OGH 2Ob17/13h

OGH2Ob17/13h13.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Mag.Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Reinhold D*****, vertreten durch Kerres Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG (vormals: C***** Privatbank Aktiengesellschaft), *****, vertreten durch Jank Weiler Rechtsanwälte OG in Wien und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei MMag. Dr. Karl P*****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 773.961,52 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2012, GZ 5 R 88/12s‑70, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. Februar 2012, GZ 54 Cg 87/11i‑53, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger, ein studierter Bauingenieur, war die meiste Zeit seines Berufslebens als Angestellter eines gemeinsam mit seiner Gattin gegründeten medizinischen Labors tätig. Seit 2008 ist er in Pension.

Aufgrund des Verkaufs des medizinischen Labors stand dem Kläger im Jahr 2000 Barvermögen zur Verfügung, das er anlegen wollte. So kam es zu einem Gespräch mit Vertretern der beklagten Partei am 28. 7. 2000. Dabei stellte der Kläger eingangs klar, dass er beabsichtige, Immobilienaktien zu kaufen. Er trug sich damals mit dem Gedanken, nach zwei bis drei Jahren eine (weitere) Immobilie zu kaufen, verfolgte diesen Plan später aber nicht weiter. Das Angebot der beklagten Partei, sein Vermögen zu verwalten, schlug er aus und erklärte, dass er nur an Immobilienaktien interessiert sei. Ein detailliertes Beratungsgespräch fand nicht statt. Er erhielt jedoch Informationen über die I*****‑Aktie. In einem an diesem Tag ausgefüllten Kundenprofil gab der Kläger sein Anlageziel mit „Vermögensvermehrung“ und seine Risikobereitschaft mit „mittel“ (hohe Ertragschancen bei höheren Verlustrisiken, mittlere Wertschwankungen, jederzeitige Verfügbarkeit, aber deutlich niedrigerer Preis möglich) bekannt. Als Anlagehorizont führte der Kläger mittelfristig (drei bis fünf Jahre) an und fügte handschriftlich hinzu, dass er vorerst zu 80 % in Immobilienaktien veranlagen wolle. Letztlich eröffnete er bei der beklagten Partei ein Wertpapierdepot mit einem Verrechnungskonto und kaufte I*****- und I*****e*****-Aktien. Dem Kläger war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass eine Aktie Wertschwankungen unterliegt.

In der Folge suchte der Kläger bis zum Jahr 2007 im Durchschnitt zwei Mal pro Jahr das persönliche Gespräch mit seiner Kundenberaterin bei der beklagten Partei. Er legte ihr jeweils die in der nächsten Zeit von ihm beabsichtigten Veranlagungen dar und tätigte in der Folge diverse Käufe von I*****‑Aktien sowie I*****e*****‑Aktien, wobei er zwischendurch bei entsprechendem Geldbedarf solche Aktien auch wieder verkaufte. Er verfolgte die Kursentwicklung der beiden Aktien beinahe täglich und nahm an fast allen Hauptversammlungen teil. Die Kapitalmarktprospekte der beiden Unternehmen waren ihm nicht bekannt, wohl aber die enge Verflechtung zwischen der I***** AG, der I*****e***** AG und der beklagten Partei.

Die Anlageziele des Klägers veränderten sich zwischen 2000 und 2007 nicht wesentlich. Er beabsichtigte primär, mit Investment in Immobilienaktien einen Gewinn zu machen und diese Aktien zum bestmöglichen Zeitpunkt wieder zu verkaufen.

Nachdem er im Jahr 2007 einen Kursrückgang der Aktien bemerkte, suchte er im Juli 2007 das Gespräch mit seiner Kundenbetreuerin. Er ging mit der Absicht in dieses Gespräch, seine Aktien zu verkaufen. Die Beraterin riet ihm vom Verkauf der Aktien aber ausdrücklich ab und führte aus, ihr sei nicht bewusst, dass die beklagte Partei in diesem Zusammenhang Fehler gemacht habe. Der Kursverlust sei eine vorübergehende Marktdelle. Sie habe selbst solche Aktien. Es handle sich dabei um gute, unterbewertete Aktien. Aufgrund dieser Auskünfte seiner Beraterin entschloss sich der Kläger, die Aktien nicht zu verkaufen und den Kurs weiter zu beobachten. Am 25. 7. 2007 belief sich der Kurs der I*****‑Aktie auf 9,58 EUR, jener der I*****e*****‑Aktie auf 9,68 EUR.

Als der Kläger nach einigen Monaten feststellte, dass der Kurs weiterhin deutlich gefallen war, suchte er im Dezember 2007 abermals seine Beraterin in der festen Absicht auf, seine Aktien zu verkaufen. Die Beraterin riet ihm aber weiter vom geplanten Verkauf der Papiere ab und meinte, es wäre nicht vernünftig zu verkaufen. Es handle sich mit Sicherheit nur um eine vorübergehende Kursschwankung. Dem Vorhalt des Klägers, dass die Beraterin dies auch das letzte Mal gesagt habe, hielt sie entgegen, dass es diesmal sicher so sei. Sie führte aus, dass sie selbst sicherlich die Aktie nicht unter einem Kurs von 10 EUR verkaufen würde. Die Aktien seien unterbewertet und der Kurs entspreche nicht dem inneren Wert der Aktie. Der Kläger fand diese Argumente überzeugend und verkaufte daher seine Aktien nicht. Ihm war bewusst, dass grundsätzlich ein weiteres Ansteigen der Verluste möglich war. Hätte die Beraterin bei diesem Gespräch am 12. 12. 2007 gesagt, dass sie ihm in der konkreten Situation keinen Rat bzw keine Empfehlung geben könne oder hätte sie sich passiv verhalten, hätte der Kläger seine Aktien verkauft. Er hätte sie auch dann verkauft, wenn ihm die Beraterin gesagt hätte, dass die beklagte Partei bzw ihre Tochtergesellschaften Aktien der I***** AG und der I*****e***** AG im Gesamtausmaß von rund 1 Mrd EUR aufgekauft hatten. Der Kurswert der I*****‑Aktie zum 12. 12. 2007 betrug 7,08 EUR pro Stück, jener der I*****e*****‑Aktie 7,60 EUR pro Stück.

