European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00068.15M.0412.000
Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden verfahrenseinleitenden Antrag (Haupt‑ und Eventualbegehren) aufgetragen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung:
Am 8. 11. 2013 stellte die Antragstellerin , eine juristische Person des Kirchenrechts, beim Erstgericht den Antrag, die ihr Eigentumsrecht beschränkenden Eintragungen unter B‑LNr 1c ob der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je des Grundbuchs ***** zu löschen. Hilfsweise („bei der Erforderlichkeit umfangreicher Beweisaufnahmen aus den Verlassenschaftsakten vor deren Vornahme“) beantragte sie die Beschränkung dieser Anmerkungen auf die in einem vorgelegten Gutachten (Beilage ./Z) als „von A***** L***** erlangt“ ausgewiesenen Flächen. In ihrem Antragsvorbringen stützte sie sich im Zusammenhalt mit den von ihr vorgelegten Urkunden auf folgenden Sachverhalt:
Die am ***** 1864 im 86. Lebensjahr verstorbene Erblasserin war unverheiratet und hatte keine Kinder, jedenfalls aber mehrere Geschwister. In ihrer vor dem k.k. Bezirksvorsteher und einem Kanzellisten als „ Gerichts‑Commission “ zu Protokoll gegebenen, sowohl von der Erblasserin, als auch „ commissionel “ gefertigten letztwilligen Anordnung vom 30. 9. 1861 hatte sie in Punkt 1. alle ihre früheren letztwilligen Anordnungen aufgehoben und ua verfügt :
„ 2. Das mir gehörige Schlössl samt dem obern Anger, den Frühe- und Baumgarten den dazu gehörigen Wäldern mit allen Rechten und Gerechtigkeiten sub Cort. N°‑2 litt. A, C, und D vermache ich unentgeltlich den *****.
Jedoch ist das genannte ***** verpflichtet, durch die ***** die Winter- und Sommerschule der weiblichen Jugend unentgeldlich zu halten.
[…] Sollten die ***** das genannte Vermächtnis oder Erbschaft mit der Verbindlichkeit des Schulhaltens nicht annehmen wollen oder können, oder sollte der Orden der ***** in Tyrol nicht eingeführt werden dürfen, oder derselbe aufgehoben werden, so sollen das Schlössl, der Anger, mit den Gärten, Wäldern und Zugehör meinen gesetzlichen Erben eigentümlich zufallen.
[…]
3. Den drei Töchtern meines Bruders P***** L***** als: K*****, F***** und T***** L***** vermache ich und zwar jeder 100 fl.‑kr. Reichswährung zusammen 300 fl.‑kr. Reichswährung.
4. Meine Geschwister A***** und T***** L***** sollen lebenslänglich die freie, unentgeldliche Herberge im Schlössl haben.
[…]
6. […] Schließlich muss ich noch die Beschränkung beisetzen, dass das Schlössl samt Zugehör Anger und Garten niemals an einen Akatholiken verkauft und dass das Schlössl nie zu einer Fabrik verwendet werden dürfe. Jeder dieser Beschränkung widersprechende Akt soll ungiltig sein. […]
Dies ist mein letzter Wille und ich bitte, dass selber pünktlich aufrecht erhalten werde.“
Mit Beschluss des k.k. Bezirksamts zu Telfs als Gericht vom 16. 4. 1865, N 1018/111 IV, wurde der Nachlass aufgrund des „gerichtlichen Testaments vom 30. September 1861 und nach der Abhandlung sowie bedingter Erbserklärung vom 15. d. M. März [1865] zum getheilten Eigenthum“ wie folgt eingeantwortet:
„I. Der löbliche Orden der ***** erhält eingeantwortet zum Eigentum folgende Realitäten, als:
No Cat. 2. litt A, C und D der Gemeinde *****
Den adeligen Ansitz Thurm das Schlössl genannt samt Hofstatt Zu‑ und Ingebäude, Brunnengerechtigkeit Aus‑ und Einfahrt und anderen Gerechtigkeiten aus dem Erdgeschoße und zwei Stöcken bestehend mit einer Hauskapelle mit Garten, Baumgarten und Anger um das Haus herum von beiläufigen 7 ½ Star Land. Zu diesen Realitäten gehören auch Waldteile. Diese Realitäten hat die Erblasserin von ihrem Bruder A***** L***** laut Urkunde vom 8. Oktober 1855 v. b. fol. 2897 gekauft. [...]
