Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der im Übrigen als unbekämpft unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, dass der drittletzte Absatz seines Spruches (von den Worten "sowie namens der Verlassenschaft..." bis zu den Worten "... aus dem Verlassenschaftsguthaben zu bestreiten,") entfällt und insoweit Punkt 3. der Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.
Text
Begründung
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist nur mehr die dem Verlassenschaftskurator (gemäß Punkt 3. des - vom Rekursgericht abgeänderten - Beschlusses erster Instanz [ON 34]) erteilte abhandlungsgerichtliche Ermächtigung, namens der Verlassenschaft Besitzstörungsklage gegen den erbserklärten Erben, Markus A*****, zu führen, weil dieser einen Großteil der inventarisierten Gegenstände aus der erblasserischen Wohnung entfernt und die Rückstellung bzw Sicherheitsleistung - trotz Aufforderung durch den Verlassenschaftskurator - verweigert hat.
Die daraufhin eingebrachte Besitzstörungsklage wurde aufgrund des gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurses des erbserklärten Erben bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Genehmigung der Klageführung unterbrochen (Bericht des Verlassenschaftskurators vom 29. 8. 2003 [ON 58]).
Mit dem angefochten Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs gegen die Klagegenehmigung Folge, änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass dem Verlassenschaftskurator die Ermächtigung, namens der Verlassenschaft Besitzstörungsklage gegen Markus A***** zu führen und die dazu erforderlichen Verfahrenskosten aus dem Verlassenschaftsguthaben zu bestreiten, versagt werde, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Verlassenschaft sei zwar iSd § 547 Satz 3 ABGB zu einer derartigen Klageführung legitimiert; das Besitzstörungsverfahren bleibe jedoch gemäß § 457 ZPO auf die Erörterung des letzten ruhigen Besitzstandes beschränkt, sodass nur über die Frage des - bereits aus dem Inventar ersichtlichen - Besitzes, nicht jedoch über das Eigentum ("somit auch nicht darüber, wem die Gegenstände tatsächlich gehören") entschieden werde. Dieses Verfahren sei daher - aufgrund seiner besonderen Funktion und Ausgestaltung - für die Verlassenschaft mit keinem Nutzen, wohl aber mit einem Kostenrisiko verbunden, weshalb die Ermächtigung zur Verfahrensführung versagt werden müsse. Der Verlassenschaftskurator habe im Übrigen nicht einmal behauptet, aus welchem Grund die Besitzstörungsklage für die Verlassenschaft zweckdienlich wäre.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem "vergleichbaren Sachverhalt" fehle.
Mit dem dagegen gerichteten Revisionsrekurs begehrt der Verlassenschaftskurator die Abänderung dahin, dass der Beschluss des Erstgerichtes (in seinem Punkt 3.) wiederhergestellt werde.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Der Revisionsrekurs macht geltend, dass im Besitzstörungsverfahren lediglich die "Verhandlung" auf die Erörterung und den Beweis des letzten Besitzstandes zu beschränken sei, während der Klags- und Entscheidungsgegenstand nach einhelliger Lehre und stRsp auf Schutz oder Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet seien. Auch im vorliegenden Fall ergebe sich der vom Rekursgericht monierte Zweck des Besitzstörungsverfahrens für die Verlassenschaft zwanglos aus dem Klagebegehren des zur abhandlungsbehördlichen Genehmigung eingereichten, auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes durch Rückführung der entfernten Verlassenschaftsgegenstände gerichteten Klageentwurf. Nur der Besitz der Sachen selbst bewirke nämlich - im Gegensatz zur bloßen Verzeichnung im Inventar - die Sicherheit für die Verlassenschaft.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu; wobei hier vorweg noch festzuhalten ist, dass neben dem bereits erwähnten (Testaments-)Erben auch die Eltern des Verstorbenen vom Gericht angenommene Erbserklärungen (die Mutter unter Bestreitung der Gültigkeit des Testaments) abgegeben haben, und dass die Verwaltung des Nachlasses vom Testamentserben nicht beantragt wurde.
Bereits das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Besitzstörung an Nachlasssachen möglich ist und hat die Legitimation der Verlassenschaft zu einer dagegen gerichteten Klage zu Recht bejaht: Dazu wird nämlich in stRsp die Ansicht vertreten, dass das Abhandlungsgericht berechtigt ist, von einem Dritten, der eigenmächtig in den Besitz der Sache gelangt, die Herausgabe zu verlangen (8 Ob 549/92; 3 Ob 564/87 = RZ 1988/20; 6 Ob 85/98p = NZ 1999, 153 [Rabl]; ua), wobei es - wie der Oberste Gerichtshof zuletzt festgehalten hat - auch in diesen Fällen nicht primär auf das Eigentumsrecht des Erblassers zum Todeszeitpunkt, sondern auf den noch aufrechten Besitzwillen des Erblassers und weiters darauf ankommt, dass der Fremdbesitz mala fide ausgeübt wird (6 Ob 85/98p mwN).
