European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E129748
Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.939,94 EUR (darin 489,99 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erlitt am 16. 8. 2011 auf der Durchreise durch Österreich mit seinen Eltern einen Atemstillstand, verlor das Bewusstsein und wurde ca 20 Minuten mittels Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage reanimiert. Der kurze Zeit später eingetroffene Notarzt brachte den Kläger auf die pädiatrischen Intensivstation an der Universitätsklinik für Kinder‑ und Jugendheilkunde des *. Zum Zeitpunkt der Einlieferung waren aufgrund der erlittenen Sauerstoffunterversorgung bereits Gehirnzellen abgestorben; diese ausgeprägte primäre Hirnschädigung hatte auch schon zum Entstehen eines Hirnödems geführt. Aufgrund der primären Hirnschädigung, also des Absterbens von Gehirnzellen, werden weitere Prozesse angestoßen (Entzündungsreaktionen, Ausschüttung von Neurotransmittern und eine gesteigerte Erregbarkeit des Gehirns), durch die weiterhin Gewebe geschädigt wird; dabei handelt es sich um die sekundäre Hirnschädigung.
Die primäre Hirnschädigung lässt sich therapeutisch nicht beeinflussen; dabei abgestorbene Zellen sind endgültig abgestorben. Die sekundäre Hirnschädigung kann aber im Idealfall soweit verhindert bzw beeinflusst werden, dass es keine oder weniger Restschäden gibt. Zudem können neuronale Schäden im Gehirn repariert werden. Je jünger ein Patient ist, umso ausgeprägter ist diese Fähigkeit. Der Endzustand eines Patienten ist stets eine Folge der primären und sekundären Hirnschädigung. Die primäre Hirnschädigung kann aber so gravierend sein, dass das Verhüten der sekundären auf den neurologischen Endzustand des Patienten keine positiven Auswirkungen mehr hat.
Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft war bei Aufnahme des Klägers eine ehestmögliche Intubation zur Prävention der sekundären Hirnschädigung indiziert, um gesicherte Atemwege zum adäquaten Gasaustausch zu erreichen, eine ausreichende Schmerz- und Unruhetherapie durchzuführen sowie den Blutdruck zu harmonisieren und gegebenenfalls eine Blutdrucktherapie zur Sicherstellung einer ausreichenden Organ- und Gehirndurchblutung durchführen zu können; nur bei einer Intubation hätte zudem eine Hirndrucksonde zur Überwachung der Notwendigkeit einer hirndrucksenkenden Therapie angelegt werden können und wäre solcherart das Hirnödem erkennbar gewesen.
Am zweiten und dritten Aufnahmetag fanden sich im EEG schwere diffuse Allgemeinveränderungen und eine diffuse Verlangsamung der Grundaktivität. Diese Veränderungen wären auch am Aufnahmetag nachzuweisen gewesen und hätten die Entscheidung, Maßnahmen zur Prävention einer sekundären Hirnschädigung durchzuführen, beeinflusst. Zur exakten Messung des Hirndrucks wäre bei einer lege artis durchgeführten Behandlung das Anlegen einer Hirndrucksonde erforderlich und auch indiziert gewesen. Eine andere anerkannte Methode zur Überwachung des Hirndrucks gibt es bei sechsjährigen Kindern nicht; das Monitoring mittels transkranieller Doppler-Sonographie reicht nicht aus.
Der Kläger erlitt einen schweren hypoxischen Hirnschaden, der mit einer massiven neurologischen Residualsymptomatik und dramatischen Schäden des Allgemeinzustands verbunden ist. Ob dieser Hirnschaden Folge der primären Hirnschädigung oder des Unterbleibens der Prävention einer sekundären Hirnschädigung ist, kann nicht festgestellt werden. Beides kommt als Ursache in Betracht. Es ist möglich, dass sich der Kläger bei einer lege artis durchgeführten Behandlung wieder vollständig von der primären Hirnschädigung erholt und keinen Hirnschaden zu erleiden gehabt hätte. Es ist aber genauso möglich, dass der Kläger nunmehr vorliegende Folgen auch zu erleiden gehabt hätte, wenn er lege artis behandelt worden wäre. Die Wahrscheinlichkeit und der Umfang einer allfälligen Erholung des Klägers von der primären Hirnschädigung bei lege artis durchgeführter Behandlung sind nicht quantifizierbar.
