OGH 8Ob123/05d

OGH8Ob123/05d23.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf H*****, vertreten durch Dr. Arnulf Kracker‑Semler, Dr. Horst Kilzer, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei R*****reg. GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 35.869,92 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 14. Juli 2005, GZ 6 R 79/05t‑54, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 14. Februar 2005, GZ 5 Cg 21/03g‑44, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.754,82 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 292,47 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stand seit vielen Jahren in Geschäftsbeziehung zur Beklagten. In der zweiten Hälfte der 90er‑Jahre des vorigen Jahrhunderts verfügte er über relativ hohes Eigenkapital. Neben einem Girokonto unterhielt er bei der Beklagten ein Sparkonto. Er hatte überdies mit der Beklagten einen Bausparvertrag sowie einen Lebensversicherungsvertrag geschlossen.

Nach Beratungsgesprächen im Jahr 1997, in deren Zug die Beklagte auch ein schriftliches Kundenprofil des Klägers erstellte, investierte der Kläger erstmals in Aktienfondsanteile. Er erwarb um 5.813,83 EUR 45 Anteile à 130 EUR am R*****‑Aktienfonds. Der Aktienkurs schwankte in der Folge erheblich, nämlich jeweils deutlich mehr als 5 bis 10 % sowohl nach oben als auch nach unten. Als der Kläger diese Fondsanteile im Juli 1999 um 7.225,84 EUR verkaufte, verzeichnete er einen deutlichen Gewinn.

In der Folge veranlagte der Kläger zwischen Oktober 1999 und 20. 10. 2000 nach Beratung und über Empfehlung der Beklagten insgesamt 55.765 EUR überwiegend in Aktienfonds. Insbesondere drei jener Aktienfonds von „Fremdanbietern", also nicht der Gruppe der Beklagten angehörenden Fonds, waren mit einem hohen Risiko behaftet.

Die Beklagte belehrte den Kläger nicht ausdrücklich, dass er einzelne Fondsanteile abstoßen könne oder solle. Der Kläger behielt bis zuletzt alle seine unter einem Depot liegenden Wertpapiere.

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz entsprach der Kurswert sämtlicher vom Kläger gehaltener Aktienfondsanteile einem Betrag von 24.498,47 EUR.

Hätte der Kläger ausschließlich in hauseigene Fonds der Beklagten investiert, wären seine Verluste bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz geringer ausgefallen. Die Verluste hätten nur 21,5 % betragen.

Die Kurse der Fonds, von denen der Kläger Anteile erwarb, entwickelten sich zunächst vor dem Ankauf des Klägers vor allem 1998/99 sehr positiv, in der Folge tendenziell eher negativ. Das gilt auch für den Kaufzeitraum. Danach verlief die Entwicklung positiv; in weiterer Folge abwechselnd negativ und positiv mit einem Überwiegen der negativen Entwicklung. Vor allem im September 2001 fielen die Kurse stark. Die Kursschwankungen in dieser Zeit lagen weit über dem Prozentsatz, den die Mitarbeiter der Beklagten nannten. Von diesen Mitarbeitern wurden Kursschwankungen in Höhe von lediglich 10 bis 20 % als möglich dargestellt.

Der Kläger vertraute den Mitarbeitern der Beklagten, die mitteilten, dass er mit höheren Kursverlusten als maximal 20 % nicht zu rechnen habe. Überdies war bei den Beratungsgesprächen von einer in Zukunft eintretenden Kurserholung die Rede.