Hätte der Kläger am 12. 12. 2007 sämtliche von ihm gehaltenen I*****‑ und I*****e*****‑Aktien verkauft, so hätte er den gesamten Verkaufserlös vorerst auf ein Sparbuch gelegt. Er hätte ihn jedoch nur kurzfristig dort belassen. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Veranlagung der Kläger mit dem Verkaufserlös in der Folge vorgenommen hätte. In zeitlicher Nähe zu Dezember 2007 investierte er beispielsweise 200.000 EUR in Goldminen‑Aktien und 100.000 EUR in Inflationsschutz‑Aktien, wobei erstere einen Gewinn und letztere einen Verlust abwarfen. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung hielt er 112.206,50 Stück I*****‑Aktien (nach Umtausch der I*****e*****‑Aktien in I*****‑Aktien), wobei der Kurswert 2,288 EUR betrug.

Die Kundenberaterin wusste im Dezember 2007 nichts darüber, dass die beklagte Partei bzw ihre Tochtergesellschaften im großen Umfang Aktien der I***** AG und der I*****e***** AG aufgekauft hatten.

Dr. Karl A***** war von 1999 bis 2009 Mitglied des Vorstands der beklagten Partei mit der Zuständigkeit für die Bereiche Organisation, Abwicklung, Zahlungsverkehr, Vermögensverwaltung etc. Er hatte weder bei der I***** AG noch bei der I*****e***** AG eine Position inne. Der Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei war hingegen sowohl Mitglied des Vorstands der beklagten Partei als auch der I*****e***** AG und der I***** AG.

Ende August bzw Anfang September 2007 erfuhr Dr. A*****, dass Tochterfirmen der beklagten Partei I*****‑ und I*****e*****‑Aktien im Volumen von rund einer Milliarde EUR hielten. Der Nebenintervenient bestätigte dies und meinte, es handle sich um eine gute Veranlagung, weil die Aktien viel zu tief bewertet seien. Dr. A***** war wegen dieser Information „sehr unwohl“. Er informierte das weitere Vorstandsmitglied und auch die Mitglieder des Aufsichtsrats, weil er befürchtete, dass sich aus den großen Aktienbeständen ein rechnerischer Verlust im Zusammenhang mit der Kursentwicklung ergeben könne, der für die beklagte Partei im Hinblick auf ihre Eigenkapitalausstattung und Großveranlagungsgrenze von etwa 30 bis 40 Mio EUR existenzbedrohend werden könnte. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der beklagten Partei entwickelten in der Folge einen Plan, die I*****‑ und I*****e*****‑Aktien an einen oder mehrere strategische Investoren weiterzuverkaufen bzw fassten einen Verkauf der beklagten Partei ins Auge. Dr. A***** war im Herbst 2007 aus Mitteilungen des Nebenintervenienten auch bekannt, dass der Ankauf der I*****- und I*****e*****-Aktien von der I*****e***** AG kreditfinanziert worden war. Nach Ansicht des Nebenintervenienten handelte es sich um werthaltige Forderungen. Dr. A***** sah im Umstand, dass die I*****e***** AG den Ankauf der Aktien finanziert hatte, eine schlechte Optik ohne Einfluss auf den Kursverlauf der Aktien.

Gemäß der Compliance‑Richtlinie der I***** AG und der I*****e***** AG per 2005 bestand für die beiden Unternehmen ein einziger Vertraulichkeitsbereich, dem neben dem Vorstand der beiden Gesellschaften auch weitere, in einer gesonderten Anlage genannte Personen angehörten. In dieser scheinen weder Dr. A***** noch die Kundenberaterin des Klägers auf. Nach dieser Richtlinie ist die Weitergabe von Insiderinformationen an unternehmensfremde Personen nur zulässig, wenn es zu Unternehmenszwecken notwendig ist, die Weitergabe auf den unbedingt erforderlichen Umfang beschränkt wird und die unternehmensfremde Person sich verpflichtet, die Insiderinformation geheim zu halten und ausschließlich zweckentsprechend zu verwenden.

Der Kläger begehrt

1. 773.961,52 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. 12. 2007 Zug um Zug gegen die Rückgabe der 112.206,50 Stück I*****‑Aktien, eventualiter

2. die Zahlung von 517.233,05 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. 12. 2007 sowie weiters eventualiter

3. die Feststellung, dass die beklagte Partei ihm für zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden im Zusammenhang mit der Falschberatung, insbesondere beim Gespräch am 12. 12. 2007, hafte.