II. K*****, F***** und T***** L*****, Töchter des erblasserischen Bruders P***** L*****, erhalten eingeantwortet zusammen ein Legat von 300 Gulden […]
III. […] Nach den Bestimmungen des allseitig anerkannten Testamentes vom 30. September 1861 haben
1. die ***** in ***** die Winter‑ und Sommerschule für die weibliche Jugend der Gemeinde ***** unentgeltlich zu halten.
[…]
Die Verfachung dieser Einantwortungsurkunde zu Erwirkung der Eigentum‑Rechte wird bewilligt.
Hiermit wird diese Abhandlung für beendet erklärt.“
Am 18. 4. 1865 wurde eine Abschrift der Einantwortungsurkunde zur Erwirkung der Eigentumsrechte dem Verfachbuch sub fol. ***** einverleibt.Eine Beschränkung des Eigentumsrechts an den Grundstücken wurde nicht eingetragen.
Mit Beschluss vom 5. 9. 1865 wurde auf Antrag eines Bevollmächtigten der ***** die Einantwortungsurkunde und das Verfachbuch sub fol. ***** hinsichtlich der Beschreibung der Realitäten „berichtiget und ergänzt“ und diese Änderung im Verfachbuch vollzogen.
Der Umfang des Eigentums der Antragstellerin und insbesondere die Grenze zum benachbarten Besitz des P***** L***** wurde in einem Protokoll des k.k. Bezirksgerichts Telfs vom 27. 9. 1872 festgehalten und bestimmt. Diesem Protokoll wurde ein „Situations‑Plan“ beigeschlossen.
Am 1. 9. 1880 kaufte die Antragstellerin von J***** L***** weitere Grundflächen.
Mit Antrag vom 27. 9. 1906, G. Zl. 1547/6, beanspruchten die Geschwister J*****, T***** und F***** L***** ‑ offensichtlich als gesetzliche Erben der A***** L***** ‑ das Eigentumsrecht an den von der Antragstellerin geerbten Grundflächen. In einer Tagsatzung vom 10. 10. 1906 kam es zu einer Einigung mit der Antragstellerin dahin, dass an den „Grundstücken 75, 76 und 638 in Einb ***** Gemeinde *****“ die Beschränkung des Eigentumsrechts der Antragstellerin eingetragen wird.
Das k.k. Bezirksgericht Telfs fasste am 10. 10. 1906 folgenden
„Beschluss
über die von den Geschwistern J*****, T***** und F***** L***** in ***** am 27. Sept. 1906 G.Zl. 1547/6 eingebrachte Eigentumsanmeldung und die bei der Tagsatzung am 10. Oktober d. Js. erzielte Einigung der Parteien wird auf Grund der Verlaßabhandlung nach der am ***** 1864 in ***** verstorbenen A***** L***** und der Einantwortung vom 16. 4. 1865 IV 111/1864 verf. 18/4 1865 Fol. ***** sowie nach den Bestimmungen des allseitig anerkannten Testamentes der A***** L***** vom 30. 9. 1861 die Einverleibung der Beschränkung des Eigentumsrechtes des Ordens der '*****' in ***** an Bp 75, 76 sowie Gp 638 in Einb ***** Gemeinde ***** in der Weise, daß im Falle genannter Orden in Tirol aufgehoben werden sollte, diese Liegenschaften den gesetzlichen Erben nach A***** L***** eigentümlich zufallen sollen, bewilligt.
Hievon werden verständigt: [...]“
Diese Beschränkung wurde 1906 in das handschriftliche Grundbuch aufgenommen und später auch in das maschinschriftliche Grundbuch übertragen. In einem Grundbuchsauszug aus dem Jahr 1983 wurde das „Schlößl“ als geschlossener Hof geführt. Unter B‑LNr 1 war das Eigentumsrecht für die Antragstellerin einverleibt. Unter B‑LNr 2 war die zu TZ 1547/06 erfolgte Anmeldung des „eventuellen Eigentumsrechts“ der Neffen und Nichten der Erblasserin an den Grundstücken Bp 75, 76, Gp 638 angemerkt, unter B‑LNr 3 der zu TZ 1584/06 gefasste Beschluss.
Bei der Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung wurde die Beschränkung des Eigentumsrechts der Antragstellerin allerdings nicht mitübertragen.
