahr 2014 kommt zu dem Schluss, dass weder von der Legislative, noch von der Exekutive effektive Schritte unternommen wurden, um das Problem der Folter anzugehen (USDOS 13.4.2016).

 

Die Täter (Folterer) genießen beinahe vollständige Straffreiheit, da das Beschwerdesystem in Haftanstalten von der Polizei betrieben wird. Im Polizeigericht, vor dem viele der Fälle angehört werden, sind 2 von 3 Richtern amtierende Polizisten. Bis heute liegen Human Rights Watch keine Informationen vor, dass jemals ein Polizei- oder Geheimdienstbeamter für schuldig im Sinne des § 208 (Folter) des Strafgesetzbuches befunden wurde (HRW 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Korruption

 

Der Corruption Perception Index von Transparency International liegt im Fall von Jordanien bei 53/100 (0 für sehr korrupt, 100 für gar nicht korrupt). Jordanien belegt damit im Ranking den 45sten von 168 Plätzen (TI 2015), und hat sich damit in den letzten Jahren diesbezüglich etwas verbessert (TI 2013).

 

Das politische System ist von persönlichen Abhängigkeiten und Klientelbeziehungen geprägt. Über "Wasta", die jordanische Variante der Vetternwirtschaft, klagen Einheimische und Ausländer gleichermaßen. Auf der weltweiten Skala der "wahrgenommenen Korruption" hat Jordanien sich zwar verbessert und liegt aktuell im vorderen Mittelfeld. Dennoch gehört Jordanien immer noch zu den Staaten, in denen sich die Bürger besonders stark von Korruption betroffen fühlen. Viele jordanische Geschäftsleute und Unternehmer beklagen, dass "Wasta" und eine schlecht funktionierende Bürokratie den Wettbewerb verzerren und damit die unternehmerische Initiative lähmen (LIPortal 1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Ombudsmann

 

Zu den positiven Entwicklungen gehört die Einrichtung eines Ombudsmannes, bei dem alle Jordanier Beschwerden gegen die Entscheidungen staatlicher Stellen vorbringen können (AA 7 .2014). Die Ombudsstelle hat zwischen Februar 2009 und Juni 2013 nicht weniger als 8.626 Bürgerbeschwerden behandelt. Aber das Büro hat nicht nur die Funktion Bürgerbeschwerden nachzugehen, der größere Aufgabenbereich ist das Beobachten der Gesamtleistung der verschiedenen Regierungsabteilungen und -büros, sowie auch der Privatwirtschaft, das Erkennen von Mängeln im Gesetz oder seiner Anwendung und das Fordern der Mängelbeseitigung. (JT 18.3.2014).

 

Die Ombudsstelle ist dem PSD (Public Security Directorate) untergeordnet. Im Monat Oktober des Jahres 2015 wurden beispielsweise 67 Beschwerden gegen Beamten in unterschiedlichen Positionen und gegen Vergehen unterschiedlicher Art (einschließlich 21 Fälle von behaupteter Körperverletzung) bei der Ombudsstelle eingebracht. Bei Jahresende wurden 37 dieser Fälle nach wie vor untersucht, die übrigen wurden zurückgewiesen.

 

Einen Gefängnis-Ombudsmann gibt es nicht (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Wehrdienst

 

Mit 17 Jahren kann man den freiwilligen Militärdienst ableisten. Zunächst für 2 Jahre, danach gibt es die Möglichkeit für weitere 18 Jahre einzurücken. Die Wehrpflicht für Männer mit 18 Jahren wurde 1999 abgeschafft. Frauen unterliegen keiner Wehrpflicht, können aber freiwillig in militärischen Positionen ohne Kampfeinsatz im Frauenkorps der Königlichen Jordanischen Arabischen Armee dienen (CIA 2013).

 

Quellen:

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die Menschenrechtslage in Jordanien ist im regionalen Vergleich weniger kritisch, auch wenn Defizite bei der Gleichberechtigung von Frauen, der Pressefreiheit und der Situation ausländischer Arbeitnehmer unverkennbar sind (AA 9 .2015).

 

Im aktuellen Jahresbericht zu Jordanien bezeichnet die Menschenrechtsorganisation Freedom House Jordanien als "nicht frei". Amnesty International kritisiert, dass in Jordanien weiterhin die Todesstrafe verhängt wird. Die Zahl der vollstreckten Todesurteile ist allerdings gesunken. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" beklagt die Diskriminierung von Frauen und Mädchen, die fehlende Meinungsfreiheit und die Folter in zahlreichen Gefängnissen. Human Rights Watch kritisiert des Weiteren, dass in Jordanien friedliche Demonstrierende vor Sondergerichte gestellt werden (LIPortal 1.2016).

 

Laut US Department of State sind die signifikantesten Menschenrechtsprobleme in Jordanien Einschränkungen der Meinungsfreiheit (einschließlich Inhaftierungen von Journalisten), die die Möglichkeit der Bürger und der Medien darin einschränkt, die Politik und die Beamten der Regierung zu kritisieren; die fehlende Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung friedlich zu ändern; sowie Misshandlungen und Vorwürfe von Folter durch Sicherheitskräfte und Regierungsbeamte. Andere Menschenrechtseinschränkungen betrafen Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, schlechte Bedingungen in Gefängnissen, willkürliche Verhaftungen, Verweigerung eines fairen Verfahrens während der Untersuchungshaft, lange andauernde Inhaftierungen. Gewalt gegen Frauen ist weitverbreitet, Missbrauch/ Misshandlung von Kindern gibt es weiterhin. Rechtliche und gesellschaftliche Diskriminierungen und Schikanen von/gegenüber Frauen, religiösen Minderheiten, Konvertiten, Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, etc. (LGBTI-Personen), Palästinensern, Menschen mit Behinderungen sind weiterhin ein Problem. Es besteht weitgehend Straffreiheit bei Menschenrechtseinschränkungen. Die Maßnahmen der Regierung, die gegen die Menschenrechtsbeschränkungen gesetzt wurden, waren ineffizient und intransparent (USDOS 13.4.2016).

 

Jordaniens Terrorismusbekämpfungsgesetz mit dessen breit und vage formulierten Bestimmungen wurde teilweise benutzt, um die Meinungsfreiheit zu beschränken und Aktivisten, Regimekritiker und Journalisten zu inhaftieren (HRW 27.1.2016).

 

Es gab seit dem Jahr 2011 eine beträchtliche Zahl von Demonstrationen und Volksaufständen, die sich hauptsächlich gegen die Regierung und deren Politik wendeten. Sie fanden ohne Zustimmung der Behörden statt, es erfolgte zunächst jedoch auch keine Reaktion durch die Sicherheitskräfte. Erst später, als sich der Konflikt zu intensivieren begann, wurden die Reaktionen von Polizei und Gendarmerie schärfer, bis hin zu regelmäßigem Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken. Auch Verhaftungen von Demonstranten gibt es regelmäßig, jedoch lässt der König diese meist nach kurzer Zeit wieder frei. Das Abebben der Proteste in letzter Zeit ist laut Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung weniger als Folge harter Repression zu sehen, sondern eher als Folge der sich breit machenden Frustration über die mangelnden Erfolge der Proteste (BTI 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Meinungs- und Pressefreiheit werden in § 15 der Verfassung garantiert, unterliegen aber dennoch starken Einschränkungen. Berichte über den König und die Königsfamilie erfordern eine zuvor eingeholte Bewilligung. Berichte, die der "Reputation und Würde des Staates" schaden könnten, sind ebenfalls strikt untersagt, sowie das Beleidigen religiöser Glaubensbekenntnisse, oder das Anheizen von ethnischen oder konfessionellen Konflikten. Darüber hinaus gibt es eine unter Journalisten weit verbreitete Selbstzensur. Zuwiderhandlung wird regelmäßig mit Schikanen, Drohungen, außergerichtlichen Inhaftierungen oder rechtlichen Maßnahmen bestraft. Physische Einschüchterung kommt jedoch nur selten vor. Fernseh- und Radiosender sind üblicherweise einer stärkeren staatlichen Kontrolle ausgesetzt. Dennoch existiert auch in der Presselandschaft eine weitverbreitete Vor-Zensur (per Gesetz bis zu einem gewissen Grad sogar erlaubt), alleine auf Grund der Tatsache, dass die größten Tageszeitungen Jordaniens (ar-Rai, ad-Dustur, Jordan Times) vom Staat kontrolliert werden. Dadurch sind die täglichen Medienberichte von staatlichen Institutionen verzerrt und manipuliert (oftmals im Namen der Staatssicherheit) (BTI 2016). Denn die jordanischen Behörden nutzen immer häufiger das jordanische Terrorismusbekämpfungsgesetz, um Aktivisten, Regimekritiker und Journalisten wegen freien Meinungsäußerungen zu verhaften (HRW 27.1.2016).

 

Gemäß dem geltenden Pressegesetz müssen Journalisten, die in Jordanien für lokale Medien arbeiten, Mitglied der staatlich kontrollierten Jordan Press Association (JPA) sein. Diese kann Journalisten ausschließen, wenn sie nicht linientreu berichten. Das Pressegesetz verbietet kritische Berichte über das Königshaus, die Armee, Parlamentsabgeordnete und "befreundete ausländische Politiker". Im internationalen Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen steht Jordanien aktuell auf Platz 143 (gesunken von Platz 141 in 2013, von insgesamt 180, wobei das freieste Land Platz 1 innehat). Die US-basierte Organisation Freedom House bezeichnet Jordanien als "nicht frei" (LIPortal 1.2016).

 

Eine Gesetzesänderung des Presse- und Publikationsgesetz etablierte im September 2012 Einschränkungen des Internetcontents und führte im Juni 2013 zur Sperrung von 200-300 Websites und Blogs. Dennoch haben es viele Blogger in den letzten Jahren geschafft, in Erscheinung zu treten, und die Proteste [im Rahmen des arabischen Frühlings] haben in verschiedenen Gesellschaftsschichten zu einer offener artikulierten Kritik geführt, als dies davor der Fall war (BTI 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

 

Die Verfassung gewährt Versammlungsfreiheit, aber die Regierung beschränkt dieses Recht in der Praxis. Die Sicherheitskräfte genehmigen im Allgemeinen Demonstrationen und treffen für angekündigte Demonstrationen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen (USDOS 27.2.2014). Gemäß Berichten der NGOs Human Rights Watch und Freedom House ist es seit März 2011 grundsätzlich nicht mehr erforderlich, eine Genehmigung der Regierung einzuholen, um öffentliche Treffen oder Demonstrationen abzuhalten (FH 28.1.2015, vgl. HRW 27.1.2016).

 

Es gab Fälle, in denen politische Aktivisten und Demonstranten verurteilt wurden, und zwar auf Grund der Terrorismus-Anklage "Unterminierung des politischen Regimes" (HRW 27.1.2016).

 

Im Jahr 2013 gab es mehrere Vorfälle, bei denen Sicherheitskräfte mit exzessiver Gewalt vorgingen und dabei straffrei blieben. Im Jahr 2012 wurden bei teils friedlichen, teils gewaltsamen Straßenprotesten über 300 Demonstranten verhaftet (USDOS 27.2.2014).