Der Kläger begehrt 35.669,92 EUR an Schadenersatz. Er habe die Beklagte im Zuge der Beratungsgespräche wiederholt auf die ihm wichtigen Prämissen für die Auswahl der Veranlagungen hingewiesen: Der Kläger habe sich nur einen kurzfristigen Anlagehorizont von drei bis höchstens fünf Jahren setzen wollen. Er habe überdies betont, dass er sich als konservativen Anlegertyp sehe. Die tatsächlich von der Beklagten empfohlene Veranlagung weiche von diesen Prämissen des Klägers sowohl bezüglich des Veranlagungshorizonts als auch hinsichtlich des Veranlagungsrisikos ab: Die Gesamtzusammensetzung des dem Kläger empfohlenen Portfolios sei hoch riskant. Der Veranlagungszeitraum sei weit länger als vom Kläger beabsichtigt gewählt. Überdies habe die Beklagte im Zuge eingetretener Kursverluste dem Kläger den unrichtigen Rat gegeben, in den gegebenen Werten investiert zu bleiben. Bei sorgfaltsgemäßer Berücksichtigung der Veranlagungsprämissen des Klägers und unter Berücksichtigung des vom Kläger gewünschten Zeithorizontes wäre zu ca 60 % in festverzinsliche Wertpapiere und Anleihen zu veranlagen gewesen. Wäre der Kläger sachgerecht beraten worden, wäre ihm ein Verlust von maximal 15 % des Veranlagungsbetrages entstanden. Die Differenz zwischen dem Veranlagungsbetrag und den tatsächlichen Kurswerten zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ergebe daher den Schaden des Klägers. Davon werde ein Teilschaden in Höhe von 15 % nicht der Beklagten angelastet, weil dieser Schaden auch bei sachgerechter Beratung des Klägers hätte entstehen können.

Die Beklagte wendet ein, der Kläger sei ausreichend und richtig beraten worden. Die Risken der einzelnen in der Folge beauftragten Veranlagungen seien mit dem Kläger ausdrücklich erörtert worden. Die vom Kläger erlittenen Verluste seien nicht auf einen Beratungsfehler der Beklagten zurückzuführen, sondern ausschließlich auf den allgemeinen Kursverlust der vom Kläger angeschafften Wertpapiere. Dem Kläger sei auch niemals konkret zugesagt worden, dass Kursverluste über eine bestimmte Höhe nicht eintreten könnten. Es sei Wunsch des Klägers gewesen, trotz des Risikos Wertpapierveranlagungen zu tätigen, die höhere Gewinnchancen ermöglichten. Nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch biete die Beklagte überhaupt Veranlagungen in Fremdfonds an. Dabei sei auf das Risiko hingewiesen worden. Auch die vom Kläger erworbenen Fondsanteile hätten nach Ankauf Kursgewinne verzeichnet. Ein gewinnbringender Verkauf wäre dem Kläger in der Vergangenheit möglich gewesen. Jedenfalls sei das Klagebegehren deshalb unberechtigt, weil dem Kläger bisher kein Schaden entstanden sei. Er habe die Wertpapiere bis heute nicht verkauft. Ein allfälliger Verlust sei daher noch nicht realisiert worden. Überdies treffe den Kläger ein Mitverschulden. Er sei auf das hohe Risiko hingewiesen worden und hätte bereits aufgrund der 1997 getätigten Veranlagungen zumindest wissen müssen, dass Wertpapiergeschäfte risikoreich seien.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 20.844,35 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 15.025,57 EUR sA ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf das Erstgericht umfangreiche Sachverhaltsfeststellungen über die Gespräche, die der Kläger mit den Mitarbeitern der Beklagten führte, über den Umfang der Informationen, die die Beklagte dem Kläger erteilte, über die Risikoträchtigkeit der vom Kläger angeschafften Fondsanteile, über die Kursentwicklungen der Wertpapiere und über die wirtschaftlichen Absichten des Klägers. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung traf das Erstgericht die weitere Feststellung, dass sich der Kläger bei Bekanntgabe der Risken, die mit der empfohlenen Veranlagungsform verbunden waren, nicht zu diesen Veranlagungen entschlossen hätte, sondern Veranlagungsformen gewählt hätte, bei denen er nicht so hohe Verluste erlitten hätte.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass den Mitarbeitern der Beklagten Beratungsfehler vorzuwerfen seien. Die angebotenen Produkte hätten weder bezüglich des Veranlagungshorizontes noch hinsichtlich des Risikos den wirtschaftlichen Vorgaben des Klägers entsprochen. Auch der Kläger habe allerdings sorgfaltswidrig gehandelt. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sich anhand der übergebenen Informationsbroschüren ausreichend über die Risken zu informieren. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei eine Verschuldensteilung im Ausmaß 2 : 1 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen.