Wer Nachlassgegenstände eigenmächtig in Besitz genommen hat, kann also vom Abhandlungsgericht auf Herausgabe verhalten werden, falls dies zur Nachlasssicherung geboten ist (stRsp; RIS-Justiz RS0007918; zuletzt: 6 Ob 374/97m; Welser in Rummel I³ Rz 3 zu § 547 ABGB mwN). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist daher nicht einzusehen, weshalb nicht (auch) eine ua auf Rückstellung der inventarisierten, vom erbserklärten Erben (eigenmächtig) entfernten Nachlassgegenstände gerichtete Besitzstörungsklage (vgl den Klageentwurf bei ON 33) geeignet sein sollte, eine derartige Sicherung des Nachlasses zu bewirken:
Der Anspruch nach § 339 ABGB geht nämlich grundsätzlich auf Wiederherstellung des früheren (hier: durch Besitzentziehung gestörten) Besitzstandes und Unterlassung weiterer Störungen, wobei (auch) § 454 Abs 1 ZPO als Ziel einer Besitzstörungsklage den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes nennt, und der Endbeschluss eine "einstweilige Norm für den tatsächlichen Besitzstand aufzustellen hat" (§ 459 ZPO). Gegenstand der Klage ist daher iSd neueren Rsp nicht (nur) die Festellung der Störung sondern auch die Wiederherstellung des früheren Besitzstandes und das Verbot der Fortsetzung oder Wiederholung der Störung (Spielbüchler in Rummel I³ Rz 8 zu § 339 ABGB mwN; Stohanzl MTK ZPO9 [2002] 455 mwN).
Auf den vom Rekursgericht konstatierten Mangel der Zweckdienlichkeit einer diesbezüglichen Klageführung für die Verlassenschaft, der somit zu verneinen ist, hat sich Rekurs gegen die Klageermächtigung aber ohnehin nicht berufen; der erbserklärte Erbe vertritt darin vielmehr die - vom Gericht zweiter Instanz nicht überprüfte - Auffassung, dass die Besitzstörungsklage aussichtslos sei, weil er die in seinem Mitbesitz sehenden Fahrnisse nach dem Tod des Erblassers alleine weiter besessen (vgl jedoch § 547 Satz 3 ABGB) und daher anlässlich des Auszuges aus der erblasserischen Wohnung mitgenommen habe, wobei er sich auch noch darauf beruft, dass die Verlassenschaft durch die Inventarisierung des Mobiliars ausreichend sichergestellt sei, und der Verlassenschaftskurator nicht zur Verwahrung des gesamten Mobiliars "unter Eingriff in die Mitbesitzrechte" des erbserklärten Erben bestellt worden sei (ON 35).
Auch diesem Standpunkt vermag sich der erkennende Senat jedoch nicht anzuschließen:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 85/98p (NZ 1999, 153 [Rabl]) ausgeführt hat, definiert § 97 AußStrG [Zweck des Inventars] keinen eigenständigen Besitzbegriff; es ist daher von der Anwendbarkeit der Regeln des ABGB hierüber auszugehen. Zu 1 Ob 530/95 wurde demgemäß - unter Hinweis auf EvBl 1967/187 - ausgeführt, dass für die Aufnahme in das Inventar der Sach- und/oder Rechtsbesitz, nicht aber auch die Innehabung zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0007809; RS0007816; zuletzt: 1 Ob 235/01t mwN). Besitz setzt die Gewahrsame an einer Sache und den Willen des Inhabers, die Sache für sich zu haben, voraus (§ 309 ABGB; 7 Ob 31/01m).
Unstrittig ist, dass sich die vom Inventarbeschluss erfassten Gegenstände in der Wohnung befanden, die der Verstorbene bis zu seinem Ableben (mit-)bewohnte und (mit-)benützte. Für einen solchen Fall hat der erkennende Senat bereits in seinen Entscheidungen 7 Ob 2190/96a und 7 Ob 31/01m ausgesprochen, dass selbst angeblich fremde Sachen oder Sachen, an denen nach dem äußeren Anschein (zB Vorhandensein in einer gemeinsamen Wohnung) zumindest Mitbesitz des Erblassers vorlag, in das Inventar aufzunehmen sind; nur vom Erblasser zu seinen Lebzeiten verschenkte Sachen, die sich zur Zeit seines Todes nicht mehr in seinem (Mit-)Besitz befanden, wären von der Inventarisierung auszunehmen (RIS-Justiz RS0099268 [T3]).
Jedenfalls von einem solchen Mitbesitz, der vom erbserklärten Erben gar nicht in Zweifel gezogen wird, ist bei der vorliegenden Fallkonstellation, nach der der Erblasser die gegenständlichen Räume bis zu seinem Ableben bewohnte und benützte, auszugehen (7 Ob 31/01m). Da der Besitz des Erblassers aber nicht untergegangen sondern auf den Nachlass übergegangen ist, welcher - auch gegen Mitbesitzer (Spielbüchler in Rummel I³ Rz 1 und 2 vorletzter Abs zu § 339 ABGB) - Besitzesschutz genießt (EFSlg 89.921; Welser in Rummel I³ Rz 3 zu § 547 ABGB; Segelhuber, Zur Gewahrsamsproblematik bei Nachlassgegenständen, ÖJZ 1994, 480 [482]), kann von einer offenbaren Aussichtslosigkeit der Besitzstörungsklage ebenfalls keine Rede sein; woran auch der Umstand, dass der Verlassenschaftskurator nicht zur Verwahrung des gesamten Mobiliars bestellt wurde, nichts zu ändern vermag.
Die eine derartige Klageführung genehmigende Entscheidung des Erstgerichtes ist daher wiederherzustellen.
Der Kostenbestimmungsantrag ist hingegen abzuweisen, weil Kostenersatz im Verlassenschaftsverfahren nicht zusteht (3 Ob 517/92; 7 Ob 56/00m uva; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren³ Rz 53; zuletzt: 6 Ob 78/03v).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)