 

Die Verfassung gewährt Vereinigungsfreiheit, aber die Regierung beschränkte diese Freiheit in der Praxis. Das Gesetz gibt dem Ministerium für soziale Entwicklung das Recht, Anträge für die Registrierung einer Organisation oder für den Erhalt ausländischer Finanzierung aus jeglichem Grund abzulehnen. Außerdem verbietet es, den Vereinigungen dazu zu benutzen, um politische Organisationen zu stärken. Das Gesetz gewährt dem Ministerium signifikante Kontrolle über das interne Management von Vereinigungen, darunter das Recht, die Vereinigung aufzulösen, neue Vorstände zu ernennen und Regierungsrepräsentanten zu den Vorstandstreffen zu senden. Vereinigungen sind verpflichtet, das Ministerium über stattfindende Vorstandssitzungen zu informieren, die Namen aller Mitglieder preiszugeben und alle Vorstandsentscheidungen dem Ministerium zur Genehmigung vorzulegen. Bei Nicht-Einhaltung sind Strafen von bis zu 10.000 Dinar (14.000 USD) vorgesehen.

 

Die Regierung steht in starkem Verdacht, die internen Treffen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, politischen Parteien und Menschenrechtsorganisationen infiltriert zu haben.

 

Das Ministerium für soziale Entwicklung registrierte im Jahr 2015 533 NGOs und löste 177 auf (wobei 29 davon auf Ansuchen der Gründer aufgelöst wurden) (USDOS 13.4.2016).

 

Jordaniern steht es frei, sich einer Partei anzuschließen, aber in der Praxis geben sie ihre Stimme entsprechend ihrer Stammeszugehörigkeit ab (FH 28.1.2016).

 

Seit 1992 wurden im Rahmen des politischen Liberalisierungsprozesses auch systemkritische Oppositionsparteien in geringem Umfang wieder zugelassen. Die meisten dieser Parteien waren allerdings so klein und zersplittert, dass sie kaum eine nachvollziehbare Wirkung in der Bevölkerung entfalten konnten. Einzige Ausnahme: die Islamische Aktionsfront (IAF), die als politischer Arm der Muslimbruderschaft gilt und die wegen ihrer organisatorischen Effizienz von vielen Fachleuten als einzige ernstzunehmende politische Partei Jordaniens angesehen wird. Die IAF hat eine starke Basis unter palästinensisch-stämmigen Jordaniern (schätzungsweise 90 Prozent der Mitglieder und AktivistInnen). Nachdem das jordanische Regime die Muslimbrüder viele Jahre lang politisch eingebunden hat, setzt König Abdullah II. in den letzten Jahren verstärkt auf sogenannte "indirekte Konfrontation". Insgesamt hat sich das Verhältnis zwischen dem jordanischen Regime und den Muslimbrüdern verschlechtert (LIPortal 1.2016). In urbanen Gegenden, in denen palästinensische Jordanier und Unterstützer der Muslimbruderschaft stark vertreten sind, stellt diese Gruppe zwei Drittel der Bevölkerung, jedoch weniger als ein Drittel der politischen Stellvertreter. Die IAF hatte die Wahlen der Jahre 2010 und 2013 boykottiert, um gegen dem Wahlsystem inhärente Nachteile zu protestieren (FH 28.1.2016).

 

Im April 2016 haben jordanische Sicherheitskräfte die Zentrale der islamistischen Muslimbruderschaft in der Hauptstadt Amman geschlossen. Die Bruderschaft sprach von einer "überraschenden und illegalen Aktion" der Behörden (Euronews 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Seit Dezember 2014 – in diesem Monat hat Jordanien 11 jordanische Männer exekutiert - wird die Todesstrafe in Jordanien (nach einem acht-jährigen Moratorium) wieder vollstreckt. (Die Todesstrafe war während des Moratoriums zwar verhängt worden, wurde aber nicht vollzogen.) Die Männer waren alle wegen Mordes verurteilt worden (HRW 27.1.2016). Im Februar 2016 wurden zwei irakische Staatsangehörige gehängt, die Al-Qaeda nahestanden. Es hatte auf Grund des Zeitpunktes der Exekutionen den Anschein, dass diese eine Antwort auf die Ermordung eines jordanischen Piloten durch den IS darstellten (AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

19.4. 2016

 

Religionsfreiheit

 

Die Bevölkerung besteht (gemäß einer Schätzung aus dem Jahr 2010) offiziell zu etwa 97 Prozent aus vorwiegend sunnitischen Muslimen und 2 Prozent Christen. Buddhisten und Hindus sowie andere Religionen sind mit weniger als einem Prozent vertreten (CIA 5.6.4016).

 

Der Islam ist die Staatsreligion. Christen sind als religiöse Minderheit anerkannt und können frei Gottesdienste abhalten (FH 28.1.2015). Nichtsdestotrotz legt die Verfassung den Islam als Staatsreligion fest und verweigert einigen religiösen Gruppen die offizielle Anerkennung. Mitglieder von nicht-registrierten religiösen Gruppen sind rechtlicher Diskriminierung und administrativen Hürden ausgesetzt (USDOS 14.10.2015). Baha’i und Druzen dürfen ihren Glauben praktizieren, sehen sich aber mangels staatlicher Anerkennung einer De-Facto-Diskriminierung gegenüber.

 

Die Regierung überwacht die Gebete in den Moscheen, und die Prediger dürfen nur nach Einholung einer schriftlichen Genehmigung von der Regierung praktizieren. Nur staatlich ernannte Räte können religiöse Edikte erlassen, und es ist illegal, diese Regeln zu kritisieren (FH 28.1.2016) Die Verfassung sowie andere Gesetze und Maßnahmen gewähren – mit einigen Einschränkungen – Religionsfreiheit. Die Verfassung ermöglicht die freie Religionsausübung gemäß der in Jordanien geltenden Sitten, solange die öffentliche Ordnung und Moral nicht verletzt werden. Außerdem verbietet die Verfassung Diskriminierung aus religiösen Gründen. Die Religionszugehörigkeit bestimmt, welches Personenstandsrecht angewendet wird. Es gibt für Mitglieder nicht anerkannter Konfessionen keine gesetzliche Regelung für zivile Heirat.

 

Die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen sind grundsätzlich friedlich, obwohl es im Berichtszeitraum 2014 kurze gewalttätige Zusammenstöße gab, nachdem ein Mann zugab, seine Tochter ermordet zu haben, weil sie vom Christentum zum Islam konvertiert war. Es gab Berichte von Gewalt, Drohungen und Diskriminierungen gegen Konvertiten vom Christentum und vom Islam sowie gegen Personen in "interreligiösen" Beziehungen. Konvertiten vom Islam zum Christentum sind Berichten zufolge gelegentlich von Sicherheitskräften über ihre religiösen Ansichten und Praktiken befragt worden. Die Regierung verbietet indirekt die Konversion vom Islam und die Missionierung von Muslimen, indem sie jenem Teil des islamischen Rechts (Scharia), das das Personalstatut von MuslimInnen regelt, Vorrang einräumt. Diese Praxis widerspricht den Bestimmungen der Verfassung zur Religionsfreiheit. Außerdem werden weiterhin Personen überwacht, die im Verdacht stehen, Muslime zu einem anderen Glauben bekehren zu wollen. Das Missionieren von Muslimen kann mit der Begründung "Anstachelung von religiösen Konflikten" oder der Begründung "Anrichten eines Schadens für die Einheit des Landes" strafrechtlich verfolgt werden.

 

Die Heirat zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann ist nicht erlaubt, der Mann muss zum Islam konvertieren (USDOS 14.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

98% der Einwohner Jordaniens sind Araber, ein Prozent Tscherkessen und Tschetschenen, sowie ein weiteres Prozent Armenier (CIA 20.6.2014, vgl LIPortal 2.106).

 

Knapp 60 Prozent der Bevölkerung Jordaniens ist palästinensischer Herkunft, davon sind gut zwei Drittel registrierte Palästina-Flüchtlinge (LIPortal 2.2016).

 

(Anm.: Zu den Palästinensern siehe nachfolgendes Unterkapitel. Zu den und syrischen und irakischen Flüchtlingen siehe Abschnitt "Flüchtlinge")

 

Im von ausländischen Arbeitskräften stark abhängigen Jordanien, gibt es viele ArbeitsmigrantInnen, schätzungsweise 300.000 aus Ägypten. Bei den ca. 70-80.000 ArbeitsmigrantInnen aus Süd/Südostasien handelt es sich zu einem großen Teil um Frauen, die in Privathaushalten, Textilfabriken oder Industriegebieten arbeiten. Oft werden diesen Frauen bei der Ankunft die Papiere abgenommen, ohne die sie Misshandlungen und Ausbeutung schutzlos ausgeliefert sind. Auch aus Syrien stammen viele ArbeitsmigrantInnen. Aus Osteuropa, Marokko und den Philippinen stammen viele Migrantinnen, die oft mit "Künstlerinnen"-Visa ausgestattet - zur Prostitution ins Land kommen, ein Teil dieser Frauen sind Opfer von Menschenhandel (LIPortal 2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

PalästinenserInnen

 

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Jordaniens ist palästinensischer Herkunft (BBC-News 1.7.2014, LIPortal 2.2016), davon sind gut zwei Drittel registrierte Palästina-Flüchtlinge. Die Beziehungen zwischen Palästinensern und Jordaniern sind zwiespältig. Obwohl Palästinenser/innen heute mehr als die Hälfte jordanischen Gesamtbevölkerung ausmachen und die jordanische Wirtschaft auf das Kapital und das Know How der palästinensischstämmigen Bevölkerung existentiell angewiesen ist (so gehört z.B. die bedeutende "Arab Bank" mehrheitlich einer palästinensischen Familie), sind die Palästinenser bislang formalpolitisch nicht angemessen repräsentiert. Der Zugang zu Posten im öffentlichen Dienst und bei den Sicherheitskräften ist zwar möglich, aber erschwert. Der aufenthaltsrechtliche Status der Palästinenser ist nicht einheitlich. Ein Teil der in Jordanien lebenden Palästinenser fühlt sich zunehmend von erneuter Staatenlosigkeit bedroht (LIPortal 2.2016).

 

In Jordanien leben mehr als zwei Millionen bei der UNRWA (eine UN-Hilfsorganisation, zuständig für die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen) registrierte Palästinaflüchtlinge. Die meisten palästinensischen Flüchtlinge, aber nicht alle, sind im Besitz der vollen Staatsbürgerschaft. In Jordanien gibt es 10 anerkannte palästinensische Flüchtlingslager im Land, in denen fast 370.000 Palästinenser leben, das sind in etwa 18 Prozent der insgesamt in Jordanien lebenden Palästinenser. Fast 10.000 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien haben um die Unterstützung der UNRWA in Jordanien angesucht. Die Mehrheit dieser Flüchtlinge dürfte in bitterer Armut leben und einen unsicheren rechtlichen Status haben (UNRWA o.D, Stand: 1.1.2014).

 

Grob gesprochen gibt es vier Gruppen von Palästinensern, die im Land leben, viele von ihnen sind mit Diskriminierungen konfrontiert:

Diejenigen, welche nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 ins Land und in das von Jordanien kontrollierte Westjordanland kamen, erhielten die vollwertige Staatsbürgerschaft, ebenso diejenigen, die nach dem Krieg 1967 ins Land kamen und keinen Aufenthaltstitel in der Westbank hatten. Diejenigen, welche nach 1967 noch einen Aufenthaltstitel für die Westbank hatten, hatten keinen Anspruch mehr auf die Staatsbürgerschaft, durften jedoch zeitweilige Reisepässe ohne nationale Identifikationsnummern erhalten, sofern sie nicht ein Reisedokument der Palästintnsischen Autonomiebehörde besaßen. Diese Personen hatten Zugang zu manchen Regierungsdiensten, zahlten in Krankenhäusern, Bildungseinrichtungen und Ausbildungszentren aber die Tarife für Nichtstaatsbürger. Flüchtlinge, die nach 1967 aus Gaza flohen, hatten keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft und erhielten temporäre Reisedokumente ohne nationale Nummer. Diese Personen hatten keinen Zugang zu Regierungsdiensten und waren meist komplett von den Diensten der UNRWA abhängig. Die vierte Gruppe sind Syrer palästinensischer Herkunft, die zwar oft an der Grenze abgewiesen wurden, jedoch Zugang zu UNRWA- und einigen Regierungsservices erhielten (USDOS 13.4.2016).

