BVwG L518 2142045-1

BVwGL518 2142045-16.2.2020

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L518.2142045.1.00

 

Spruch:

 

L518 2142045-1/14EL518 2142047-1/18EL518 2142046-1/12EL518 2207770-1/8EL518 2141217-1/14E

 

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 27.11.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Armenien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindsmutter, alle vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER (nunmehr nach Verkündung durch RA Dr. Häupl), gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 11.11.2016, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , sowie vom 13.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP5“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die männliche bP 1 und die weibliche bP 2 sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen bP 3 und 4. bP 1, 2 und 5 (Mutter der bP 1) brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 01.04.2013 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) für sich Anträge auf internationalen Schutz ein. Für die in Österreich geborenen bP 3 und 4 wurden von der Mutter als gesetzlichen Vertreterin am 15.12.2014 und am 03.07.2018 entsprechende Anträge eingebracht.

 

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 Folgendes vor:

 

„Ich habe in der Ukraine bei meiner Tätigkeit als Kraftfahrer bei dem Mann meiner Tante XXXX gearbeitet. Wir haben des Öfteren auch Aufträge von einem sehr reichen Geschäftsmann namens XXXX erhalten. XXXX hat meinen Reisepass diesem Geschäftsmann auf seinen Wunsch gegeben. Am Anfang als ich noch legal in der Ukraine aufhältig war, habe ich für diesen Geschäftsmann seine Mitarbeiter hin und her transportiert.

Im Jahr 2009 wurde XXXX festgenommen und für ein Jahr Gefängnis verurteilt. Unter anderem hat auch XXXX von einer staatlichen Pipeline Öl gestohlen. Als ich erfuhr, dass er vom Gefängnis entlassen wurde, habe ich ihn angerufen, damit ich meinen RP abholen konnte. Wir haben für den XXXX 2011 einen Termin vereinbart. Am XXXX 2011 war ich bei ihm er hat mir meinen Reisepass und Geld gegeben, dass ich nach Armenien zurückfahren konnte. Ich sollte für ihn Zigaretten kaufen gehen. Als ich nach ca. 15 min zurückkam, sah ich den XXXX Blutüberströmt am Boden liegen. Bei ihm waren, die zwei Zigeuner, die ich von früher kannte. Einer von ihnen hatte eine Axt in der Hand mit der er vermutlich den XXXX umgebracht hatte. Daraufhin flüchtete ich und ging nach Armenien zurück.

Am XXXX 2013 waren diese Leute das erste Mal bei uns in der Wohnung und suchten nach mir, da wusste ich sofort, dass sie mich umbringen wollten, weil ich Zeuge bei einem Mord war.

Zur Polizei konnte ich nicht gehen weil ich keinen Namen von ihnen wusste. Davon abgesehen sind diese Leute sehr gefährliche Kriminelle. Als sie am XXXX 2013 wieder zu uns kamen und meine Mutter schlugen und bedrohten entschlossen wir uns das Land zu verlassen.

bP2 und 5 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband. Für die minderjährigen bP wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

 Geburtsurkunden bP 2 und 3

 Meldezettel

 Heiratsurkunde bP 1 und 2

 Armenische Geburtsurkunde bP 1, 2 und 5

 Befund Nierenoperation in Armenien bP 5

 Befund vom 04.03.2015 bP 5 (Spirale wurde entfernt) sowie weitere ärztliche Schreiben aus Österreich, welche überwiegend ohne / mit unauffälligem Befund blieben

 Unterstützungsschreiben eines Invalidenverbandes mit Anmerkung, dass die bP 1 und 5 zweimal bei Aufräumarbeiten freiwillig mithalfen

 Militärausweis bP 1

 Unterlagen zu Deutschkursen

 Taufscheine

 

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gewährt.

 

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

 

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP 1):

 

- betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Als Grund für Ihren Asylantrag führten Sie an, dass am XXXX 2013 unbekannte Personen zu Ihrer Mutter gekommen wären und diese geschlagen hätten. Diese Ihnen unbekannten Personen hätten Sie gesucht. Es hätte sich dabei um jene Personen gehandelt, welche in der Ukraine eine Person namens XXXX ermordet hätten. Erklärend führten Sie aus, dass am XXXX 2012 in der Siedlung XXXX in der Region XXXX , Ukraine eine Person namens XXXX vor dessen Wohnhaus getötet worden wäre und Sie wären Zeuge dieses Mordes gewesen.

 

Zudem hätten jene Ihnen unbekannte Personen, welche Ihnen nach dem Leben trachten würden, für Öl bezahlt, das sie nicht erhalten hätten. Dieser Handel wäre im Jahr 2009 über die Bühne gegangen, Genaueres wäre Ihnen nicht mehr erinnerlich. Dies alles hätte in der Ukraine stattgefunden.

 

Sie führten zudem aus, dass dieses Öl von Ihnen im Jahr 2009 in der Ukraine und zwar in der Siedlung XXXX in der Region XXXX versteckt worden wäre. Die Ihnen unbekannten Personen hätten nun seit 2009 nach diesem Öl gesucht. Diese Ihnen unbekannten Personen hätten auch die Reisepässe von Ihnen, Ihrer Mutter und Ihrer Frau an sich genommen.

 

Sie hätten nie Anzeige bei den zuständigen Behörden in der Ukraine erstattet, denn Sie hätten befürchtet selbst ins Visier der ukrainischen Behörden zu geraten. Sie hätten nie Anzeigen gegen die Personen erstattet, welche Ihnen in Armenien nachgestellt hätten, denn die genannten unbekannten Personen wären am XXXX 2013 in Begleitung eines Polizeibeamten und am XXXX 2013 ohne die Begleitung eines Polizeibeamten bei Ihrer Mutter aufgetaucht.

 

Sie führten zudem aus, dass Sie telefonisch vom Vater Ihrer Freundin XXXX mit dem Namen XXXX , welcher in der Ukraine leben würde, bedroht worden wären. Begründend führten Sie dazu aus, dass XXXX von jenen Personen, welche Sie verfolgen würden, üble Lügengeschichten über Sie erfahren hätte.

 

Sie gaben an, Sie wären nach dem Tode des Vaters in die Ukraine übersiedelt, hätten die letzten Schuljahre bis 2003 in der Ukraine und in Armenien absolviert. Dann hätten Sie bis ins Jahr 2005 bei Ihrem Onkel als Fahrer (Zusteller von Bäckereien und Mehlspeisen) gearbeitet. Dann wären Sie nach Armenien zurückgekehrt um im Zeitraum zwischen XXXX 2005 bis XXXX 2007 in Armenien den Wehrdienst zu absolvieren.

 

Nach Ableistung des Wehrdienstes wären Sie in die Ukraine zurückgekehrt, hätten dort aber kein dauerndes legales Aufenthaltsrecht mehr erhalten und hätten dann, zusammen mit Ihrem Onkel, dem Bäcker und Konditormeister, Öl-Pipelines angebohrt. Sie selbst wären bei dieser Tätigkeit nur ein kleines Rädchen gewesen, hätten beim Graben nach den Pipelines geholfen, wären Schmiere gestanden.

 

Am XXXX 2009 wäre Ihr Onkel festgenommen worden, auch XXXX wäre festgenommen worden. Sie, und andere „kleine Rädchen“ hätten sich dem Zugriff der Polizei entziehen können. Sie hätten dann versucht in den Besitz Ihres Reisepasses zu gelangen um damit nach Armenien zurückkehren zu können, dies wäre Ihnen aber nicht gelungen, denn ihr Reisepass hätte sich im Besitz von XXXX befunden.

 

Sie hätten sich dann in ein Ihnen namentlich unbekanntes Dorf in der Ukraine begeben, wo Sie sich bis Juli 2011 aufgehalten hätten. Dieses kleine Dorf befände sich unweit XXXX , Region XXXX , ca. 20 bis 25 Kilometer von XXXX entfernt.

 

Im genannten Zeitraum also vom XXXX 2009 bis Juli 2011 hätten Sie in einem kleinen Ihnen namentlich unbekannten Dorf bei einer Frau aufgehalten, deren Name Ihnen nicht mehr erinnerlich wäre – Sie glaubten jedoch, dass ihr Name XXXX gewesen sei. Sie hätten für XXXX bis Juli 2011 diverse Arbeiten verrichtet, hätten für sie Gras gemäht, Bäume gepflegt, Holz geschnitten und ihre Tiere gepflegt.

 

Dann hätten Sie im Jahr 2012 eine Ukrainerin kennengelernt. Diese hätte den Namen XXXX (Familienname nicht erinnerlich) geführt. Diese hätte Sie dann finanziell unterstützt und mit Ihnen Ausflüge unternommen, da diese Geld und ein Auto besessen hätte.

 

Sie hätten die Arbeit (Abzapfen von Öl aus staatlichen Pipelines), die Sie in der Ukraine gegen Ihren Willen verrichten hätten müssen, da Ihnen von XXXX der armenische Reisepass vorenthalten worden wäre und Sie ohne Reisepass nicht in die Republik Armenien zurückkehren hätten können.

 

Am XXXX 2012 hätte Ihnen dann die Person namens XXXX den armenischen Reisepass ausgefolgt, hätte Ihnen noch 500 US Dollar übergeben und Sie wären dann in die Heimat Armenien ausgereist.

 

In Ihrer Heimat Armenien hätten Sie dann ab 28.07.2012 bei der Mutter Unterkunft genommen und diese nach einem kurzen Zeitraum der Erholung bei den Arbeiten am Markt (Gemüsehandel) unterstützt. Sie hätten diese Tätigkeit bis zur Ihrer Ausreise aus Armenien im März 2013 ausgeübt.

 

Im März 2013, genauer am XXXX 2013 wären dann unbekannte Personen zu Ihrer Mutter gekommen, hätten diese geschlagen – woraufhin Sie, Ihre Mutter und Ihre Gattin die Heimat am 28.03.2016 fluchtartig verlassen hätten.

 

Ihr Vorbringen ist aus mehreren Gründen nicht glaubhaft.

 

Sie gaben an Ihr Reisepass wäre Ihnen am XXXX 2013 von Ihnen unbekannten Personen, welche aus der Ukraine nach Armenien gekommen waren, weggenommen worden. Sie wären an diesem Tage nicht zuhause gewesen. Sie wären damals mit Ihrer Frau im Elternhaus Ihrer Frau gewesen. Das Elternhaus wäre in der Stadt XXXX .

 

Ihre Frau gab diesbezüglich jedoch zu Protokoll, dass die Reisepässe sich nach wie vor in Armenien befinden würden und zwar im Hause Ihrer Mutter. Davon dass die Reisepässe von unbekannten Personen mitgenommen worden wäre, berichtete Ihre Frau nichts. Sie führte aus, diese hätten in der Eile im Hause zurückgelassen werden müssen.

 

Auch wenn Ihre Frau über Ihr Fluchtvorbringen wenig bis gar nichts zu berichten wusste, so ist es nicht nachvollziehbar, dass Ihre Gattin keine Kenntnis davon hätte, wären die Reisepässe tatsächlich von unbekannten Dritten mitgenommen worden.

 

Sofern Sie sich mit Ihre Ausreisegründen darauf stützen, dass unbekannte Dritte aus der Ukraine Sie in Armenien verfolgten und unter Druck gesetzt hätten, so wird dem entgegengehalten, dass eine derartige Verfolgung schon aus dem Grund nicht glaubhaft ist, da Sie sich in der Ukraine im Zeitraum XXXX 2009 bis Juli 2012 (also drei Jahre) im Hause einer alten Frau namens XXXX unbehelligt leben und arbeiten konnten und niemand von Ihren Verfolgern in diesem Zeitraum an Sie herangetreten ist. Während des Aufenthalts bei XXXX haben Sie sich nicht etwa in deren Haus versteckt gehalten, sondern am öffentlichen Leben teilgenommen, im Jahr 2012 eine Ukrainerin namens XXXX kennengelernt und mit dieser gemeinsam Ausflüge unternommen, da diese Geld und ein Auto besessen hätte.

 

Es ist vollkommen unglaubhaft, dass Sie sich nicht an den Namen eines Dorfes erinnern, in dem Sie drei Jahre Ihres Lebens zugebracht haben wollen.

 

Zudem ist nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass Sie mangels eines armenischen Reisepasses gezwungen gewesen wären in der Ukraine zu verweilen, Sie haben sich während des Aufenthaltes in der Ukraine nicht etwa in Gefangenschaft befunden, Sie konnten sich frei bewegen und auf die Frage, warum Sie zum Beispiel die Gelegenheit nicht wahrgenommen hätten mit Hilfe von XXXX die Hauptstadt Kiew aufzusuchen, dort die Botschaft von Armenien zu konsultieren und dort einen neuen armenischen Reisepass zu erwirken, angegaben, dass Sie daran gar nicht gedacht hätten.

 

Sie haben aufgrund der behaupteten Verfolgung bzw. aufgrund der behaupteten Übergriffe und Drohungen oder aufgrund der behaupteten Unterdrückung (Unterschlagung von Dokumenten) weder in der Ukraine noch in Armenien Anzeige erstattet. Begründend führten Sie aus, dass Sie in der Ukraine selbst an der Begehung strafrechtlicher Delikte (Diebstahl von Öl aus staatlichen Pipelines) beteiligt gewesen wären und die Personen, welche Ihre Mutter in Armenien aufgesucht hätten, sich in Begleitung eines armenischen Polizeibeamten befunden hätten.

 

Sie haben sich ab dem 20.07.2012 bis XXXX 2013 oder 28.03.2013 unbehelligt von Ihren Verfolgern und auch unbehelligt von den Behörden in Ihrer Heimat Armenien aufgehalten.

 

Alle diese Tatsachen weisen darauf hin, dass keine Verfolgung vorlag und sich bei der von Ihnen präsentierten Fluchtgeschichte um ein reines Konstrukt handelt. Eine asylrelevante Verfolgung in der Heimat Armenien war Ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen.

 

Unabhängig von Ihren unglaubhaften Schilderungen, stünde Ihnen auch in Armenien eine schutzwillige und –fähige Behörde zur Verfügung, sollten Sie dort der Gewalt von Privatpersonen bzw. Kriminellen ausgesetzt sein.

 

Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang bleiben, dass Sie sich exakt an den Tag erinnern können, als Sie zum Militärdienst einrückten und als Sie vom Militärdienst zurückkehrten. Wichtige Details in Ihrem Fluchtvorbringen, wie z.B. der vollständige Name des „ XXXX “ und der vollständige Name von „ XXXX “ sind Ihnen nicht erinnerlich.

 

Dass Ihnen aufgrund der begangenen kriminellen Delikte in der Ukraine aufgrund asylrelevanter Merkmale eine strengere Bestrafung als dem durchschnittlichen armenischen Staatsangehörigen durch die Behörden Armeniens drohe, ist nicht anzunehmen.

 

Sie verfügen im Heimatland über Familie und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie, sollten Sie in die Heimat zurückkehren, dort keine Unterkunftsmöglichkeit und keine Unterstützung von Seiten der Familie vorfänden, selbst wenn sich im Elternhaus (Holzhaus) keine Unterkunftsmöglichkeit für Sie findet.

 

Dass Sie nie politisch aktiv waren, dass Sie weder aufgrund Ihrer Religion noch aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme hatten, ergibt sich daraus, dass Sie dies verneint haben als Sie konkret danach befragt wurden.

 

Andere Umstände brachten Sie nicht vor und ergaben sich auch nicht.

 

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

 

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

 

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP ein glaubwürdiges Vorbringen erstattet hätten und sehr gut integriert wären. Eine Verhandlung sei unerlässlich.

 

I.5. Mit Urkundenvorlagen vom 31.07.2019 und 17.09.2019 wurden Deutschprüfungszertifikate, Bescheide des AMS, Bestätigungen des Kindergartens, eine Bestätigung des Arbeitgebers der bP 1, eine Bestätigung des Vermieters (Zivilinvalidenverband), ein Dienstvertrag der bP 5 und ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.

I.6. Für den 27.11.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen. Eine Stellungnahme langte am 19.11.2019 ein

Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, bisher die Wahrheit gesagt zu haben und brachten keine Umstände vor, welche gegen die Annahme der Beweiskraft iSd § 15 AVG in Bezug auf die bisher durchgeführten Einvernahmen Zweifel aufkommen ließen.

Vorgelegt in der Verhandlung wurde von den bP:

- 1 Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters, sowie drei weitere Empfehlungsschreiben

- Ein Leasingvertragsoffert für einen BMW X5 SUV

- Eine Anmeldebestätigung für die A2 Prüfung am 10.01.2020 von der P1

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

Mit Schreiben vom 02.12.2019 bzw. 11.12.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt und wurde mit letzteren Schreiben auch die nunmehrige Bevollmächtigung von RA Dr. Häupl bekannt gegeben.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen

 

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

 

Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Auch die bP 5 ist ein arbeitsfähiger Mensch mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. bP 1, 2 und 5 wurden in Armenien geboren und haben dort die Schule besucht.