Er habe durch die schuldhaft fehlerhafte Beratung am 12. 12. 2007 einen Vermögensschaden erlitten. Der Umstand, dass es sich beim gesunkenen Aktienkurs nicht um eine vorübergehende Marktdelle, sondern um einen Dauerzustand handle, sei im Herbst 2007 dem Vorstand der beklagten Partei bekannt gewesen. Er hätte den einzelnen Mitarbeitern entsprechende Anweisungen erteilen müssen und habe dies bewusst unterlassen und durch seine Beteiligung an den Aktien der I***** AG und der I*****e***** AG Kursmanipulationen herbeigeführt. Etwa ab August 2007 sei der gesamte Vorstand der beklagten Partei in den groß angelegten Anlegerbetrug verwickelt gewesen. Der Kursverlust der Aktien sei verharmlosend dargestellt worden und der Kurs mit betrügerischen Transaktionen und riskanten Anhäufungen von Aktien bei der beklagten Partei gestützt worden. Der Kläger begehre vorrangig Naturalrestitution. Er sei so zu stellen, wie er ohne die fehlerhafte Anlageberatung stünde. Wäre er richtig beraten worden, hätte er die Aktien sofort verkauft und das Geld auf ein Sparbuch gelegt.

Es treffe ihn kein Mitverschulden, weil es sich bei den Aktienkäufen ausschließlich um eine private Veranlagung und bei ihm um einen unerfahrenen Anleger gehandelt habe. Die Kundenberaterin habe entweder die Insiderinformation weitergeben oder zumindest offen legen müssen, dass ein Interessenskonflikt bestehe bzw sich passiv verhalten müssen und dem Kläger nicht zum Behalten der Aktien raten dürfen. Außerdem sei kein Kundenprofil erstellt worden.

Sollte der Anspruch auf Naturalrestitution verneint werden, begehre er in eventu den Zuspruch der Differenz zwischen dem Wert der Aktien am 12. 12. 2007 und dem Tag des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung sowie weiters in eventu die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für zukünftige Schäden.

Die beklagte Partei bestritt die Kursmanipulationen. Ein Kundenprofil sei im Jahr 2000 erstellt worden. Der Vorstand der beklagten Partei habe im Herbst 2007 das behauptete Wissen nicht gehabt. Sensible Informationen aus dem Vertraulichkeitsbereich könnten an unternehmensfremde Personen grundsätzlich nicht weitergegeben werden. Es handle sich dabei um Insiderinformationen. Den Kläger treffe auch ein Mitverschulden als erfahrenen Investor. Er sei verpflichtet gewesen, die Papiere zu verkaufen. Die Kurse der I*****‑ und I*****e*****‑Aktien hätten sich im Wesentlichen gleich verhalten wie die Kurse anderer österreichischer Immobilienaktien. Das Halten von Aktien bei der beklagten Partei bzw ihren Tochtergesellschaften weise keine Kursrelevanz auf. Eine Mitteilung darüber hätte gegen das Bankgeheimnis verstoßen. Es habe keine Aufklärungspflicht über das Naheverhältnis zwischen der beklagten Partei und der I*****e***** AG bzw I***** AG bestanden.

Der Nebenintervenient (Vorstandsmitglied der beklagten Partei) brachte zusätzlich vor, dass im Herbst 2007 alle Analysten trotz sinkender Kurse den Kauf von I*****‑ und I*****e*****‑Aktien empfohlen hätten. Angebliche Malversationen seien nicht kausal für den Absturz der Aktien gewesen. Selbst wenn die beklagte Partei im Sinne der Ausführungen des Klägers ihre Kunden umfassend aufgeklärt hätte, hätte bereits dies zu massivem Kursverfall geführt, sodass der Kläger auch in diesem Fall nur mehr die Möglichkeit gehabt hätte, seine Aktien zu einem stark reduzierten Kurs zu verkaufen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren ab und gab dem Feststellungsbegehren statt.

Angesichts der schwer abschätzbaren Kursentwicklung hätte dem Kläger nicht eindeutig vom Verkauf der Papiere abgeraten werden dürfen. Auf die Insiderinformation komme es in diesem Zusammenhang nicht mehr an. Ein Mitverschulden des Klägers sei zu verneinen. Die Naturalrestitution im Sinne einer Wiederherstellung des zuvor bestehenden Zustands sei im vorliegenden Fall nicht möglich, weil das schädigende Ereignis nicht zu einem Eingriff in die bestehende Vermögensanlage des Klägers, sondern zur Unterlassung deren Veränderung geführt habe. Eine Schadenersatzleistung Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere würde daher nicht zur Wiederherstellung eines vorbestehenden Zustands, sondern lediglich zum Erreichen eines erwünschten, aber nie real vorhandenen Zustands führen. Damit würden die Grenzen der Naturalrestitution überschritten. Die schadenersatzrechtliche Rückabwicklung im Sinne des Eventualbegehrens sei abzuweisen, weil der Schaden mangels Verkaufs der Wertpapiere bisher nicht beziffert werden könne. Es sei daher dem Feststellungsbegehren stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem Hauptbegehren (Zug‑um‑Zug‑Begehren) statt.

Das dringende Abraten vom sofortigen Verkauf im Dezember 2007 sei haftungsbegründend. Im Übrigen schließe sich das Berufungsgericht der Entscheidung 8 Ob 129/10v an, wonach der Anleger deshalb geschädigt sei, weil er aufgrund eines schuldhaft gegebenen falschen Rates den beabsichtigten Verkauf nicht durchgeführt habe. Ihm stehe daher ein Anspruch auf Naturalrestitution zu. In 1 Ob 251/11k habe der Oberste Gerichtshof zwar teilweise, nämlich zur Frage des Wahlrechts des Geschädigten zwischen Leistungsklage und Feststellungsklage, eine andere Ansicht vertreten. Darauf komme es hier aber nicht an, weil der Kläger sein Wahlrecht zu Gunsten des Naturalrestitutionsanspruchs ausgeübt habe.

Die Revision sei nicht zuzulassen, weil es sich um eine Einzelfallsentscheidung handle und der Oberste Gerichtshof bereits in einem gleichartigen Fall zu 4 Ob 19/12s die außerordentliche Revision zurückgewiesen habe.