 

Anm.: Informationen zu palästinensischen Flüchtlingen aus Syrien finden sich in Abschnitt "Flüchtlinge".

 

Generell haben verheiratete jordanische Frauen nicht das gesetzliche Recht, ihre Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder zu übertragen. Dies betrifft tausende Familien mit Vätern palästinensischer Abstammung ohne Staatsbürgerschaft. Deren Kinder erhalten keine Staatsbürgerschaft und dürfen als Folge davon die Schule nicht besuchen und haben keinen Anspruch auf Regierungsdienstleistungen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Kinder Identifikationsdokumente beantragen, die ihnen den Zugang zu diesen Diensten ermöglichen (USDOS 13.4.2016). Quellen deuten darauf hin, dass es kein Flüchtlingsrecht in Jordanien gibt. Das bedeutet, dass die palästinensischen Flüchtlinge ohne Staatsbürgerschaft keine politischen, zivilen oder ökonomischen Rechte besitzen und von zahlreichen substantiellen Diensten des Sozialsystems, Gesundheitssystems, Bildungssystems, etc. ausgeschlossen sind (IRB 9.5.2014).

 

Anm.: Informationen zu den Aufgaben der UNRWA und den Verantwortlichkeiten der Gaststaaten siehe Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Zuständigkeiten von UNRWA und den Gaststaaten".

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Frauen/Kinder

 

Frauen

 

Frauen genießen dieselben politischen Rechte, sind aber mit rechtlicher Diskriminierung bei Angelegenheiten von Erbschaft, Scheidung und Sorgerecht, also jenen Bereichen, die der Rechtsprechung der Schariagerichte unterliegen, konfrontiert (FH 28.1.2015).

 

In Jordanien bestehen Defizite bei der Gleichberechtigung von Frauen. Ehrenmorde an Frauen bleiben ein Thema, sie werden oft nur unzureichend strafrechtlich verfolgt (AA 7 .2014)

 

Frauen sind in der gesamten jordanischen Gesellschaft beträchtlichen und weit verbreiteten Diskriminierungen ausgesetzt. Gewalt gegen und Misshandlung von Frauen sind weit verbreitet. Das Gesetz wurde in Bezug auf Vergewaltigung nicht effizient durchgesetzt. Das Family Protection Department (FDP) der PSD berichtete für 2015 (bis September) von 1.588 Fällen von dokumentierter häuslicher Gewalt, obwohl Frauenrechtsorganisationen davon ausgehen, dass es eine große Zahl an nicht dokumentierten Fällen gibt, weil Gewalt gegen Frauen ein Tabuthema ist. Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigungen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden.

 

Vergewaltigte oder misshandelte Frauen können Beschwerde bei bestimmten NGOs oder direkt bei den rechtlichen Behörden einbringen. Bis September untersuchte das FDP im Jahr 2015 319 Fälle von Vergewaltigung oder sexuellem Angriff. Das FDP untersuchte die Fälle. Allerdings gab es einige Fälle, in denen Druck auf Familien ausgeübt wurde, dass sie den Angelegenheit mittels Mediation und nicht über das Gericht austragen sollen. NGOs berichteten, dass Fälle von häuslichem Missbrauch häufig ohne Beteiligung von Gerichten geregelt würden, indem der Täter aufgefordert wurde, vor dem Gouverneur oder dem FPD zu unterzeichnen, dass er von einer Wiederholung der Tat absehen werde.

 

Das Justizministerium deutete an, dass bis Oktober sieben sogenannte "Ehrenverbrechen" an das Justizsystem herangetragen wurden. Währenddessen berichten NGOs, dass es 14 potentielle Ehrenverbrechen bis September gegeben hatte. Laut Aktivisten werden viele Ehrenverbrechen nicht dokumentiert (USDOS 13.4.2016). Amnesty International berichtet von 10 möglichen Ehrenmorden, die alleine zwischen Jänner und August 2015 stattgefunden haben sollen (AI 24.2.2016).

 

Männer, die Ehrenverbrechen an Frauen begehen erhalten oft milde Strafen. FrauenrechtsaktivistInnen haben Kampagnen gegen unterschiedliche Sachverhalte dieser Art durchgeführt, unter anderem wurde die Rechtsbestimmung angeprangert, die es mutmaßlichen Vergewaltigern erlaubt, der Strafverfolgung durch das Heiraten ihrer Opfer zu entgehen (FH 28.1.2015). Es gab für das Jahr 2015 keine Berichte von "Zwangsheirat als Alternative zu einem potentiellen Ehrenmord", allerdings stellten NGOs fest, dass viele Fälle von Zwangsheiraten aufgrund von gesellschaftlichem Druck kurz nach dem Aufkommen von Vergewaltigungsvorwürfen geschlossen wurden.

 

Arbeitsrechtsorganisationen haben ihre Besorgnis geäußert bezüglich der schlechten Arbeitsbedingungen, Zwangsarbeit und sexuellem Missbrauch in den Industriezonen, in denen hauptsächlich weibliche und ausländische FabriksarbeiterInnen Exportwaren herstellen. Jordanien ist eine Destination und ein Transitland für Zwangsarbeit und – in geringerem Ausmaß – für Prostitution (FH 28.1.2015, vgl. Spiegel 9.4.2013).

 

Quellen:

 

 

19.4. 2016

 

 

 

 

Kinder/Jugendliche

 

Bildungssystem und Infrastruktur

 

Laut Transparency International liegt die Alphabetisierungsquote in Jordanien bei 92,2 Prozent (TI 2015). Laut Auswärtigem Amt liegt die Analphabetenquote bei ca. 2 Prozent. Englische Sprachkenntnisse sind verbreitet. Rund 98 Prozent aller Kinder besuchen die Schule. Im Alter von 6 bis 15 Jahren ist der Schulbesuch in Jordanien obligatorisch und kostenlos. (AA 9 .2015). Durch den Flüchtlingsstrom aus Syrien kommt es auch im Bildungsbereich zu Spannungen. Die Schulen sind überfüllt, in manchen wird in drei Schichten unterrichtet (Zenith 28.8.2014).

 

Es existieren keine Gesetze, welche die Schulpflicht durchsetzen oder die Vormunde bestrafen, wenn sie die Schulpflicht verletzen. Kinder ohne legalem Wohnsitz haben kein Recht, eine öffentliche Schule zu besuchen.

 

Von den etwa 222.000 syrischen Flüchtlingskindern in Schulalter sind für das Schuljahr 2015-2016 nur etwa 140.000 in öffentlichen Schulen registriert. Etwa 30.000 erhielten eine informelle Form von Ausbildung, aber ungefähr 60.000 syrische Flüchtlingskinder nahmen an keinerlei Art von organisiertem Lernen teil.

 

Frühe Heirat/Zwangsheirat

 

Das Mindestalter für die Heirat ist 18 Jahre. Mit dem Einverständnis einer Richters und eines Vormundes, kann ein Kind (in den meisten Fällen sind es Mädchen) bereits mit 15 Jahren verheiratet werden. Dies war im Jahr 2014 in 13 Prozent aller Hochzeiten der Fall (USDOS 13.4.2016). Insbesondere bei syrischen Flüchtlingen spielen Zwangsheiraten von Mädchen eine große Rolle und kommen laut Zahlen der Vereinten Nationen immer häufiger vor (BBC 20.8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz erlaubt das Reisen im Inland, das Verreisen ins Ausland, Emigration und Rückkehr in die Heimat, jedoch gab es einige Einschränkungen. Ehemalige Inhaftierte gaben an, dass ihre Reisepässe von den Behörden einbehalten wurden und dass gegenüber Staatsbürgern Reiseverbote verhängt wurden (USDOS 13.4.2016).

 

Zu den Zugangsbeschränkungen für Flüchtlinge aus Syrien s. Abschnitt "Flüchtlinge".

 

Quellen:

 

 

Flüchtlinge

 

In Jordanien gibt es kein Asylgesetz. Faktisch ist Jordanien aber eines der wichtigsten Zufluchtsländer für Flüchtlinge weltweit, vor allem in Relation der Einwohnerzahl mit den Flüchtlingen (LIPortal 1.2016). Die Gesetze des Landes bieten kein Recht auf Gewährung des Asyl- oder Flüchtlingsstatus und die Regierung hat kein formales System zum Schutz der Flüchtlinge vorgesehen (USDOS 13.4.2016). Flüchtlinge bekommen weder einen Aufenthaltstitel noch eine Arbeitserlaubnis (KAS 10.2015).

 

Die größte Flüchtlingsgruppe in Jordanien sind die Palästinenser. Laut dem Palästina-Flüchtlingshilfswerk UNRWA leben in Jordanien derzeit gut zwei Millionen registrierter Palästina-Flüchtlinge, von denen mehr als die Hälfte die jordanische Staatsbürgerschaft besitzt (LIPortal 1.2016).

 

Auf die Flüchtlingswellen aus Syrien reagiert die jordanische Regierung seit 2012 mit verstärkter Überwachung der Grenzen und seit 2013 mit der Schließung von illegalen und legalen Grenzübergängen (LIPortal 1.2016). Ab März 2015 begannen die jordanischen Behörden, auch die informellen Grenzübertritte im Osten des Landes zu beschränken, was dazu führte, dass immer mehr Syrer in abgelegenen Wüstengegenden an der jordanischen Grenze strandeten, mit beschränkten Zugang zu Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung (HRW 27.1.2016, vgl. Spiegel 8.12.2015). Viele Flüchtlinge, einschließlich kranke und ältere Personen, sowie Kinder und schwangere Frauen, warteten sogar 120 Tage (ohne Unterkunft, mit beschränkte Wasser- und Nahrungsmittelversorgung, etc. darauf, das Land betreten zu dürfen. Zumindest 25 Flüchtlinge starben seit April 2015 an den Folgen der harten Bedingungen an der Grenze. (USDOS 13.4.2016). In weiterer Folge bildete sich durch die weiterhin sehr restriktive Aufnahmepolitik (nur sehr wenige syrische Flüchtlinge werden aufgenommen) im Niemandsland zwischen Syrien und Jordanien im Nordosten von Ruesched ein Flüchtlingslager. Die Zahl dieser Flüchtlinge ist auf über 50.000 angewachsen und verteilt sich auf Rukban mit 48.000 und Hadalat mit 6.000 Flüchtlingen auf. Insgesamt wurden davon 28.362 durch den UNHCR registriert. Die jordanische Regierung zusammen mit den NGO unterstützt die Flüchtlinge mit Hilfsgütern so gut wie möglich und wählt täglich ca. 200 bis 300 aus, die dann von der jordanischen Armee in die Auffangstation Rab Al Serhan kommen und von dort in ein gesonderten Bereich in das Flüchtlingslager AZRAQ gebracht werden. Eine Übernahme der gesamten Flüchtlinge auf einen Schwung kommt für Jordanien schon aus Sicherheitsbedenken nicht in Frage (VB Amman).

 

Die Regierung unternahm Zwangsrückführungen von syrischen Flüchtlingen nach Syrien, einschließlich von Frauen, Kindern, Kriegsversehrten und Personen mit Beeinträchtigungen (USDOS 13.4.2016).

 

Die palästinensischen Flüchtlinge aus Syrien, die Jordanien betreten wollten, wurden im Jahr 2015 weiterhin abgewiesen. Die Sicherheitsbehörden haben Palästinenser aus Syrien, die Jordanien mit gefälschten syrischen Papieren über inoffizielle Grenzübergänge betreten hatten, oder die über illegalen Menschenschmuggel nach Jordanien gelangt sind, verhaftet und deportiert (HRW 27.1.2016).