 

Die bP 1 hat in der Ukraine einen Teil der Schulausbildung abgeleistet und danach dort zweitweise – mit Unterbrechungen wegen Aufenthalten in Armenien - gearbeitet. Die bP 1 arbeitete und lebte eine zeitlang in der Ukraine, vor ihrer Ausreise nach Europa arbeitete sie ca. 2 Jahre als Händler in Armenien. Die bP 2 hat nach der Schule die Universität besucht und das Pädagogikstudium abgeschlossen. Die bP 5 machte nach der Schule eine Ausbildung zur Buchhalterin und arbeitete als Buchhalterin und später als Händlerin. Die bP 1 und 2 lebten vor ihrer Ausreise nach Österreich in dem Haus der Mutter (bP5) in XXXX , welches seit der Ausreise leer steht.

 

Familienangehörige leben nach wie vor in Armenien. Die Mutter der bP 2 lebt in Armenien mit den Geschwistern der bP 2. Die Mutter besitzt eine Eigentumswohnung. Der Vater arbeitete in Russland und besucht regelmäßig seine Familie in Armenien. Darüber hinaus leben Onkel und Tanten der bP 2 und bP 1 in Armenien.

 

Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur im Spruch genannten Familie zu zählen ist. Die bP 1 ist Taufpate eines in Österreich lebenden armenischen Kindes.

 

Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit ca. 6 ½ Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein.

 

bP 1, 2 und 5 haben Deutschkurse besucht. Die bP 1 hat die A1 Prüfung, die bP 2 die B1 Prüfung absolviert. Die bP 5 hat die A1 Prüfung bestanden. Sie sind strafrechtlich unbescholten.

 

Die bP 1 arbeitet seit April 2017 für 40h als Gartenarbeiter mit entsprechenden Beschäftigungsbewilligungen. Die bP 2 arbeitete von April 2019 bis November 2019 für 20h als Gartenarbeiterin. 2016 und 2017 arbeitete die bP 2 zeitweise für einige Monate saisonal. Die bP 5 arbeitete zwischen August und November 2019 für 30 h im Gastgewerbe. Die bP beziehen im Entscheidungszeitpunkt Grundversorgung, aufgrund ihrer jeweiligen Beschäftigungssituationen scheinen Zeiten seit Mitte 2018 auf, in welchen die Familie teilweise keine Grundversorgung bezog.

 

Die bP 1, 2 und 5 sind bei ihrem ehemaligen Vermieter, einem Invalidenverband in Österreich ehrenamtlich tätig.

 

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.

Die bP 3 besucht den Kindergarten, die bP 4 die Krabbelstube.

 

Im Jahr 2012 wurden bei der bP 5 in Armenien Harnsteine entfernt. Die bP leidet aktuell an Bluthochdruck und wird ihre Schilddrüse regelmäßig kontrolliert. Sie nimmt bei Bedarf Schmerztabletten wegen Kopf- und Nackenschmerzen sowie Blutdrucktabletten.

 

Die Identität der bP steht fest.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien

 

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

 

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0 , Zugriff 7.5.2019

 ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html , Zugriff 21.3.2019

 ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/ , Zugriff 8.5.2019

 BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605 , Zugriff 21.3.2019

 CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html , Zugriff 7.5.2019

 OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true , Zugriff 21.3.2019

 RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html , 21.3.2019

 RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html , Zugriff 21.3.2019

 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html , Zugriff 21.3.2019

Sicherheitslage

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).

Quellen:

 CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker# !/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019

 EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html , Zugriff 7.5.2019

 Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures , Zugriff 21.3.2019

 UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia , Zugriff 7.5.2019

Regionale Problemzone: Bergkarabach (Nagorny Karabach)

Die sogenannte „Republik Bergkarabach“ („RBK“, russ.: Nagorny Karabach; in Armenien auch Arzach genannt) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Die aserbaidschanische Regierung besitzt faktisch jedoch keine Kontrolle über das Gebiet. Auch Armenien erkennt die „Republik Bergkarabach“ offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Bergkarabach erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe (AA 7.4.2019).

Laut Angaben der selbsternannten Republik von Nagorny Karabach (auch Republik Artsach), umfasst das Gebiet mehr als 12.000 km², wobei hiervon 1.041 km² unter aserbaidschanischer Okkupation stünden. Die Bevölkerung belief sich 2013 auf rund 147.000 Einwohner, wovon 95% Armenier sind, nebst Russen, Ukrainern, Griechen, Georgiern und Aseri (NKR 21.3.2019).

Die sog. Republik Bergkarabach kontrolliert das in Aserbaidschan früher als Autonome Region Bergkarabach verwaltete Gebiet sowie weitere sieben Provinzen Aserbaidschans in den Grenzgebieten zu Armenien und Iran und in der Region um Agdam. Der Kreis Shahumyan nördlich der früheren Autonomen Region ist unter aserbaidschanischer Kontrolle, wird aber ebenfalls von der „RBK“ beansprucht, da es sich nach deren Logik um „von Aserbaidschan besetztes Gebiet“ mit ehemals armenischer Bevölkerungsmehrheit handelt. Insgesamt befindet sich etwa 13% des Staatsgebiets von Aserbaidschan unter armenischer Kontrolle, d.h. der sog. Republik Bergkarabach (AA 7.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Der amtierende Präsident Sahakyan, dessen zweite Amtszeit zu Ende ging, wurde im Juli 2017 mit 28 von 33 Stimmen zum Übergangspräsidenten gewählt. Er besiegte Eduard Agabekyan, den Vorsitzenden der oppositionellen „Bewegung 88“. Nach der neuen Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Nach der Einweihung von Sahakyan im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 1.2018).

Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien und die öffentlichen Fernseh- und Radiosender haben keine lokale Konkurrenz. Die meisten Journalisten praktizieren Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als "nationale Kirche" des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen, einschließlich Veranstaltungen, die von armenischen Aktivisten der Opposition geplant sind. Proteste, die die diplomatischen und sicherheitspolitischen Interessen des Territoriums unterstützen oder bestimmte wirtschaftliche Missstände anprangern, werden eher toleriert (FH 1.2018).

Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In Bergkarabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es „behördliche“ Unterstützung. Die wirtschaftliche Situation in Bergkarabach ist nach allgemeiner Einschätzung besser als in Armenien (AA 7.4.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Nagorno-Karabakh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442453.html , Zugriff 16.10.2018

 NKR – The Office of the NKR President (21.3.2019): NKR, General information, http://www.president.nkr.am/en/nkr/generalInformation/ , Zugriff 21.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 21.3.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).

Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).

Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 11.4.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 11.4.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).

Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692 , Zugriff 10.4.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 10.4.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).

Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf , Zugriff 10.4.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 10.4.2019

Korruption

Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).

Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (2017: 107 von 180 Staaten) und erhielt wie 2017 einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2018).

Quellen:

 FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 10.4.2019

 Haypress (13.7.2018): Armenien: Paschinjans Regierung holt 42 Mio. Dollar an Steuerhinterziehung zurück, https://haypressnews.wordpress.com/2018/07/13/armenien-paschinjans-regierung-holt-42-mio-dollar-an-steuerhinterziehung-zurueck/ , Zugriff 29.3.2019

 JAMnews (24.7.2018): Armenia’s fight against corruption: a JAMnews series on the first steps of the new Armenia, https://jam-news.net/armenias-fight-against-corruption-a-jamnews-series-on-the-first-steps-of-new-armenia/ , Zugriff 9.11.2018

 TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/ARM , Zugriff 29.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 29.3.2019

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).

Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).

Quellen:

 FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 29.3.2019

 OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E , Zugriff 29.3.2019

Ombudsperson

Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte „Ombudsperson für Menschenrechte“ muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019).

Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Die Zivilgesellschaft hat die Arbeit des Büros der Ombudsperson während der Proteste von April bis Mai 2018 allgemein als gut erachtet. Nach Angaben der Website des Menschenrechtsverteidigers arbeitete das Büro bei Protesten 24 Stunden am Tag, um den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2018 meldete das Büro eine beispiellose Zahl von Bürgerbeschwerden und -besuchen, die es auf ein gestiegenes Vertrauen in die Institution und neue Erwartungen der Öffentlichkeit zurückführte (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html , Zugriff 28.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 28.3.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen (AA 7.4.2019).

Zu den Menschenrechtsfragen gehörten Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; Polizeigewalt gegen Journalisten; physisches Einschreiten von Sicherheitskräften bei Versammlungen; Beschränkungen der politischen Partizipation; systemische Regierungskorruption; Verbrechen mit Gewalt oder Drohungen gegen Mitglieder sexueller Minderheiten; unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Menschen mit Behinderungen in zuständigen Einrichtungen Institutionen und schlimmste Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Die neue Regierung hat Schritte, auch strafrechtliche, unternommen, um Missbrauch zu untersuchen und zu ahnden, insbesondere gegen ehemalige Regierungsvertreter. Am 3. Juli 2018 erhob der Sonderermittlungsdienst (SIS) Anklage gegen einige ehemalige hochrangige Beamte im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Rolle bei den Zusammenstößen nach den Wahlen im Jahr 2008, als acht Zivilisten und zwei Polizisten getötet wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 HRW – Human Rights Watch (17.1.2019‘): World Report 2019 – Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002243.html , 29.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 29.3.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 20.4.2018). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).

Im Jahr 2018 wurden 13 neue Klagen gegen Reporter und Medienvertreter eingereicht. Alle zitierten Artikel 1087.1 des RoA Zivilgesetzbuches ("Beleidigung und Verleumdung"). Im Jahr 2018 verkündeten die Gerichte neun Urteile gegen Medien und Reporter und zehn Urteile zu deren Gunsten (HCA 1.2019).

Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch nach der "Samtrevolution" weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive (USDOS 13.3.2019). Im Parlamentswahlkampf im Herbst 2018 gab es keine größeren Einschränkungen der Pressefreiheit, obwohl politisch ausgerichtete Medien weiterhin die mit ihnen verbundenen Parteien und Kandidaten bevorzugten (FH 4.2.2019).

Eine Reihe von Reportern wurde während der Protestphase von der Polizei physisch angegriffen (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 67 Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 98 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 1.2019). Insgesamt wurden elf Strafverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen eingeleitet; in fünf der Fälle wurden Anklagen erhoben, drei Fälle landeten schließlich vor Gericht (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 Eurasianet (6.2.2019): In the new Armenia, media freedom is a mixed bag, https://eurasianet.org/in-the-new-armenia-media-freedom-is-a-mixed-bag , Zugriff 11.4.2019

 FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 28.3.2019

 HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf , Zugriff 28.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 28.3.2019

Todesstrafe

Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 7.4.2019, vgl. AI 23.10.2018, Standard 19.4.2003).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 AI – Amnesty International (23.10.2018): Abolitionist and retentionist countries (as of July 2018), https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf , Zugriff 27.3.2019

 Der Standard (19.4.2003): Armenien schafft Todesstrafe ab, https://derstandard.at/1276261/Armenien-schafft-Todesstrafe-ab , Zugriff 25.3.2019

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 7.4.2019).

In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet, und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.2.2019). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der öffentlichen Beschäftigung benachteiligt (USDOS 13.3.2019).

Laut Vertretern christlicher Minderheitengruppen besteht Freiheit in der Ausrichtung ihres Glaubens, allerdings fühlen sie sich verpflichtet, ihre Religion diskret auszuüben, besonders während sie im Militärdienst dienen. Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 26.3.2019

 USDOS – US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436783.html , Zugriff 27.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 27.3.2019

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).

Frauen sind in Führungspositionen im öffentlichen Sektor deutlich unterrepräsentiert. Im Jahr 2018 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Frauen in Armenien bei 17,3%. Auch in der Exekutive bleibt die Beteiligung von Frauen auf den höchsten Entscheidungsebenen, auf regionaler und lokaler Ebene sowie im diplomatischen Dienst gering. Ungleichheit im Bereich der Löhne ist besonders offensichtlich (CoE-CommDH 29.1.2019, vgl. USDOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).

Seit 2015 hat Armenien bedeutende Fortschritte bei der Schaffung und Verbesserung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gemacht. Wichtige gesetzgeberische Maßnahmen wurden von Sensibilisierungskampagnen begleitet, die zu einer öffentlichen Debatte und einem spürbaren Einstellungswandel zum Thema häusliche Gewalt führten. Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklungen und sehr lobenswerten Bemühungen bleibt die häusliche Gewalt in Armenien ein schwerwiegendes, weit verbreitetes und teilweise noch unterschätztes Phänomen (CoE-CommDH 29.1.2019).

Das neue Gesetz über häusliche Gewalt hat einige Elemente und Normen des Istanbuler Übereinkommens übernommen, verschiedene Formen häuslicher Gewalt definiert und den staatlichen Behörden eine positive Verpflichtung auferlegt, solche Gewalt zu verhindern und ihre Opfer zu schützen. Es verpflichtet die Behörden auch, eine nationale Strategie zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zu entwickeln und umzusetzen, Unterkünfte für Opfer von Gewalt einzurichten, ihnen kostenlose medizinische Versorgung zu bieten und regelmäßige Schulungen für alle in diesem Bereich tätigen Fachleute durchzuführen (CoE-CommDH 29.1.2019).

Nach Angaben von NGOs fehlte es der Regierung an Mitteln für die vollständige Umsetzung des Gesetzes. Polizeibeamte begannen ein Ausbildungsprogramm, hatten aber keine ausreichende Ausbildung oder den Willen, das Gesetz in Hinblick auf die Täter anzuwenden. Es gab nur eine Schutzeinrichtung für Opfer. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 hat das Ministerium für Arbeit und Soziales konkrete Schritte unternommen, wie z.B. die Finanzierung einer zweiten Schutzunterkunft und die Möglichkeit für NGOs, Informationen auf Ministeriums-Website zu veröffentlichen (USDOS 13.3.2019).

Das Gesetz verlangt, dass bestimmte Dienstleistungen für diejenigen erbracht werden, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, es sieht aber keine Maßnahmen für monetäre Entschädigungen der Opfer vor. Die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen - Verwarnungen und Schutzanordnungen - reichen möglicherweise nicht aus, um die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes zum Schutz der Betroffenen von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt zu erfüllen, dies infolge des Umfanges des Ermessensspielraum für die Strafverfolgungsbehörden und Richter, der vorgesehenen limitierten Fristen (z.B. Wegweisung) sowie der schwachen Konsequenzen, die Tätern häuslicher Gewalt blühen. Das Gesetz enthält zudem keine Details hinsichtlich der Beweislast, die für die Erlangung von Verwarnungen oder Schutzanordnungen oder für die strafrechtliche Verfolgung von Tätern häuslicher Gewalt erforderlich ist. Es ist letztendlich nicht klar, ob das Gesetz für alle Paare gilt, oder nicht registrierte Ehen bzw. Lebensgemeinschaften ausnimmt (OHCHR 29.3.2019).

Für den Schutz von Opfern häuslicher Gewalt beinhaltet das Gesetz die Anwendung von Schutzmaßnahmen, einschließlich Warnung, Notfallintervention und Schutzanordnung. Die Anwendung dieser Maßnahmen kann dazu führen, dass folgende Einschränkungen gelten: die sofortige und gewaltsame Entfernung des Gewalttäters aus dem Wohnort des Opfers und das Verbot seiner Rückkehr bis zum Ablauf der durch die Anordnung vorgesehenen Frist; Verbot für den Täter, das Opfer und gegebenenfalls die in Obhut des Opfers befindlichen Personen sowie Orte, an denen sie arbeiten, studieren oder leben oder andere Orte, zu besuchen; Verbot für den Täter, sich dem Opfer in einer Entfernung zu nähern, die beim Opfer eine nachvollziehbare Angst um die persönliche Sicherheit hervorruft. Trotz der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen wurden nach den Daten aus dem Gerichtsinformationssystem nur vier Fälle mit Anträgen auf Schutzanordnung zur Prüfung angenommen. Im Rahmen dieses Gesetzes wurden 413 Verwarnungen durch die Polizei ausgesprochen, in 128 Fällen wurde eine Entscheidung über ein sofortiges Eingreifen getroffen und Registrierungskarten für 541 Täter ausgefüllt (HCA 1.2019).

Vergewaltigung ist eine Straftat. Die Höchststrafe beträgt 15 Jahre. Allgemeine gesetzliche Bestimmungen zur Vergewaltigung gelten für die Verfolgung von Vergewaltigungen in der Ehe. Häusliche Gewalt wird nach allgemeinen Gesetzen über Gewaltanwendung verfolgt, obwohl die Behörden die meisten Vorwürfe häuslicher Gewalt nicht wirksam untersuchen oder verfolgen. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Es gibt Berichte, wonach die Polizei, insbesondere außerhalb Jerewans, Frauen davon abhält, Beschwerden einzureichen. Laut einigen Vertretern von NGOs werden Frauen, welche Vergewaltigungen anzeigen, fallweise über ihre bisherige sexuelle Erfahrung befragt und einem "Jungfräulichkeitstest" unterzogen. Eine Mehrheit der Fälle von häuslicher Gewalt wird nach dem Gesetz als Straftaten von geringer oder mittlerer Schwere angesehen. Die Regierung hat nicht genügend weibliche Polizeibeamte und Ermittler für den Außendienst eingestellt, um gegen diese Straftaten vorzugehen (USDOS 13.3.2019).

Der Untersuchungsausschuss der Republik Armenien hat 519 Straftaten von häuslicher Gewalt im Jahr 2018 bearbeitet, im Vergleich zu 458 Straftaten im Jahr 2017. Die meisten Strafsachen beziehen sich auf Gewaltanwendung durch den Ehemann. Im Jahr 2018 wurden in Armenien rund 990 Fälle von häuslicher Gewalt registriert, in 413 Fällen wurde eine Verwarnung ausgesprochen, während 128 Fälle eine sofortige Einmischung der Strafverfolgungsbehörden erforderten (CSVaW 2019). Laut diversen Studien sind 30% der armenischen Frauen Opfer körperlicher Gewalt in der Famlie, während Zwei-Drittel Opfer psychischer Gewalt sind (HCA 1.2019).