Am 4. 6. 2012 stellte J***** L*****, geboren am ***** 1959, hinsichtlich der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaften EZ *****, bestehend aus dem Grundstück 638/2, und EZ *****, zu deren Gutsbestand die Grundstücke .76 und 638/1 gehören, den auf § 21 GUG gestützten Antrag, die Eintragungen zu berichtigen. Das Grundbuchsgericht gab diesem Antrag statt, der dagegen erhobene Rekurs der Antragstellerin blieb erfolglos. Der außerordentliche Revisionrekurs der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16. 5. 2013, 5 Ob 8/13g, zurückgewiesen.
Auf den Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je der KG ***** ist jeweils unter B‑LNr 1c die Beschränkung des Eigentums in obigem Sinne eingetragen. Betroffen sind (nach ihrer nunmehrigen Bezeichnung) die Grundstücke 638/1, 638/2 und .76. Als Titel für das Eigentumsrecht scheint unter B‑LNr 1a „Stand 1905“ jeweils ein Kaufvertrag vom 14. 2. 1865 auf.
Die Antragstellerin brachte dazu noch vor, das Erstgericht sei als Verlassenschaftsgericht und als Substitutionsbehörde für ihren Antrag zuständig. Aufgrund des Umstands, dass die Antragstellerin in Tirol jedenfalls nicht aufgehoben worden sei, nunmehr aber die Eigentumsbeschränkungen eingetragen seien und die Antragstellerin eine ‑ nicht aus der Verlassenschaft nach der Erblasserin stammende ‑ Teilfläche des Grundstücks 638/1 an die Gemeinde ***** veräußert habe, ergebe sich die Notwendigkeit der Antragstellung. Die Antragstellerin habe das Eigentumsrecht unter einer auflösenden Bedingung erworben, es handle sich um einen Fall der konstruktiven Nacherbfolge. Die Eintragungen verstießen gegen die zwingende Bestimmung des § 612 ABGB. Ein Nacherbe, der innerhalb der darin gesetzten Schranken den Nachlass noch erwerben könnte, sei nicht vorhanden, das Recht aus einer fideikommissarischen Substitution sei erloschen. Aus dem Übereinkommen vom 27. 9. 1872 und dem Kaufvertrag vom 1. 9. 1880 ergebe sich, dass das Liegenschaftseigentum der Antragstellerin auch Grundflächen umfasse, die nicht aus der Verlassenschaft nach der Erblasserin stammen würden.
Der mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. 1. 2014 bestellte „Kurator der 'gesetzlichen Erben'“ ermittelte die Abkömmlinge eines Bruders der Erblasserin und sprach sich gegen das Löschungsbegehren aus. Sämtliche Vorgänge und Ereignisse vor dem 10. 10. 1906 seien unbeachtlich, weil es im Rahmen des damaligen Grundbuchsanlegungsverfahrens zu einer Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem Neffen und den Nichten der Erblasserin gekommen sei. Aufgrund dieser Einigung und des entsprechenden Beschlusses des k.k. Bezirksgerichts Telfs seien die entsprechenden Beschränkungen im Grundbuch einverleibt worden. Die Regeln über die fideikommissarische Substitution seien daher nicht anzuwenden. Selbst für den Fall deren Anwendbarkeit wäre der Eintritt des Substitutionsfalls nicht ausgeschlossen.
Das Erstgericht wies den Hauptantrag der Antragstellerin ab, den Eventualantrag wies es zurück.