 

Die Zahl der syrischen Flüchtlinge (Stand November 2015) wird von der jordanischen Regierung mit 1,4 Millionen [bei einer Bevölkerungszahl von knapp 7 Mio.] angegeben. Nicht alle davon sind beim UNHCR registriert (Standard 18.11.2015). Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in Jordanien, die beim UNHCR registriert sind, beträgt 640.000. Mehr als 85 Prozent dieser registrierten syrischen Flüchtlinge leben außerhalb der Flüchtlingslager. Von diesen außerhalb der Lager lebenden syrischen Flüchtlinge wiederum leben 9 von 10 unter der Armutsgrenze, die in Jordanien mit 87 USD pro Monat festgelegt ist (UNHCR 19.4.2016). In den überfüllten Flüchtlingslagern (zum Teil improvisierte Zeltlager mangelt es meist an Allem: Wasser, Nahrung, die Gesundheitsfürsorge und der Zugang zu Bildung sind meist nicht, oder nur unzureichend sichergestellt (KAS 10.2015).

 

Während die meisten syrischen Flüchtlinge in den Städten leben und [sofern sie Arbeit gefunden haben] arbeiten, dürften sie rechtlich gesehen eigentlich nur in den Flüchtlingslagern arbeiten. Palästinenser dürfen nicht in Flüchtlingslagern für Syrer leben. Syrischen Flüchtlingen wurde zum Teil auf Grund von Überfüllung der Zugang zu Schulen verwehrt (FH 28.1.2015).

 

Die Flüchtlingswelle aus Syrien kommt in Folge einer vor etwa einer Dekade [und auch bereits seit den 1990iger Jahren] stattfindenden Flüchtlingswelle aus dem Irak. Die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln, sowie die Bereitstellung von Schul- und Arbeitsplätzen stellt bei diesen enormen Flüchtlingszahlen das Land vor extreme Herausforderungen, insbesondere in Anbetracht dessen, dass die Jordanier selbst schon Schwierigkeiten haben, Arbeit zu finden (NYR 3.2016). 160.000 bis 200.000 Syrer arbeiten illegal und ziehen damit den Unmut der Jordanier auf sich. Ohne jede Möglichkeit, einer legalen Arbeit nachzugehen und sich damit ihren Lebens-unterhalt zu finanzieren, sind die Flüchtlinge in Jordanien auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angewiesen, die jedoch immer weniger wird (KAS 10.2015). In Jordanien heben nur etwa ein Prozent der syrischen Flüchtlinge Arbeitsgenehmigungen. Dem König ist bewusst, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes für die Flüchtlinge extrem unpopulär wäre (BBC 2.2.2016). Derzeit werden dennoch einige Maßnahmen ergriffen, die langfristig gesehen dieses Problem lindern könnten (UNHCR 19.4.2016).

 

Jordanien hat im Jahr 2015 über 633.000 syrische Flüchtlinge untergebracht, auch wenn die Behörden durch eine Verschärfung der Zugangsbestimmungen den neuerlichen Zustrom von Flüchtlingen begrenzt. (HRW 27.1.2016).

 

Neben den syrischen, irakischen und palästinensischen Flüchtlingen gibt es in Jordanien auch noch kleinere Gruppen von Flüchtlingen aus dem Sudan und aus Somalia (Standard 18.11.2015). Seit Dezember 2015 begannen die jordanischen Behörden jedoch damit, Sudanesen massenhaft aus Jordanien zu deportierten (Al Jazeera 30.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Ökonomisch und administrativ stützt sich das jordanische Königshaus auf ein Netz führender ostjordanischer und projordanischer palästinensischer Großfamilien aus Landwirtschaft, Handel und Industrie. Aus diesen Familien rekrutieren sich auch zahlreiche Ärzte und Ingenieure sowie ein beträchtlicher Teil der jüngeren Finanz- und Verwaltungseliten. Mitglieder dieser Familien werden vom König und im Rahmen der sogenannten "Elitenrotation" systematisch an den Machtapparat gebunden und erhalten so kontrolliert Zugang zu Ressourcen und Macht (LIPortal 1.2016).

 

Die aktuellen politischen Entwicklungen in der arabischen Welt - besonders in den Nachbarländern Syrien und Irak sowie in den palästinensischen Gebieten - wirken sich direkt auf die wirtschaftliche Situation Jordaniens aus. Die Inflation ist stark gestiegen und liegt zeitweise bei 5 Prozent (LIPortal 2.2016). Jordanien gerät auf Grund seines überstrapazierten Staatshaushaltes zunehmend in Gefahr in Insolvenz zu gehen (CE 17.3.2016).

 

Die hohe Zahl syrischer Flüchtlinge im Land hat negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Grundversorgung. Die Infrastruktur ist stark überlastet und der öffentliche Dienstleistungssektor hat seine Kapazitätsgrenze längst erreicht. Ein weiteres Problem stellen die besonders in den urbanen Gebieten Jordaniens ins Unermessliche gestiegenen Immobilienpreise dar, die Jordaniern den Zugang zu Wohnraum extrem erschweren und zu starken Unstimmigkeiten führen (KAS 10.2015).

 

Da die meisten Flüchtlinge aus Syrien mittlerweile keine Ersparnisse mehr haben und sie aus Not bereit sind, für absolute Minimallöhne zu arbeiten, ist die in Jordanien ohnehin scharfe Konkurrenz um Arbeitsplätze noch härter geworden. Die schon vorher extrem niedrigen Löhne befinden sich in einer Abwärtsspirale - was die Kaufkraft großer Teile der Bevölkerung und damit die Binnenwirtschaft weiter schwächt. Es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit (offiziell 14 Prozent, inoffiziell 25-30 Prozent) sowie ein sehr niedriges Pro-Kopf-Einkommen. Der staatlich fixierte Mindestlohn beträgt 190 JD/Monat (ca. 185 Euro). Viele Jordanier verdienen tatsächlich nicht mehr - bei einem geschätzten Existenzminimum von 500 JD pro Monat und Familie und Lebenshaltungskosten, die real auf mitteleuropäischem Niveau liegen. Schätzungsweise 30 Prozent der jordanischen Bevölkerung (offizielle Angaben: 15 Prozent) leben unter der relativen Armutsgrenze (LIPortal 2.2016).

 

Allgemein sind die Ressourcen des Landes durch die aus Syrien und dem Irak kommenden Flüchtlingsströme in jeder Hinsicht belastet (BTI 2016). Jordanien, das dritt-wasserärmste Land der Welt, kämpft damit, der Bevölkerung ausreichend Wasser zur Verfügung zu stellen. Der rapide Bevölkerungszuwachs, insbesondere durch die Flüchtlingsströme aus Syrien, in Kombination mit der veralteten Wasserversorgungsinfrastruktur verschlimmert die Wasserknappheit in Jordanien zusätzlich (CE 21.9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Grundsätzlich hat sich das Gesundheitssystem in Jordanien insgesamt verbessert, auch wenn es ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle und eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich gibt. Im Großraum Amman ist die medizinische Versorgung grundsätzlich gut, in den ländlichen Gebieten deutlich schlechter (KAS 10.2015).

 

Vor der Flüchtlingskrise war in Jordanien ein beeindruckendes Netzwerk von Erstversorgungszentren, unterstützt von Sekundär- und Tertiär-Gesundheitszentren, entstanden, um der gesamten Bevölkerung Gesundheitsversorgung (in jeweils maximal 10 Kilometer Entfernung) zu gewährleisten. Zu Beginn der Krise erhielten registrierte syrische Flüchtlinge freien Zugang zur Erst- und Zweitversorgung. Seit November 2014 jedoch wurde dieses Angebot auf Grund der Überlastung des Gesundheitssystems wieder zurückgenommen. Doch seit dem syrischen Flüchtlingsstrom sind diese Zentren überlastet, es mangelt an Leistungskapazität, finanziellen Mitteln, Medikamenten und Impfstoffen.

 

(CE 21.9.2015).

 

Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen operieren an ihrer Belastungsgrenze und klagen unter nicht zu bewältigten Patientenzahlen. Wartezeiten steigen, die Qualität medizinischer Leistungen nimmt ab, und die Zeit zwischen Kontroll- und Nachuntersuchungen nimmt zu (KAS 10.2015).

 

Die Überlastung des Gesundheitssystems führt auch in der Gesellschaft zu zunehmenden Spannungen (CE)

 

Dadurch ist es für syrische Flüchtlinge, die außerhalb der Camps leben (die absolute Mehrheit), schwer, medizinische Versorgung zu erhalten. Zum Teil können sie sich die teurer gewordenen Gebühren nicht leisten, teils besitzen sie die für die Inanspruchnahme der Leistungen erforderlichen Dokumente nicht, teils verhindern langgezogene bürokratische Verfahren die Versorgung (AI 23.3.2016).

 

Die Grundversorgung in den Flüchtlingslagern funktioniert grundsätzlich (Stand Juni 2014), allerdings berichten in einer Umfrage 54% der befragten Flüchtlinge, dass sie Probleme oder Barrieren beim Zugang zu den Einrichtungen hatten. Als das größte Problem wurde die räumliche Distanz zu den medizinischen und Grundversorgungs-Einrichtungen genannt, die in Kombination mit dem höheren Alter oder körperlicher Beeinträchtigungen vieler Flüchtlinge oft ein großes Problem darstellt. Auch wurde berichtet, dass die Einrichtungen für die medizinischen Anforderungen unzureichende Kapazitäten aufwiesen (OXFAM 6.2014).

 

Palästina-Flüchtlinge mit jordanischer Staatsbürgerschaft haben denselben Zugang zu Gesundheitsversorgung wie andere jordanische Staatsbürger. UNRWA-Leistungsberechtigte ohne jordanische Staatsbürgerschaft haben beschränkten Zugang zur (öffentlichen) Gesundheitsversorgung und sind in einer schwachen Position. Die UNRWA-Kliniken in Jordanien bieten Leistungen für mehr als 1,1 Millionen Menschen an, das sind in etwa 56 Prozent der registrierten Palästina-Flüchtlinge in Jordanien. Es werden auch zahnärztliche Untersuchungen angeboten und Patienten mit Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck werden betreut (UNRWA o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Die UN berichtete, dass die Regierung bei der Bereitstellung von Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylsuchende, staatenlose Personen und andere gefährdete Personen, mit UNHCR, UNRWA und anderen humanitären Organisationen zusammengearbeitet hat (USDOS 13.4.2016).

 

Quelle:

 

 

2.2. Das BVwG stützt sich im Hinblick auf diese Feststellungen auf folgende Erwägungen:

 

2.2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

2.2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens erhoben und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die aus seiner Sicht bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Das BVwG schließt sich im entscheidungswesentlichen Umfang diesen Ausführungen mit den nachstehenden Erwägungen an.

 

2.2.3. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Einklang mit dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) und zur jordanischen Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem in Kopie vorgelegten jordanischen Familienbuch (vgl. auch die umfassenden Ausführungen unter Punkt 2.2.4.).

 

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin beruhen auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben. Es sind im Verfahren zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Gründe hervorgekommen, wieso an diesen Angaben zu zweifeln wäre. Sie sind im Beschwerdeverfahren nicht strittig.

 

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin an einer Beeinträchtigung ihrer - psychischen -Gesundheit (vgl. II.2.1.1.) leidet bzw. litt, ergibt sich aus den Schilderungen in den schriftlichen Stellungnahmen und dem vorgelegten Befundbericht vom 02.06.2017.