Im World Gender Gap Index 2018 nahm Armenien Rang 98 von 149 Ländern ein (2017: 97 von 144; 2016: 102 von 144). Insbesondere in den Subkategorien Gesundheit (Rang 148) und politische Teilhabe (Rang 115) schnitt das Land besonders schlecht ab, wohingegen in der Unterkategorie „Teilhabe an der Bildung“ mit dem 35. Rang, der entsprechende Wert überdurchschnittlich gut war (WEF 2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 CSVaW - Coalition to Stop Violence against Women (2019): Annual Newsletter, January - December 2018, http://coalitionagainstviolence.org/wp-content/uploads/2019/03/annual-newsletter_en.pdf?x24321 , Zugriff 26.3.2019

 CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (29.1.2019): Report on the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dunja Mijatović following her visit to Armenia from 16 to 20 September 2018 [CommDH(2019)1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2002632/CommDH(2019)1 - Report on Armenia_EN.docx.pdf , Zugriff 26.3.2019

 FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html , Zugriff 26.3.2019

 HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf , Zugriff 26.3.2019

 HRD - Human Rights Defender Of The Republic Of Armenia (2018): Annual Communique on the Activities of the Human Rights Defender of the Republic of Armenia, and the State of Protection of Human Rights and Freedoms during the Year 2017, http://www.ombuds.am/resources/ombudsman/uploads/files/publications/b738f4eb767ab62bedef29f766fa9ea0.pdf , Zugriff 26.3.2019

 OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (29.3.2018): Mandates of the Special Rapporteur in the field of cultural rights; the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences; and the Working Group on the issue of discriminationagainst women in law and in practice [OL ARM 1/2018] https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=23666 , Zugriff 26.3.2019

 USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html , Zugriff 26.3.2019

 WEF – World Economic Forum (2019): Gender Gap Index 2018 – Armenia, http://reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2018/data-explorer/#economy=ARM , Zugriff 13.3.2019

Grundversorgung und Wirtschaft

Über ein Viertel der armenischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, d.h. es stehen weniger als 75 Euro pro Monat zur Verfügung. Die registrierte Arbeitslosenquote liegt bei 20%. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen ist weder in Ausbildung noch in der Beschäftigung. Die Schattenwirtschaft macht über 30% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Wirtschaft wird nach wie vor von den sogenannten "Oligarchen" dominiert, Geschäftsleuten, die in bestimmten Wirtschaftszweigen Monopole gegründet und in der Vergangenheit erheblichen Einfluss auf die Politik ausgeübt haben (FriEnt 23.4.2019)

Das Durchschnittseinkommen betrug im ersten Quartal 2019 rund 174.000 Dram [ca. 323 Euro] (ArmStat 2019), während die monatliche Durchschnittspension 2017 40.634 Dram [ca. 74 Euro] ausmachte. Das Mindesteinkommen beträgt 55.000 Dram [100 Euro], die Mindestpension 16.000 Dram [29 Euro] (ArmStat 2018).

Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).

Für 2018 wird in Armenien ein Wirtschaftswachstum von 5% erwartet. Im Vergleich zu den Vorjahren ist es ein etwas moderaterer Wert. 2017 stieg das armenische BIP um 7,5%, was mit der Überwindung der Wirtschaftskrise Russlands, des wichtigsten Partners Armeniens, zusammenhängt. Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes. Der 8.5.2018 schlug ein neues Kapitel in der jüngeren Geschichte Armeniens auf. Der neue armenische Premierminister Pashinyan erklärte den Kampf gegen die alle Bereiche umfassende Korruption. Seine weiteren Ziele sind die Verbesserung der Lebensbedingungen der in großen Teilen verarmten Bevölkerung und der Wirtschaftsaufschwung (WKO 23.7.2018).

Quellen:

 ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2019): Average monthly nominal wages, drams / 2019, https://www.armstat.am/en/?nid=12&id=08001 , Zugriff 7.5.2019

 ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2018): Armenia in Figures - Living Standards And Social Sphere, https://www.armstat.am/file/article/armenia_2018_5.pdf , Zugriff 25.3.2019

 FriEnt - Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (23.4.2019): Armenien ein Jahr nach der „Samtenen Revolution“, https://www.frient.de/news/details/news/armenien-ein-jahr-nach-der-samtenen-revolution/ , Zugriff 8.5.2019

 UNDP - United Nations Development Programme (15.7.2018): Human Development Indices and Indicators: 2018 Statistical Update, Briefing note for countries on the 2018 Statistical Update, Armenia, http://hdr.undp.org/sites/all/themes/hdr_theme/country-notes/ARM.pdf , Zugriff 25.3.2019

 WKO – Wirtschftskammer Österreich (23.7.2018): Die armenische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-armenische-wirtschaft.html , Zugriff 25.3.2018

Sozialbeihilfen

Sozialwesen

Das Sozialsystem in Armenien ist wie folgt aufgebaut:

 Staatliches Sozialhilfeprogramm, z.B. Unterstützung von Familien, einmalige Geburtenzuschüsse, sowie Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren

 Sozialhilfeprogramme für Personen mit Behinderung, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate

 staatliches Sozialversicherungsprogramm, welches aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft.

 Privilegien für Personen, die im Jahr 1999 signifikante Notlagen durchlebten, vor allem für Veteranen des Zweiten Weltkriegs.

Alle armenischen Staatsbürger sind berechtigt, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.

Anmeldeverfahren: RückkehrerInnen können in einem der 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (10 in Jerewan und 41 in der anderen Regionen) Sozialhilfe beantragen oder online ein Formular einreichen: http://www.ssss.am/arm/e-reception/send-application/

Pensionssystem

Das Renteneintrittsalter in Armenien liegt bei 63 Jahren. Eine Sozialrente wird ab 65 Jahre gewährt. Bei beschwerlicher oder gefährlicher Arbeit kann das Eintrittsalter niedriger liegen. Das staatliche Rentenversicherungssystem, basierend auf einer gesetzlichen Sozialversicherung, ist in folgende Elemente gegliedert:

▪Altersrente

▪Verlängerte Dienstrente

▪Behindertenrente

▪Rente für Familien, die den Einkommensträger verloren haben

Um eine armenische Rente in Anspruch nehmen zu können muss der/die Rückkehrende in Armenien registriert sein. Anmeldungen für die staatliche Rente können ebenfalls auf der Website des staatlichen Sozialversicherungsservice des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingereicht werden (IOM 2018).

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von 16.000 Dram monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht 500 Dram monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (SSA 2016).

Schutzbedürftige Personen

Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2018).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (SSA 2016).

Mutterschaftsgeld

Obwohl der Geburtsvorgang eines Babys technisch gesehen nach dem Gesetz kostenlos ist, fallen jedoch im Laufe von neun Monaten und vor allem in den Tagen nach der Geburt viele weitere Kosten an. Dies betrifft im Allgemeinen auch die Krankenhausgebühren. In den ersten sieben Lebensjahren eines Kindes sind alle Arztbesuche und Impfungen kostenlos. Dazu gehören auch Allergietests und ähnliche Untersuchungen, die für das Kind notwendig sind. Medikamentenkosten sind das Einzige, wofür die Eltern [fallweise] aufkommen müssen. Bestimmte Medikamente, wie Vitamin D bei Wintergeburten, werden von den Kliniken ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt. In einige Krankenhäusern werden sogar kostenlos Windeln oder Cremes ausgeben, sobald das Baby geboren ist. Die Geburt ist in Armenien offiziell kostenlos, die meisten Krankenhäuser verlangen jedoch inoffiziell Geldleistungen für die Anwesenheit des Arztes (Repat Armenia 26.6.2018).

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram, eingezahlt auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf dem Spezialkonto. Außerdem haben Mütter, auch selbständig erwerbstätige, das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen Geburten auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage ausgedehnt. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 26.6.2018).

Quellen:

 IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Armenien 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Armenia_DE.pdf , Zugriff 25.3.2019

 Repat Armenia (26.62018): Having Your Child In Armenia Maternity, http://repatarmenia.org/en/practical-info/education-healthcare/a/having-your-child-in-armenia , Zugriff 19.11.2018

 SSA – Social Security Administration (2016): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016 – Armenia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/armenia.html , Zugriff 19.11.2018

Medizinische Versorgung

Die primäre medizinische Versorgung ist in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 (Stand: 2016) regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei (AA 17.4.2018, vgl. MedCOI 2.2018).

Um Zugang zu kostenlosen medizinischen Primärleistungen zu erhalten, muss eine Person armenischer Staatsbürger sein und in einer der Polikliniken oder primären Gesundheitseinrichtungen (Primary Healthcare – PHC) in der Nähe ihres Wohnortes registriert sein. In diesen Polikliniken oder PHC-Einrichtungen sind alle allgemeinen und wichtigsten spezialisierten medizinischen Dienstleistungen völlig kostenlos (einschließlich Impfungen und routinemäßiger labortechnischer Untersuchungen). Die folgenden Dienstleistungen stehen in den Polikliniken kostenlos zur Verfügung:

 allgemeines Gesundheitswesen: Allgemeinmediziner, Hausarzt, Bezirkstherapeut, Kinderarzt

 spezialisierte medizinische Dienste: Neurologen, Endokrinologen, Onkologen, Kardiologen, Chirurgen, Phthysiatern, Hals-Nasen-Ohren-Heilern (HNO), Gynäkologen, Dermatologen, Chirurgen/Traumatologen, Augenärzten, Infektions-/Immunologen, Stomatologen; und in mehreren Polikliniken Rheumatologen, Urologen

 Laboruntersuchungen: Blutkörperchenzahl, biochemische Routineuntersuchungen

 medizinisch-technische Untersuchungen: Ultraschall, EKG, Röntgen, Spirometrie, Fundoskopie

 Impfungen und Hausbesuche durch einen Hausarzt: bei akuten Erkrankungen - Infektionen der oberen Atemwege, Temperatur, Schmerzsyndrom; bei onkologischen Patienten durch Onkologen (MedCOI 2.2018).

Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 7.4.2019).

Alle armenischen StaatsbürgerInnen, einschließlich Rückkehrende, Asylsuchende und Flüchtlinge, haben ohne Einschränkungen das Recht auf Dienstleistungen von Krankenversicherungen. Rückkehrende, die nicht von der staatlichen Krankenkasse profitieren, können eine freiwillige private Krankenversicherung abschließen. Die Preise variieren zwischen 230 USD und 350 USD pro Jahr. Für die Anmeldung werden der Pass/Personalausweis und die Krankenversicherungskarte benötigt. Für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung muss die Person die Krankenkassen direkt kontaktieren (IOM 2018).

Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitär-epidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen I, II oder III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein "spezielles Krankheitsprogramm" (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018).

Für die hospitale Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018).

Folgende Personengruppen können kostenfreie Medikamente in lokalen Polykliniken erhalten:

▪ Behinderte, 1. und 2. Gruppe (die Kategorien werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales bestimmt)

▪ Behinderte Kinder unter 18 Jahren

▪ Veteranen des II. Weltkriegs

▪ Kinder ohne elterliche Aufsicht, sowie Halbwaisen unter 18 Jahren

▪ Kinder (unter 18 Jahren) aus Familien mit 4 oder mehr minderjährigen Kindern

▪ Angehörige von Militärangehörigen, die im Dienste der Republik Armenien verstorben sind

▪ Kinder aus Familien mit behinderten Kindern unter 18 Jahren Kinder unter 7 Jahre

Eine Kostenerstattung in Höhe von 50% ist für folgende Personengruppen gewährleistet:

▪ Behinderte der 3.Gruppe

▪ Rechtswidrig Verurteilte

▪ Alleinstehende, arbeitslose Pensionäre

▪ Familien bestehend aus arbeitslosen Pensionären

▪ Alleinstehende Mütter mit Kindern unter 18 Jahren

Eine Kostenerstattung in Höhe von 30% erhalten arbeitslose Pensionäre (IOM 2018).

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. 250 Euro/Monat). Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 7.4.2019).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 IOM – International Organization for Migration (2018): http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Armenia_DE.pdf , Länderinformationsblatt Armenien 2018, Zugriff 25.3.2019

 MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

Behandlungsmöglichkeiten von Hepatitis C

Behandlung und Prävention von Hepatitis C sind nicht kostenlos. Im Gegensatz zur HIV-Behandlung, die durch ein spezielles Programm abgedeckt und damit kostenlos ist, gibt es kein ähnliches Programm zur Behandlung und Kontrolle von Hepatitis C. Eine neue Initiative mit dem Titel: "Zielprojekt zur Bekämpfung und Prävention von Hepatitis in Armenien für den Zeitraum 2015-2020" zielt darauf ab, alle Aktivitäten (einschließlich NGOs) zur wirksamen Bekämpfung von Hepatitis zu koordinieren, insbesondere für gefährdete und spezielle Gruppen. Die Maßnahmen zielen in erster Linie darauf ab, die Tendenz zur viralen Hepatitis-Morbidität und -Mortalität zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Im Gegensatz zur Behandlung der akuten Hepatitis C, die durch das staatliche Basic Benefit Package (BBP) abgedeckt ist, ist die Behandlung der chronischen Hepatitis C nicht im BBP enthalten. Die Krankenhausbehandlung kostet 20.000 AMD pro Tag (teure Antivirenmittel nicht inbegriffen). Die ambulante Behandlung kostet bei der ersten Sitzung 10.000 und 5.000 Dram für jede weitere Sitzung. Patienten mit Hepatitis C haben keinen Zugang zu frei verschriebenen anti-viralen Medikamenten. Auch in akuten Fällen übernimmt das Krankenhaus im BBP-Rahmen keine Medikamentenkosten und die Patienten müssen anti-virale Medikamente selbst bezahlen (MedCOI 2.2018).

Quellen:

 MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

Behandlungsmöglichkeiten von Nierentransplantationen

Die einzige medizinische Einrichtung in Armenien, in der eine Nierentransplantation möglich ist, ist das medizinische Zentrum "Arabkir". Die Regel ist, dass ein Nierenspender ein Familienmitglied sein muss. Derzeit gibt es keine andere Möglichkeit, eine Transplantation durchzuführen. Alle Kosten im Zusammenhang mit der Nierentransplantation werden in drei gleiche Teile aufgeteilt: Patient (Familie), "Arabkir" United Child Fund und das staatliche BBP (2,5 Mio. Dram oder rund 4.500 Euro.) (MedCOI 2.2018, vgl. MedCOI 29.10.2018).

Während bei einer Nierentransplantation der Patient einen Teil der Kosten selbst trägt, werden die folgenden Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nachbehandlung vollständig rückvergütet:

 Nachbehandlung nach der Transplantation für 24 Tage.

 Bereitstellung von Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin, Mycophenolatmofetil, Tacrolimus) zur Vermeidung von Transplantatabstoßungen. - Da diese Medikamente in der Regel teuer und schwer zugänglich sind, sind sie nur in ausgewählten Apotheken verfügbar.

 Messung der Blutkonzentration von Immunsuppressiva (MedCOI 29.10.2018).

Quellen:

 MedCOI - Belgian Immigration Office (29.10.2018): Question & Answer, BDA-20181011-AM-6907 , Zugriff 25.3.2019

 MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

Behandlungsmöglichkeiten von Hämodialyse

Dialysebehandlungen erfolgen grundsätzlich kostenlos: Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. 100 USD pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, Gjumri, Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 7.4.2019).

Wenn ein Krankenhaus verfügbar ist, hat ein neuer Patient die Möglichkeit innerhalb kurzer Zeit aufgenommen zu werden. Dennoch müssen folgende Vorarbeiten geleistet werden, um auf eine kostenlose und regelmäßige programmierte Hämodialyse zuzugreifen: 1. der Patient (armenischer Staatsbürger) muss eines der Krankenhäuser in der Nähe seines Hauses besuchen, in dem die Hämodialyseabteilung arbeitet. 2. Der Patient muss seine medizinischen Unterlagen bei Nierenproblemen (auch die vorherige Hämodialyse) einem Spezialisten der durch das Programm vorgesehenen Hämodialyseabteilung für ein medizinisches Gutachten zur Verfügung stellen, das die Notwendigkeit der Hämodialyse nachweist. Wenn diese Abteilung eine freie Stelle in ihrer Quote hat, wird der Patient automatisch in die Hämodialyse einbezogen, und zwar auf Anordnung des Direktors des Krankenhauses mit einer Hämodialyseabteilung. Ist die Quote bereits erreicht, muss sich der Patient eine andere Einrichtung suchen. Es ist auch möglich, mehrere Hämodialyseverfahren in einer privaten Einrichtung zu organisieren (Die Kosten für eine Sitzung betragen 18.100 Dram [ca. 33 Euro]), während man auf die Aufnahme in das kostenlose staatliche Hämodialyse-Programm wartet (ca. sieben bis zehn Tage). Die Abteilungen für Hämodialyse stellen überdies den Patienten Recormon (Epoetin beta) zur Verfügung, um einer Anämie vorzubeugen (was bei der Hämodialyse ein hohes Risiko darstellt). Einer der wichtigsten Dienstleister für Dialyse-Patienten ist Astghik MC 235, das die größte Patientenzahl des Landes bedient - etwa 202 Patienten. Die Einrichtung verfügt über professionelles medizinisches Personal und Behandlungseinrichtungen (MedCOI 2.2018).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

Behandlungsmöglichkeiten von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS)

Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos (AA 7.4.2019). Die Gebühren für die Behandlung sind flexibel, je nach den finanziellen Mitteln des Patienten (MedCOI 2.2018). Im Rahmen des BBP haben Patienten mit psychiatrischen/mentalen Störungen freien Zugang zu verschriebenen psychotropen Medikamenten, die in der NEDL (National Essential Drug List) aufgeführt sind. Die freie Bereitstellung von psychotropen Substanzen steht im Zusammenhang mit der "Krankheitsgruppe". Psychiater arbeiten in spezialisierten Apotheken, in denen Psychopharmaka kostenlos an registrierte psychisch kranke Patienten mit einer Ambulanzkarte abgegeben werden. Ein Rezept ist erforderlich, wenn ein Patient ein psychotropes Medikament in einer Apotheke kaufen möchte. Die [privaten] Krankenversicherungen decken keine medizinischen Dienstleistungen und psychotropen Medikamente ab, die bereits im Basis-Leistungspakets (BBP) enthalten sind (MedCOI 21.2.2018).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018) : Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019

 MedCOI - Belgian Desk on Accessibility (BDA) (21.2.2018): BDA-20171122-AM-6675

Rückkehr

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 7.4.2019).