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig , weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Relevanz der Alternativveranlagung nicht berücksichtigt hat. Sie ist deshalb auch berechtigt im Sinne des Eventualbegehrens auf Aufhebung.

I. Revisionsvorbringen:

Die beklagte Partei weist zusammengefasst vor allem darauf hin, dass der Sachverhalt in der vom Berufungsgericht herangezogenen E 4 Ob 19/12s im Gegensatz zum vorliegenden keinen Hinweis für eine Wiederveranlagung geboten habe. Hier sei es daher unerlässlich die Alternativveranlagung miteinzubeziehen und als untrennbaren Bestandteil des Anlegerschadens anzusehen. Die Fälle, in denen der Anleger durch ein Fehlverhalten des Beraters nicht verkauft habe, seien insofern mit jenen, in denen der Anleger aufgrund eines Fehlverhaltens des Beraters in ein unpassendes Produkt investiert habe, gleich zu behandeln. Ausschlaggebend sei in beiden Fällen die Ermittlung des hypothetischen heutigen tatsächlichen Vermögenswerts der Anlage. Ob der Kläger in diesem Zusammenhang bei der beklagten Partei oder bei einem anderen Kreditinstitut weiter veranlagt hätte, könne keinen Unterschied machen.

Überdies sei dem Kläger ein Mitverschulden anzulasten und stünden selbst bei Zurechtbestehen des Hauptanspruchs die gesetzlichen (Verzugs‑)Zinsen erst ab Fälligkeit des Zahlungsbegehrens, hier ab Zustellung der Klage, zu.

II. Revisionsbeantwortung:

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Das Berufungsgericht habe die Frage der allfälligen Alternativveranlagung zu Recht nicht berücksichtigt. Die Frage des hypothetischen Alternativverhaltens sei allein jene, ob der Anleger bei ordnungsgemäßer Beratung verkauft hätte oder nicht. In 4 Ob 19/12s habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass die Frage des hypothetischen Verhaltens des Anlegers bei Vorliegen der Entscheidungsalternativen auf den Zeitpunkt der Anlageentscheidung zu beziehen sei. Bei Sachverhaltskonstellationen in denen der Anleger einen Verkauf unterlasse, entstehe der Schaden des Anlegers schon durch den unterbliebenen Verkauf der Anlage, womit eine weitere Entwicklung nicht zu berücksichtigen sei. Unter Bezugnahme auf 4 Ob 67/12z meint der Kläger, dass der Oberste Gerichtshof die Behauptungs‑ und Beweislast des Anlegers verneine. Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Alternativveranlagung bei Ankauf einer unerwünschten Anlage sei nicht auf Fälle der Beratung zum Halten auszudehnen. Nach dem vorliegenden Sachverhalt habe der Kläger bei der Besprechung über seinen Veräußerungswunsch am 12. 12. 2007 gerade noch keinen vorgefassten Anlageentschluss gehabt, habe er doch nach den Feststellungen den gesamten Verkaufserlös zuerst für kurze Zeit auf ein Sparbuch legen wollen.

Den Zinsenzuspruch habe die beklagte Partei in der Berufung nicht gerügt, ein Nachholen in der Revision sei nicht mehr möglich.

Rechtliche Beurteilung

III. Hiezu wurde erwogen:

Der Kläger leitet hier seine Ansprüche aus der Tatsache ab, dass ihm vom Verkauf der ursprünglich erwünscht erworbenen Aktien abgeraten wurde. Solche „Verkaufsfälle“ sind in der mittlerweile umfangreichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Haftung der Anlageberater (vgl RIS‑Justiz RS0120784 sowie RS0108267), die in erster Linie die Haftung für den Erwerb nicht gewollter, insbesondere nicht dem gewollten Risikoprofil entsprechender Papiere betreffen, selten:

III.1. In 4 Ob 28/10m sprach der Oberste Gerichtshof in einem derartigen „Verkaufsfall“ aus, dass der Schädiger den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen habe, wie er ohne das schuldhafte Verhalten gestellt wäre. Der Anlageberater hafte nicht für das positive Vertragsinteresse, sondern müsse den Anleger nur so stellen, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte, ihn also richtig aufgeklärt hätte. Die beklagte Partei habe dem Kläger daher jenen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Unterlassung des Verkaufs der Immobilienaktien entstanden sei. Dabei sei aber die Feststellung zu berücksichtigen, dass der Kläger die Veranlagung der beklagten Partei überlassen hätte. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Immobilienaktien verkauft und den Verkaufserlös als Bargeld gehalten hätte, sondern sei der Schadensberechnung zu Grunde zu legen, dass die beklagte Partei den Verkaufserlös für den Kläger wieder in vereinbarte Anlageziele veranlagt hätte. Es sei daher festzustellen, welche Wertpapiere im Fall der Wiederveranlagung gekauft worden wären und deren Wertentwicklung der Schadensberechnung zu Grunde zu legen. Es sei zwar zutreffend, dass noch nicht feststehe, ob die Immobilienaktien im Sinn des klägerischen Vorbringens bereits endgültig als wertlos zu betrachten seien, weil die Aktie nicht mehr an der Börse gehandelt werde, allerdings habe der Kläger ausdrücklich die Rückgabe der Immobilienaktien Zug um Zug gegen „Schadenersatz“ angeboten.