Der Kläger begehrt 180.000 EUR Schmerzengeld, 302.400 EUR Pflegekosten für die Zeit bis 31. 8. 2017, eine monatliche wertgesicherte Rente von 4.380 EUR beginnend mit 1. 9. 2017 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus der Fehlbehandlung. Die Behandlung im Krankenhaus habe insoweit nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen, als am Tag der Aufnahme die Intubation und eine EEG‑Untersuchung unterlassen worden seien; auch hätte nach der Intubation ein Hirnmonitoring mittels Hirndrucksonde erfolgen müssen. Das sekundäre Hirnödem hätte solcherart verhindert werden können. Selbst wenn schon bei Einlieferung in das Krankenhaus eine primäre Hirnschädigung vorgelegen sei, hätte er sich von dieser bei einer lege artis durchgeführten Behandlung jedenfalls erholt.
Die Beklagte wendet ein, ein Behandlungsfehler liege nicht vor, sei doch die Intubation samt invasiver Hirndruckmessung ebenso wenig wie eine EEG‑Untersuchung am Aufnahmetag indiziert gewesen. Jedenfalls sei aber das behauptete Fehlverhalten nicht kausal für den Schaden; bereits die Hypoxämie des Klägers am Autobahnrastplatz habe dessen spätere irreversible Hirnschädigung bewirkt.
Das Erstgericht entschied mit Teilzwischenurteil über das Leistungsbegehren dem Grunde nach und behielt die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Endentscheidung vor. Es stellte fest, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach im Ausmaß von 50 % zu Recht bestehe und wies das Mehrbegehren auf Leistung von 241.200 EUR samt Zinsen und Zahlung einer monatlichen wertgesicherten Rente von 2.190 EUR beginnend mit 1. 9. 2017 ab. Ausgehend vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Urteilssachverhalt sowie der weiteren – vom Berufungsgericht in der Folge allerdings nicht übernommenen – Sachverhaltsannahme, dass eine lege artis durchgeführte Behandlung die Vornahme einer EEG‑Untersuchung am Aufnahmetag erfordert hätte, führte es in rechtlicher Hinsicht aus, zwar sei den Ärzten der Beklagten eine Fehlbehandlung anzulasten; trotz bestehender Beweiserleichterungen im Hinblick auf den Kausalitätsbeweis im Arzthaftungsprozess stehe jedoch nicht fest, ob der Schaden des Klägers durch dieses konkret gefährliche Fehlverhalten, oder aber durch einen dem Geschädigten zuzurechnenden Umstand verursacht worden sei. Folglich liege der Fall einer alternativen Kausalität vor, der nach der Rechtsprechung zu einer Teilhaftung – im Zweifel nach Kopfteilen – führe.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilzwischenurteil über die Berufungen beider Streitteile und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Aufgrund (schlüssiger) Rechtswahl der Parteien sei von der Anwendbarkeit österreichischen Rechts auszugehen. Der Kläger habe einen der Beklagten zuzurechnenden Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte durch Unterlassen der Intubation und Hirndruckmessung mittels Hirnsonde sofort nach der Aufnahme im Krankenhaus nachgewiesen. Bei einer Schädigung durch ein Unterlassen sowie bei Arzthaftungsfällen seien die Anforderungen an den schwer zu führenden Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs bei pflichtgemäßem Verhalten herabgesetzt, zumal ein festgestellter schuldhafter Behandlungsfehler auf einen nachteiligen Kausalverlauf geradezu hinweise. Die einhellige Rechtsprechung lasse daher im Arzthaftungsprozess den Anscheinsbeweis ausreichen, wiewohl hinsichtlich der konkreten Anforderungen an den Kausalitätsbeweis unterschiedliche Positionen vertreten würden: Bisweilen werde der Nachweis deutlich überwiegender oder eines sehr hohen Grades an Wahrscheinlichkeit gefordert, was aber ohnehin dem Regelbeweismaß entsprechen würde, teils werde der Nachweis überwiegender Wahrscheinlichkeit als ausreichend angesehen; herrschend werde jedoch vertreten, wenn unzweifelhaft sei, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch den ärztlichen Kunstfehler „nicht bloß unwesentlich erhöht“ wurde, habe der belangte Arzt (oder der Krankenanstaltenträger) zu beweisen, dass die ihm zuzurechnende Sorgfaltsverletzung „mit größter Wahrscheinlichkeit“ nicht kausal für den Schaden des Patienten war. Allgemein (außerhalb des Arzthaftungsrechts) reiche für die Entkräftung des Anscheinsbeweises, dass eine andere konkrete Ursache ernstlich in Betracht zu ziehen sei. Bleibe ungeklärt, ob für eine Schädigung ein ärztlicher Behandlungsfehler oder ein vom Geschädigten zu vertretener Zufall (zu dem auch eine Vorschädigung zählt) kausal ist, sei der Schaden nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung – im Zweifel auf Basis von „1 : 1“ – analog § 1304 ABGB aufzuteilen. Entsprechendes gelte für summierte Einwirkungen einer körperlichen Vorschädigung einerseits und eines nachfolgenden Behandlungsfehlers andererseits, die gemeinsam den Gesamtschaden herbeigeführt hätten, sofern abgrenzbare Teilschäden nicht feststellbar seien.