Es ging von dem sich aus dem Antragsvorbringen ergebenden Sachverhalt aus und stellte darüber hinaus noch fest, dass der Bruder der Erblasserin P***** L***** neben den drei erwähnten Töchtern T*****, F***** und K***** auch noch einen Sohn, den am ***** 1851 geborenen J***** F***** L*****, gehabt habe. Dieser habe mehrere Kinder gehabt, darunter den Sohn J***** L*****, geboren am ***** 1889. Auch dieser hatte einen Sohn, den am ***** 1922 geborenen und noch lebenden J***** P***** A***** L*****, der ebenfalls zumindest einen Sohn hat, nämlich J***** A***** F***** L*****, geboren am ***** 1959. Der am ***** 1851 geborene J***** L***** sei eine der Parteien im Verfahren über die Eigentumsanmeldung im Jahr 1906 gewesen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, es liege ein Fall der konstruktiven Nacherbfolge gemäß § 708 ABGB vor. Jene Vorschriften, die eine Einschränkung der fideikommissarischen Substitution anordneten, dürften nicht durch Bedingungen umgangen werden. Die Bedingung erlösche daher, wenn keine Nacherben mehr vorhanden seien, die innerhalb der Schranken des § 612 ABGB den Nachlass noch erwerben könnten. Diese Schranken seien aber noch nicht erreicht, weil die Antragstellerin als Institutin nicht als Grad iSd § 612 ABGB zähle. Da noch gesetzliche Erben nach der Erblasserin am Leben seien, sei die Löschung der Beschränkung des Eigentumsrechts unzulässig. Der Eventualantrag sei zurückzuweisen, weil über die Frage, welche Flächen genau von der Eigentumsbeschränkung umfasst seien, bereits im Jahr 1906 rechtskräftig entschieden worden sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, welches die Zählung der Grade iSd § 612 ABGB korrekt vorgenommen habe. Die Bindung könne erst erlöschen, wenn keine Nacherben mehr vorhanden seien, was aber nicht zutreffe. Die Beurteilung, ob § 612 ABGB einer konstruktiven Nacherbschaft entgegenstehe, hätte bereits bei Einverleibung der Eigentumsbeschränkung vorgenommen werden müssen. Die konstruktive Nacherbschaft sei auch nicht zeitlich unbeschränkt, sondern sie erlösche, wenn sich der Orden der Antragstellerin in Tirol auflöse. Selbst wenn die vom Eventualantrag betroffenen Liegenschaften nicht im Erbweg auf die Antragstellerin übergegangen sein sollten, sei diese jedenfalls an die mit den gesetzlichen Erben im Jahr 1906 getroffene Vereinbarung gebunden, die mit Beschluss des k.k. Bezirksgerichts Telfs vom 10. 10. 1906 verbüchert worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung ihres Hauptbegehrens, hilfsweise des Eventualbegehrens abzuändern.
Der Kurator beantragte in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. J***** P***** A***** L***** und J***** A***** F***** L***** machten von der ihnen ebenfalls eröffneten Möglichkeit, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen, keinen Gebrauch.
Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses ist von Amts wegen wahrzunehmen, dassdie Sache nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu wurde erwogen:
I. Verfahrensrechtliche Grundsätze:
1. Die Frage, ob über einen Rechtsschutzantrag im außerstreitigen Verfahren oder im streitigen Rechtsweg zu entscheiden ist, ist nach dem Inhalt des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilen. Die Einwendungen des Gegners oder die vom Gericht getroffenen Feststellungen sind hingegen für die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart nicht maßgeblich. Ohne Einfluss ist es auch, ob der behauptete Anspruch begründet ist (vgl 3 Ob 187/07g; 2 Ob 160/14i; 3 Ob 168/15z; RIS‑Justiz RS0005861, RS0005896, RS0013639).
2. Die Antragstellerin begehrte die Entscheidung durch das Abhandlungsgericht als Substitutionsbehörde. Auf das von den Vorinstanzen aufgrund dieses Begehrens fortgesetzte Verlassenschaftsverfahren sind ‑ abgesehen von den Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren (§ 203 Abs 7 AußStrG) ‑ gemäß § 205 AußStrG noch die entsprechenden Vorschriften des AußStrG 1854 anzuwenden (2 Ob 58/11k; 5 Ob 8/13g; RIS‑Justiz RS0121471).
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur hier maßgeblichen Rechtslage kommt die Entscheidung, ob eine im Grundbuch eingetragene fideikommissarische Substitution (materiell‑rechtlich) erloschen ist, dem Abhandlungsgericht als Substitutionsbehörde zu, sofern nicht dem Prozessweg vorbehaltene Auslegungsfragen zu klären sind (2 Ob 58/11k mwN; 5 Ob 8/13g; 5 Ob 239/13b; 9 Ob 80/14a; RIS‑Justiz RS0007570). Dies gilt wegen der gesetzlichen Anordnung des § 158 Abs 1 AußStrG 1854 ‑ Substitutionen und Anordnungen, die ihnen nach §§ 707 bis 709 ABGB gleichzuhalten sind, müssen auf die ihnen unterworfenen Güter in den öffentlichen Büchern eingetragen werden ‑ auch für die Fälle der sogenannten konstruktiven Nacherbschaft (5 Ob 8/13g).