III.2. Auch in 6 Ob 91/10s war den Klägern vom Verkauf einer Immobilienaktie abgeraten worden. Unter Verweis auf 4 Ob 28/10m wurde ausgesprochen, der Beklagten sei ein grob schuldhafter Beratungsfehler unterlaufen, der dazu geführt habe, dass die Kläger vom Verkauf der Aktien Abstand genommen hätten. Im Zusammenhang mit dieser punktuellen Anlageberatung durch den Vermögensverwalter komme es für die Schadensermittlung nicht auf die Entwicklung des gesamten von ihm verwalteten Portfolios an. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, wie sich die Kläger bei richtiger Auskunft verhalten hätten. Bei fehlerhafter Beratung sei der Anleger so zu stellen, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte, ihn also richtig aufgeklärt hätte. Der Schaden sei nach der Differenzrechnung zu ermitteln. Die Kläger würden die Beklagte nicht auf Verschaffung der Alternativanlage in Natura in Anspruch nehmen, sondern begehrten den Ersatz des Werts der hypothetischen Alternativanlage (Geldersatz zur Naturalherstellung). Deren Wertentwicklung sei der Schadensberechnung zu Grunde zu legen und zwar auch dann, wenn die Alternativanlage ebenfalls an Wert verloren hätte. Den sich so ergebenden Wert der hypothetischen Alternativanlage (Kurs der Alternativanlage im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ‑ vgl auch 6 Ob 231/10d) habe der Schädiger dem Anleger Zug zum Zug gegen die Übergabe der nicht gewollten Wertpapiere zu ersetzen. Dass die Kläger die Aktien nicht behalten, sondern der Beklagten übergeben wollten, hätten sie vorgebracht. Es sei daher im Gegensatz zu 8 Ob 123/05d insoweit eine Leistungsklage bereits möglich. Dass die Aktien noch nicht veräußert worden seien, stehe der Leistungsklage nicht entgegen, wenn sie herauszugeben seien und ihr Wert bei der Schadensberechnung nicht als Minuend des Werts der hypothetischen Alternativanlage anzusetzen sei.

III.3. Auch 8 Ob 129/10v betraf einen „Verkaufsfall“. In Fällen, in denen der Anleger durch fehlerhafte Beratung vom geplanten Verkauf von Wertpapieren abgehalten worden sei, habe ihn der Berater so zu stellen, wie er ohne dessen schuldhaftes Verhalten gestellt wäre, wenn der Berater also pflichtgemäß gehandelt hätte. Der Geschädigte könne die Zahlung des Verkaufspreises begehren, den er bei richtiger Beratung erzielt hätte, müsse aber ‑ wenn die Wertpapiere nicht verkauft seien ‑ zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung im Gegenzug die von ihm gehaltenen Wertpapiere an den Berater herausgeben. Da dem Anleger die Möglichkeit der Leistungsklage („Naturalrestitution“ durch Zahlung gegen Übertragung des Finanzprodukts) offen stehe, sei das rechtliche Interesse an einem Feststellungsurteil zu verneinen, weshalb das allein noch offene Feststellungsbegehren abgewiesen wurde.

III.4. Die vom Berufungsgericht und in der Revision erwähnte Entscheidung 4 Ob 19/12s hatte ebenfalls einen „Verkaufsfall“ zum Gegenstand, in dem der Kläger Geldersatz nach Verkauf der Papiere begehrte. Dass für die Höhe des Schadenersatzes der Veräußerungserlös und der Kurs einer Alternativanlage entscheidend seien, treffe nur unter der Voraussetzung zu, dass der Kläger bei korrekter Beratung überhaupt veranlagt hätte.

III.5. Zuletzt betraf 3 Ob 220/12t einen Fall des Abratens vom Verkauf von Wertpapieren, wobei die Klägerin dort beabsichtigte, mit dem Erlös ein Lombarddarlehen zu tilgen. Die Klägerin habe die Beklagte sowohl wegen unterlassener Aufklärung als auch wegen Erteilung eines unzutreffenden Rats zum Behalten der Aktien in Anspruch genommen, also wegen unabhängig voneinander zu beurteilender Unterlassung und Handlung. Der Rat zum Behalten der Aktien sei von vornherein (unabhängig von sonstigen Vorgängen) fehlerhaft gewesen, weshalb der von der Beklagten vertretenen Ansicht, Befürchtungen eines Vorstands der Beklagten wären keine ausreichende Grundlage für den Widerruf der Behalteempfehlung, keine Relevanz zukomme. Von der Beklagten werde auch nicht die Information über unternehmensinterne Vorgänge oder ein Verstoß gegen die Weitergabe von Insiderinformationen verlangt, sondern nur die Zurücknahme eines unzutreffenden Ratschlags. Durch die Behalteempfehlung sei die Klägerin vom beabsichtigten Verkauf der Aktien auch noch im Oktober 2007 abgehalten worden. Die Rechtswidrigkeit zwischen der mangelhaften Beratung der Beklagten und dem Kursschaden der Klägerin, den sie mit dem beabsichtigten Verkauf für die Beklagte erkennbar vermeiden habe wollen, sei zu bejahen, selbst wenn dieser, wie die Beklagte argumentiere, nur und unabhängig von den beanstandeten Vorgängen auf das allgemeine Kursrisiko von Aktien zurückzuführen sein sollte. Das Fehlverhalten der Beklagten liege darin, die Klägerin von der Verkaufsabsicht rechtswidrig abgehalten zu haben. Die Klägerin mache nicht ausschließlich einen „besonderen Kursverlust“, der im Zusammenhang mit den Vorgängen bei der Beklagten entstanden sei, geltend. Vielmehr wolle sie jenen Schaden ersetzt haben, der durch die unterlassene Information und die Behalteempfehlung eingetreten sei. Abgesehen davon habe die Fehlberatung in Form eines wegen besonderer Umstände unzutreffenden Rats, den gewünschten Aktienverkauf nicht vorzunehmen, auch die Gefahr massiv erhöht, in der Folge Verluste aufgrund des allgemeinen Marktrisikos zu erleiden. Wenn aber bezüglich eines bestimmten Risikos zwar keine Aufklärungspflicht bestehe (hier allgemeines Marktrisiko bei Aktien), die Verletzung anderer Beraterpflichten aber dazu führe, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieses (letztlich eingetretenen) Risikos bei objektiver Betrachtung nicht bloß unerheblich erhöhe, sei anzunehmen, dass sich der Schutzzweck der verletzten Informationspflicht auch auf diese wahrscheinlicher gewordenen Folgerisken beziehe (vgl RIS‑Justiz RS0127012). Zur Relevanz der hypothetischen Alternativanlage wurde bekräftigt, dass es, wenn der Anleger die bestehende Anlage veräußere und nicht sogleich wieder veranlagen wolle, auf eine hypothetische Alternativveranlagung mangels vorgefassten Anlageentschlusses nicht ankomme.