Diese Judikatur stehe zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den erwähnten Beweislastfragen, wenn man davon ausginge, dass aufgrund der Sachverhaltsannahme einer Wahrscheinlichkeit von 50 % für die Verursachung des Leidens des Klägers durch die Beklagte ohnedies der Nachweis einer „nicht unwesentlichen Erhöhung“ der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch den Behandlungsfehler erbracht worden sei. In einer vergleichbaren Konstellation habe der Oberste Gerichtshof aber bereits einmal (in der Entscheidung 3 Ob 106/06v) ausgesprochen, dass der Anscheinsbeweis bei zwei gleich wahrscheinlichen Schadensursachen nicht gelungen sei. Auch im vorliegenden Fall konkurriere folglich ein dem Kläger zurechenbarer Zufall mit einem Haftungsgrund, weshalb das Erstgericht zu Recht eine Schadensteilung vorgenommen habe. Am Vorliegen der Voraussetzung der konkreten Gefährlichkeit des Fehlverhaltens der behandelnden Ärzte sei hier angesichts des Potenzials des Pflichtverstoßes, die Gesundheitsschädigung des Klägers zur Gänze zu verursachen, nicht zu zweifeln. Die vom Kläger relevierte Verletzung einer ärztlichen Dokumentationspflicht führe bloß insoweit zu einer Beweiserleichterung, als sie die Vermutung begründet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen worden sei, was hinsichtlich der EEG‑Untersuchung am Aufnahmetag ohnedies feststehe.
Der Kläger wendet sich mit seiner auf die Rechtsmittelgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Aktenwidrigkeit gestützten außerordentlichen Revision im Umfang der Klageabweisung gegen das Berufungsurteil. Er strebt die entsprechende Abänderung der angefochtenen Entscheidung an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte bekämpft mit ihrer außerordentlichen Revision das Berufungsurteil in Ansehung des Grundurteils. Sie begehrt, gestützt auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die Abänderung der Entscheidung in vollständige Klageabweisung; hilfsweise stellt auch sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision der Beklagten ist nicht zulässig. Hingegen ist die Revision des Klägers aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Zur Revision der Beklagten:
1.1. Der Oberste Gerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung (vgl 6 Ob 36/01i; 9 Ob 6/16x; 4 Ob 75/19m), dass bei alternativer Verursachungskonkurrenz zwischen einem Haftungsgrund aus einem ärztlichen Behandlungsfehler und einem dem Geschädigten zurechenbaren Zufall – im Sinn einer Unaufklärbarkeit der Schadensursache – in analoger Anwendung der §§ 1302, 1304 ABGB eine Schadensteilung, im Zweifel auf der Basis von 50:50, vorzunehmen ist (4 Ob 554/95; 3 Ob 106/06v; RS0026663 [T2]; RS0090872; RS0027286; RS0107245 [T5]), solange nur das potenziell ursächliche, rechtswidrige und schuldhafte Verhalten im Hinblick auf den eingetretenen Schaden konkret gefährlich war (3 Ob 228/12v ua).