Das offizielle Internet-Informationsportal „Tundarc“ bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

 Tundarc (o.D.): Tundarc, http://tundarc.am/wp/?lang=en , Zugriff 21.3.2019

 

Anfragebeantwortung vom 17.Juli 2019 betreffend Vulnerabilität bestimmter Personen

 

1. Auf welche staatlichen Unterstützungsleistungen können armenische Staatsangehörige mit fünf Kindern nach einer Rückkehr in Armenien zugreifen (Aufzählung von Sozialhilfe, Kindergeld – etwaige Staffelung nach Alter, Zuschüsse bei Strom, Wasser, Heizkosten, Lebensmittel etc)? Wie hoch sind diese Unterstützungsleistungen derzeit?

 

In Übereinstimmung mit dem armenischen Aktionsprogramm der Regierung zur Umsetzung des politischen Konzepts für die staatliche Regulierung von Migration, fallen Rückkehrende nicht unter ein spezifisches Ministerium, da Rückkehrer keine separate Gruppe darstellen und als berufstätig, arbeitslos, Rentner etc. definiert werden. Dass heißt, dass es mehrere Ministerien gibt, die in den Wiedereingliederungsprozess involviert sind.

 

Nach dem armenischen Arbeitsgesetz werden rückkehrende Migranten auf dem Arbeitsmarkt als nicht wettbewerbsfähig betrachtet und können von den jährlich stattfindenden, staatlichen Beschäftigungsprogrammen, die die Reintegration von Rückkehrern mittels Arbeitsstellen unterstützen, profitieren.

 

Zudem kann sich eine rückkehrende Familie mit fünf Kindern erwarten, in das Familienbeihilfesystem, welches sich auf monatliche 50,500 AMD (gleicht ungefähr 100 Euro) beläuft, einbezogen zu werden. Für Familien, die in entlegenen Gebieten im Hochland und in den Grenzbereichen mit Aserbaidschan leben, könnte es zusätzliche 65 Euro geben. Diese Liste der angeführten Gebiete werden von der Regierung definiert.

 

Eine andere Art der Sozialhilfe stellt die Nothilfe da, welche von der Regierung bereitgestellt wird. Diese wird unter gewissen Umständen vierteljährlich geleistet. Gegenwärtig beläuft sich der Betrag auf 35 Euro pro Monat. Eine Blitz - Nothilfe wird ebenfalls im Falle einer Kindesgeburt, eines Todesfalles von einem Familienmitglied und für den ersten Tag des Schulbesuchs geleistet. Der Betrag einer Blitz - Nothilfe variiert von 45 bis zu 90 Euro.

 

b. Welche Möglichkeiten von nichtstaatlichen, etwa karitativen Unterstützungsleistungen durch welche (nationale bzw. internationale) NGO´s bestehen bei Rückkehr einer Familie mit Kleinkindern? Wie hoch sind diese Unterstützungsleistungen derzeit?

 

Gegenwärtig führen die nachfolgenden Organisationen spezifische Reintegrationsprogramme durch, um die Wiedereingliederung von Rückkehrern in Bereichen wie beispielsweise der Arbeit, der Berufsausbildung, Beratungsleistungen und Sozialhilfe zu erleichtern:

1. Caritas Armenien;

2. Menschen in Not

3. Armenischer Fonds für nachhaltige Entwicklung (einst genannt: French Armenian Development Foundation (FADF),

4. Internationale Organisation für Migration (IOM),

5. Französisches Amt für Einwanderung und Integration (OFII).

 

Caritas Armenien schlägt vier strategische Richtungen ein, wie Sozialschutz, öffentliches Gesundheitswesen und Gemeindeentwicklung; Migration, Integration und Vorbeugung gegen illegalen Handel; Anwaltschaft, Lobbying und Netzwerkzusammenarbeit; und Notfallvorsorge/Notfallmaßnahme.

Caritas Armenien realisiert Projekte, welche schutzbedürftigen Gruppen wie älteren Menschen, Waisen, benachteiligten Kinder, körperlich benachteiligten Personen, benachteiligten schwangeren Frauen und Menschen mit Behinderungen in Shirak, Lori, Gegharkunik, Ararat Gebieten wie auch in Jerewan helfen. Sie fördern ebenfalls den Ausbau der Infrastruktur wie die Konstruktion von Wasserleitungen und Bewässerungssystemen, die Beleuchtung von Dörfern, die Renovierung von Schuleinrichtungen und den Bau von Gemeindezentren.

Das Büro in Jerewan beschäftigt sich mit Migration und dem illegalen Handel.

 

Menschen in Not (PIN) Armenien - Während den Jahren 2013 und 2016 hat PIN Armenia und die Armenische Frauenhilfsvereinigung (Armenian Relief Society- ARS) in Zusammenarbeit mit der staatlichen Arbeitsvermittlung von MLSA sowie der finanziellen Unterstützung durch die Europäische Union das Projekt “Förderung der zirkulären Migration und der Reintegrationsprozess in Armenien“ implementiert.

Seit dem Jahr 2016 hat PIN Armenien die “Unterstützung der Wiedereingliederung von freiwilligen Rückkehrern“ durch Arbeitsstellen, soziale und geschäftliche Unterstützung implementiert, welches von der L´Office Francais de l´Immigration et de l´Integration, einem französischen öffentlichen Verwaltungsorgan finanziert wird.

 

Der Armenische Fonds für nachhaltige Entwicklung (einst genannt: The French Armenian Development Foundation) wurde im Jahr 2004 von der Armenischen Sozialhilfegesellschaft (Armenian Social Aid Society – AAAS) etabliert. Die AAAS wurde im Jahr 1890 gegründet und ist ein wichtiger Akteur der Armenischen Gemeinde in Frankreich. Seit dem Jahr 2005 helfen AAAS und OFII zusammen mit der FADF, armenischen Staatsangehörigen, um freiwillig von Frankreich nach Armenien zurückzukommen, und das im Rahmen des Projektes “Zurück zu den Ursprüngen“, welches im Jahr 2005 von der Europäischen Union ins Leben gerufen wurde. Das Ziel dieses Projektes lag darin, die freiwillige Rückkehr nach Armenien zu erleichtern. Das Projekt ist noch immer am Laufen und wird durch unterschiedlicher Institutionen finanziert.

 

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist die führende zwischenstaatliche Organisation im Bereich der Migration. IOM agiert in Armenien seit dem Jahr 1993 und hat eine wichtige Rolle in Sachen Reformen des Migrationsmanagements in Armenien durch umfangreichen Kapazitätsaufbau, Politikempfehlung und Politikgestaltung, Forschung, technische Assistenz, öffentliches Bewusstsein sowie direkte Hilfeleistung der verschiedenen Kategorien von Migranten gespielt.

IOM Armenien arbeitet hauptsächlich in den folgenden Bereichen: technische Zusammenarbeit in Sachen Migration: Migrationspolitik und Forschung: Rechte von Migranten und internationales Migrationsgesetz; Grenz- und Identitätsmanagement; Arbeitsmigration; Migrationsgesundheit; Notfall- und

 

Notfallsnachversorgungsoperationen; Migrationsdaten; Unterstützung von Migranten und Hilfe für schutzbedürftige Migranten, so wie Opfer des Menschenhandels. Die Regelung der Wiedereingliederungshilfe für Migranten in ihr jeweiliges Herkunftsland ist ein essentielles Element, um die Zukunftsfähigkeit von Rückkehrenden zu gewährleisten.

IOM und Partner in den Herkunftsländern stellen den Migranten sozioökonomische Hilfe bereit, um ihre Selbstversorgung und ihre Beiträge an die örtlichen Gemeinschaften zu fördern. Allerdings kann die Eigenversorgung von Rückkehrenden schlussendlich nur zusammen mit sozioökonomischer Entwicklung gewährleistet werden. Typischerweise werden potentielle Rückkehrer der IOM von den Behörden des Gastlandes, so wie von der Zuwanderungsbehörde, von den örtlichen Asylzentren oder NGOs, gemeldet.

In den Jahren 2000 bis 2015 hat die IOM ungefähr 6.800 Immigranten geholfen, die von hauptsächlich europäischen Ländern nach Armenien zurückgekehrt sind. Derzeit setzt die IOM einige Projekte im Bereich der Rückkehr und der Reintegration mit Beteiligung von Armenien durch. Zusätzlich assistiert die IOM die Rückkehrenden aus unterschiedlichen, hauptsächlich europäischen Ländern, von Fall zu Fall.

 

Das Französische Amt für Immigration und Integration (OFII), Vertretung in Armenien, wurde im Dezember 2012 ins Leben gerufen und ist für die Wiedereingliederungsprojekte von armenischen Rückkehrern zuständig. OFII stellt Leistungen zur Verfügung, um eine nachhaltige soziale und ökonomische Reintegration von rückkehrenden Migranten zu gewährleisten.

 

Die betreffenden Projekte lauten: “Stärkung der armenischen Migrationsmanagementkapazitäten mit besonderem Fokus auf Reintegrationsaktivitäten im Rahmen der EU-Armenischen Mobilitätspartnerschaft“ sowie “Freiwillige Rückkehr und Reintegrationshilfe von Frankreich (in Armenien und Georgien).“

2) Gibt es Sozialprojekte vom Staat Armenien, die Familien (mit Kleinkindern) unterstützen, wie zum Beispiel Wohnungsgewährung, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Beratung?

 

Das einzige staatliche Programm einer Wohnungsgewährung betrifft Waisenkinder, wenn diese das Erwachsenenalter erreichen.

Familien mit mehreren Kindern können sich an Hilfsorganisationen und/oder private Spender wenden.

Bezüglich der Arbeitssuche und der Beratung werden rückkehrende Migranten als wettbewerbsunfähig auf dem Arbeitsmarkt betrachtet und könnten die nachfolgenden Leistungen vom Ministerium für Arbeit und Sozialangelegenheiten erhalten:

-) Organisation von professionellen Kursen für arbeitslose Menschen und Menschen, die in Gefahr stehen, ihre Arbeitsstelle zu verlieren,

-) die Bereitstellung von Hilfeleistungen für arbeitslose Menschen, um Arbeitserfahrung zu sammeln,

-) die Bereitstellung von Hilfeleistungen für arbeitslose Menschen, um eine Arbeit an einem anderen Ort zu finden,

-) die Bereitstellung von teilweiser Kompensation des Gehalts an den Arbeitgeber für nicht wettbewerbsfähige Menschen auf dem Arbeitsmarkt und die Gehaltsentschädigung der Begleitung von Menschen mit Behinderungen,

-) die Bereitstellung von Hilfeleistungen für die auf dem Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähige Menschen an Arbeitgeber, um eine Arbeitsstelle zu erhalten, als auch die Bereitstellung einer einmaligen Kompensation an einen Arbeitgeber für die Einstellung einer Person der angeführten Kategorie von Arbeitssuchenden,

-) Organisation von Berufsmessen,

-) Die Bereitstellung von Hilfeleistungen an Landwirte und die Agrarindustrie durch die Förderung von Saisonarbeit.

3) Existieren private Initiativen (NGOs, Selbsthilfegruppen, etc), welche Rückkehrer unterstützen und beraten?

 

Ja, diese existieren. Die Liste der Organisationen werden diesem Bericht beigefügt.

 

4) Gibt es gegebenenfalls allgemeine Einrichtungen (NGOs, Caritas etc.), die Familien finanziell bzw. mit Sachgütern unterstützen? Wenn ja, Nennung dieser Einrichtungen.

 

Caritas Armenien könnte bis zu 2.500 Euro als finanzielle Hilfe bereitstellen, nachdem eine gründliche Bewertung der Bedürfnisse der jeweiligen Familie erstellt wird.

 

Allerdings wird der Betrag nicht direkt an die Rückkehrenden ausbezahlt, sondern dieser wird benutzt, um beispielsweise die Miete zu bezahlen, Ausrüstung/Nutztiere zum Start eines Unternehmens zu erwerben, Ausbilungs-/Trainingsgebühren etc. zu bezahlen.

Um in Hilfsprogramme eingebunden zu werden ist es ratsam, diese schon im Voraus zu beantragen und das durch beispielsweise die Caritas Armenien.

5) Wenn eine Familie am „Existenzminimum“ leben muss: Gibt es ein wirtschaftliches und medizinisches „Auffangnetz“, das Familien (finanziell) unterstützt?

 

Finanzielle Unterstützung wird von der Regierung bereitgestellt, wie im Abschnitt 1a dargestellt worden ist. Was medizinische Unterstützung durch die Regierung betrifft, werden sämtliche Kinder unter 18 Jahren in Armenien gänzlich von der Regierung medizinisch abgedeckt. Auch Erwachsene, die in dem Familien- beziehungsweise Sozialbeihilfeplan inkludiert sind, als auch die die einer gewissen schutzbedürftigen Schicht angehören, erhalten gänzliche oder eine partielle medizinische Abdeckung als auch kostenlose oder vergünstigte Medikamente.

 

6) Welche medizinischen Möglichkeiten gibt es in Armenien, um Epilepsie, Sprachentwicklungsstörungen bzw. eine Autismusspektrumsstörung behandeln zu lassen? Sind geeignete Krankenhäuser bzw. medizinische (psychologische) Einrichtungen vorhanden, um diese Krankheiten behandeln zu lassen? Gibt es die dazu notwendigen Behandlungen (Medikamente) und sind diese durch eine „Krankenversicherung“ gedeckt, sodass eine „sozial schwache Familie (mit Kleinkindern)“ sich diese leisten kann?

 

Beinahe alle wichtigen medizinischen Zentren und Krankenhäuser in Armenien haben neurologische Abteilungen, in welchen Epilepsie behandelt wird. Verschiedene Methoden werden zu Gebrauch genommen, darin eingeschlossen sind auch chirurgische Eingriffe. Behandlungen von Kindern unter 18 Jahren werden von der Regierung abgedeckt. Erwachsene, die Familien- oder Sozialbeihilfe beziehen, werden ebenfalls von der Regierung finanziell abgedeckt.

Es existieren viele Organisationen, die sich um Kinder mit Autismus und/oder speziellen Bedürfnissen kümmern. Die Leistungen dieser Organisationen sind kostenlos. Die Liste der Organisationen wird diesem Bericht beigefügt.

7) Welche Rückführprogramme gibt es? (Nennung der staatlichen und nichtstaatlichen Stellen mit Kontaktdaten).

 

Rückkehrhilfe und Wiedereingliederung ist ein wichtiger Teil der Migrationspolitik und des Migrationsmanagementsystems in Armenien.

 

 

Das “Strategiepapier der Politik für die staatliche Regulierung der Migration in der Republik Armenien“ spezifiziert die wichtigsten Herausforderungen und Strategien in Bezug auf die armenische Migrationspolitik und eine dieser bezieht sich direkt auf die Hilfeleistung bei der Rückkehr von armenischen Staatsangehörigen wie auch ihrer Reintegration in ihrem Heimatland. Diese Priorität wird ebenfalls im “Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des Politikkonzepts für die staatliche Regulierung von Migration in der Republik Armenien in den Jahren 2012-2016“ unter Betracht gezogen. Das Anliegen bezieht sich auf die Unterstützung der Rückkehr von Staatsbürgern der Republik Armenien nach Armenien als auch auf ihren weiteren Reintegrationsprozess. Die Hauptaktivitäten, die in dem Nationalen Aktionsplan beschrieben werden, lauten wie folgt:

-) die Verbesserung des Internet-Informationssystems;

-) die Organisation von Beratungsdiensten in den Einrichtungen, die mit Migration arbeiten, so wie der staatliche Migrationsdienst und andere Ministerien;

-) Gespräche mit den Gastländern in denen über Fragen die Rückkehr und die Reintegration betreffend gesprochen wird und der einzige Punkt direkt bezogen auf die sozioökonomische Reintegration;

-) die Führung von Arbeitsprogrammen für Rückkehrende.