Die Gesamtveranlagungssumme habe 55.765 EUR betragen. Ausgehend von den Kursen der vom Kläger nach wie vor gehaltenen Wertpapiere zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergebe sich ein „Restwert" von 24.498,47 EUR. Der Schaden des Klägers betrage daher die Differenz, nämlich 31.266,53 EUR. Davon gebühre dem Kläger zwei Drittel.

Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Mehrbegehrens vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil in der Rechtsprechung nicht geklärt sei, ob die Einbringung einer Leistungsklage aus dem Titel des Schadenersatzes erfordere, dass der geschädigte Anleger bereits zuvor die Wertpapiere verkauft habe.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erachtete rechtlich, dass der Kläger nicht entgangenen Gewinn, sondern die Kursdifferenz der einzelnen Wertpapiere im Verhältnis zwischen Anschaffungstag und Schluss der mündlichen Streitverhandlung geltend mache. Der dem Kläger durch das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten entstandene Schaden sei bereits in dem Moment entstanden, als sich herausgestellt habe, dass die Kursschwankungen der erworbenen Wertpapiere unter dem zugesagten Limit gelegen seien. Da die Wertpapiere sich jedoch noch im Vermögen des Klägers befänden, sei die Höhe seines Schadens nicht bezifferbar. Das zeige sich schon daraus, dass nicht nur vor, sondern auch nach dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung nicht unbeträchtliche Kurssteigerungen eingetreten seien. Infolge dieser auch für die Zukunft nicht auszuschließenden Kursschwankungen sei somit lediglich ein Interesse des Klägers an einer Feststellungsklage wegen mangelnder Bezifferbarkeit des Schadens auch für den bis dahin bereits entstandenen Schaden zu bejahen. Erst ein Abstoßen der Wertpapiere könne zu einem jetzt schon eingetretenen Schaden im Vermögen des Klägers führen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren geht es ausschließlich darum, ob dem Kläger bereits ein bezifferbarer und damit mit Geldleistungsklage geltend zu machender Schaden entstand.

Das ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zu verneinen:

Allgemein gilt, dass der Geschädigte bei pflichtwidriger Anlageberatung (zur Frage der Aufklärungspflicht von Kreditinstituten ihrem Kunden gegenüber RIS‑Justiz RS0029601; RS0026135; 4 Ob 516/93; 1 Ob 231/04h uva) verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig und vollständig beraten hätte. Er kann den Vertrauensschaden verlangen (8 Ob 259/98s; RdW 1998,13; Kalss, Die rechtliche Grundlage kapitalmarktbezogener Haftungsansprüche, ÖBA 2000, 641 [642 f]; Winternitz/Aigner, Die Haftung des Anlageberaters für fehlerhafte Beratung, 7 f; zur Haftung nach dem KMG siehe Welser, Prospektkontrolle und Prospekthaftung nach dem KMG, ecolex 1992, 301 [307] ).