1.2. Diese ursprünglich auf Wilburg (Die Elemente des Schadensrechts [1941] 74 f) und F. Bydlinski (Haftung bei alternativer Kausalität, JBl 1959, 1 [13]) zurückgehende Auffassung wird von der überwiegenden Lehre geteilt (statt vieler Koziol, Haftpflichtrecht I4 Rz 13/2/57 ff, Karner in KBB6 § 1302 ABGB Rz 8; Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1302 ABGB Rz 37, je mwN; aA Neumayr in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht3 Kap IX Rz 27 mwN zum kritischen Schrifttum; umfassend zum Meinungsstand aus jüngerer Zeit etwa Heinrich, Haftung bei alternativer Kausalität mit Zufall [2010], und Häusler, Haftung ohne Kausalitätsnachweis [2014]).
2. Die Beklagte, die sich gegen die Heranziehung dieser Rechtsprechung durch das Berufungsgericht wendet, vermag keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen:
2.1. Soweit sie ihre Argumentation auf die Erwägung stützt, aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts sei abzuleiten, dass der Gesamtschaden des Klägers sehr wohl auf den bei Einlieferung bereits vorliegenden Hirnschaden zurückgeführt werden müsse, legt sie ihrer Rechtsrüge eine faktische Schlussfolgerung zugrunde, die sich mit dem Urteilssachverhalt, konkret mit der vom Berufungsgericht geprüften und übernommenen Sachverhaltsannahme des Erstgerichts, es sei möglich, dass der Kläger sich bei einer lege artis erfolgten Behandlung vollständig erholt hätte, nicht in Einklang bringen lässt.
2.2. Die Ausführungen der Beklagten zur drohenden Gefahr einer „reinen Gefährdungshaftung“ der Krankenanstaltenträger gehen schon deshalb ins Leere, weil im Anlassfall nicht das Vorliegen eines den behandelnden Ärzten vorwerfbaren Sorgfaltsverstoßes zweifelhaft geblieben ist, sondern vielmehr dessen Ursächlichkeit für den letztlich verbliebenen Hirnschaden des Klägers.
2.3. Auch die Kritik der Beklagten unter Verweis auf 2 Ob 120/08y, das Berufungsgericht habe verkannt, dass im vorliegenden Fall die Anwendung der Grundsätze der alternativen Kausalität schon am Fehlen einer Mehrheit konkret gefährlich handelnder Schädiger scheitere, verfängt nicht. Die Beklagte lässt unberücksichtigt, dass die Teilhaftung bei alternativer Verursachungskonkurrenz von Haftungsgrund und Zufall auf einer Weiterentwicklung der allgemeinen Rechtsprechung zur alternativen Kausalität des Handelns mehrerer Dritter beruht: Kommen als Ursache für einen Schaden die schuldhaften oder sonst einen Haftungsgrund bildenden konkret gefährlichen Handlungen mehrerer Personen in Frage, hat das Risiko der Unaufklärbarkeit nicht der Geschädigte zu tragen, vielmehr haften die möglicherweise kausal handelnden Personen solidarisch (1 Ob 26/80; RS0022712). Auf dieser Grundlage ist es nur folgerichtig, in Analogie zu § 1304 ABGB eine Schadensteilung anzunehmen, wenn eine der potentiellen Schadensursachen nicht in die Sphäre eines Dritten, sondern jene des Geschädigten fällt (4 Ob 204/13y; vgl auch Heinrich, Teilhaftung bei alternativer Kausalität mit Zufall, JBl 2011, 277 [280, 282], unter Verweis auf die Parallele zur gestörten Gesamtschuld).
2.4. Aus der vom Obersten Gerichtshof zum Fall „summierter Einwirkungen“ durch Grundschädigung und Behandlungsfehler angestellten Erwägung, dass ein Arzt nicht für die Folgen einer schon vor Behandlungsbeginn bestehenden Grundschädigung, sondern nur für jenen weiteren Schaden haftet, der durch sein Fehlverhalten verursacht wurde, soweit abgrenzbare Teilschäden feststellbar seien (4 Ob 75/08w), lässt sich entgegen der Argumentation der Beklagten nicht folgern, dass bei fehlender Abgrenzbarkeit der Schadensanteile eine Haftung überhaupt zu entfallen habe; die angeführte Entscheidung gelangt denn auch zum gegenteiligen Ergebnis einer Teilhaftung analog § 1304 ABGB.