 

Der Staats-Migrationsdienst (SMS), welcher dem Ministerium für territoriale Verwaltung und Entwicklung untergeordnet ist, ist die führende Behörde in Bezug auf Migrationsmanagement in Armenien. Sie koordiniert Migrationsfragen und entwickelt Politiken. Die SMS überwacht zudem den “Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des Politikkonzepts für die staatliche Regulierung von Migration in der Republik Armenien in den Jahren 2012-2016“.

 

8) Wie lange kann eine Familie (mit Kleinkindern) mit Unterstützung (in finanzieller oder sachlicher Hinsicht) rechnen?

 

Im Falle dessen, dass eine Familie im Familienbeihilfeplan einbezogen wird, kann davon ausgegangen werden, dass diese Beihilfe erhält, außer wenn sich die Rechtsgrundlagen und die Lebensumstände positiv geändert haben sollten. Aus diesem Grund kann eine Familie, wenn Sie gewisse Anforderungen erfüllt, Beihilfe ohne zeitliche Beschränkung erhalten.

 

9) Wenn eine Familie Deutschkenntnisse auf A2 hat: Hat diese Familie bei der Arbeitssuche am Arbeitsmarkt (zum Beispiel Tourismusbranche, Handel, etc.) höhere Arbeitschancen als ohne diese Kenntnisse?

 

Fremdsprachekenntnisse bieten meistens gewisse Vorteile auf dem Arbeitsmarkt. Normalerweise verlangen Arbeitgeber, insbesondere in den Bereichen Tourismus, Dienstleistungen, Marketing, Einzelhandel und vielen mehr, Kenntnisse in mindestens einer Fremdsprache. Dementsprechend würden Deutschkenntnisse definitiv von Vorteil für sie sein.

 

10) Haben Rückkehrer (auch Rückkehrer gegen ihren Willen) mittel- oder langfristig eine schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung bzw. ein schlechteres wirtschaftliches Fortkommen im Vergleich zu Armeniern, die in Armenien geblieben sind?

 

In Anbetracht dessen, dass viele Migranten ihr gesamtes Vermögen verkaufen, bevor sie das Land verlassen, begegnen sie gewissen Umsiedlungsproblemen, nachdem sie nach Hause kommen. Sie haben Probleme mit der Unterkunft, Schwierigkeiten in Bezug auf ihre Kinder, die in das Schulsystem integriert werden müssen und einige weitere praktische Probleme, die sich gleich nach ihrer Rückkehr ergeben. Das ist der Grund, warum bereitgestellte Hilfe darauf zielt, ihnen bei der Überwindung dieser Schwierigkeiten zu helfen. Jedoch werden sie mittelfristig und langfristig fast die gleichen sozialen und ökonomischen Erfolgsaussichten haben.

11) Sind aus den letzten 2 Jahren dokumentierte Fälle bekannt, in welchen rückgeführte Familien keine Unterkunft finden konnten und obdachlos wurden?

 

Es existieren keine dokumentierten Fälle. Sämtliche zugängliche Quellen wurden überprüft. Es gibt lediglich eine Geschichte über eine Familie, die freiwillig von Frankreich zurückgekehrt ist, nachdem sie finanzielle Unterstützung von den französischen Behörden erhalten hat. Daraufhin hatten sie eine Wohnung gemietet und mehr als drei Jahre in Armenien gelebt.

 

 

Jedoch hatten sie sich dann entschieden, nach Frankreich zurückzugehen, wurden aber von der französischen Botschaft abgelehnt. Nach der Ablehnung haben sie gegen diese Entscheidung protestiert, indem sie sich auf eine Bank in dem nahegelegenen Park setzten. Ihr Sitzprotest hat mehrere Monate lang angedauert. Einige Medienberichte betrachteten diese Menschen als obdachlos. Allerdings hatten sie eine Wohnung gemietet und befanden sich nur aus Protestgründen im Park.

 

12) Ist die Grundversorgung mit Nahrung und Wasser in allen Region Armeniens für alle Personen, insbesondere Kinder gewährleistet?

 

Die Infrastrukturentwicklung in Armenien variiert. Jedoch haben sämtliche Dörfer und Gemeinden Zugang zu Versorgung, Nahrung etc. Es gibt einige wenige entfernt gelegene Gemeinden, in welchen die Wasserversorgung aus natürlichen Quellen eine Herausforderung darstellen könnte. Allerdings gibt es stets alternative Quellen. Alle Gemeinden haben Schulen, Ambulatorien, etc.

13) a. Welche Rolle spielt die Großfamilie in Armenien und kann sie als soziales Auffangnetz gesehen werden?

b. Wie stark ist der familiäre Zusammenhalt zwischen einem in Armenien verbliebenen Teil der Familie und dem Teil der Familie, welcher in Europa um Asyl angesucht hat?

c. Kann man abschätzen, ob der in Armenien zurückgebliebene Teil der Familie regelmäßig über den Auslandsaufenthalt der Asylwerber in der EU Bescheid weiß und wie regelmäßig Kontaktaufnahmen erfolgen?

d. Gibt es eine „moralische“ oder sonstige Verpflichtung, wonach Verwandte wie insbesondere Eltern oder Geschwister in Armenien eine mehrköpfige Familie mit Kindern im Falle der Rückkehr jedenfalls unterstützen?

 

Im Normalfall haben Armenier starke interne Bindungen und die Bereitschaft sich gegenseitig zu unterstützen. Großfamilien können definitiv als Vermögen betrachtet werden, auf welches man sich verlassen kann. In der Regel halten Familien ständigen Kontakt mit den Familienmitgliedern, die sich im Ausland aufhalten. Auch wenn Familienmitglieder, die im Ausland leben, erfolgreich an ihren neuen Orten sind, laden sie normalerweise andere Familienangehörige ein, sich ihnen anzuschließen beziehungsweise unterstützen diese finanziell oder auf eine anderweitige Art und Weise.

Es ist schwer zu bewerten, wie oft Familienangehörige die im Ausland lebenden Familienmitglieder kontaktieren. Jedoch sind sie sich normalerweis sehr bewusst über sämtliche Aspekte ihres Lebens und wissen über ihren jeweiligen Aufenthaltsort, Rechtsstatus, Arbeitsstatus, Bildung der Kinder, Finanzstatus etc. Bescheid.

Normalerweise unterstützen sich armenische Familien gegenseitig und diejenigen in Not, einschließlich rückkehrende Familienmitglieder können stets auf sie vertrauen.

14) Gibt es neben den bereits genannten Institutionen und Organisationen noch weitere Netzwerke wie beispielsweise lokale Gemeinschafen, ethnische/religiöse Gruppierungen oder dergleichen, welche als Auffangnetz für Rückkehrer fungieren können?

 

Tatsächlich existieren einige lokale/regionale Initiativen, die die Rückführung ermutigen und Rückkehrende unterstützen. Beispielsweise simulieren örtliche Behörden der Tavoush Provinz in Armenien die Rückkehr von ehemaligen Bewohnern der angeführten Provinz, die aus dem Land zu verschiedenen Zeiten geflüchtet sind. Sie involvieren örtliche Gemeinden, private Unternehmen, die Kirche und andere, um solche Programme durchzusetzen.

 

15) Wie geht der armenische Staat gegen Kinderarbeit vor und wie viele dokumentierte Fälle gibt es?

 

Kinderarbeit bezieht sich auf Arbeit, die mental, physisch, sozial oder moralisch gefährlich und schädlich für Kinder ist und ihre Schulbildung beeinträchtigt:

Es existieren einige Berichte über Kinderarbeit, die von verschiedenen staatlichen und internationalen Organisationen, so wie von Ombudsmännern erstellt worden sind.

Das armenische Büro einer internationalen Organisation (World Vision) hat über 1100 Fälle von Kinderarbeit im Jahr 2016 berichtet. Die armenischen Ombudsmänner haben einen ad hoc Bericht über Rechte von Kindern und die Verpflichtungen Armeniens nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes und den dazugehörigen Protokollen, als auch Empfehlungen des Ausschusses der Vereinten Nationen, publiziert.

Ein Kapitel ist der Kinderarbeit gewidmet und besagt, dass der nationale Rechtsrahmen die vom internationalen Übereinkommen dargelegten Anforderungen nicht umfassend abdeckt und dass die angeführten Empfehlungen des Ausschusses bei den armenischen Behörden nicht auf korrekte Art und Weise umgesetzt werden. Dann bietet der Ombudsmann Empfehlungen, die die Lagen der Kinderrechte, einschließlich Kinderarbeit, signifikant verbessern würden.

 

Die Nationale Kommission zum Schutz der Rechte von Kindern koordiniert Aktivitäten sämtlicher staatlicher Behörden, die mit Kinderrechten zu tun haben.

Die Regierung arbeitet an der Verbesserung der Rechtsvorschriften sowie an der Einführung von Politiken, die das Thema angehen und die Situation verbessern.

 

16) Gibt es in Armenien die Schulpflicht? Wenn ja, was unternimmt der Staat, wenn die Kinder die Schule nicht besuchen?

 

Der allgemeine Schulstart beginnt mit 6 Jahren und wird in allgemeinen Bildungsinstitutionen (Schulen) durchgeführt.

Die Sekundarschulbildung wird in drei Schulstufen, mit einer Gesamtdauer von 12 Jahren, durchgeführt:

1) Grundschule (1-4 Klasse)

2) Grundschule (5 – 9 Klasse)

3) Sekundarschule (10-12 Klasse)

 

Alle 3 Stufen sind verpflichtend und in öffentlichen Schulen kostenlos.

Die Anzahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, ist nicht signifikant hoch. Allerdings sieht es die Regierung dennoch als ein Problem an, welches angemessen angesprochen werden muss.

 

Laut fachlicher Beurteilung ist der Hauptgrund eines fehlenden Schulbesuchs, die Armut ihrer jeweiligen Familien. Ein anderes Problem stellt die Behinderung von Kindern dar, die wiederum keine integrierenden Schulmöglichkeiten erhalten. In einigen Fällen führen die Nichtbereitschaft der Eltern und einige ethnische Traditionen unter der jezidischen Gemeinde dazu, Kinder nicht in die Schule zu schicken. Aufgrund der Tradition einer frühen Verheiratung unter der jezidischen Gemeinde, wird es Mädchen nicht erlaubt, die Sekundarschule zu besuchen.

Gegenwärtig sind es hauptsächlich die lokalen Behörden, die sich mit Familien von Kindern, die von der Schule ferngelassen werden, beschäftigen. Sie führen Sozialarbeiten durch, Besuchen die Familien, studieren die Umstände der Familie und bieten gewisse Hilfe an.

 

Auf Regierungsebene bereitet das Bildungsministerium die Einführung einer elektronischen Datenbank in Bezug auf die Registrierung von Kindern, die aus dem Schulsystem fernbleiben als auch von den Kindern, die die Schule frühzeitig verlassen haben, vor. Nachdem die Datenbank läuft, wird die Regierung eine Politik einführen, die darauf zielen soll, das Problem flächendeckend zu lösen.

 

 

Liste der Organisationen

 

Staatliche Organisationen

 

1. Migrationsamt von Armenien

Adresse: Karapet Ulnetsi Straße Nr. 31, Jerewan 0037, Armenien

Telefonnummer: +374 60275003

2. Ministerium für Arbeit und Sozialangelegenheiten

Adresse: Regierungsgebäude Nr. 3, Jerewan 0010,

Telefonnummer: +374 10 520830

 

Für Beschäftigungsfragen: employment.am oder +374 10 234037

Integrierte Sozialdienste: www.Esocial.am

 

3. Gesundheitsministerium:

Adresse: Regierungsgebäude Nr. 3, Jerewan 0010,

Telefonnummer: +374 60808003

4. Bildungsministerium

Adresse: Vazgen Sargsyan Nr. 3, Regierungsgebäude Nr. 2, Jerewan 0010,

Telefonnummer: +374 10 527343

 

Internationale Organisationen

 

5. Armenische Caritas, Außenstelle in Jerewan, Projekt für Migration und Integration:

Adresse: 34 Chaikovsky Straße, Apt. Nr. 23

Telefonnummer: (+374 10) 56 57 66

URL: http://mtrcarm.com/

Kontaktpersonen: Movses Hakobyan, Lusine Stepanyan

6. Menschen in Not Armenien

Adresse: 1/5 Saryan Straße, 0002 Jerewan, Armenien

Telefonnummer: +374 60519159

7. Armenischer Fonds für nachhaltige Entwicklung (ehemaliger Name: French Armenian Development Foundation (FADF),

Adresse: 10/7 Azatutyan Avenue, 0037 Jerewan, Republik von Armenien

Telefonnummer: +374 10 201840

http://www.af4sd.org/

8. Internationale Organisation für Migration, Mission in Armenien (IOM),

Adresse:

UN Haus

14 Petros Adamian Straße

Jerewan, 0010, Armenien

Telefonnummer.: (374 10) 58 56 92; 52 56 92 54 56 92

Fax: (374 10) 54 33 65

E-mail: IOMArmenia@iom.int

URL: http://www.iom.int www.un.am

9. Französisches Amt für Immigration und Integration (OFII).

Telefonnummer: 060 613036

 

Lokale, karitative Organisationen

1. «Apaven» NGO

Adresse: Republik von Armenien, Jerewan, Gajaznuni Straße 1,

Telefonnummer: (+374 10) 55-19-69

2. «Mission Armenia» NGO

Adresse: Armenien, 0026, Jerewan, Garegin Nzhdehi Str., 42 Gebäude(Shengavit Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: +(374 10) 44-47-92

3. «Astghavard» Eltern von behinderten Kindern NGO

Adresse: Armenien, Gegharkunik marz, Vardenis, Hovhannes Arzoyan Str., 42 Gebäude (Vardenis Region), #

Telefonnummer: (+374 93) 46-27-06 (Mobilnummer)

4. «Astghatsolq» NGO

Adresse: Armenien, Gegharqunik Region, Chambarak, Getapnya 35,

Telefonnummer: (+374 265) 2-36-36, (093) 07-60-07,

Webseite: www.astghatsolq.org

5. «Astghik» Elternvereinigung behinderter Kinder NGO

Adresse: Armenien, 0051, Jerewan, Nairi Zaryan Str., 21 Gebäude, 4ter Stock (Arabkir Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 23-15-84

6. «Arbes» Gesundheitszentrum NGO

Adresse: Armenien, 0012, Jerewan, Vahram Papazyan Str., 32 Gebäude (Arabkir Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 26-21-00

7. «Internationales Kinderentwicklungszentrum» NGO

Adresse: Armenien, 0002, Jerewan, Saryan Str., 20 Gebäude (Kentron Verwaltungsbezirk von Jerewan), Telefonnummer: (+374 10) 58-07-33

8. «Zeytun» Elternvereinigung behinderter Kinder

Adresse: Armenien, Jerewan, Shahsuvaryan 8a, Apt. 68,

Telefonnummer: (+374 10) 23-42-27

9. «Lusashogh» Elternvereinigung behinderter Kinder

Adresse: Armenien, Jerewan, Arshakunyats 56/41,

Telefonnummer: (+374 10) 48-82-58, (+374 10) 55-35-24

10. «Full life» NGO

Adresse: Armenien, Lori Marz, Stepanavan, Garegin Nzhdehi Str., 17/23a Gebäude (Stepanavan Region),

Telefonnummer: (+374) 0800-01311

11.« Kamq ev korov» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Eznik Koghbatsi 69 (Rechtssitz: Jerewan, Komitas 19, Apt.41),

Telefonnummer: (+374 10) 53-85-41, (+374 10) 30-29-70,

E-Mail: markamk@yahoo.com , kamkorov@netsys.am

12. «Armenische Kindervereinigung» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Tigran Mets 51,

Telefonnummer: (+374 10) 57-33-56

13. «Armenische Union tauber Menschen» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan Eznik Koghbatsi 75,

Telefonnummer: (+374 10) 53-82-64, 53-35-36,

E-Mail: armdeafsociety@gmail.com ,

Webseite: www.deaf.am

14. «Armenische Vereinigung von Blinden» NGO

Adresse: Armenien, 0025, Jerewan, Isahakyan Str., 18 Gebäude (Kentron Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 56-05-21

15. «Havat» Union von Müttern tauber Kinder NGO

Adresse: Armenien, 0014, Jerewan, Mamikonyants Str., 30 Gebäude (Arabkir Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 23-19-53

16. «Unison» NGO

Adresse: Armenien, 0002, Jerewan, Derenik Demirchyan Str., 36 Gebäude, 1ter Stock (Kentron Verwaltungsdistrikt von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 52-21-70

17. «Mental Health Foundation» NGO

Telefonnummer: (+374 10) 54-45-04,

E-Mail: mhf@mentalhealth.am ,

Webseite: www.mentalhealth.am

18. «Huysi kamurj» NGO

Adresse: Armenien, 0009, Jerewan, Koryuni Str., 19a Gebäude, 1ter Eingang, 2ter Stock (Kentron Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 58-91-86

19. «Huysi ev havati ojakh» NGO

Adresse: Armenien, Syunik Region, Kapan, Avetisyan Straße 8, N8 Kindergarten NGO,

Telefonnummer: (374 285) 2-20-62,

E-Mail: huysevha@freenet.am

20. "Armenisches Nationales Paralympischer Ausschuss"