II. Die Entscheidung 5 Ob 8/13g:
1. In besagter Entscheidung, mit welcher der grundbuchsrechtliche Fachsenat des Obersten Gerichtshofs den außerordentlichen Revisionsrekurs der nunmehrigen Antragstellerin gegen die Bewilligung der Berichtigung des Grundbuchs nach § 21 Abs 1 GUG zurückwies, führte er ua aus, die in Rede stehende Eigentumsbeschränkung sei als auflösende Bedingung formuliert. Das zugedachte Recht solle verloren gehen, wenn es zum Eintritt der Bedingung, hier der Aufhebung des Ordens in Tirol, komme. Der Bedingungseintritt bewirke, dass das Recht nacheinander verschiedenen Personen zufalle und führe damit zu einer sogenannten konstruktiven Nacherbfolge. § 708 ABGB bestimme unter Verweis auf § 613 ABGB, dass dem auflösend bedingten Erben gegen den, der die Erbschaft mit dem Eintritt der Bedingung erhalten solle, die gleichen Rechte und Verbindlichkeiten zukommen sollten wie dem fideikommissarischen Substituten. Werde der Erbe unter einer auflösenden Bedingung berufen, so sei er Vorerbe, während die gesetzlichen Erben des Erblassers Nacherben würden. Die gesetzlichen Erben hätten bloß ein suspensiv bedingtes Recht und müssten den Bedingungseintritt erleben. Seien sie früher weggefallen, würden jene Personen Nacherben, die im Zeitpunkt des Bedingungseintritts gesetzliche Erben des Testators sind.
2. An diese Erwägungen und an die oben in Punkt I.3. referierte Rechtsprechung anknüpfend gelangte der 5. Senat zu dem Ergebnis, das Grundbuchsgericht sei zur amtswegigen Berichtigung befugt gewesen. Eine Beurteilung, ob die im händisch geführten Grundbuch eingetragen gewesene Beschränkung des Eigentums zur Zeit der Grundbuchsumstellung gegenstandslos iSd § 131 Abs 2 lit a GBG gewesen sei, habe sich ihm entzogen.
III. Abhandlungsgericht als Substitutions ‑ behörde?
1. Allerdings ist auch das Abhandlungsgericht zur Entscheidung über das Löschungsbegehren (und das Eventualbegehren) der Antragstellerin nicht berufen. Aus den noch näher darzulegenden Gründen kommen ihm nämlich nicht die Aufgaben einer Substitutionsbehörde zu, die über das Erlöschen des im Grundbuch zu Gunsten der „gesetzlichen Erben“ eingetragenen Substitutionsbandes zu entscheiden hätte.
2. Vorauszuschicken ist, dass das Verlassenschaftsgericht des Jahres 1865 die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 30. 9. 1861 offenkundig als Testament und nicht als Kodizill ausgelegt hat, wie sich dem Einantwortungsbeschluss vom 16. 4. 1865 mit ausreichender Klarheit entnehmen lässt. Demnach wurde der ‑ hauptsächlich aus dem Liegenschaftsvermögen bestehende ‑ Nachlass der Antragstellerin als Erbin eingeantwortet, während die weiteren Bedachten Geldlegate erhielten.
3. Die letztwillige Verfügung der Erblasserin konnte dahin verstanden werden, dass sie ihre „gesetzlichen Erben“ zu Ersatzerben der Antragstellerin und ‑ für den Fall der Aufhebung des Ordens in Tirol ‑ auch zu deren Nacherben bestimmt hatte (vgl 1 Ob 14/67 SZ 40/21). Weiters wurde der Antragstellerin der näher präzisierte Auftrag des „unentgeltlichen Schulhaltens“, also eine Auflage iSd § 709 ABGB erteilt. Auch die Auflage ist zumindest im Zweifel als auflösende Bedingung anzusehen (vgl 1 Ob 512/51 SZ 24/227; RIS‑Justiz RS0122290; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 709 Rz 10). Die Erbeinsetzung der Antragstellerin stand daher nach einer möglichen Auslegung der letztwilligen Verfügung unter zweifach auflösender Bedingung ‑ Aufhebung des Ordens und Verstoß gegen die Auflage ‑, worin im Sinne der Ausführungen der Entscheidung 5 Ob 8/13g Fälle der konstruktiven Nacherbfolge iSd § 708 ABGB zu sehen sind („bedingte fideikommissarische Substitution“; vgl 1 Ob 512/51 SZ 24/227; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 708 Rz 1; laut Ch. Rabl, Der unbekannte Nacherbe, NZ 2003/69, 264, würde es sich bei Bestimmung eines Nacherben sogar um „echte“ Nacherbeinsetzung handeln). In beiden Fällen, bei Aufhebung des Ordens in Tirol sogar kraft ausdrücklicher Anordnung, kämen bei Eintritt der auflösenden Bedingung die „gesetzlichen Erben“ der Erblasserin als Nacherben zum Zug, sodass die Regeln der fideikommissarischen Substitution anzuwenden wären (vgl auch Kletečka, Konstruktive Nacherbfolge und Pflichtteilsberechnung, NZ 1997, 137 [Besprechung von 6 Ob 665/94]).