 

Was die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Lebensumständen im Herkunftsstaat, in Libyen sowie in Österreich betrifft, so ergeben sich diese aus den entsprechenden Angaben im Verfahren, zumal kein Grund ersichtlich ist, warum die Beschwerdeführerin etwa in Bezug auf ihre Schulbildung vor ihrer Ausreise nach Europa falsche Angaben hätte machen sollen. Der Aufenthalt eines Onkels, einer Tante und einer Halbschwester mütterlicherseits in Jordanien wurde zudem von der Mutter der BF in deren Verfahren glaubhaft dargelegt.

 

Die Feststellung betreffend die strafgerichtliche Unbescholtenheit in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).

 

2.2.4. Die Feststellungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin bzw. deren Fluchtgründen und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung und in den Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, den getroffenen Länderfeststellungen, auf den Ausführungen in der Beschwerde sowie dem ergänzenden Ermittlungsverfahren.

 

2.2.4.1. Der Beschwerdeführerin wurde seitens des BFA hinlänglich Gelegenheit geboten, alle ihrer Meinung nach ihren Standpunkt stützenden Argumente ins Treffen zu führen.

 

Der angefochtene Bescheid basiert somit auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungs-verfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das BFA hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation der Beschwerdeführerin gebracht.

 

2.2.4.2. Das Bundesverwaltungsgericht teilt insbesondere die Auffassung des BFA, wonach die Angaben der Beschwerdeführerin teilweise nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Zunächst ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin unter bewusster Vorspiegelung falscher Tatsachen und des Verschweigens ihrer jordanischen Staatsangehörigkeit - unabhängig von ihren Beweggründen - die Behörden in Österreich im Zeitpunkt der Stellung ihres Antrages auf internationalen Schutz täuschte, um Schutz zu erhalten.

 

Insoweit ist dem BFA beizupflichten, dass in diesem Zusammenhang der Umstand von Bedeutung ist, dass die BF zunächst im Zuge der Erstbefragung falsche Angaben bezüglich ihrer Identität bzw. ihres Herkunftsstaates tätigte und dies erst im Zuge des weiteren Asylverfahrens korrigierte. Ebenso wenig kann in Abrede gestellt werden, dass die Schilderungen der BF bezüglich ihrer Ausreisgründe in der Erstbefragung und dem weiteren Asylverfahren erheblich divergierten. So schilderte die BF ursprünglich die allgemeine Kriegssituation in Syrien, während sie in der Folge Schwierigkeiten mit ihrem Vater in den Mittelpunkt ihrer Erzählungen stellte.

 

Diesbezüglich ist nunmehr anzumerken, dass von Seiten der erkennenden Richterin - wie bereits in den Beschlüssen vom 02.06.2016 und 27.07.2016 dargelegt - nicht verkannt wird, dass es sich bei der Beschwerdeführerin, deren Mutter und weiteren Geschwister um Opfer von familiärer Gewalt handelt, womit die unterschiedlichen Angaben aus Angst vor negativen Konsequenzen seitens des Vaters und volljährigen Bruders XXXX - in Entsprechung der Ausführungen in der Beschwerde - jedenfalls erklärbar wären. Objektiv betrachtet finden sich somit zwar Widersprüche im Vorbringen der BF, diese allein wären aber nicht ausreichend, um eine Unglaubwürdigkeit der BF zu begründen.

 

Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass dem BFA aufgrund der Ermittlungsergebnisse im fortgesetzten Verfahren zuzustimmen ist, dass das ergänzende Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass das jordanische Familienbuch nur Jordaniern ausgestellt wird, die auch eine Nationalnummer besitzen. Diese erhalten das Buch, wenn sie heiraten und diese Ehe beim Sharia-Gericht eingetragen ist. Bis zu einer Heirat sind sie im Familienbuch der Eltern eingetragen. Beim Sharia-Gericht bekommt man dann eine Heiratsurkunde und mit dieser kann man beim Personenstandsamt das Familienbuch erlangen. Ein Nicht-Jordanier kann dieses Familienbuch nicht besitzen. Somit kann mit einem Familienbuch die jordanische Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden. Insoweit nun sowohl der Vater als auch die Mutter sowie die BF selbst mit einer entsprechenden Nationalnummer in diesem Familienbuch angeführt sind, bestehen keine Zweifel mehr an der jordanischen Staatsangehörigkeit der BF. Bestätigt werden diese Ausführungen schließlich auch durch einen Bericht der Landespolizeidirektion Salzburg vom 25.02.2017 (AS 387 im vorgelegten Verwaltungsakt des Bruders XXXX ) zum Ersuchen des BFA vom 18.11.2016 um Überprüfung der Identität von XXXX [Vater der BF], geboren am XXXX in Israel, jordanischer Staatsbürger, jordanische Nationalnummer XXXX , wonach im Zuge eines internationalen polizeilichen Informationsaustausches mit den zuständigen Behörden Jordaniens die Identität aufgrund der übereinstimmenden Personaldaten, des Familienbuches und der Nationalnummer festgestellt werden konnte.

 

2.2.4.3. Dass die Beschwerdeführerin Jordanien allenfalls fluchtartig aus Furcht vor Verfolgung verlassen hätten müssen, wurde nicht behauptet und ist auch sonst nicht einmal ansatzweise hervorgekommen.

 

Die Feststellungen betreffend Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat Jordanien und betreffend Nichtvorliegen einer Verfolgungsgefahr oder anderer zu berücksichtigenden Rückkehrhindernisse beruhen darauf, dass die Beschwerdeführerin weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine (rechtliche oder tatsächliche) Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Rückkehr nach Jordanien anzunehmen gewesen wäre.

 

Was die Befürchtungen der Beschwerdeführerin vor Übergriffen durch männliche Verwandte, etwa auch den Vater, anbelangt - dies auch unter dem Aspekt einer allfälligen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe (Opfer häuslicher Gewaltverbrechen) -, so ist zur Vollständigkeit ergänzend festzuhalten, dass diese Befürchtungen der Beschwerdeführerin als objektiv nicht nachvollziehbar anzusehen sind. So kann aufgrund der ergänzenden Ermittlungen des BFA, den getroffenen Länderfeststellungen sowie dem Amtswissen nicht der Schluss gezogen werden, dass seitens der staatlichen Behörden in Jordanien nicht ausreichend Schutz bzw. kein ordnungsgemäßes Verfahren in Strafrechtsangelegenheiten gewährleistet wird. Der jordanische Staat ist etwa durch eine Sonderabteilung der Polizei "Family Protection Unit" fähig und willens die Kinder zu schützen, wenn Anschuldigungen von Gewalt von Vätern nachgewiesen werden können bzw. erwiesen sind. Diese Abteilung für Familienschutz bei der jordanischen Polizei stellt ein Anliegen der Regierung bis hin zur Königin von Jordanien dar. Abteilungen der "Family Protection Unit" befinden sich in jedem Regierungsbezirk. Des Weiteren gibt es neben offiziellen Stellen auch NGOs, wo sich betroffene Frauen in Fällen von Gewalt und sexuellen Übergriffen hinwenden können. Die Täter, wenn auch eigene Familienmitglieder, wurden zu langen Haftstrafen verurteilt und eingesperrt. In diesen Themenbereichen geht Jordanien im Nahen Osten einen vorbildlichen und westlichen Weg. Wenn die Tat, wirklich wie angezeigt passierte, haben Frauen in Jordanien nicht mit Repressalien zu rechnen. Sie werden geschützt und die Täter gerichtlich verfolgt und bestraft.

 

Wenn man den Vorfällen in der Familie einen GFK-Konnex zu Grunde legt, so wäre eine Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention nur insofern relevant, als der Staat aus einem GFK-Grund nicht willig bzw. fähig ist, der Beschwerdeführerin Schutz zu gewähren. Dies kann jedoch im konkreten Fall nicht angenommen werden. Zunächst kann aufgrund der Länderberichte nicht davon ausgegangen werden, dass die jordanischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch haben sich im konkreten Fall der Beschwerdeführerin Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Polizei untätig geblieben wäre und sie nicht schützen könnte bzw. würde. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass es in Jordanien in der Vergangenheit einige Fälle gab, in denen Druck auf Familien ausgeübt wurde, dass sie die Angelegenheit mittels Mediation und nicht über das Gericht austragen sollen, kann auf Basis der Länderberichte nicht geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in den von der Beschwerdeführerin geschilderten Angelegenheiten nichts unternimmt oder sich systematisch (politisch) beeinflussen lässt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Ebenso wenig kann aufgrund der Quellenlage angenommen werden, dass die jordanische Justiz bei begründetem Sachverhalt kein Verfahren einleiten würde, und hat die Beschwerdeführerin dies auch nicht substantiiert behauptet.

 

Es haben sich somit im gegenständlichen Fall keine ausreichend nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die jordanischen Behörden der Beschwerdeführerin effektiven Schutz gegen allfällige Angriffe und Bedrohungen tatsächlich verweigern würden.

 

Lediglich ergänzend ist dazu anzumerken, dass die Polizei zwar nicht in jedem Fall im Stande sein wird, ein Verbrechen (bzw. eine gerichtlich strafbare Handlung) bereits im vornherein zu verhindern oder in der Folge lückenlos aufzuklären, dies jedoch nicht als Argument für ein völliges Fehlen staatlichen Schutzes herangezogen werden kann. Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass polizeiliche Erhebungen auch längere Zeit andauern und unter Umständen auch erfolglos bleiben können. Daraus kann jedoch weder auf eine mangelnde Schutzfähigkeit noch auf die fehlende Schutzwilligkeit der Behörden geschlossen werden.

 

2.2.4.4. Die seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegenzutreten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 18.06.2014, Zl. Ra 2014/20/0002-7) hielt zudem nunmehr auch explizit fest, dass, insoweit das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, das im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzende Anführen weiterer - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Gründe, nicht dazu führt, dass die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.

 

2.2.4.5. In der Beschwerde wird kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Ebenso wenig wurde der Argumentation in der Beweiswürdigung in substantiierter Weise entgegengetreten.

 

2.2.4.6. Wenn die BF das durchgeführte Ermittlungsverfahren bemängelt, ist diesbezüglich anzumerken, dass das Protokoll der Einvernahme den Eindruck vermittelt, dass der zuständige Organwalter die Beschwerdeführerin ausführlich und objektiv zu ihrem behaupteten Herkunftsstaat und ihrem Ausreisevorbringen befragt und sie mit entscheidungswesentlichen Fragen konfrontiert hat. Bei Betrachtung der gegenständlichen Niederschrift kann dieser Vorwurf daher nicht nachvollzogen werden. Die Asylbehörde hat die materielle Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Hierbei kann oftmals nur auf eine genaue Befragung des Asylwerbers zurückgegriffen werden. Hinsichtlich der Fragestellung lassen sich aber keine Besonderheiten feststellen und bei genauer - gesamthafter - Betrachtung hinterlässt die Niederschrift den Eindruck, dass sie den konkreten Verlauf wiedergibt. Der Niederschrift ist weiters nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin während der Einvernahme diese Beanstandung kundtat, was aber ihrer Mitwirkungsverpflichtung entsprochen hätte.

 

Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen des Asylverfahrens umfassend niederschriftlich vom BFA einvernommen, wobei sie in dieser Einvernahme die Gelegenheit hatte, sich zu ihren Verfolgungsgründen und Rückkehrbefürchtungen zu äußern. Das BFA beließ es dabei nicht bei offenen Fragen, sondern versuchte auch durch konkrete Fragestellung den Grund ihre Furcht und zu erwartende Rückkehrprobleme zu erhellen, was nach Ansicht der erkennenden Richterin auch hinreichend geschehen ist. Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221).