2.5. Soweit die Beklagte unter Verweis auf die Entscheidung 1 Ob 628/92 moniert, die Anwendung der Grundsätze der alternativen Kausalität scheitere im Anlassfall schon daran, dass nicht einmal eine konkrete Gefährdung des Klägers durch das Fehlverhalten der behandelnden Ärzte feststehe, ist zu erwidern, dass zwar entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die konkrete Gefährlichkeit des vorliegenden Behandlungsfehlers – als zwingende Voraussetzung für die Teilhaftung (3 Ob 228/12v) – nicht schon aus dessen möglicher Ursächlichkeit für den letztlich aufgetretenen Gesamtschaden abgeleitet werden kann, soll doch gerade das Erfordernis der konkreten Gefährlichkeit der potentiellen Schadensursache den fehlenden Kausalitätsnachweis im Sinn eines beweglichen Systems ausgleichen und im Ergebnis einen tragfähigen Haftungsgrund bewirken. Die Rechtsprechung fordert vor diesem Hintergrund eine für den Schadenseintritt in höchstem Maße adäquate Handlung des mit dem Kausalitätsverdacht Belasteten (vgl RS0022721 [T1, T3, T4]). Dass allerdings gerade die Unterlassung der Hirndruckmessung ihrer allgemeinen Natur nach die ungehinderte Vergrößerung eines Hirnödems begünstigt und damit schon für sich genommen hochgradig geeignet ist, den letztlich eingetretenen neurologischen Schaden herbeizuführen, ergibt sich zwanglos aus dem Urteilssachverhalt.
2.6. Wenn die Beklagte schließlich ins Treffen führt, der Kläger habe nicht einmal die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung durch den ärztlichen Behandlungsfehler nachgewiesen, dann ist dies – mit Blick auf den Urteilssachverhalt, dem zufolge beide potenziellen Schadensursachen gleich wahrscheinlich sind – zutreffend; daraus folgt aber unter Bedachtnahme auf die unter ErwGr 1. angeführten Judikaturgrundsätze nicht der Entfall jeglicher Haftung, sondern, wie von den Vorinstanzen zutreffend erkannt, die Teilhaftung der Beklagten entsprechend der Verursachungswahrscheinlichkeit.
3. Zusammenfassend bringt die Revision der Beklagten somit keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
Zur Revision des Klägers:
4.1. Der Kläger beanstandet in seiner Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob in der Unterlassung einer EEG‑Untersuchung am Aufnahmetag eine Dokumentationspflichtverletzung liege, die nicht nur für den Beweis des Vorliegens eines Kunstfehlers relevant sei, sondern auch zu einer Erleichterung des Kausalitätsbeweises führen müsse, zumal die mangelnde Dokumentation des Status des Klägers vor Behandlungsbeginn der Beklagten nicht zum Vorteil gereichen dürfe.
4.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass die EEG‑Untersuchung als diagnostisches Verfahren Bestandteil der Krankenbehandlung ist. Soweit diese – was vom Berufungsgericht offen gelassen wurde – pflichtgemäß noch am Aufnahmetag vorzunehmen gewesen wäre, liegt in der Unterlassung keine Verletzung einer Dokumentationspflicht, sondern ein Kunstfehler. Die vom Kläger angestellten Erwägungen zu den Folgen einer Dokumentationspflichtverletzung für die Beweislastverteilung verfehlen schon aus diesem Grund ihr Ziel.
5.1. Allerdings trägt die Rechtsprechung dem vom Kläger implizit angesprochenen Umstand, dass Patienten unter anderem auch durch contra legem artis unterbliebene Diagnoseverfahren in Beweisschwierigkeiten geraten können, ohnedies durch Erleichterungen des Kausalitätsbeweises Rechnung. So ist allgemein anerkannt, dass bei möglicherweise mit ärztlichen Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden von Patienten wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises an den Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen sind (RS0038222 [T3]). Wie vom Berufungsgericht zutreffend dargestellt, ist allerdings die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den konkreten Voraussetzungen des Kausalitätsbeweises uneinheitlich.