4. Trotz dieser denkbaren Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 30. 9. 1861 wurde jedoch der Antragstellerin mit Beschluss des Abhandlungsgerichts vom 16. 4. 1865 der Nachlass nur unter der Beschränkung der erteilten Auflage des „unentgeltlichen Schulhaltens“, nicht aber auch unter der Beschränkung einer fideikommissarischen Substitution für den Fall der Aufhebung des Ordens in Tirol eingeantwortet (§ 174 Abs 2 Z 3 AußStrG 1854; vgl 1 Ob 249/02b mwN [„unabdingbares Erfordernis“]). Auch hat das Abhandlungsgericht die Eintragung einer solchen Beschränkung in die „öffentlichen Bücher“ nicht angeordnet (§ 158 Abs 1 erster Satz AußStrG 1854; zur Sicherung eines zur Nacherbschaft berufenen Personenkreises 1 Ob 210/68 SZ 41/151), hat es doch lediglich die Verfachung „dieser Einantwortungsurkunde“ zur Erwirkung der (insoweit unbeschränkten) Eigentumsrechte der Antragstellerin bewilligt (zum Verfachbuchwesen in Tirol und Vorarlberg vgl 1 Ob 11/65 SZ 38/46; 1 Ob 689/80 SZ 53/139). Dass die Einantwortungsurkunde nicht in Rechtskraft erwachsen wäre, hat die Antragstellerin nicht behauptet; vielmehr leitet sie selbst ihr Eigentumsrecht an den von ihr geerbten Liegenschaften von dieser Einantwortungsurkunde ab (AS 6).
5. Der Oberste Gerichtshof hat zu zahlreichen gleich oder ähnlich gelagerten Fällen in ständiger Rechtsprechung zur Rechtslage nach dem AußStrG 1854 die Auffassung vertreten, dass kein Raum für eine Substitutionsabhandlung mehr besteht, wenn der Nachlass ohne Beschränkung einer fideikommissarischen Substitution eingeantwortet wurde und dass der Nacherbe die ihm eingeräumten Rechte nur mit Erbschaftsklage durchsetzen kann (vgl 3 Ob 44/11h; RIS‑Justiz RS0006682, RS0008000, RS0008345; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 613 Rz 23; Kletečka, Ersatz‑ und Nacherbschaft [1999] 314).
Tragende Begründung für diese Ansicht ist, dass die Abhandlung mit der rechtskräftigen Einantwortung ohne die Beschränkung ‑ ungeachtet der fortbestehenden Rechte der Nacherben (RIS‑Justiz RS0006394) - endgültig beendet ist. Für eine Substitutionsabhandlung fehlt jeder Anlass, da eine Substitutionsnachlassmasse gar nicht vorhanden ist (3 Ob 458/51 SZ 24/234; 8 Ob 216/65 SZ 38/132). Es fehlt an der Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Abhandlung und es kann auch eine Substitutionsabhandlung mangels ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nicht stattfinden (2 Ob 827/52 SZ 25/193; 8 Ob 316/66 SZ 39/194). Durch die unbeschränkte Einantwortung an den Vorerben spricht das Gericht auch aus, dass keine Nacherbschaft besteht (Kletečka, Ersatz‑ und Nacherbschaft [1999] 314).