 

Die Behörde ist auch im Rahmen der Refoulementprüfung nur in dem Umgang zu amtswegigen Ermittlungen verhalten, in dem ein ausreichend konkretes, eine maßgebliche Bedrohung aufzeigendes Vorbringen erstattet wird, nicht aber zur Prüfung, ob die Partei denkbarerweise irgendwelchen Gefährdungen ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 19.11.2002, 2002/21/0185, 3.9.1997, 96/01/0474, 30.9.1997, 96/01/0205).

 

2.2.4.7. Insoweit von Seiten der BF im Rechtsmittelschriftsatz weiters moniert wurde, dass ihr bzw. ihrer Mutter das BFA Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG bezüglich (vermeintlicher) Widersprüche einzuräumen gehabt hätte, so ist dem zu entgegnen, dass das Bundesamt jedenfalls nicht angehalten war, die Asylwerber zu Widersprüchen in ihren eigenen Angaben in Ansehung ihres Asylantrages zu hören, weil keine Verpflichtung besteht, ihnen im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gem. § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu ihrem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihnen aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; 20.6.1990, 90/01/0041; 30.1.1998, 95/19/1713; 26.4.2001, 98/16/0265; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45).

 

Die Behörde bzw. das Gericht ist gds. nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

2.2.4.8. Des Weiteren wurde seitens der BF moniert, dass sie und ihre Mutter seit 2014 nicht mehr vom BFA einvernommen worden seien, obwohl es in den letzten Monaten regelmäßig zu Bedrohungen durch den Vater der BF gekommen sei und würden entsprechende – derzeit noch nicht vorliegende – Beweismittel im laufenden Rechtsmittelverfahren vorgelegt werden. Zusätzlich sei die BF schwanger. Zunächst ist festzuhalten, dass die Schwangerschaft bzw. mittlerweile erfolgte Geburt eines Sohnes von Seiten der erkennenden Richterin bereits bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurde. Darüber hinaus erlaubt sich die erkennende Richterin darauf hinzuweisen, dass die BF nicht im Jahr 2014 sondern zuletzt am 20.11.2015 vor der belangten Behörde einvernommen wurde. Jedenfalls wird im gegenständlichen Verfahren von der erkennenden Richterin auch nicht in Abrede gestellt, dass es seitens des Vaters der BF in der Vergangenheit gegenüber verschiedenen Familienmitgliedern zu gewaltsamen Übergriffen gekommen war. Dass es gegenwärtig im Zuge von Streitigkeiten zu verbalen Drohungen oder gar Gewalt gekommen wäre, wurde aber nunmehr lediglich unsubstantiiert behauptet. Entgegen der Ankündigung in der Beschwerde wurden entsprechende Beweismittel im laufenden Rechtsmittelverfahren auch nicht - etwa in der Stellungnahme vom 18.10.2017 - in Vorlage gebracht. Insoweit schilderte die volljährige Schwester (L508 2120646) in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.11.2016 auch, dass sie in Österreich durchaus wieder ein wenig Kontakt zu ihrem Vater hätte, mag sie im Falle seiner Übernachtung auch ein ungutes Gefühl bekommen und deshalb die Wohnung verlassen.

 

2.2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die getroffenen Feststellungen zur Situation in Jordanien gründen sich nunmehr auf die, im Wege der erfolgten Beweisaufnahme (siehe oben I.19.), in das Verfahren eingeführten aktuellen Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in Jordanien, denen die Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegentreten sind. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

 

Zur Auswahl der Quellen wird weiters angeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges bediente, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.

 

Bei Berücksichtigung der soeben angeführten Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen unter Berücksichtigung der Natur der Quelle und der Intention derer Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin um ausreichend ausgewogenes Material.

 

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben, wobei festzuhalten ist, dass die herangezogenen Länderfeststellungen überwiegend aus dem Jahr 2016 stammen.

 

Aufgrund des Umstandes, dass die dem Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zum überwiegenden Teil aus dem Jahr 2016 datieren, hat die erkennende Richterin in aktuelle Länderberichte zu Jordanien Einsicht genommen, wie etwa dem Amnesty International Report 2016/2017 vom 16.05.2017 sowie auf der Homepage des deutschen Auswärtigen Amtes (Abfrage am 28.12.2017) Nachschau gehalten und ist festzuhalten, dass sich aus all diesen Berichten keine aktuelle wesentliche Verschlechterung der allgemeinen Situation und der Sicherheitslage in Jordanien ergibt, weswegen es, insbesondere nach Prüfung der Situation in Jordanien anhand aktueller Berichte, auch nicht erforderlich war, dem Verfahren aktuellere Länderfeststellungen zu Grunde zu legen.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführerin ist den der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation zur Abgabe einer Stellungnahme mit Schreiben vom 04.10.2017 übermittelten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage in Jordanien nicht entgegen getreten.

 

Soweit in der Beschwerde moniert wird, dass die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen unvollständig und veraltet seien bzw. sich das BFA nicht ausreichend mit dem persönlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin bzw. mit konkreten Länderfeststellungen zu Jordanien auseinandergesetzt habe, so ist dem zu entgegnen, dass sich die erkennende Richterin nunmehr auf die mit Schreiben vom 04.10.2017 an die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation übermittelten und in das Verfahren eingeführten umfassenden aktuellen Länderfeststellungen stützen konnte.

 

Was im Übrigen die kritisierte Korruption staatlicher Behörden in Jordanien betrifft, so kann dies auch den oben getroffenen Feststellungen entnommen werden. Eine potentielle individuelle Gefährdung oder Bedrohung der Beschwerdeführerin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kann jedoch derzeit aufgrund der von der erkennenden Richterin herangezogenen Länderfeststellungen nicht erkannt werden.

 

Weitergehende Feststellungen zur Thematik häuslicher Gewalt bzw. sexueller Übergriffe gegen Frauen erübrigen sich im Hinblick auf die oben dargelegte Beweiswürdigung. Die in der Beschwerde thematisierte Situation von Frauen in Jordanien ist dem Bundesverwaltungsgericht bekannt und geht diesbezüglich aus den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Jordanien auch hinreichend hervor, dass Ehrverbrechen und Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen ein Problem darstellen.

 

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat sollen ein objektives Bild über die gegenwärtige Situation im Herkunftsstaat zeichnen. Dazu ist es freilich nicht erforderlich, dass jede verfügbare Quelle betreffend den Herkunftsstaat ausgewertet und dargestellt wird, zumal ansonsten eine Uferlosigkeit der erforderlichen Ermittlungen zu befürchten ist. Entscheidend ist, dass Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden, um die notwendige Ausgewogenheit sicherzustellen und dermaßen einen möglichst realitätsnahen Gesamteindruck im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat zu zeichnen. Daran besteht im gegenwärtigen Fall aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kein Zweifel.

 

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

 

2.2.6. Von Seiten der BF wurde in der Beschwerde ferner der Antrag gestellt, die volljährige Schwester (L508 2120646) als Zeugin zu befragen. Des Weiteren wurde in der Beschwerdeergänzung vom 02.06.2017 die zeugenschaftliche Einvernahme einer Psychotherapeutin des Interkulturellen Psychotherapiezentrums NÖ und in der schriftlichen Stellungnahme vom 18.10.2017 die Einholung weiterer Informationen über ein am 22.05.2017 bei der Jugendhilfe mit der BF stattgefundenes Gespräch beantragt.

 

Hierzu ist auszuführen, dass derartige Schritte nicht erforderlich waren, zumal die Schlüssigkeit und Richtigkeit der vom BFA bzw. von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entkräftet wurde. Der Sachverhalt ist auf Grund der obigen Ausführungen, etwa auch aufgrund des Befundberichts vom 02.06.2017, als geklärt anzusehen, weshalb nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation der Beschwerdeführerin unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).

 

Das Bundesveraltungsgericht darf ein angebotenes Beweismittel dann ablehnen, wenn dieses an sich, also objektiv nicht geeignet ist, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (VwGH 15.11.1983, 82/11/0084; 16.12.1992, 92/02/0257; 28.11.1995, 93/05/0173).

 

Im Falle der Beschwerdeführerin ist auch keine derart spezielle Situation gegeben, welche weitere konkrete Erhebungen erforderlich machen würde. Der diesbezügliche Antrag war daher abzuweisen.

 

2.2.7 Insoweit das Bundesamt der BF das Parteiengehör versagt haben mag, ist gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) eine solche Verletzung des Parteiengehörs jedenfalls saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Beschwerde dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der verwaltungsbehördlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Diese Anforderungen an den Bescheid des BFA sind erfüllt, eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs ist daher durch die Stellungnahmemöglichkeit in der Beschwerde als saniert anzusehen.

 

2.2.8. Die Beschwerdeführerin beantragt in ihrer Beschwerdeschrift eine mündliche Verhandlung, in welcher auch der Gatte ihrer Mutter befragt werden soll. Hierbei wurde aber nicht angeführt, was bei einer weiteren - Einvernahme im Asylverfahren - konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (z.B. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der Beweiswürdigung des BFA, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.

 

2.2.9. Der Beschwerdeschriftsatz enthält im Übrigen bezüglich Spruchpunkt I. und II. keine konkreten Ausführungen, die zu einer anders lautenden Entscheidung führen könnten und vermag daher die erkennende Richterin auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlassen, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) (Spruchpunkt I)

 

3.1. Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

3.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Die Beschwerdeführerin vermochte nämlich keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen (vgl. Punkt 2 ff des gegenständlichen Erkenntnisses).

 

3.1.3. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass jordanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

3.1.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA abzuweisen. Dies auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführerin auch aus dem Verfahren ihrer Mutter keinen derartigen Status ableiten kann, da deren Beschwerde mit Erkenntnis des heutigen Tages im Ergebnis ebenfalls gleichlautend entschieden wurde.

 

3.2. Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Abs 3 leg cit).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

 

3.2.2. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Gefährdung noch einer sonstigen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich, auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.

 

Die Beschwerdeführerin hat weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Laut dem psychotherapeutischen Befundbericht vom 02.06.2017 wurde bei der BF eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) bzw. eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, mit somatischem Syndrom (F 33.11) diagnostiziert.

 

Was diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen betrifft, so ist auf die vom BFA und der erkennenden Richterin herangezogenen Länderfeststellungen zu verweisen, wonach die medizinische Versorgung in Jordanien gewährleistet ist und psychische Erkrankungen in Jordanien insoweit behandelbar sind.

 

Dass der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung nach Jordanien in signifikanter Weise eine Verschlechterung erfahren würde, kann nicht festgestellt werden.

 

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer solchen Erkrankung leidet, welche ein Abschiebehindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK darstellen würde.

 

Darüber hinaus ist auszuführen:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Jordanien dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, B 2400/07-9, zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung.

 

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es daher für entscheidend, welche Haltung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Frage von krankheitsbedingten Abschiebehindernissen und einer ausreichenden medizinischen Versorgung in den Zielstaaten unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK im Rahmen seiner authentischen Interpretation dieser Konventionsbestimmung einnimmt. Zu diesem Zweck ist auf die jüngere einschlägige Rechtsprechung des EGMR in den folgenden Judikaten abzustellen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

 

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

 

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

 

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

 

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

 

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

 

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

 

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht denselben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).[...]

 

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

 

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

 

Die beiden letztgenannten Entscheidungen beinhalten somit, dass bei körperlichen Erkrankungen im allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht zB für AIDS in Tansania sowie Togo und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant sind.

 

In Bezug auf psychische Erkrankungen, wie zB schweren Depressionen und PTBS mit suizidaler Einengung, haben auch nachfolgende, sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des EGMR ergebende, Überlegungen (vgl. auch VfGH v. 6. März 2008, B 2400/07 sowie Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des EGMR) für eine Art 3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen:

 

Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung.