5.2. Wenn nun der Kläger argumentiert, wie das Berufungsgericht selbst erkannt habe, stehe die von ihm herangezogene materiell‑rechtliche Teilhaftungslösung mit dieser Judikatur, namentlich mit der häufig gebrauchten Formel in einem Spannungsverhältnis, wonach im Fall des Nachweises einer durch den ärztlichen Kunstfehler „nicht bloß unwesentlich erhöhten“ Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts der belangte Arzt oder Krankenanstaltenträger zu beweisen habe, dass die ihm zuzurechnende Sorgfaltsverletzung „mit größter Wahrscheinlichkeit“ nicht kausal für den Schaden des Patienten war (RS0038222 [T7, T9, T11, T16]; RS0026768 [T4, T6, T7, T8, T10]), dann trifft dies grundsätzlich zu: Ein ärztlicher Behandlungsfehler kann nämlich nicht als konkret gefährlich, also für den Schadenserfolg in höchstem Maße adäquat, gewertet werden, wenn das Fehlverhalten nicht zugleich zur angesprochenen nicht bloß unwesentlichen Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geführt hat. Damit läge es aber ohnedies am potentiellen Ersatzpflichtigen, den vollen Beweis (vgl 6 Ob 702/89 ua) des Nichtvorliegens der Kausalität der ihm zuzurechnenden Sorgfaltsverletzung zu erbringen, und zwar mit der Konsequenz, dass er bei einem Misslingen des Beweises zur Gänze haftet. Für eine Teilhaftungslösung bliebe dann tatsächlich kein Raum.
5.3. Allerdings wird diese konkrete Beweiserleichterung, die sich im Ergebnis einer Beweislastumkehr zumindest stark annähert (vgl 1 Ob 138/07m; RS0106890; RS0026768 [T2, T4, T8]; siehe auch Neumayr in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht3 Kap IX Rz 25: „abgemilderte Beweislastumkehr“), in der Literatur als zu weitgehend kritisiert (vgl Bollenberger, JBl 1994, 540 [544 Fn 5]; B. Steininger, Umgang mit Behandlungsfehlern aus rechtsvergleichender Sicht: Kausalität und Kausalitätsbeweis, in ÖJK, Gesundheit und Recht – Recht auf Gesundheit [2013] 79 [83 f]; Karner in KBB6 § 1296 Rz 3; einschränkend auch Neumayr aaO Rz 26). Begründet wird sie in der Regel unter Hinweis darauf, dass nur dem zur Haftung herangezogenen Arzt die Mittel und Sachkunde zum Nachweis der Kausalität zur Verfügung stehen (RS0106890).
5.4. Gegen eine Verteilung der Beweislast unter dem Aspekt der „Nähe zum Beweis“ wurden bereits in einer Reihe jüngerer Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (ausdrücklich 6 Ob 44/09b, vgl auch 9 Ob 12/05p und 4 Ob 180/07k) und in der Literatur (vgl Rassi, Die Nähe zum Beweis – eine Analyse der Rechtsprechung, ÖJZ 2017, 297 mwN) Bedenken erhoben. Zudem heben auch jene Entscheidungen, die eine Beweislastumkehr nach Sphärengesichtspunkten vornehmen, hervor, dass eine solche Verschiebung der Beweislast nur dann gerechtfertigt ist, wenn für die eine Partei mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben. Allein mit einem Beweisnotstand wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls ist eine Verschiebung der Beweislast aber nicht zu rechtfertigen (2 Ob 262/07d; 10 Ob 21/08y; 4 Ob 115/17s).
5.5. Ausgehend davon wäre in der hier zu beurteilenden Konstellation eine Beweislastverschiebung sachlich nicht gerechtfertigt, hat doch der belangte Arzt oder Krankenhausträger in aller Regel keinen privilegierten Zugang zu den für die Klärung des Kausalzusammenhangs relevanten Informationen. Die Schwierigkeiten des Beweises des (Nicht‑)Vorliegens der Kausalität eines ärztlichen Kunstfehlers liegen nämlich daran, dass pflichtgemäße medizinische Behandlungen aufgrund komplexer physiologischer Zusammenhänge des menschlichen Organismus typischerweise nur mit einer mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeit zum Heilungserfolg führen. Der hypothetische Kausalverlauf, konkret der Status des Patienten bei pflichtgemäßer Behandlung, bleibt damit aber geradezu zwangsläufig – und zwar nicht nur für den medizinischen Laien – ungewiss (idS schon B. Steininger, aaO 81 mwN).
5.6. Ebenso wenig trägt aber der vom Kläger relevierte Gesichtspunkt der Verschärfung des Beweisnotstands des Patienten durch die Unterlassung von Diagnoseverfahren, in concreto der EEG‑Untersuchung unmittelbar nach Aufnahme im Krankenhaus, für sich genommen oder in Zusammenhalt mit anderen Erwägungen die von einem Teil der Rechtsprechung angenommene Beweislastverschiebung. Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die Untersuchung noch am Aufnahmetag pflichtgemäß hätte erfolgen müssen, ist folglich für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls unmaßgeblich. Schon aus diesem Grund verfehlt die auf das zugrundeliegende Beweisthema bezogene Kritik eines rechtlichen Feststellungsmangels ebenso wie der Vorwurf der Aktenwidrigkeit von vornherein ihr Ziel.