6. Diese Prämissen treffen auch im vorliegenden Fall zu. Der Nachlass wurde der Antragstellerin ‑ von der hier nicht relevanten Auflage abgesehen ‑ in das unbeschränkte Eigentum übertragen, sodass die Abhandlung (insoweit) endgültig beendet wurde. Die Durchführung einer Substitutionsabhandlung wäre nicht möglich. Mit Ausnahme der noch im Jahr 1865 in anderem Zusammenhang erfolgten „Ergänzung und Berichtigung“ der Einantwortungsurkunde und des Verfachbuches ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin kein Anhaltspunkt für ein späteres Tätigwerden des Abhandlungsgerichts.
7. Insbesondere hat es nicht die im Jahr 1906 vollzogene Eintragung des Substitutionsbandes in das Grundbuch verfügt:
7.1 Die Verordnung der Ministerien der Justiz, des Ackerbaues und der Finanzen vom 10. 4. 1898 verstand sich als Vollzugsvorschrift der auf die Grundbuchsanlegung in Tirol bezogenen Gesetze je vom 17. 3. 1897, LGBl 9 (Grundbuchsanlegungslandesgesetz), und RGBl 77 (Grundbuchsanlegungsreichsgesetz), sowie des Gesetzes vom 25. 7. 1871, RGBl 96 (Grundbuchsrichtigstellungsgesetz). Das in den §§ 71 ff dieser Verordnung geregelte Richtigstellungsverfahren ermöglichte ua die Anmeldung von Eigentumsrechten, die, sofern sie sich auf einen ganzen Grundbuchskörper bezog, im Eigentumsblatt des Grundbuchs anzumerken und über die unter Beiziehung des bücherlichen Eigentümers und allfälliger sonstiger Berechtigter in einer anzuberaumenden Tagsatzung zu verhandeln war (§ 79 Abs 1 Z 3 sowie § 80 Abs 1 und Abs 3 der Verordnung).
7.2 Dem Beschluss des Grundbuchsgerichts vom 10. 10. 1906 lag, wie sich aus seinem Wortlaut ergibt, eine in der Verhandlung über eine derartige, im Grundbuch angemerkte Eigentumsanmeldung der damaligen gesetzlichen Erben mit der Antragstellerin erzielte Einigung zugrunde, also eine vor dem Grundbuchsgericht getroffene Vereinbarung, die offensichtlich dem von den Verfahrensparteien so verstandenen Willen der Erblasserin gerecht werden sollte. Als Ergebnis dieser Vereinbarung wurde die Beschränkung des Eigentumsrechts der Antragstellerin zugunsten der „gesetzlichen Erben“ nach der Erblasserin im Grundbuch einverleibt. Die Nennung der „Verlaßabhandlung“, der Einantwortung und des „allseitig anerkannten Testaments“ als (weitere) Grundlagen des Grundbuchsbeschlusses vermag nichts daran zu ändern, dass die Eintragung im Grundbuch weder auf dem Inhalt der Einantwortungsurkunde noch auf einer im Abhandlungsverfahren ergangenen Anordnung beruht.
8. Nun ist zwar in Rechtsprechung und Lehre die vertragliche Begründung von ähnlich wie eine echte fideikommissarische Substitution zu behandelnden Besitznachfolgerechten anerkannt („quasifideikommissarische Substitution“; vgl 8 Ob 521/78 SZ 51/65; RIS‑Justiz RS0007955, RS0010431, RS0012539; Apathy in KBB4 § 608 Rz 7; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 613 Rz 23). Charakteristisch für derartige Nachfolgerechte ist, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist oder im Todesfall an den Besitznachfolger fällt oder die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums begründet wird (5 Ob 131/15y mwN). Der Oberste Gerichtshof lässt auch die Verbücherung solcher Besitznachfolgerechte zu (5 Ob 84/95; RIS‑Justiz RS0083800). Die Analogie zur fideikommissarischen Substitution wird dabei umso zwingender erachtet, je näher eine Vereinbarung an die Regelung typischer Anliegen der Nacherbschaft herankommt (5 Ob 11/91 SZ 64/34; 4 Ob 194/98b; 7 Ob 111/99w; 8 Ob 139/07k; 5 Ob 58/13k). Diese besondere Rechtsähnlichkeit trifft hier ohne Zweifel zu.