 

Im Falle einer diagnostizierten PTBS, die auf traumatische Erlebnisse im Herkunftsstaat zurückzuführen ist, wird diese umso unbeachtlicher respektive unglaubwürdiger, je später im Verfahren die dieser Erkrankung behauptetermaßen zugrunde liegenden Erlebnisse vorgebracht werden. Nach Ansicht des EGMR kann zwar die Erkrankung erst nach Jahren ausbrechen bzw. erkannt werden, vom Asylwerber kann aber erwartet werden, dass er den traumakausalen Sachverhalt bereits in einem frühen Verfahrensstadium erstmals erwähnt.

 

Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.

 

Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete risikominimierende Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garantien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einem ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reiche hierzu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrerer vorangegangener Suizidversuche.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

In Jordanien ist eine medizinische Grundversorgung gewährleistet. Dass die diesbezüglichen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland allenfalls schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist gemäß der EGMR-Judikatur nicht ausschlaggebend.

 

Inwieweit sich der gesundheitliche Zustand der Antragstellerin im Falle eines Aufenthaltes in Österreich bzw. einer Behandlung in Österreich verbessern sollte, wurde nicht vorgebracht, ist nicht erkennbar und kann aber auch nicht festgestellt werden, dass sich dieser bei einer Überstellung nach Jordanien und dortiger medizinischer Betreuung verschlechtern würde.

 

Eine akute lebensbedrohende Krankheit der Beschwerdeführerin, welche eine Überstellung nach Jordanien gemäß der dargestellten Judikatur des EGMR verbieten würde, liegt im konkreten Fall jedenfalls nicht vor. Auch konnte nicht konkret dargelegt werden, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Jordanien verschlechtern würde.

 

Durch eine Abschiebung der Beschwerdeführerin wird Art. 3 EMRK nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was in Jordanien jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung in Jordanien den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant.

 

Im gegenständlichen Fall mag es zwar sein, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat hinter denen in Österreich zurückbleiben, aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens ist jedoch bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen festzustellen, dass hierdurch im gegenständlichen Fall die vom EGMR verlangten außerordentlichen Umstände nicht gegeben sind (vgl. hierzu insbesondere auch weiters Urteil des EGMR vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599, Case of Bensaid v. The United Kingdom oder auch VwGH v. 7.10.2003, 2002/01/0379).

 

In Jordanien erfolgen weder grobe, massenhafte Menschenrechtsverletzungen unsanktioniert, noch ist nach den seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Feststellungen von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, weshalb auch kein "real Risk" (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen ist.

 

Da sich der Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die Beschwerdeführerin als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Es ist unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation (mit Ausnahme der psychischen Situation gesunde junge Frau mit sozialem Netz durch ihre Familienangehörigen in Jordanien [Onkel, Tante und Halbschwester mütterlicherseits] und mehrjähriger Grundschulbesuch) nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführerin eine Existenzsicherung in Jordanien, auch an anderen Orten bzw. in anderen Landesteilen Jordaniens, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, nicht möglich und zumutbar sein sollte. Es wäre der Beschwerdeführerin letztlich auch zumutbar, durch eigene und notfalls wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Verwandte, sonstige sie schon bei der Ausreise unterstützende Personen, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können.

 

Es gibt auch keine entsprechenden Hinweise darauf, dass eine existenzielle Bedrohung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Versorgung und Sicherheit in Jordanien gegeben ist.

 

Im Fall der erwachsenen Beschwerdeführerin kann bei einer Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass sie im Fall einer Rückkehr nach Jordanien gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre. Ein Teil der Familie der Beschwerdeführerin, wie etwa ein Onkel, eine Tante und eine Halbschwester mütterlicherseits, leben nach wie vor in Jordanien und ist somit ein soziales Netz gegeben, in welches sie bei ihrer Rückkehr wieder Aufnahme finden könnte. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in Jordanien völlig allein und ohne jede soziale Unterstützung wäre. Es sind zudem keine Gründe ersichtlich, warum sie als Erwachsene nicht selbst in Jordanien einer Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte. Sie ist im arabischen Kulturraum, teilweise auch in Jordanien, aufgewachsen, hat die überwiegende Zeit ihres Lebens in Libyen und Jordanien verbracht, wurde dort sozialisiert und es kam nicht hervor, dass sie in Jordanien keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte mehr hat. Ein Onkel, eine Tante und eine Halbschwester mütterlicherseits leben nach wie vor in Jordanien und ist für ihre Versorgung im Falle der Rückkehr nach Jordanien gesorgt.

 

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens männlicher Verwandter könnte, wie bereits ausgeführt, staatlicher Schutz bei den Behörden des Heimatlandes erlangt werden.

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der Beschwerdeführerin (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt verwirklichte, welcher in Jordanien mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Ebenso betreffen die festgestellten Problemfelder zu einem erheblichen Teil Bereiche, von denen die Beschwerdeführerin nicht betroffen ist.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person der Beschwerdeführerin begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abzuweisen. Dies auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführerin auch aus dem Verfahren ihrer Mutter keinen derartigen Status ableiten kann, da deren Beschwerde mit Erkenntnis des heutigen Tages im Ergebnis gleichlautend entschieden wurde.

 

3.3. Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung auf Dauer sowie Erteilung eines Aufenthaltstitels:

 

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Gem. § 382b Abs. 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf deren Antrag

 

1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und

 

2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten,

 

wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.

 

Bei einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 ist keine Frist zur Einbringung der Klage (§ 391 Abs. 2) zu bestimmen, wenn die einstweilige Verfügung für längstens sechs Monate getroffen wird (Abs. 2 leg cit). Verfahren in der Hauptsache im Sinne des § 391 Abs. 2 können Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse und Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung sein (Abs. 3 leg cit).

 

Gem. § 382e Abs. 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag

 

1. den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten und

 

2. aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden,

 

soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.

 

Bei einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 ist keine Frist zur Einbringung der Klage (§ 391 Abs. 2) zu bestimmen, wenn die einstweilige Verfügung für längstens ein Jahr getroffen wird. Gleiches gilt für eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner (Abs. 2 leg cit). Wird eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 gemeinsam mit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 erlassen, so gelten § 382b Abs. 3 und § 382c Abs. 4 sinngemäß (Abs. 3 leg cit). Das Gericht kann mit dem Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 die Sicherheitsbehörden betrauen. § 382d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden. Im Übrigen sind einstweilige Verfügungen nach Abs. 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil zu vollziehen (Abs. 4 leg cit).

 

3.3.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin mit Bescheid des BFA vom 27.01.2016 eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG erteilt wurde und diesbezüglich am 19.04.2017 ein Verlängerungsantrag gem. § 59 AsylG beim BFA eingelangt ist. Letzterer wurde vom BFA mit Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides abgewiesen und der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt.

 

Dem BFA ist in diesem Punkt nicht entgegenzutreten, mag im August 2014 gegen den Vater der BF auch eine Wegweisung bzw. ein Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen nach § 38a SPG im Hinblick auf eine Schwester (L508 2120646) als gefährdete Person ausgesprochen worden sein. Von der erkennenden Richterin wird auch nicht in Abrede gestellt, dass es in der Vergangenheit zu gewaltsamen Übergriffen des Vaters auf seine minderjährigen Kinder gekommen sein mag, allerdings konnte die BF im Ergebnis nicht glaubhaft machen, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist, zumal etwa die Schwester der BF (L508 2120646) in deren Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.11.2016 schilderte, dass sie in Österreich durchaus ein wenig Kontakt zu ihrem Vater hätte, wobei sie im Falle seiner Übernachtung aber ein ungutes Gefühl bekomme und deshalb die Wohnung verlasse. Im Übrigen konnte im Rahmen der Ermittlungen des BFA auch erhoben werden, dass es im Falle der Rückkehr der BF nach Jordanien auch offizielle Stellen und NGOs gebe, wo sich betroffene Frauen in Fällen von Gewalt und sexuellen Übergriffen hinwenden können. Auch gebe es bei der jordanischen Polizei eine eigene Abteilung für Familienschutz. Dies sei ein Anliegen der Regierung bis hin zur Königin von Jordanien. Täter, wenn auch eigene Familienmitglieder, seien zu langen Haftstrafen verurteilt und eingesperrt worden, wobei Jordanien in diesen Themenbereichen im Nahen Osten einen vorbildlichen und westlichen Weg gehe. Wenn eine Tat, wirklich wie angezeigt passiert sei, hätten die Frauen in Jordanien nicht mit Repressalien zu rechnen. Sie würden geschützt und die Täter gerichtlich verfolgt und bestraft werden. Im Übrigen gedenkt der Vater der BF ohnehin nicht, nach Jordanien zurückzukehren, sondern wolle dieser wieder nach Libyen reisen.

 

Die Voraussetzungen für die beantragte Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, zumal ihr Aufenthalt auch nicht geduldet und sie ebenso wenig etwa noch Zeugin oder Opfer in Gerichtsprozessen zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammengang mit solchen strafbaren Handlungen ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

3.3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

3.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

3.3.4.1. Im gegenständlichen Fall ergab sich im Ermittlungsverfahren, dass sich der Vater, die Mutter, der nunmehrige Gatte der Mutter, eine volljährige Schwester, zwei volljährige Brüder, zwei weitere minderjährige Geschwister der Beschwerdeführerin, ihr Lebensgefährte und ihr minderjähriger Sohn in Österreich aufhalten.

 

Die Beschwerde zweier volljähriger Brüder (L508 2122680 und L508 2107262) und der volljährigen Schwester (L508 2120646) gegen die Entscheidung des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag in allen Spruchpunkten abgewiesen.

 

Was die Mutter (L508 2107264), deren nunmehrigen Ehegatten (L508 2112099), eine minderjährige Schwester (L508 2130433) und einen minderjähriger Bruder (L508 2130435) betrifft, so wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag seitens der erkennenden Richterin gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 30.04.2018 vorübergehend unzulässig erklärt. Von einem also unter dieser Überschrift zu berücksichtigenden Familienleben mit Personen, die in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigt sind, kann somit nicht gesprochen werden, wobei davon auszugehen ist, dass sich der familiäre Lebensmittelpunkt der BF durch die Geburt ihres Sohnes ohnehin auf diese Person und ihren Lebensgefährten verlagert hat, zumal sie Letzteren bereits im Jahr 2016 ehelichen wollte.

 

Zum Vater der BF ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in Beziehung zu dieser Person nicht von einem relevanten Familienleben auszugehen ist. Gegen den Vater der BF wurde im August 2014 eine Wegweisung bzw. ein Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen nach § 38a SPG im Hinblick auf die Schwester der BF (L508 2120646) als gefährdete Person ausgesprochen und wurde gegen den Vater bereits zuvor in Jordanien aufgrund von gewaltsamen Übergriffen gegen die Schwester der BF (L508 2120646) behördlich ermittelt. Ein weiteres Indiz für das Nichtvorliegen eines Familienlebens stellt auch der Umstand dar, dass die Schwester der BF (L508 2120646) in deren Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.11.2016 klar zum Ausdruck brachte kaum Kontakt zu ihrem Vater zu haben, wobei sie im Falle seiner Übernachtung immer ein ungutes Gefühl bekomme und deshalb die Wohnung verlasse. Ferner wurde nunmehr in der Stellungnahme vom 18.10.2017 sogar dargelegt, dass zwischen der BF und ihren minderjährigen Geschwistern und deren Vater seit Monaten kein Kontakt besteht. Schließlich darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Beschwerdeakt des Vaters entnommen werden kann, dass dieser nicht für den Unterhalt seiner Kinder aufkommt, zumal er selbst derzeit auf staatliche Hilfe angewiesen ist. All diese Umstände ergeben in einer Gesamtbetrachtung, dass das Familienleben zwischen dem Vater der Beschwerdeführerin und seinen Kindern, insbesondere auch der BF selbst, nicht mehr besteht.