Telefonnummer: 091-40-93-46, (+374 10) 56-07-07,

E-Mail: pyunic@arminco.com

21. «Huysi Metsamor» NGO

Telefonnummer: 077-90-11-88,

E-Mail: huysimetsamor@yahoo.com ,

Webseite: huysimetsamor.blogspot.com

22. «Vereinigung von Personen mit entfernten Stimmbändern» NGO

Adresse: Armenien, 0014, Jerewan, Aharonyan Str., 5 Gebäude (Kanaker-Zeytun Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 55) 24-53-83 (Mobilnummer)

23. «Stiftung für Kindesentwicklung» Kinderzentrum

Adresse: Armenien, 0065, Jerewan, Romanos Melikyan Str., 1 Gebäude (in der Nähe der Kirche), (Malatia-Sebastia Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 73-91-48 , (+374 60) 49-10-01 , (+374 95) 00-42-57 (Mobilnummer) ,

Telefonnummer: (+374 95) 00-41-81 (Mobilnummer)

24. «Mariam» Elternvereinigung von behinderten Kindern» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Azatutyan 19, «Kanaz» Kulturzentrum, 1ter Stock,

Telefonnummer: (+374 10) 26-08-47, (+374 93) 50-49-97

25. «Nairi» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Armavir Region, Abovyan 137,

Telefonnummer: (+374 237) 6-71-79,

E-Mail: armavirnairi@mail.ru

26. «Norastgh» Elternvereinigung von behinderten Kindern» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Norq’s 8th massive, N25 Kindergarten,

Telefonnummer: (+374 10) 64-18-21, (+374 91) 57-60-79

27. «Shushan» NGO

Adresse: Armenien, Vayots dzor Region, Eghegnadzor, Sevak Straße 5, Apt. 4,

Telefonnummer: (374 281) 2-50-58,

E-Mail: h.narine@list.ru

28. «Voghji» NGO

29. «Jah» Elternvereinigung von behinderten Kindern NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Azat Vshtuni 5 lane, Apt. 25,

Telefonnummer: (+374 10) 36-98-15, (+374 10) 37-15-98, 055-36-98-15

30. «Skarp» NGO

Telefonnummer: (+374 10) 35-02-91,

E-Mail: skarp@freenet.am

31. «Vahan» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, SWA-1 TAXAMAS, Sheram N105,

Telefonnummer: (+374 10) 72-79-19, էլ.փոստ՝ vahanngo2000@rambler.ru

32. «Paros» NGO

Telefonnummer: (+374 10) 63-29-58,

E-Mail: paros@web.am ,

Webseite: www.paros.am

33. «Piladelpia» Vereinigung behinderter Kinder» NGO

Adresse: Armenien, Jerewan, Avan-Arindj 7,

Telefonnummer/Fax (374 10) 61-53-70

34. «Pyunik» NGO

Telefonnummer: (+374 10) 56-56-07,

E-Mail: pyunic@arminco.com ,

Webseite: www.facebook.com/pyunic.ngo

35. «Prkutyun» ZENTRUM FÜR BEHINDERTE KINDER

Adresse: Armenien, 0039, Jerewan, Chekhovi Str., 33 Gebäude (Eingang von der Manandyan Str.), (Shengavit Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 42-78-50

36. «HDP» Stiftung

Adresse: Armenien, Jerewan, Ervand Kochar 14, Apt. 45,

Telefonnummer: (374 10) 26-17-61,

Fax: (374 10) 27-47-86,

Webseite: www.hdpf.org ,

E-Mail: hdpf@mail.ru

37. «Ekho» behinderte Kinder und Jugendunterstützung» NGO

Adresse: Armenien, 0006, Jerewan, Garegin Nzhdehi Str., 17 Gebäude, 2ter Stook, Tür 34 (im «Hayrenik» Handelsgebäude), (Shengavit Verwaltungsbezirk von Jerewan), Kundendienst

Telefonnummer: (+374 93) 48-94-54 (Mobilnummer) , (+374 77) 58-13-15 (Mobilnummer).

38. «Armenian Caritas» Benevolent NGO

Adresse: Armenien, 3118, Shirak Marz, Gyumri, Hovhannes Sargsyan Str. 3rd Gasse, 8 Haus; Zentrale

Telefonnummer: (+374 312) 5-72-01; Büro: Armenien, 0010, Jerewan, Chaykovsku Str., 34 Gebäude, Apt. 23, (Kentron Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 56-57-66

39. «Forte Scientific and cultural» NGO

Telefonnummer: 091-61-36-97,

E-Mail: sipan@nli.am

40. «Apagan konn e» NGO

Adresse: Armenien, 0018, Jerewan, Tigran Metsi Ave., 36 Gebäude, Apt. 58 , (Kentron Verwaltungsbezirk von Jerewan),

Telefonnummer: (+374 10) 25-57-31

41.Mayri NGO

Adresse: Yekhbayrutsyan 11, Jerewan, Armenien.

Telefonnummer: +37491 210 737, +37410 462 107

42. "May Way" pädagogisches, sozio-Rehabilitierungszentrum, Autismus Nationalfonds

Telefonnummer: +374 91422505; +374 11 213011

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP den von ihnen behaupteten Gefährdungen ausgesetzt waren bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solchen Gefährdungen ausgesetzt wären.

 

2. Beweiswürdigung

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP 1 vorgelegten Bescheinigungsmittel in Form von nationalen Identitätsdokumenten.

 

Anzuführen ist, dass es den volljährigen bP 2 und 5 aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit möglich wäre, ihre Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren durch die Vorlage von unbedenklichen Unterlagen zu bescheinigen, zumal sie aus einem Staat stammen, welcher die Existenz seiner Bürger dokumentiert und deren Identität durch die Ausstellung entsprechender Dokumente bescheinigt. Die bP haben sich keine Reisepässe über die Botschaft organisiert.

 

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

 

Die bP traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Armenien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Armeniens auszugehen ist (vgl. Punkt II.3.1.5. und Unterpunkte).

 

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

 

II.2.4.1. Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Bereits die bB hielt in ihren Bescheiden – insbesondere hinsichtlich bP 1 und bP 5 – nachvollziehbar fest, dass das Grundvorbringen der Beschwerdeführer, dass die bP 1 wegen eines Vorfalles in der Ukraine auch in Armenien verfolgt worden wäre und deshalb ein Übergriff auf die bP 5 in Armenien stattgefunden hätte, nicht glaubwürdig war.

 

Als Grund für den Asylantrag führten die bP zusammengefasst an, dass am 15. und XXXX 2013 Personen zur bP 5 gekommen wären und diese beim Zweiten Mal geschlagen hätten. Diese Personen hätten die bP 1 gesucht. Es hätte sich dabei um jene Personen gehandelt, welche in der Ukraine eine Person namens XXXX ermordet hätten. Die bP 1 wäre Zeuge dieses Mordes an einem Mann, welcher sie zu illegalen Handlungen (Öldiebstahl) gezwungen hätte, gewesen.

 

Die bP 1 gab hinsichtlich ihres Lebenslaufes an, sie wäre nach dem Tode des Vaters in die Ukraine übersiedelt, hätte die letzten Schuljahre bis 2003 in der Ukraine und in Armenien absolviert. Dann hätte sie bis ins Jahr 2005 bei einem Onkel als Fahrer (Zusteller von Bäckereien und Mehlspeisen) gearbeitet. Im Anschluss wäre sie nach Armenien zurückgekehrt um im Zeitraum zwischen XXXX 2005 bis XXXX 2007 in Armenien den Wehrdienst zu absolvieren. Nach Ableistung des Wehrdienstes wäre sie in die Ukraine zurückgekehrt, hätte dort aber kein dauerndes legales Aufenthaltsrecht mehr erhalten und hätte dann, zusammen mit dem Onkel, dem Bäcker und Konditormeister, Öl-Pipelines angebohrt. Die bP 1 selbst wäre bei dieser Tätigkeit nur ein kleines Rädchen gewesen und hätte beim Graben nach den Pipelines geholfen und wäre Schmiere gestanden.

 

Am XXXX 2009 sei der Onkel festgenommen worden, auch XXXX sei festgenommen worden. Die bP 1, und andere „kleine Rädchen“ hätten sich dem Zugriff der Polizei entziehen können. Die bP 1 hätte dann versucht, in den Besitz seines Reisepasses zu gelangen um damit nach Armenien zurückkehren zu können, dies wäre aber nicht gelungen, denn der Reisepass hätte sich im Besitz von XXXX befunden.

 

Dann hätte die bP 1 sich in ein ihr namentlich unbekanntes Dorf in der Ukraine begeben, wo sie sich bis Juli 2011 aufgehalten hätte. Dieses kleine Dorf befände sich unweit XXXX , Region XXXX , ca. 20 bis 25 Kilometer von XXXX entfernt. Im genannten Zeitraum also vom XXXX 2009 bis Juli 2011 hätten die bP 1 sich in einem kleinen unbekannten Dorf bei einer Frau aufgehalten, deren vollständiger Name ihr nicht mehr wirklich erinnerlich wäre – sie glaubte jedoch, dass ihr Name XXXX gewesen sei. Sie hätte für XXXX bis Juli 2011 diverse Arbeiten verrichtet. Dann hätte die bP 1 im Jahr 2012 eine Ukrainerin kennengelernt. Diese hätte den Namen XXXX (Familienname nicht erinnerlich) geführt. Diese hätte sie dann finanziell unterstützt und Ausflüge unternommen, da diese Geld und ein Auto besessen hätte.

 

Die bP 1 hätten die Arbeit (Abzapfen von Öl aus staatlichen Pipelines) in der Ukraine gegen ihren Willen verrichten müssen, da ihr von XXXX der armenische Reisepass vorenthalten worden wäre und sie ohne Reisepass nicht in die Republik Armenien zurückkehren hätte können.

 

Am XXXX 2012 hätte dann die Person namens XXXX den armenischen Reisepass ausgefolgt, hätte noch 500 US Dollar übergeben und die bP 1 wäre dann in die Heimat Armenien ausgereist.

 

Alleine dieses Vorbringen zum Lebenslauf, dem Aufenthalt in der Ukraine und den Tätigkeiten dort kann nicht als glaubwürdig erkannt werden. So erscheint es völlig unplausibel, dass sich die bP 1 nicht mehr daran erinnern kann, wie das Dorf geheißen hätte, in welchem sie ca. 3 Jahre gelebt hätte, wie der vollständige Name des Verfolgers XXXX lautete, welcher sogar seinen Pass gehabt hätte oder wie der Nachname der Unterkunftgeberin gewesen ist. Die bP 1 konnte sich demgegenüber sehr genau an den Tag erinnern, als sie zum Militärdienst einrückten und als sie vom Militärdienst zurückkehrte. Während des behaupteten Aufenthalts bei XXXX hätte sich die bP 1 auch nicht etwa in deren Haus versteckt gehalten, sondern am öffentlichen Leben teilgenommen, im Jahr 2012 eine Ukrainerin namens XXXX kennengelernt und mit dieser gemeinsam Ausflüge unternommen, da diese Geld und ein Auto besessen hätte. Warum die angeblichen Verfolger die bP dann nicht in der Ukraine, aber Jahre nach dem angeblichen Mord in Armenien finden hätten können, erhellt sich für das BVwG nicht.

 

Zudem ist nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass die bP 1 mangels eines armenischen Reisepasses gezwungen gewesen wäre, in der Ukraine zu bleiben. Sie konnte sich frei bewegen und hätte jederzeit die Botschaft von Armenien konsultieren und dort einen neuen armenischen Reisepass anfordern können, es ist nicht nachvollziehbar, was dieser Annahme entgegengestanden wäre.

 

Gerade auch im Zusammenhang mit dem Verbleib der Reisepässe verwickelten sich die bP 1, 2 und 5 in gravierende Widersprüche. So gaben die bP 1 und 5 vor der bB an, dass die Reisepässe von den Personen, welche aus der Ukraine nach Armenien gekommen wären, bei der Durchsuchung ihres Hauses weggenommen worden wären. Die bP 2 gab demgegenüber vor der bB an, dass sich die Reisepässe im Haus ihrer Mutter in Armenien befänden, wo man sie aufgrund der Eile zurückgelassen hätte. Der Versuch, dies in der Beschwerde damit zu erklären, dass den Angaben der bP 2 in der Erstbefragung der größere, da spontanere Beweiswert zukomme, und sie damals auch eine übereinstimmende Schilderung mit den bP 1 und 5 tätigte, scheiterte schon vor dem Umstand, dass die bP 1 selbst in der Verhandlung behauptete, dass die Reisepässe beim Schlepper wären. Da damit die Familienmitglieder hierzu keine übereinstimmenden Angaben machten, muss dies als weiteres Indiz dafür gesehen werden, dass die bP eine ihnen möglichst günstig erscheinende Fluchtgeschichte konstruierten.

 

Lediglich am Rande führte die bP 1 zudem aus, dass sie telefonisch vom Vater der Ex-Freundin in der Ukraine bedroht worden wäre. Begründend führte die bP 1 dazu aus, dass der Vater von jenen Personen, welche sie verfolgen würden, üble Lügengeschichten erfahren hätte. Dieses Vorbringen wurde von der bP 1 derart vage vorgebracht, dass es lediglich als unglaubwürdige Steigerung des Vorbringens gesehen werden kann, welches dem Vorbringen insgesamt mehr Gewicht verleihen sollte. In der Verhandlung ging die bP 1 darauf nicht mehr ein.

 

Keine der volljährigen bP erweckte in der Verhandlung vor dem BVwG einen glaubwürdigen Eindruck und ist insbesondere festzuhalten, dass die bP 5 versuchte, ihre Widersprüche bereits vor der bB mit Dolmetscherproblemen zu erklären. So gab sie in der zweiten Einvernahme vor der bB an, dass im Protokoll stehe, ihre Schwägerin sei verhaftet worden, was sie nie gesagt hätte. Demgegenüber wurde sie in der zuvor stattfindenden Einvernahme mehrfach zur von ihr explizit behaupteten Verhaftung der Schwägerin gefragt, tätigte hierzu diverse Aussagen und gab unter anderem sogar an, dass über die Verhaftung in der Ukraine sogar im Fernsehen berichtet worden sei. Schon vor diesem Hintergrund kann nur davon ausgegangen werden, dass die bP 5 in ihrer zweiten Einvernahme vor der bB versuchte, mit Dolmetscherproblemen ihr zum Vorbringen der bP 1 widersprüchliches Vorbringen zu erklären, was ihr aber gerade nicht gelang. Dass der bP 5 derartige Daten im Zusammenhang mit Verwandten in der Ukraine nicht mehr erinnerlich seien, wie sie später behauptete, erhellt sich für das BVwG nicht können gerade auch die Angaben der bP 5 das Vorbringen der bP 1 zu ihrem Aufenthalt in der Ukraine nicht stützen. Zudem ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die behauptete Mangelhaftigkeit der Niederschrift nicht greifen kann, wenn die Niederschrift Wort für Wort rückübersetzt wurde und die bP mit der Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift bestätigte (vgl. dazu auch VwGH 14.10.1992, 92/01/0399; 10.03.1993, 92/01/0879).

 

Auch zum Aufenthalt in Armenien vor der Ausreise liegen divergierende Angaben der bP vor, sodass letztlich nur davon ausgegangen werden kann, dass die bP 1, 2 und 5 jedenfalls vor der Ausreise nach Europa zusammen und die bP 1 jedenfalls 2 Jahre vor der Ausreise nach Österreich in Armenien gelebt und gearbeitet hat. Die bP 1 hat nämlich angegeben, nach der Rückkehr nach Armenien im Juli 2012 bei der Mutter gelebt und mit dieser auch gemeinsam am Markt als Händler bis zur Ausreise gearbeitet zu haben. Die bP 5 gab demgegenüber im Zusammenhang mit der Befragung zum Wissen um die Polizisteneigenschaft eines Verfolgers vor der bB an, dass sie lediglich bis ca. Oktober am Markt gearbeitet hätten. So vermochten es die volljährigen bP schon hinsichtlich ihrer persönlichen Lebensumstände kein glaubwürdiges Vorbringen zu erstatten, was sich auch auf die Beurteilung des Fluchtvorbringens auswirkt.

 

Soweit in der Beschwerde der bP 5 ausgeführt wird, dass man bei der bB nicht entsprechend ermittelt habe, woher sie wisse, dass es sich bei einer der Personen um einen Polizeibeamten gehandelt hat, ist festzuhalten, dass die bP 5 selbst vor der bB, wo sie erstmalig diesen Umstand erwähnte, ausführte, dass sie den Polizeiermittler wiedererkannt hätte. Dieser wäre nämlich schon einmal bei einem Vorfall am Markt dabei gewesen, wobei dieser geschilderte Vorfall auch mehr als unplausibel vorgebracht wurde. Einen wesentlichen Umstand wie die Anzahl der Männer, welche die Übergriffe auf die bP 5 sowie die „Hausdurchsuchung“ durchgeführt hätten, könnte man zudem bei tatsächlichem Erleben konsistent schildern. Die bP 5 hat in der Erstbefragung angegeben, dass sie am XXXX von zwei Männern aufgesucht worden sei, während sie vor der bB angab, dass es sich um eine Gruppe von Privatpersonen und Polizisten gehandelt hätte. Später gab sie dann vor der bB wieder an, dass nur die beinden erwähnten Zigeuner alleine zu ihr gekommen wären am XXXX Ein derart gravierender Widerspruch zwischen den Angaben in der Erstbefragung und vor der bB kann zum Beleg der Unglaubwürdigkeit herangezogen werden.