III.6. Allgemein wurde bereits in 7 Ob 77/10i dargelegt, dass als „Naturalrestitution“ nur dann der gesamte Kaufpreis zurückzuerstatten sei, wenn der Kläger „ausnahmsweise“ bei korrekter Information keine Wertpapiere erworben, sondern das Geld etwa auf ein Sparbuch gelegt und daher jedenfalls keine Kursverluste erlitten hätte. Im Zuge der Kausalitätsprüfung sei zu klären, wie der ordnungsgemäß informierte Anleger disponiert und wie sich seine Anlage entwickelt hätte, wobei die Behauptungs‑ und Beweislast grundsätzlich den Kläger treffe.

III.7. Auch die Entscheidung 6 Ob 231/10d teilte die Beweislast dem Geschädigten zu. Lediglich die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung seien in diesem Zusammenhang geringer.

III.8. In mehreren Entscheidungen konnte die Frage der Beweislast zur hypothetischen Alternativanlage offen gelassen werden, weil dazu entweder festgestellt oder offenkundig war, dass der jeweilige Kläger den strittigen Betrag wenn überhaupt, dann in einer kapitalerhaltenden Weise angelegt hätte (4 Ob 62/11p; 4 Ob 70/11i; 1 Ob 208/11m; 8 Ob 129/10v). Auf die Entwicklung einer Alternativanlage kam es in diesen Fällen nicht an.

III.9. Zum realen Schaden, der durch Naturalrestitution rückgängig zu machen sei, legt 4 Ob 67/12z dar, dass sich die Rechtsprechung an Sachverhalten entwickelt habe, in denen der Anleger bei richtiger Beratung eine risikolose Anlage gewählt hätte. Dort sei das unproblematisch, weil der Anleger auch im hypothetischen Szenario zumindest das eingesetzte Kapital behalten hätte. Treffe dies nicht zu, sei es eine Wertungsfrage, ob der Erwerb von Papieren mit einem vom Anleger nicht gewünschten Risikoprofil isoliert betrachtet werden könne oder die Alternativanlage einzubeziehen sei. Bei vorgefasstem Anlageentschluss ziehe der Senat das umfassende Verständnis (schon) des realen Schadens vor, in den die Alternativanlage bereits einzubeziehen sei. Auf dieser Grundlage könne der Anspruch auf Naturalrestitution nur auf das Zurverfügungstellen jener Papiere bzw Vermittlung jener Anlagen gerichtet sein, die der Anleger bei richtiger Beratung erworben hätte, auch wenn damit die Naturalrestitution schwieriger werde. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer aus anderen Gründen mangelhaften Beratung sei in Fällen, in denen sich ein Anlagerisiko verwirkliche, von dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste, dennoch zu bejahen, wenn diese Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöhte.

Den Anleger treffe zwar die Beweislast für die Alternativveranlagung, dabei sei aber das Beweismaß reduziert.

IV. Aus der umfangreichen Literatur seien folgende Ansichten herausgegriffen:

IV.1. Graf , OGH: Erfüllungsinteresse statt Vertrauensschaden bei fehlerhafter Anlageberatung! Und: Was muss der Anleger beweisen, um zu Schadenersatz zu kommen?, ecolex 2012, 1055, verweist auf die Neudefinition des Begriffs des realen Schadens, in den bereits die Alternativanlage miteinbezogen werde und stimmt dieser Sichtweise auch unter Hinweis der Vorgaben des § 44 WAG 2007 zu. In Bezug auf die Ausführungen zur Beweislast meint er, dass in Situationen, in denen keine eindeutige alternative, vom Anlageberater zu empfehlende Veranlagung vorhanden gewesen sei, sondern mehrere in Frage gekommen seien, festgestellt werden müsse, für welche Anlageart sich der Geschädigte entschieden hätte. Maßgebend seien in weiterer Folge die typischen, etwa durch Indizes belegten, Entwicklungen solcher Anlagen (der „gewöhnliche Lauf der Dinge“ iSv § 1293 ABGB). Mögliche „Ausreißer nach oben oder unten“ etwa durch Verwirklichung eines atypischen Risikos wie Insolvenz oder Veruntreuung, wären unbeachtlich und gegebenenfalls sei auf § 273 ZPO zurückzugreifen. In einem zweistufigen Modell sei im Sinne der Entscheidung zu prüfen, für welche Anlageart sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte und welche Anlageart der Anlageberater empfehlen hätte müssen, um seine vertragliche Verpflichtung korrekt zu erfüllen. In diesem Zusammenhang treffe den Anleger die Beweislast. In einem zweiten Schritt sei ‑ wenn die betreffende Anlagegattung mehrere Spezies umfasse ‑ die typische Wertentwicklung zu eruieren und der Schadensberechnung zu Grunde zu legen.