6.1. Keine grundsätzlichen Bedenken bestehen – vor dem Hintergrund des typischen Beweisnotstands des Patienten – gegen den von einem Teil der Rechtsprechung gebilligten Rückgriff auf den Anscheinsbeweis der Kausalität des ärztlichen Kunstfehlers. Allerdings erfordert dieser nach allgemeinen Grundsätzen das Vorliegen eines Erfahrungssatzes, dem zufolge schon die erwiesene Pflichtverletzung einen Kausalzusammenhang zum konkreten Schadenserfolg im Sinn eines typischen Geschehensablaufs mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit nahe legt; schon daran wird es nicht selten fehlen (vgl bereits Bollenberger, JBl 1994, 544 Fn 5). Abgesehen davon lässt sich der Anscheinsbeweis bereits durch Darlegung der ernsthaften, konkreten Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs entkräften (RS0040272); gelingt dies – etwa aufgrund des Nachweises, dass die Gesundheitsbeeinträchtigung ernstlich auch auf eine Komplikation oder eine körperliche Vorschädigung zurückzuführen sein könnte (vgl 3 Ob 106/06v) –, muss der Patient den Vollbeweis des Kausalzusammenhangs zwischen Sorgfaltsverstoß und Gesundheitsschädigung führen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass durch die bloße Zubilligung des Anscheinsbeweises den regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des mit dem Kausalitätsnachweis belasteten Patienten nicht wirksam begegnet wird (so auch B. Steininger, aaO 83).
6.2. Vielmehr erscheint es in einer derartigen Situation sachgerecht, wie in den Fällen der Anlageberaterhaftung (2 Ob 17/13h; 6 Ob 32/17z; RS0110701 [T11, T12, T13]), in Abkehr vom Regelbeweismaß der ZPO den Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügen zu lassen, dass der Schaden auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Die Beweismaßreduktion im Anlegerprozess geht auf die Überlegung zurück, dass beim Unterbleiben pflichtgemäßer Beratung – wie auch sonst bei Unterlassung pflichtgemäßen Verhaltens (RS0022900) – die Beweisführung des hypothetischen Kausalverlaufs bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Ein ebensolcher Beweisnotstand besteht aber – unabhängig von der mitunter mit erheblichen Schwierigkeiten verbundenen Abgrenzung, ob das Fehlverhalten in einem Tun oder einer Unterlassung liegt – auch im Arzthaftungsprozess aus den bereits dargelegten Erwägungen zu den Problemen bei der Beurteilung der hypothetischen Entwicklung des Gesundheitszustands des Patienten bei lege artis erfolgter Behandlung. Es ist daher auch hier – im Einklang mit der parallelen gesetzgeberischen Wertung des § 1293 ABGB (arg: „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge“) – eine Reduktion des Beweismaßes auf das Kriterium der überwiegenden Wahrscheinlichkeit geboten (so im Ergebnis bereits 4 Ob 176/19i; weiters Bernat, Entwicklungslinien des Medizinrechts, RdM 2014, 36 [40]).
6.3. Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht jedoch zur Auffassung gelangt, dass dem Kläger – mangels überwiegender Verursachungswahrscheinlichkeit des Behandlungsfehlers für den letztlich eingetretenen Hirnschaden – der Kausalitätsnachweis nicht gelungen ist, und hat in einem logisch nachgelagerten Schritt (vgl Karner, JBl 2013, 134 [135]; B. Steininger, aaO 86; aA Heinrich, JBl 2011, 285, der zufolge Beweiserleichterungen neben der Teilhaftung nicht zur Anwendung gelangen können) in Anwendung der Judikaturgrundsätze zur alternativen Verursachungskonkurrenz von Haftungsgrund und Zufall eine Teilhaftung der Beklagten analog § 1304 ABGB angenommen. Diese Auffassung ist – wie im Rahmen der Behandlung der Revision der Beklagten gezeigt wurde – zutreffend.
7. Damit erweist sich das angefochtene Urteil als zutreffend, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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