 

Unabhängig von den unglaubhaften Schilderungen, stünde auch in Armenien eine schutzwillige und –fähige Behörde bzw. Polizei und Überbehörden sowie der Ombudsmann zur Verfügung, sollten die bP dort der Gewalt von Privatpersonen bzw. Kriminellen ausgesetzt sein.

 

II.2.4.2. Weder ist das Bundesverwaltungsgericht verhalten, noch war die bB verhalten, die bP zu Widersprüche in Ansehung des Antrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, Beschwerdeführern im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in den eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem. § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zum Nachteil von Bedeutung sein könnten, und aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde (bzw. das Gericht) ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560), und gehen damit diesbezügliche Ausführungen in der Beschwerde ins Leere.

 

Zudem ist festzuhalten, dass gerade die bP 2 sich in der Verhandlung zu einfachen Fragen nicht in Deutsch konnte äußern und sind deren Deutschkenntnisse trotz der bestandenen B1 Prüfung als lediglich ausreichend einzustufen. Dass die bP 2 mit diesen geringen Deutschkenntnissen Unterhaltungen mit ihren Kindern – wie in der Verhandlung behauptet – lediglich in Deutsch führt, kann nicht angenommen werden und kann letztlich aufgrund der geringen Deutschkenntnisse der volljährigen bP auch den Angaben der bP 1 und 5 nicht gefolgt werden, dass mit den Kindern überwiegend Deutsch gesprochen werde.

 

Bei den bP kann darüber hinaus aufgrund der Ausbildungen der volljährigen bP und ihrer Beschäftigung vor der Ausreise sowie dem Umstand, dass noch diverse Verwandte in Armenien leben und die Familie dort ein Haus besitzt davon ausgegangen werden, dass die Familie – entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme vom 19.11.2019 – in Armenien ihre Existenz sichern kann. Zudem wird gerade in diesem Zusammenhang auf die vollständig in den Feststellungen widergegebene Anfragebeantwortung hingewiesen, wonach jedenfalls Existenzmöglichkeiten und insbesondere diverse soziale Unterstützungsmöglichkeiten bestehen.

 

II.2.4.3. Abschließend wird festgehalten, dass auch die Angaben der bP zum Fluchtweg gegen ihr Vorbringen, Schutz vor Verfolgung zu finden sprechen. Hätten die bP tatsächlich ihr Heimatland lediglich wegen der Suche nach Schutz verlassen, wäre dieses Ziel in anderen Ländern (Russland, EU- Außengrenzländer) erreicht gewesen, wohin sie als armenische Staatsangehörige – teilweise legal- auch leicht reisen hätten können.

Die Behauptung der bP 1 in der Verhandlung, hier in Österreich vor den Verfolgern sicher zu sein und in Georgien nicht, da die Verfolger keine Visa hätten, war nicht nachvollziehbar, da die bP selbst auch ohne Visa kamen. Über entsprechende Nachfrage behauptete die bP1, dass die Verfolger hier von der Polizei festgenommen werden würden, was sich lediglich vor einem nicht behaupteten internationalen Haftbefehl bewahrheiten könnte.

Das BVwG geht daher zusammenfassend davon aus, dass die bP lediglich aus persönlichen Motiven heraus bzw. aus wirtschaftlichen Gründen ihr Heimatland verlassen haben. Aus diesem Grund sah das erkennende Gericht ebenso wie bereits das BFA auch keine Veranlassung für weitergehende Erhebungen im Herkunftsstaat der bP.

Zusammenfassend ist zum Vorbringen auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben der bP glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.

Unter Heranziehung dieses Sachverhaltes und der offensichtlich missbräuchlichen Asylantragstellung im Zusammenhang mit der allgemein gehaltenen, widersprüchlichen und teilweise nicht nachvollziehbaren Begründung des Antrages auf internationalen Schutz ist daher davon auszugehen, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht und lediglich zur Begründung des Asylantrages und unter Umgehung der fremdenrechtlichen sowie niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zur Erreichung – wenn nicht sogar zur absichtlichen Erschleichung – eines Aufenthaltstitels für Österreich nach dem Asylgesetz frei konstruiert wurde.

Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen. Der bloße Wunsch in Österreich ein besseres Leben aufgrund eines erhofften leichteren Zugangs zum Arbeitsmarkt zu haben, vermag die Gewährung von Asyl jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

 

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat

 

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

 

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

II.3.1.5. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 13 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat.

 

II.3.1.5.1. Gem. Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang I zur VO sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verscheide Informationsquellen, insbesondere Inforationen andere Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und andere einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen

Gemäß dem oben genannten Anhang I gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.

Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch

a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;

b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;

c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.

Artikel 9 der Richtlinie 2011/95/EU definiert Verfolgung wie folgt:

„1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen.“

Aus dem Grundsatz, wonach, wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftssaaten-Verordnung in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde (vgl. Art. 258 f AEUV).

Der VfGH (Erk. vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]) stellt ein Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs. 2 AsylG [Anm. a. F., nunmehr § 19 Abs. 1 und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.

Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gerichten entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.

Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der bP ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. „Dublinstaaten“] zu werten sind).

 

II.3.1.5.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung ein umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien unter Einbeziehung der unter II.2.3 erörterten Quellen verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt.

Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für die bB bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der bP ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und der bB bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde seitens der bB übererfüllt.

Das Vorbringen der bP war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. das ho. Gericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen der bP hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre.

 

Zu A) (Spruchpunkt I)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) …

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.

dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2.

der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

  

...“

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der bP zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von der bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation hinsichtlich des Bestehens des Willens und der Fähigkeit des Staates, Schutz zu gewähren, wird Folgendes ausgeführt:

 

Grundsätzlich kann die von der belangten Behörde angewandte Methodik der hilfsweisen Argumentation im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht beanstandet werden (vgl. VwGH 24.1.2008. Zl. 2006/19/0985).

 

Es ist der belangten Behörde beizupflichten, dass –rein hypothetisch betrachtet ohne hierdurch den behaupteten ausreiskausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen- es den bP möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die Sicherheitsbehörden ihres Herkunftsstaates zu wenden, welche willens und fähig wären, ihnen Schutz zu gewähren.

 

Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die von der bP geschilderten Übergriffe in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren im Herkunftsstaat der bP Behörden welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben (vgl. hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141).

 

Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist (vgl. hierzu die im Erkenntnis noch zu treffenden Ausführungen zum Wahrscheinlichkeitskalkül).

 

Unter richtlinienkonformer Interpretation (Art 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten.

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" (vgl § 45 Abs 2 AVG) keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn") erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vgl auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu § 45).

 

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten - besteht für den Beschwerdeführer somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Art 6 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Art 7 Abs 2 leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

 

Im gegenständlichen Fall haben die bP weder glaubhaft behauptet noch bescheinigt, dass das geschilderte Verhalten, jener Personen die gegen die bP vorgingen, in ihrem Herkunftsstaat nicht pönalisiert wäre oder die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grds. nicht einschreiten würden, um einen Schaden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abzuwenden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin und ergibt sich weiters aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat der bP kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung handelt, vom dem aufgrund der normativen Vergewisserung seiner Sicherheit anzunehmen ist, dass er auf seinem Territorium Schutz vor Verfolgung bietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat schließlich zuletzt in seiner Entscheidung vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153 festgehalten, dass bei sicheren Herkunftsstaaten gemäß Herkunftsstaatenverordnung grundsätzlich von einer bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden ausgegangen werden kann (vgl. auch VwGH vom 16. November 2016, Ra 2016/18/0233).

 

Die bP bescheinigten im Rahmen ihrer Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in ihrem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass sie keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in ihrem Fall ein qualifizierte Sachverhalt vorliege, der es als „erwiesen“ erschein lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall der bP untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

 

Im Ergebnis hat die bP letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht (vgl. EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

 

Zudem wäre – wenn die bP tatsächlich illegal Öl in der Ukraine gefördert hätte, was nicht als glaubwürdig angesehen wird - davon auszugehen, dass die bP aufgrund dieser Straftat zu Recht ins Blickfeld von Ermittlungen der Polizei geraten wäre und es sich um eine legitime, vom staatlichen Gewaltmonopol gedeckte Verfolgung gehandelt hätte.

 

Die Kernfrage, welche sich letztlich in diesem Zusammenhang stellen würde, ist jene, ob die (Straf-)Verfolgung einen gerechtfertigten bzw. legitimen oder ungerechtfertigten Eingriff des armenischen / ukrainischen Staates in die persönliche Sphäre darstellt. Die Unterscheidung zwischen legitimen Verfolgungen und solchen, die der verfolgten Person die Flüchtlingseigenschaft verleihen, wird in der englischen Rechtsterminologie offensichtlich. Der Begriff "prosecution" umschreibt die rechtsstaatlich legitime strafrechtliche Verfolgung von Delinquentinnen und Delinquenten. Im Gegensatz dazu bezeichnet "persecution" jene Verfolgungshandlungen, die ihre Motivation in den in § 3 Absatz 1 AsylG genannten Gründen finden. Die als persecution zu qualifizierenden Verfolgungen sind somit im Sinne des Asylgesetzes verpönt und machen die verfolgten Personen zu Flüchtlingen. Liegt kein unzulässiger Eingriff iSv "persecution" vor, ist die Flüchtlingseigenschaft nicht gegeben.

Im Handbuch von UNHCR über die Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, welchem in Österreich zwar keine normative Wirkung zukommt, jedoch als Auslegungshilfe für die GFK heranzuziehen ist, ist zum oa. Problembereich Folgendes ausgeführt:

" ...

Es muss zwischen Verfolgung und Bestrafung wegen eines Verstoßes gegen bestehendes Recht unterschieden werden. Normalerweise sind Personen, die vor Strafverfolgung oder Bestrafung wegen eines Deliktes fliehen, keine Flüchtlinge. Ein Flüchtling ist ja das Opfer - oder potentielle Opfer - von Ungerechtigkeit, und nicht ein Flüchtling vor der Gerechtigkeit.

... Mitunter verwischen sich jedoch die Trennungskriterien. Erstens kann eine Person, die sich eines Verstoßes gegen die Gesetze schuldig gemacht hat, einer so exzessiven Bestrafung unterworfen werden, dass diese einer Verfolgung im Sinne der Definition gleichkommt. Darüber hinaus kann die strafrechtliche Verfolgung aus einem in der Definition genannten Gründe (z.B. in Bezug auf die "illegale" religiöse Unterweisung eines Kindes) schon in sich den Tatbestand der Verfolgung erfüllen.

... Zweitens kann es Fälle geben, in denen eine Person, die eine strafrechtliche Verfolgung oder Bestrafung wegen eines Deliktes zu fürchten hat, darüber hinaus "begründete Furcht vor Verfolgung" haben kann. In solchen Fällen ist die betreffende Person ein Flüchtling. Es kann jedoch auch notwendig werden, Überlegungen darüber anzustellen, ob das fragliche Verbrechen nicht so schwer ist, dass eine der Ausschlussklauseln auf den Antragsteller Anwendung findet.

... Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines Deliktes einer Verfolgung im Sinne des Abkommens gleichkommt, ist es unumgänglich, sich mit den Gesetzen des betreffenden Landes auseinander zu setzen, da es möglich ist, dass ein Gesetz nicht den anerkannten Grundsätzen der Menschenrechte entspricht. Häufiger jedoch ist weniger das Gesetz, als vielmehr die Art, wie es angewandt wird, diskriminierend. Eine strafrechtliche Verfolgung wegen einer Verletzung "der öffentlichen Ordnung", z.B. wegen der Verteilung von Flugblättern, mag ein Mittel zur Verfolgung eines Einzelnen wegen des politischen Inhalts der Veröffentlichung sein.

... Da der Umgang mit den Gesetzen eines anderen Landes offensichtlich mit Schwierigkeiten verbunden ist, werden die staatlichen Stellen sich oft gezwungen sehen, sich bei ihrer Entscheidung der Gesetze ihres eigenen Landes als Gradmesser zu bedienen. Eine wertvolle Hilfe bei der Rechtsfindung können auch die, in verschiedenen internationalen Verträgen enthaltenen Grundsätze zur Frage der Menschenrechte sein; ..."

Zweifelsfrei wird Diebstahl in allen Ländern entsprechend staatlich verfolgt und bedarf es vor diesem Hintergrund wohl keiner weitschweifender Ausführungen, dass hier das kriminelle Motiv vor dem politischen bei weitem überwiegt.

 

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist daher letztlich davon auszugehen, dass weder die Verfolgung durch Kriminelle wegen der Beobachtung eines Mordes noch ein etwaiges Gerichtsverfahren wegen des kriminellen Verhaltens der bP 1 selbst den in der GFK angeführten Begriff der "Verfolgung" erfüllt, weshalb die Gewährung von Asyl aus diesem Grunde selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens ausscheidet.

 

Die nahe liegenden und bereits beschriebenen wirtschaftlichen Erwägungen, welche die bP zum Verlassen des Herkunftsstaaten veranlassten, können nicht zu Gewährung von Asyl führen, zumal keinerlei Hinweise bestehen, dass die bP aufgrund eines in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grundes von der angespannten wirtschaftlichen Lage in Armenien nachteiliger betroffen wären, als die sonstige armenische Bevölkerung (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 6.3.1996, Zi. 95/20/0110 oder vom 20.6. 1995, Zl. 95/19/0040).

 

Ähnliches gilt auch in Hinblick auf den Zugang zum armenischen Gesundheitssystem. Auch hier kann nicht festgestellt werden, dass sich die den bP zugänglichen Leistungen aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund schlechter darstellen, als dies für die sonstige armenische Bevölkerung der Fall ist, oder dass ihnen aufgrund eines solchen Motivs der Zugang zur medizinischen Versorgung erschwert oder verunmöglicht wird.

 

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

 

„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.

der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.

  

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

…“

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

Art. 3 EMRK lautet:„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova &Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen in Bezug auf die Republik Armenien nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet (dies kann auch in Bezug auf den Konflikt um die Kontrolle der Regionen Abchasien und Südossetien nicht angenommen werden), kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird darüber hinaus festgestellt, dass diese in Armenien über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei den volljährigen bP handelt es sich um mobile, junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen. Auch die bP 5 schätzt sich selbst als arbeitsfähig ein und möchte in Österreich einer Arbeit nachgehen. Einerseits stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.

 

Auch steht es den bP frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das –wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und können die bP daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.

 

Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

 

Die Zumutbarkeit der Annahme einer –ggf. auch unattraktiven- Erwerbsmöglichkeit wurde bereits in einer Vielzahl ho. Erkenntnisse bejaht.

 

Soweit die beschwerdeführende Partei bP5 ihren Gesundheitszustand thematisiert, wird festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).

 

Es liegt aktuell keine lebensbedrohende Erkrankung vor, welche das Risiko bergen würde, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen in Armenien zu sterben. Es gibt in Armenien auch Behandlungsmöglichkeiten und sind Medikamente zur Behandlung einer allgemeinen Erkrankung wie Bluthochdruck sowie Kopf- und Rückenschmerzen vorhanden. Es kann damit nicht von einem gänzlichen Fehlen von angemessenen Behandlungsmöglichkeiten ausgegangen werden und wurde die bP 5 in Armenien auch schon entsprechend behandelt. Die bP konnten in Armenien auch vor ihrer Ausreise für ihren Lebensunterhalt sorgen, dies trotz der Erkrankungen. Verwandte befinden sich nach wie vor in Armenien und können diese Personen die bP in der Heimat unterstützen.

 

Im vorliegenden Fall konnten somit seitens der bP 5 keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.

 

Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die bP 5 vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Armenien ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktisch Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der bP gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.

 

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN).

 

Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren soziookönomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

 

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten droht, ist nach der Judikatur des VwGH eine eventuelle besondere Vulnerabilität der Betroffenen im Speziellen zu berücksichtigen, wobei der VwGH auch auf die Definition schutzbedürftiger Personen in Art. 21. Der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) verweist (vgl. zuletzt VwGH vom 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0336 sowie vom 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0089 zum Irak sowie VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0315 und diverse andere zu Afghanistan). Art. 21 der Aufnahmerichtlinie zählt als besonders schutzbedürftige Personen unter anderem Minderjährige auf.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund der vom BVwG selbst herangezogenen UNHCR-Richtlinien- in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Zl E 667/2018 hinsichtlich einer Familie aus Kabul festgehalten, dass Familien mit besonderem Schutzbedarf - nach Ansicht des UNHCR - nur dann eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht, wenn sie Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, die Zurückkehrenden tatsächlich zu unterstützen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG wurde behoben, da vom BVwG nicht näher begründet wurde, warum es davon ausging, dass der Bruder der Erstbeschwerdeführerin eine sechsköpfige Familie ausreichend unterstützen könne bzw wolle. Es sei verabsäumt worden, die Erstbeschwerdeführerin zur konkreten Lebenssituation ihres Bruders und ihrer Schwester zu befragen.