Die Analogie beschränkt sich allerdings auf die materiell-rechtliche Rechtsstellung des vertraglichen Substituten. Sie begründet keine neuerliche Zuständigkeit des Abhandlungsgerichts für eine Substitutionsmasse, die erst nach der endgültigen Beendigung des Abhandlungsverfahrens auf vertraglichem Weg geschaffen worden ist. Mangels „Substitutionsnachlassmasse“ (vgl oben III.5.) kommt dem Abhandlungsgericht daher auch keine Befugnis zur Entscheidung über das Erlöschen des durch eine Vereinbarung begründeten Substitutionsbandes zu.
IV. Verfahrensrechtliche Konsequenzen:
1. Der Antragstellerin steht für die Erwirkung der Löschung gegenüber den geborenen und noch nicht geborenen gesetzlichen Erben der Erblasserin nur der streitige Rechtsweg zur Verfügung (so im Ergebnis schon 5 Ob 253/05z mit inhaltlicher Verweisung an das Streitgericht). Umso mehr gilt dies für ihr Eventualbegehren, mit dem sie unter Aufstellung von Tatsachenbehauptungen die inhaltliche Richtigkeit der seinerzeitigen Eintragung in Abrede stellt.
2. Gelangt das Rechtsmittelgericht aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels zu der Überzeugung, dass der angefochtene Beschluss oder das Verfahren an einem bisher unbeachtet gebliebenen Mangel ua nach dem § 56 Abs 1 AußStrG leidet, so ist dieser wahrzunehmen, auch wenn er von keiner der Parteien geltend gemacht wurde und er die Richtigkeit der Entscheidung nicht berührt (§ 55 Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG; 10 Ob 32/12x mwN; 4 Ob 93/12y; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 66 Rz 7).
Nach § 56 Abs 1 AußStrG ist ein angefochtener Beschluss über eine Sache, die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört, vom Rekursgericht aufzuheben, das vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären und der ihm allenfalls vorangegangene Antrag zurückzuweisen. Damit ist aber ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat ‑ dem § 40a JN nicht derogiert (6 Ob 170/11k mwN; RIS‑Justiz RS0121333; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 56 Rz 5).
3. Der gemäß § 40a JN als Klage zu behandelnde Antrag kann bei falscher Verfahrensart unter Nichtigerklärung des gesamten bisherigen Verfahrens nur dann zurückgewiesen werden, wenn das angerufene Gericht unter Zugrundelegung der richtigen Verfahrensart unzuständig ist, wenn also ein im Außerstreitverfahren vor dem Bezirksgericht gestellter Antrag im streitigen Verfahren vor einem anderen örtlich zuständigen Bezirksgericht oder vor dem Gerichtshof erster Instanz zu erledigen wäre (6 Ob 170/11k mwN). Sonst ist über den Antrag als Klage im streitigen Verfahren ‑ wenn mehrere Gerichtsabteilungen bestehen ‑ durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu verhandeln und zu entscheiden (10 Ob 38/12d; RIS‑Justiz RS0057140).
4. Im vorliegenden Fall haben die derzeit als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen ihren Wohnort im Sprengel des Erstgerichts, wo auch die gegenständlichen Liegenschaften gelegen sind (§ 81 JN). Die Antragstellerin hat ihren verfahrenseinleitenden Antrag mit 730 EUR bewertet (§ 56 Abs 2 JN), sodass auch die sachliche Zuständigkeit gegeben ist. Die spätere Bewertung mit 21.800 EUR (ON 13) ist unbeachtlich, weil dieser Verfahrensschritt von der Nichtigerklärung erfasst wird.
5. Der verfahrenseinleitende Akt wird hingegen von der Nichtigkeit eines nicht in der richtigen Verfahrensart abgewickelten Verfahrens nicht erfasst. Das Erstgericht wird somit (durch den für Streitsachen zuständigen Richter) das gesetzliche Verfahren über den in eine Klage umzudeutenden Antrag einzuleiten haben. Über das Erfordernis eines Verbesserungsverfahrens wird ebenso wie über die Berechtigung des Begehrens im streitigen Verfahren zu befinden sein (vgl 10 Ob 38/12d mwN; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 56 Rz 5).
6. Ein Kostenersatz findet schon deshalb nicht statt, weil ein solcher nach der hier maßgeblichen Rechtslage nach dem AußStrG 1854 (§ 203 Abs 9 iVm § 205 AußStrG) im Verlassenschaftsverfahren nicht zusteht (vgl 7 Ob 234/03t; 4 Ob 261/04t).
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