Beim Vermögensschaden unterscheidet man einerseits den realen Schaden, der in der tatsächlichen negativen Veränderung der Vermögensgüter des Geschädigten liegt und auf dessen Ausgleich die Naturalherstellung (§ 1323 ABGB) ausgerichtet ist. Für diese ist eine in Geld messbare Vermögenseinbuße nicht entscheidend. Unter rechnerischem Schaden hingegen versteht man die in Geld messbare Verminderung des Vermögens oder eines Vermögensgutes des Geschädigten (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I³ Rz 217; 218). Der rechnerische Schaden wird stets durch eine Differenzberechnung ermittelt. Nach der Differenzmethode besteht das zu leistende Interesse (der rechnerische Schaden) in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne schädigendes Ereignis darstellen würde und dem nach dem schädigenden Ereignis nun tatsächlich vorhandenen Vermögensstand (4 Ob 516/93; Koziol aaO Rz 2/19 mwN). In der Entscheidung 7 Ob 253/97z = ÖBA 1999/787 [Kletecka] hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls im Zusammenhang mit einem behaupteten Schadenersatzanspruch wegen einer Kapitalveranlagung ausgesprochen, dass dem Kunden, der eine risikolose Anlage seines Kapitals wünschte, ein Schaden schon dann entstanden ist, wenn er kein wertstabiles, sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier erworben hat. Kletecka hält in seiner Entscheidungsbesprechung die Ansicht, dass der Schaden schon mit dem Erwerb der risikoträchtigen Papiere und nicht erst mit dem ersten Kursverfall oder gar erst mit dem verlustbringenden Verkauf eingetreten ist, für durchaus vertretbar und differenziert nur im Hinblick auf die ‑ hier nicht relevante - Frage, durch welches Ereignis (Erwerb der Papiere; Kenntnis vom ersten Kursverlust) der Fristenlauf für die Verjährung des § 1489 ABGB ausgelöst wird. Sieht man den Eintritt des realen Schadens bereits dadurch verwirklicht, dass der Kläger aufgrund eines Beratungsfehlers nicht die gewünschten risikolosen Wertpapiere erwarb, käme in Betracht, dem geschädigten Anleger, der die Papiere noch hält, einen ‑ nach § 1323 ABGB vorrangig bestehenden ‑ Anspruch auf Naturalrestitution zuzubilligen (vgl Kletecka zu ÖBA 1999/787). Ein näheres Eingehen darauf erübrigt sich allerdings, weil der Kläger hier einen solchen Anspruch nicht geltend gemacht hat.

Es ist daher die Frage zu beantworten, ob sich der ziffernmäßige Betrag, der sich aus einer Gegenüberstellung des aufgewendeten Veranlagungsbetrages zu den Kurswerten der vom Kläger nach wie vor gehaltenen Papiere zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung ergibt, mit jenem nach der Differenzmethode zu ermittelnden Schaden deckt, dessen Ersatz dem Kläger gebühren könnte.

Der Grundsatz, dass für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Beschädigung maßgebend ist (RIS‑Justiz RS0030102), kann bei der Differenzrechnung nicht uneingeschränkt herangezogen werden: Da alle Auswirkungen im Vermögen des Geschädigten festzustellen sind, darf die Berechnung nicht bloß auf den Zeitpunkt der Schädigung abstellen, sondern muss die tatsächliche Entwicklung des gesamten Vermögens nach dem schädigenden Ereignis und die vermutliche künftige Entwicklung ohne dieses in die Betrachtung einbeziehen (Koziol aaO Rz 2/79; 10/31). Auch in der Rechtsprechung wurde betont, dass Entwicklungen nach dem schädigenden Ereignis einbezogen werden müssen, die Schadensfeststellung also nicht im Zeitpunkt der Schädigung abzuschließen ist (10 Ob 113/98k; 3 Ob 304/02f; zur Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung im Rahmen des Vertrauensschadenersatzes im Zusammenhang mit Betriebspensionszahlungen s. auch DRdA 2004/39 [Runggaldier]).