IV.2. Trenker , Die hypothetische Alternativveranlagung, ÖJZ 2013/2, befürwortet ebenfalls, den auszugleichenden Schaden in der ungewollten Vermögenszusammensetzung zu sehen und eine typischerweise getätigte Alternativdisposition zu berücksichtigen. Dieser Nachweis obliege systemkonform dem Anleger. Für eine gesonderte Berücksichtigung hypothetischer Kausalität, rechtmäßigen Alternativverhaltens und anzurechnender Vorteile bleibe kein Anwendungsbereich mehr. Es bestehe kein Grund, dem Anleger ein Wahlrecht in der Form zu verwehren, Zug um Zug gegen Rückgabe der fehlerhaften Papiere anstatt der Alternativveranlagung in Natura deren Kurswert in Geld zu verlangen. Das entspreche der allgemeinen herrschenden Meinung, dass der Geschädigte auch bei der Naturalrestitution jenen Geldbetrag fordern könne, der zur Wiederherstellung des vorigen Zustands notwendig ist, und zwar auch im Vorhinein, also als „fiktive Wiederherstellungskosten“. Diese Möglichkeit sei bereits im Zusammenhang mit einem Vermögensverwaltungsvertrag anerkannt worden (6 Ob 91/10s). Ein derartiges Wahlrecht sei unerlässlich, wenn der Anleger im Sinn der ‑ zu begrüßenden ‑ Beweiserleichterungen nur anhand von Indizes Durchschnittsentwicklungen vergleichbarer Anlageprodukte nachweisen könne, nicht dagegen, welche Anlage er konkret erworben hätte. In diesem Fall könne das Klagebegehren praktisch nur auf Geldersatz gerichtet sein.

IV.3. Dullinger hat in ihrer Glosse zu 4 Ob 67/12z in JBl 2012, 788 [793 ff] den vom 4. Senat gewählten Ansatz des realen Schadens als mit der herkömmlichen Definition des Schadensbegriffs nicht in Einklang stehend kritisiert. Eine hypothetische Alternativursache habe bislang bei Ermittlung des tatsächlich eingetretenen realen Schadens keine Rolle gespielt. Dem geschädigten Kläger sei die Beweislast dafür auferlegt worden, dass er durch die hypothetische Alternativveranlagung nicht ebenfalls Verluste erlitten hätte. Die Thematik sei auf der Kausalitätsebene behandelt worden. Auch bei der Verursachungsprüfung sei im Sinne der herrschenden Äquivalenztheorie aber nur festzustellen, ob das Verhalten des Beklagten „conditio sine qua non“ für den tatsächlich eingetretenen Schaden sei. In beiden Fällen gehe es nicht um die Frage, ob derselbe oder ein ähnlicher Nachteil durch eine bloß hypothetische Alternativursache ebenfalls herbeigeführt worden wäre. Es treffe den Schädiger die Beweislast für den Eintritt des hypothetischen Schadenereignisses wie bei sonstigen Fällen hypothetischer Kausalität. Von diesen anerkannten haftungsrechtlichen Grundsätzen für den Einwand hypothetischer Alternativanlage abzugehen, bestehe kein Grund.

IV.4. Weitere Lehrmeinungen insbesondere zur Beweislastfrage stammen von Koziol, FS Picker, 542; Graf, ecolex 2011, 391, 393 f; Riedler , Anlegerschäden, ÖJZ 2013/90, 819 f mwN; Dullinger, Aktuelle Fragen der Haftung wegen Beratungsfehlern bei der Vermögensanlage, JBl 2011, 693 f; P. Bydlinski , Anlageberaterhaftung: Beweislast, Beweismaß, Beweiswürdigung und non liquet hinsichtlich Schaden (Höhe) und Kausalität, ÖBA 2012, 804; Kodek , Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 23.

IV.5. Zur oben erwähnten Kritik Dullingers ist auf M. Bydlinski , Zum Schadenersatz bei volatilen Vermögenswerten, JBl 2011, 681 [682] und G. Kodek , Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11 [14] zu verweisen: Die Ursache dafür, dass man hier mit den üblichen und bewährten Instrumenten des Schadenersatzrechts vielfach nicht das Auslangen findet, liegt in der Volatilität der erworbenen Vermögenswerte. Die immanenten Kursschwankungen rechtfertigen es, von der gewünschten objektiv‑abstrakten Berechnung des Schadens auf Basis des gemeinen Wertes abzugehen und einer subjektiv‑konkreten Schadensberechnung den Vorzug zu geben, wie sie auch in „Ankaufsfällen“ vertreten wird.

V. Der Senat ist daher der Auffassung, dass „Naturalrestitution“ in Form von Geldersatz gegen Rückgabe des Finanzprodukts auch in Fällen, in denen vom Verkauf einer gehaltenen Anlage fälschlicherweise abgeraten wurde, grundsätzlich zulässig ist und dann, wenn von einer Wiederveranlagung des Erlöses auszugehen ist, auch die Entwicklung der alternativen Veranlagung zu berücksichtigen ist.

Die sich aus der Volatilität des Finanzprodukts ergebenden Wertveränderungen stellen keinen ‑ drittverursachten ‑ Schaden dar. Jene Teile der Wertveränderung des Anlageprodukts, die ihm immanent sind, also zugunsten größerer Ertragschancen bereits beim Ankauf in Kauf genommen werden, sind daher von jenen Wertveränderungen abzugrenzen, die sich aus der fehlerhaften Beratung ergeben haben. Nur letztere sind ersatzfähiger realer Schaden.