 

Demnach wird von der Judikatur – zuletzt auch in einer Einzelentscheidung hinsichtlich des sicheren Herkunftsstaates Armenien (VwGH vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0216 bis 0217-13) - eine konkrete Auseinandersetzung damit gefordert, welche Rückkehrsituation eine Familie mit minderjährigen Kindern im Herkunftsstaat tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479) sowie der Unterkunftsmöglichkeit (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).

 

Im vorliegenden Fall ist daher insbesondere zu berücksichtigen, dass unter den bP minderjährige Kinder – somit Angehörige einer besonders vulnerablen und besonders schutzbedürftigen Personengruppe - sind. Daher ist eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation, die die minderjährigen bP bzw. die Familie mit minderjährigen Kindern im Heimatstaat tatsächlich vorfinden würden, erforderlich.

 

Im gegenständlichen Fall sind die Eltern und die Kinder armenische Staatsbürger und sind alle im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen und teilen die Kinder somit das sozioökonomische Schicksal der Eltern. Eine Verletzung des Kindeswohles ist daher insbesondere im Hinblick auf die in den Feststellungen widergegebene Anfragebeantwortung von Juli 20189 nicht ersichtlich.

 

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Parteien nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen müssen, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

„§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. …

2. …

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. – 5. …

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) ...“

 

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) –(4) …

 

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) – (6) …“

 

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

„§ 52. (1) …(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. …

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. – 4. …

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3)- (11)...“

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1)...

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) – (5).

 

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

 

II.3.4.2. Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die bP nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Es liegen im Lichte des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise vor, dass den bP allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.3. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).

 

II.3.4.4. Basierend auf den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst –bezogen auf das Lebensalter der bP – kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.

 

II.3.4.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl bei der belangten Behörde als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung der durch Art. 8 (1) EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

 

II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Determinanten im Lichte der Judikatur Folgendes:

 

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP sind den bereits genannten Zeitraum in Österreich aufhältig. Sie reisten illegal in Österreich ein und konnten die bP ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

 

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist. Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0212, mwN).

 

Mit negativem Abschluss des Asylverfahrens lebt auch die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts, sowie die Strafbarkeit der rechtswidrigen Einreise zumindest in Bezug auf die bP 1, 2 und 5 wieder auf (vgl. § 120 Abs. 1 iVm Abs. 7 FPG), bzw. kommt die Strafbarkeit gem. § 120 Abs. 1a leg. cit. im Falle der unterlassenen Ausreise innerhalb der festgesetzten Frist hinzu. Dieser Umstand stellt einen Sachverhalt mit hohem sozialen Unwert dar, was sich insbesondere auch in den vergleichsweise hohen Strafdrohungen zeigt, woraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber bereits durch diese generalpräventiv wirkende Strafdrohung die Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes als einen äußerst erstrebenswerten Umstand im Rahmen der öffentlichen Ordnung betrachtet.

 

Auch wenn im Rahmen dieses Faktums entsprechend der aktuellen Judikatur zu berücksichtigen ist, dass eine Antragstellung vom Ausland aus nicht möglich und daher -de facto in den überwiegenden Fällen- eine solche erst nach illegaler Einreise möglich ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die handlungsfähigen bP die rechtswidrige Einreise sichtlich in Umgehungsabsicht von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften zur Stellung eines sichtlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutzes vornahmen und die Behörden wiederholt täuschten, was wiederum sehr wohl fremdenrechtlichen Interessen, im Sinne eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung berührt.

 

Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Art. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich.

Der Verfassungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 10.03.2011, Zl. B1565/10 (betreffend einem im Alter von 8 Jahren mit seinen Eltern eingereisten, im Entscheidungszeitpunkt 17jährigen, welcher beinahe die gesamte Schullaufbahn in Österreich absolvierte und herausragende sportliche Leistungen für einen österreichischen Sportklub erbrachte) fest, dass es in der Verantwortung des Staates gelegen ist, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass dem 17jährigen die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre, - neun Jahre verstreichen. Es sei die Aufenthaltsverfestigung des 17jährigen zwar überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgt, keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung sei vorgelegen; jedoch sei ihm als Minderjährigem, der seine Eltern nach Österreich begleitete, dies nicht in jenem Maße zuzurechnen wie seinen Obsorgeberechtigten. In diesem Fall wurde festgehalten, dass keine Anpassungsfähigkeit des 17jährigen mehr vorliege, der wesentliche Teile seiner Kindheit und Jugend in Österreich verbrachte (im Gegensatz zu Kindern, die sich im Zeitpunkt ihrer Ausweisung noch in anpassungsfähigem Alter befinden; vgl EMRK 26.01.99, Fall Sarumi, Appl 43279/98) und wurden grundsätzliche Ausführungen zur herabgesetzten Verantwortlichkeit von Minderjährigen getroffen.

 

Auch in der Entscheidung des VfGH vom 07.10.2010, Zl. B 950-954/10-08 wurde unter Bezugnahme auf das mangelnde Verschulden der Beschwerdeführer an der 7jährigen Verfahrensdauer festgehalten, dass die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung zusätzlich stärker gewichten hätte müssen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens ins Österreich verbracht haben, sich mitten in ihrer Schulausbildung befanden und sich hier sowohl schulisch als auch gesellschaftlich sehr gut integriert haben.

Insbesondere hätte die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass - anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) – in diesem Fall die Integration der Beschwerdeführer während ihrer einzigen Asylverfahren, welche für die Bf. 1, 2, 3 und 4 sieben Jahre (in denen keine einzige rechtskräftige Entscheidung ergangen ist) dauerten, erfolgte. Dass dies auf eine schuldhafte Verzögerung durch die Beschwerdeführer zurückzuführen wäre, wurde von der belangten Behörde weder dargestellt, noch war es aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten ersichtlich.

 

Obwohl der Verfassungsgerichtshof in diesen beiden Entscheidungen die den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen hat, ist dennoch aus dem Beschluss des VfGH vom 12.6.2010, U614/10 ableitbar, dass in gewissen Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Minderjährigen im Hinblick auf die Verfahrensdauer dennoch das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder eine Rolle spielt.

 

Es wird in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010, erstens Zl. U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), zweitens Zl. U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss des selben Tages Zl. U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten) hingewiesen. In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führte, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK geltend machen können. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter, nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen.

 

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]

Die bP verfügen über die bereits festgestellten privaten und keine familiären Anknüpfungspunkte

 

- Grad der Integration

Die volljährigen beschwerdeführenden Parteien sind –in Bezug auf ihr Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen, wenngleich im Verfahren hervorkam, dass sie die deutsche Sprache inzwischen teilweise gut beherrschen und die bP 1, 2 und 5 entsprechende Deutschkurse besucht und Prüfungen abgelegt haben. Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass alle volljährigen bP selbsterhaltungsfähig wären auch wenn ihnen ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit zugute zu halten sind. So beziehen und bezogen die bP immer wieder Grundversorgung und war nur die bP 1 über einen längeren Zeitraum als Gartenarbeiter beschäftigt.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Die vorgelegten Empfehlungsschreiben dokumentieren, dass sich die bP im Rahmen ihres Aufenthaltes eine gewisse soziale Vernetzung im Bundesgebiet aufbauten, eine außergewöhnliche Integration ist hieraus jedoch nicht entnehmbar. Insbesondere stellte sich in der Verhandlung heraus, dass die Unterstützer die bP mehrheitlich aufgrund der Tätigkeiten der bP 1 für sie im Rahmen seiner Beschäftigung als Gartenarbeiter kennen. Auch zum Zivilinvalidenverband wurde die Beziehung dadurch aufgebaut, dass die bP in einem Ferienhaus des Verbandes bis 2018 lebten und dort die Vereinsmitglieder unterstützen.

 

Besondere, unmittelbare persönliche Bindung von Österreichern zu den bP ergaben sich nicht, vielmehr ergab sich, dass sich die bP auch in Österreich noch zumindest teilweise in der armenischen Community aufhalten, da die bP 1 Taufpate eines armenischen Kindes wurde. Die bP 5 gab befragt zum Freundeskreis an, dass sie mit einer armenischen Familie befreundet wären, wo Taufpate eines Kindes die bP 1 ist.

 

Zur anzuerkennenden sozialen Vernetzung der bP ist festzuhalten, dass auch die Unterstützungsleistungen und Integrationshilfen der freiwilligen Helfer gesehen werden, diese aber bei den erst relativ kurz in Österreich aufhältigen bP noch zu keiner außergewöhnlichen Integration im Sinne der Judikatur geführt haben.

 

Es wird auch nicht verkannt, dass die bP freundlich und hilfsbereit sind und bei sozialen Veranstaltungen helfen und es dem Bürgermeister ein Anliegen ist, die Kinderanzahl in seiner Gemeinde zu erhalten. Auch ist bei der bP 3 durch den Kindergartenbesuch und die Freizeitgestaltung (Ballett, Schwimmen) eine gewisse Integration vorhanden., während bei der bP 4 durch ihr geringes Alter noch von keinen integrativen Aspekten – auch durch die Krabbelstube – ausgegangen werden kann.

 

Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht sind die nicht verkannten privaten Anknüpfungspunkte dennoch zu wenig und ist auch die Stellung des unbegründeten Asylantrages zu berücksichtigen.

 

In Bezug auf die minderjährigen bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

 

Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; 3 Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied).

 

- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]

Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben an einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt. Es ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es der bP frei – so wie jedem anderen Fremden auch - sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.

 

Das Vorbringen der bP lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen. Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitel den Fremden die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet – unverzüglich – zu verlassen.

 

Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders zu berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Sollte bei den bP die gegenteilige Erwartungshaltung geweckt worden sein, hat das ho. Gericht dennoch im Rahmen der Gesetze (Art. 18 B-VG) entgegen dieser Erwartungshaltung zu entscheiden.

 

Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten nach rechtswidriger Einreise oder während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führt. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällten, beim Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein, welcher hier bei weitem nicht vorliegt (vgl. hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).

 

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP 1, 2 und 3 verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien, wurden dort sozialisiert, gehören der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an, bekennen sich zum dortigen Mehrheitsglauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Armenien Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- bzw. Bekanntenkreises der bP existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

Zu den minderjährigen bP ist festzustellen, dass schon aufgrund ihres geringeren Alters und der Aufenthaltsdauer in Österreich die Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den nunmehrigen Bindungen zu Österreich anders zu bewerten sein wird, als im Hinblick auf die Eltern. Hier wird von geringeren Bindungen zum Herkunftsstaat und stärkeren Bindungen zu Österreich auszugehen sein. In die Überlegungen hat jedoch einzufließen, dass die minderjährigen bP über ihr Umfeld bzw. ihre Eltern die Kultur und Sprache ihres Herkunftsstaates vermittelt bekamen. Auch kann aufgrund der Sprachkenntnisse der Eltern davon ausgegangen werden, dass im Familienverband zumindest noch teilweise mit den Eltern in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird und somit dieser „Vermittlungseffekt“ bis in die Gegenwart nachwirkt. Ebenso befinden sich die minderjährigen bP in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch wieder in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.

Zur Sozialisation und Anpassungsfähigkeit von Kindern ist festzuhalten, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Sozialisation eines in Österreich geborenen dreijährigen Kindes (bP 4 wurde 2018 geboren) in diesem Alter noch nicht einmal begonnen hat. Es ist nicht zu erkennen, weswegen die Sozialisation in diesem Alter nicht auch im Herkunftsstaat erfolgen kann, zumal das Kind im Heimatland weiter in Obsorge der Eltern sein wird und ihm deren Begleitung die Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtern wird (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).

 

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade Kindern, welche noch im jungen Alter sind und die mit ihren Eltern gemeinsam ausreisen, die (Re-)Integration im Herkunftsstaat der Eltern zumutbar. So nahm der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0015 an, dass bei einem 6 Jahre und 3 Monate dauernden Aufenthalt in Österreich erwartet werden kann, die Kinder werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Begebenheiten im Herkunftsstaat der Eltern anpassen können (vgl. auch VwGH vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 116, mwN). Selbst Schwierigkeiten bei der (Re )Integration sind in derartigen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282).

 

In seinem Urteil vom 26.01.1999, 43279/98, Sarumi/Vereinigtes Königreich, attestierte der EGMR Kindern im Alter von sieben und elf Jahren eine Anpassungsfähigkeit, die eine Rückkehr mit ihren Eltern aus England, wo sie geboren wurden, nach Nigeria als keine unbillige Härte erscheinen ließ.

 

Es wird im gegenständlichen Fall auch darauf hingewiesen, dass es nunmehr an den Eltern der minderjährigen bP liegen wird, ihrer Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes nachzukommen und nicht in weiterer Folge rechtswidrig in diesem zu verharren, zumal sie durch ein solches Verhalten die Eingliederung ihrer Kinder verzögern bzw. erschweren und ihnen somit schaden würden.

 

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten sind, relativiert sich in Bezug auf die strafunmündigen bP sowie durch den erst verhältnismäßig kurzen Aufenthalt der bP und stellt darüber hinaus laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

 

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die bP reisten schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und verletzten die bP hierdurch das hoch einzuschätzende Öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrecht.

Soweit die minderjährigen bP hierbei keinen Einfluss auf das Verhalten ihrer Eltern hatten, wird auf die bereits getroffenen Ausführungen hinsichtlich der objektiven Zurechenbarkeit des Verhaltens der Eltern hingewiesen, welche hier sinngemäß gelten.

Auf das Wiederaufleben der Strafbarkeit der seinerzeitigen Einreise und die hierzu bereits angestellten Überlegungen wird an dieser Stelle nochmals verweisen.

 

- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Den volljährigen bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass den bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.

In Bezug auf die minderjährigen bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

 

- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens der bP, sowie ihrem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen der bP auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06). Auch sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die zeitliche Komponente nicht das allein ausschlaggebende Faktum darstellt.

 

-Auswirkung der allgemeinen Lage in Armenien auf die bP

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfinden, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK –anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.

 

Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Armenien ist zu berücksichtigen, dass –wie bereits mehrfach erwähnt- gem. § 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.

 

 

- weitere Erwägungen

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung [nunmehr Rückkehrentscheidung] so wie im gegenständlichen Fall unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Inhalt des Fremdenrechtspakets 2005 und den danach folgenden Novellierungen klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich, seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist

 

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung [bzw. nunmehr Rückehrentscheidung] von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

 

Wie bereits erwähnt, garantiert die EMRK gemäß der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art „Handreichung des Staates“ - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde

 

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters –wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend- aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen.

 

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser es als nicht erforderlich erachtete, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

 

II.3.4.7. Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Die bP halten sich im Vergleich mit ihrem Lebensalter erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf, sind und waren immer wieder auf die Grundversorgung angewiesen und eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist nicht erkennbar. Für die bP spricht zwar, dass sie Deutschkurse besuchten und Prüfungen absolvierten und auch eine gewisse soziale Vernetzung erreichten. Doch selbst auch die teilweise Beschäftigung vermag nicht zu überwiegen, dass die bP nicht rechtmäßig, schlepperunterstützt eingereist sind, einen missbräuchlichen Asylantrag stellten und letztlich auch noch nicht besonders in die österreichische Gesellschaft integriert sind.

Verwandte der bP leben noch im Herkunftsstaat, wo die volljährigen bP den Großteil des Lebens verbracht haben und sozialisiert wurden, und ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen familiären und privaten Beziehungen im Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Herkunftsstaat eine Integration in Österreich überwiegen.

Insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer der bP in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig zu erklären wären.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP im Bundesgebiet das persönliche Interesse der bP am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in den Beschwerden nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Im Rahmen der Umsetzung der Rückkehrentscheidung ist darauf zu achten, dass die Obsorge der minderjährigen bP nicht verunmöglicht wird, es sei denn, diese entziehen sich der Abschiebung.

 

II.3.5. Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

 

Im gegenständlichen sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.

 

Es kamen keine Umstände hervor, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK führen würden und wird auf die Ausführungen im Rahmen des subsidiären Schutzes verwiesen. Es kamen auch keine Umstände hervor, welche insbesondere beim Ausspruch betreffend die Abschiebung zu berücksichtigen gewesen wären.

 

Eine im § 50 Abs. 3 FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.

 

II.3.6. Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

II.3.7. Eine Frist zu freiwilligen Ausreise besteht gem. § 55 Abs. FPG iHv 14 Tagen.

 

II.3.8. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, keine Umstände gegen die Zulässigkeit der Abschiebung sprechen und eine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht, ist die Beschwerde gegen diese Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

 

II.4. Familienverfahren

Da in Bezug auf alle bP eine spruchgemäß identische Entscheidung erging, können auch aus dem Titel des Familienverfahrens im Inland keine anderslautenden Erkenntnisse erlassen werden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens abgeht. Im Hinblick auf die Auslegung des Rechtsinstituts des sicheren Herkunftsstaates orientiert sich das ho. Gericht ebenfalls an der hierzu einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur.

 

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ins Leben gerufen wurden, bzw. sich die asyl- und fremdenrechtliche Diktion, sowie Zuständigkeiten zum Teil änderte, und das Asyl- und Fremdenrecht eine verfahrensrechtliche Neuordnung erfuhr kann ebenfalls kein unter Art. 133 Abs. 4 zu subsumierender Sachverhalt hergeleitet werden, zumal sich am substantiellen Inhalt der anzuwendenden Normen keine relevante Änderung ergab. Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auf die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen (z. B. in Bezug auf § 18 BFA-VG auf § 38 AsylG aF).

 

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

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