Der hier zu beurteilende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz die Schadensfeststellung noch nicht abgeschlossen ist, weil weitere Kursschwankungen der vom Kläger nach wie vor gehaltenen Wertpapiere, sei es nach oben, sei es nach unten, in Zukunft bis zum Verkauf der Wertpapiere eintreten werden. So hat sich etwa in diesem Verfahren ‑ was die Beklagte im Berufungsverfahren unter Dartuung von Urkunden bescheinigte ‑ zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz und dem Berufungsverfahren eine Wertsteigerung des Depots des Klägers von 24.498,47 EUR auf 26.413 EUR per 11. 3. 2005 (also um rund 8 %) ergeben. Sieht man in diesem Fall den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz als einzig maßgebliches Kriterium für die Schadensfeststellung an, so ist das so ermittelte Ergebnis ein rein willkürliches und von Zufällen abhängiges: Wäre etwa im konkreten Anlassfall der Schluss der mündlichen Verhandlung drei Monate später erfolgt, hätte sich der rechnerische Schaden des Klägers um rund 8 % vermindert. Bejaht man umgekehrt die Möglichkeit, geänderte Tatsachen, die für die Schadensberechnung materiell bedeutsam sind, zum Anlass für die Möglichkeit des Geschädigten zu nehmen, eine zusätzliche Forderung zu stellen oder dem Schädiger die Möglichkeit zu geben, sich - etwa durch Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen - zur Wehr zu setzen, widerspräche das im konkreten Fall dem Gebot der Rechtssicherheit: Solange der Kläger die Wertpapiere hält, also bei Aktienfonds durchaus auch mehrere Jahre, könnten und müssten beide Parteien unter regelmäßiger Beobachtung des Kursverlaufes regelmäßig Nachforderungen stellen bzw würden zu Nachzahlungen verpflichtet. Insofern unterscheidet sich der zu beurteilende Fall auch wesentlich von dem in der Revision gebrauchten Beispiel etwa der zukünftigen Wertveränderung einer Liegenschaft. Hier nämlich liegt es in der Natur der vom Kläger angeschafften und zum Gegenstand seines Schadenersatzanspruches gemachten Wertpapiere, dass sie nicht bloß möglicherweise, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zukünftigen Kursschwankungen unterliegen. Es ist daher dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass mangels Bezifferbarkeit des dem Kläger endgültig entstandenen Schadens zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine auf Geldleistung gerichtete Schadenersatzklage nicht möglich ist, sondern der Kläger ‑ soferne er nicht entweder versucht, Naturalrestitution zu erlangen oder die Papiere verkauft ‑ auf einen Feststellungsanspruch zu verweisen ist. In diesem Sinn wurde auch ein entsprechendes Feststellungsbegehren als zulässig erachtet (9 Ob 53/03i = ecolex 2004/46).

Erst nach einem Verkauf der Wertpapiere kann der Geschädigte daher einen Geldersatzanspruch stellen, weil sich dann ‑ durch Gegenüberstellung des Erwerbspreises zuzüglich der Erwerbskosten und des Veräußerungspreises - der rechnerische Schaden endgültig beziffern lässt. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtslage nach den börsegesetzlichen Regelungen der Prospekthaftung in Deutschland: Ist der Anleger noch im Besitz der Aktien, so kann er den Erwerbspreis, der in seiner Höhe auf den ersten Ausgabepreis beschränkt ist, zuzüglich der mit dem Kauf verbundenen üblichen Kosten Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere geltend machen. Ist der Anleger hingegen nicht mehr im Besitz der Wertpapiere, so kann er einen Geldersatzanspruch in der dargestellten Höhe geltend machen (Schwark/Heidelbach, §§ 44, 45 BörsG RdNr 60 ff; Sittmann, Die Prospekthaftung nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, NZG 1998,490 [ 494 f]).

Dem dagegen erhobenen Einwand in der Revision, ein Verkauf der Papiere könne vom Anleger als Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches nicht verlangt werden; der Anleger laufe nämlich Gefahr, dass ihm eine Verletzung der ihn treffenden Schadensminderungspflicht eingewendet werden könne, ist entgegenzuhalten, dass der Anleger auch im umgekehrten Fall des Behaltens seiner Wertpapiere nicht davor gefeit ist, dass ihm eine Verletzung der Schadensminderungspflicht wegen Verstoßes gegen eine Verkaufsobliegenheit entgegengehalten wird. Ein entsprechender Einwand ist daher sowohl dann denkbar, wenn der Anleger die Wertpapiere behält als auch dann, wenn er sie verkauft. Im Übrigen wird in beiden Varianten die Bejahung der schuldhaften Verletzung der „Rettungspflicht" nur dann in Betracht kommen, wenn die Verkaufs‑ oder Behalteobliegenheit dem Anleger zumutbar war. Da im Regelfall die Kursentwicklung keine sicheren Schlüsse des einzelnen Anlegers auf Unternehmenswert und objektiven Wert seiner Beteiligung zulässt (4 Ob 353/98k; Rothenhöfer, Mitverschulden des unrichtig informierten Anlegers? WM 2003, 2032 ff) wird eine schuldhafte Verletzung der Verkaufs‑ oder Behalteobliegenheit des Anlegers nur in besonderen Fallkonstellationen zu bejahen sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Ein Additionsfehler der Beklagten war zu berichtigen.

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