V.1. Hier hat die Beraterin der beklagten Partei den Kläger im Dezember 2007 dahingehend beraten, dass es sich bei den Kursverlusten „mit Sicherheit“ nur um eine vorübergehende Kursschwankung handle und dass dies „diesmal sicher so wäre“ etc. Im Hinblick auf die vom Erstgericht festgestellte tatsächliche Situation ist daher von einer Fehlberatung auszugehen. Dem insoweit kursorischen Vorbringen in der Revision zur mangelnden Fehlberatung, aber auch den allgemeinen Zitaten zum angeblich fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang kann daher in concreto nicht gefolgt werden.

V.2. Nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichts hätte der Kläger, hätte er seine Aktien am 12. 12. 2007 verkauft, den Verkaufserlös nur kurzfristig auf einem Sparbuch „zwischengeparkt“. Das Erstgericht konnte aber nicht feststellen, welche Veranlagung der Kläger mit dem Verkaufserlös in der Folge vorgenommen hätte.

V.3. Bei einer Beweispflicht des Geschädigten für die im Falle richtiger Beratung gewählte Alternativveranlagung müsste dies zur Abweisung des Klagebegehrens mangels Nachweises der Höhe des Geldersatzes im Rahmen der Naturalrestitution führen.

V.4. Der erkennende Senat ist aber im Sinn der Erwägungen der Entscheidung 4 Ob 67/12z (und jüngst auch 7 Ob 221/13w) zum Beweismaß ebenfalls der Ansicht, dass eine abschließende Sachentscheidung hier nicht möglich ist, weil das Erstgericht offensichtlich von einem falschen Beweismaß ausgegangen ist, was zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile führt.

Es genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist. Dieses Kriterium liegt demnach unter jenem des Regelbeweismaßes der ZPO. Anleger haben daher nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl auch 6 Ob 231/10d, 6 Ob 8/11m und 7 Ob 77/10i) den Eintritt des Schadens nur „plausibel“ zu machen. Dem Berater steht dagegen der Nachweis offen, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei (vgl auch 10 Ob 61/11k).

Gerade in „Verkaufsfällen“, in denen aufgrund des erfolgreichen Abratens vom Verkauf der nicht mehr gewollten Papiere eine Beratung über alternative Anlagemöglichkeiten nicht stattgefunden hat, wird es dem Anleger besonders schwer fallen, eine konkrete Alternativveranlagung nachzuweisen. Insbesondere in solchen Fällen ist daher mit den Erwägungen der Entscheidung 4 Ob 67/12z davon auszugehen, dass es ausreicht, festzustellen, welche Anlagegattung der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gewählt hätte. Maßgebend können hier in weiterer Folge auch die typischen, etwa durch Indizes belegten Entwicklungen solcher Anlagen (der gewöhnliche Lauf der Dinge iSv § 1293 ABGB) sein.

V.5. Hier hat das Erstgericht bereits Feststellungen zu den Anlagewünschen des Klägers getroffen: So kam er bereits ursprünglich mit der Absicht zur beklagten Partei, Immobilienaktien zu kaufen und schlug das Anbot der Vermögensverwaltung mit der Begründung aus, er sei nur an Immobilienaktien interessiert. Auch änderten sich seine Anlageziele zwischen 2000 und 2007 nicht wesentlich. Da das Erstgericht weiters feststellen konnte, dass der Kläger in zeitlicher Nähe zu Dezember 2007 in Goldminen‑Aktien bzw Inflationsschutz‑Aktien investierte, bestehen schon jetzt Anhaltspunkte für die Anlageziele und das Anlageverhalten des Klägers.

VI. Zum Mitverschuldenseinwand:

Die Revisionswerberin meint unter Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 123/05d, dass ein Anleger seine Schadensminderungspflicht verletze, wenn er gegen Verkaufsobliegenheiten verstoße und die Wertpapiere trotz eines erkennbaren Wertverlusts behalte.

Gerade in dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof aber festgehalten, dass eine schuldhafte Verletzung der Verkaufs‑ oder Behalteobliegenheit des Anlegers nur in besonderen Fallkonstellationen zu bejahen sein werde.

Inwiefern dem Kläger hier ein Mitverschulden im Sinne der Revisionsausführungen anzulasten wäre, weil er gegen die gehaltenen Papiere bereits Bedenken hatte und diese sich innerhalb der letzten sechs Monate vor Dezember 2007 nicht erholt hatten, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Kläger gerade deshalb zwei Mal fachkundigen Rat bei der beklagten Partei eingeholt hat. Dass er sich von diesem Rat überzeugen ließ, begründet kein Mitverschulden.

Im Übrigen kann bei unrichtiger Anlageberatung nach der Judikatur ein Mitverschulden des Kunden dann in Betracht kommen, wenn der Kunde selbst auf dem Anlagesektor hervorragende Kenntnisse besitzt und ihm daher die Unrichtigkeit der Anlageberatung hätte auffallen müssen (RIS‑Justiz RS0102779). Dass das hier der Fall gewesen wäre, steht nicht fest.

VII. Zum Zinsenzuspruch:

Mag auch der Zinsenzuspruch im Berufungsverfahren nicht gerügt worden sein, tritt das Verfahren nunmehr auch insoweit in den Stand vor Schluss der Verhandlung erster Instanz zurück und wird in der Folge gegebenenfalls auch wieder über die Zinsen zu entscheiden sein. Es ist daher in diesem Verfahrensstadium nicht erforderlich auf die Zinsenfrage näher einzugehen.

VIII. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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