 

Da aber dem Lebensgefährten und in der Folge im Familienverfahren ihrem in Österreich nachgeborenen Sohn der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, stellt eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bezüglich der Beschwerdeführerin einen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar.

 

3.3.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

 

 

 

 

 

 

9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560;

16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),

 

 

 

 

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

 

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten des BF ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Es ist weiters als wesentliches Merkmal zu berücksichtigen, wenn – anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) – die Integration der Beschwerdeführer während eines einzigen Asylverfahrens (dessen Dauer im durch den Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall sieben Jahre betrug), welches nicht durch eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer und seine Familie geprägt war, erfolgte.

 

Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Entsprechend der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.4.2015, Ra 2014/18/0146 schlägt zwar die Rechtswidrigkeit eines in Bezug auf die Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Spruchpunkte (Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005, Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005) aufgehobenen Erkenntnisses nicht nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 auf andere Familienangehörige durch, unter dem Blickwinkel des durch Art. 8 MRK geschützten Familienlebens können sich aber auch die gegenüber anderen Familienangehörigen erlassenen Rückkehrentscheidungen als inhaltlich rechtswidrig erweisen. Das Verwaltungsgericht muss daher darlegen, dass ein Eingriff in durch Art. 8 MRK geschützte Rechte aus überwiegenden öffentlichen Interessen geboten wäre und die Familie eine vorübergehende, ihnen zuzumutende Trennung in Kauf nehmen müsste.

 

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten bezogen auf die Beschwerdeführerin Folgendes:

 

Die BF ist seit ihrer Antragstellung im Juli 2014 bzw. deren minderjähriger Sohn seit seiner Geburt im Oktober 2017 durchgehend in Österreich aufhältig. Die BF reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. In der Folge wurde ihr mit Bescheid des BFA vom 27.01.2016 eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gem. § 57 AsylG erteilt.

 

Die Beschwerdeführerin verfügt über die bereits beschriebenen privaten und familiären Anknüpfungspunkte. Die BF wollte den Vater ihres Kindes bereits im Jahr 2016 ehelichen, wobei der damalige Antrag die BF, für ehemündig zu erklären, vom BG XXXX mit Beschluss vom 24.10.2016 noch abgewiesen wurde. Im gegenständlichen Fall ist von einem ausgeprägten Familienleben der BF mit ihrem im Oktober 2017 geborenen Sohn und dem Vater ihres Kindes auszugehen.

 

Die Beschwerdeführerin ist mit Ausnahme ihrer psychischen Situation gesund und strafrechtlich unbescholten. Die Beschwerdeführerin besucht(e) einen Deutschkurs und bemüht sich, sich sprachlich zu integrieren.

 

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die BF nicht gezwungen ist, nach ihrer Ausreise nach Jordanien die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihr frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten.

 

Da allerdings dem in Österreich geborenen Sohn der BF mit Bescheid des BFA vom 06.11.2017 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und auch entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, eine Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels "moderner Kommunikationsmittel" – "per Telefon, skype oder mittelfristig gesehen per Internet" mit einem Kleinkind kaum möglich ist und einem Vater/ Mutter grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zukommt (vgl. dazu auch das h. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2009/21/0303) (VwGH 16.5.2012, 2011/21/0277), relativiert sich diese Möglichkeit der Beschwerdeführerin.

 

Bezüglich der Bindung der BF zu Jordanien ist auszuführen, dass nicht davon auszugehen ist, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat. Die Beschwerdeführerin beherrscht nach wie vor die Sprache Arabisch, sodass auch eine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass die erwachsene Beschwerdeführerin den überwiegenden Teil ihres Lebens im arabischen Kulturraum, teilweise auch in Jordanien, verbracht hat, kann daher nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ihrem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Jordanien - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Zusammenfassung:

 

Vor dem Hintergrund der gegenständlichen Sachlage ist unter Berücksichtigung der einschlägigen Judikatur im Rahmen der vorgenommenen Interessensabwägung davon auszugehen, dass im konkreten Fall die persönlichen Interessen im Rahmen einer Abwägung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen – insbesondere aufgrund der Tatsache, dass einem Mitglied der Kernfamilie (minderjähriger Sohn) der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt wurde. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die erkennende Richterin ist daher eine Rückkehrentscheidung unzulässig.

 

Im Rahmen der Interessensabwägung des § 9 BFA-VG war demnach für einen Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zu entscheiden, weil die drohende Verletzung des Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern dauerhaft sind.

 

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen in der vorliegenden Konstellation nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Interessen der Beschwerdeführerin angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens.

 

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin auf Dauer unzulässig ist.

 

3.3.6. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

 

Die Beschwerdeführerin belegte zwar einen Sprachkurs, die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG kann sie aber damit nicht vorweisen. Ebenso wenig übt sie derzeit eine erlaubte Beschäftigung entsprechend § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG aus. Da bei der Beschwerdeführerin aber die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AsylG zum Tragen kommen, war ihr eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG auszufolgen, die BF hat daran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken.

 

Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

 

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018) hielt in diesem Zusammenhang fest, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt.

 

Die in § 24 Abs. 4 VwGVG getroffene Anordnung kann nach dessen Wortlaut nur zur Anwendung gelangen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Schon deswegen kann - entgegen den Materialien - nicht davon ausgegangen werden, diese Bestimmung entspräche (zur Gänze) der Vorgängerbestimmung des § 67d Abs. 4 AVG. Zudem war letztgenannte Norm nur auf jene Fälle anwendbar, in denen ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war. Eine derartige Einschränkung enthält § 24 Abs. 4 VwGVG nicht (mehr).

 

Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch:

trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.

 

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

 

* der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und

 

* bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen

 

* die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und

 

* das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen

 

* in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Verfahren den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung und der Erforschung der materiellen Wahrheit entsprochen. Eine mögliche Verletzung des Rechts auf Parteiengehör ist durch die Stellungnahmemöglichkeit in der Beschwerde als saniert anzusehen. Der Sachverhalt wurde daher nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt.

 

Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung.

 

Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung des BFA immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf, zumal das Bundesverwaltungsgericht die zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt aktuelle allgemeine Situation im Herkunftsstaat den Verfahrensparteien mit Schreiben vom 04.10.2017 zur Kenntnis gebracht hat (zum Auslangen einer schriftlichen Stellungnahmemöglichkeit zur Wahrung des Parteiengehörs: VwGH vom 17.10.2006, 2005/20/0459, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6; vgl. auch Erk d. VfGH vom 10.12.2008, U80/08-15).

 

Was das Vorbringen der BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen. Auch tritt die BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.

 

Nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (in der Folge als Charta bezeichnet) hat zwar jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht iSd des Art. 52 Abs. 1 der Charta ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts allerdings zulässig, weil sie eben - wie in der Charta normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 der Charta verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes). Das Unterbleiben der Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 der Charta normierte Voraussetzung (vgl. dazu zur im Ergebnis inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, nämlich § 41 Abs. 7 AsylG 2005, auch VfGH 27.9. 2011, U 1339/11-3). Daher ist auch aus europarechtlicher Sicht eine Verhandlung im Asylverfahren nicht zwingend vorgesehen.

 

Was die in der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes betrifft, so ist Folgendes anzumerken. Der Verfassungsgerichtshof hat sich (anlässlich von Beschwerden gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes) mit der GRC ausführlich in diesen Entscheidungen zu U 466/11 und U 1836/11, beide vom 14. März 2012, auseinandergesetzt. Auf das Wesentliche zusammengefasst gilt demnach in Verfahren, in denen Unionsrecht eine Rolle spielt, die EU-Grundrechte-Charta wie die Verfassung und sind Grundrechte, die durch diese EU-Charta garantiert sind, gleichsam verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, die vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden können. Der Verfassungsgerichtshof brachte aber im Zuge dieser Entscheidungen auch zum Ausdruck, dass er vor dem Hintergrund der in diesen Entscheidungen zitierten Rechtsprechung des EGMR weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 [im Ergebnis inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung zu § 21 Abs. 7 BFA-VG] hegt, noch habe der damalige Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung in den Anlassfällen einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt. Demnach steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde.

 

Zum Argument der Beschwerde, aufgrund der Entscheidung des EGMR, Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, sei eine mündliche Verhandlung abzuhalten, ist Folgendes auszuführen: Der EGMR hegte in seiner Entscheidung Denk gegen Österreich, vom 05.12.2013, 23396/09, keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 [im Ergebnis inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung zu § 21 Abs. 7 BFA-VG]. Tatsächlich wurde Österreich im Rahmen dieser Entscheidung wegen Verletzung des Art. 6 EMRK wegen Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung vor dem VwGH betreffend ein auf das Arbeitslosenversicherungsgesetz gestütztes Verfahren (Streichung von Notstandshilfe wegen Vereitelung eines Stellenangebots) verurteilt. Der VwGH sei demnach das erste und einzige Tribunal gewesen, das über das Vorbringen der Beschwerdeführer entschieden habe, und die Nachprüfung habe nicht nur rechtliche, sondern auch wichtige Sachverhaltsfragen betroffen. Ganz abgesehen davon, dass sich der EGMR in seiner in der Beschwerdeschrift zitierten Entscheidung somit nicht auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 [im Ergebnis inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung zu § 21 Abs. 7 BFA-VG] bezieht, da es sich um ein Verfahren im Bereich der Arbeitslosenversicherung handelt, stellt das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall nicht das erste und einzige Tribunal dar, welches das Anliegen der BF überprüfen könne, zumal hier noch die nachprüfende Kontrolle durch den VwGH und VfGH möglich ist.

 

Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

 

Letztlich ist auch nochmals auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.06.2014, Zl. Ra 2014/20/0002-7 hinzuweisen, in welchem dieser nunmehr auch explizit festhält, dass, insoweit das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, das im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzende Anführen weiterer - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Gründe, nicht dazu führt, dass die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.

 

Des Weiteren ist auch auf nachfolgend angeführte Entscheidungen des Verwaltungsgerichts-hofes sowie des Verfassungsgerichtshofes, in welchen insbesondere die Frage der Zulässigkeit vom Absehen der Verhandlungspflicht thematisiert wird, zu verweisen. In diesen Entscheidungen wurden, gegen Erkenntnisse der Gerichtsabteilung L508 (folglich der auch in diesem Verfahren zuständigen Gerichtsabteilung) eingebrachte Revisionen wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen bzw. wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Vgl. etwa VwGH: Ra 2014/01/0029-4 vom 18. Juni 2014, Ra 2014/20/0002-7 vom 18. Juni 2014, Ra 2014/01/0047-5 vom 16. Juli 2014, Ra 2014/18/0020-5 vom 02.09.2014, Ra 2014/01/0003-10 vom 28.11.2014, Ra 2014/19/0106-7 vom 26.11.2014, Ra 2014/180059-12 vom 22.04.2015, Ra 2016/20/0235-5 vom 28. Oktober 2016, Ra 2016/18/0268 vom 10.03.2017, Ra 2017/20/0123-15 vom 02.08.2017 sowie Ra 2017/18/0238-4 vom 30.08.2017 und VfGH: E 1191/2014-7 vom 18.09.2014.

 

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Punkt 2. bis 4. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht der erkennenden Richterin auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

 

Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen, insbesondere der Abwägung des Privat- und Familienlebens, auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung zu Fragen des Art. 8 EMRK wurde bei den Erwägungen unter A) wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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