OGH 1Ob231/04h

OGH1Ob231/04h22.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ewald F*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Bank ***** AG, *****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian und Dr. Claus Brändle, Rechtsanwältepartnerschaft in Dornbirn, wegen EUR 48.314,95 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. August 2004, GZ 2 R 167/04g-28, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 22. April 2004, GZ 6 Cg 77/03s-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1. Das angefochtene Urteil wird als Teilurteil wie folgt bestätigt:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 32.209,96 samt 8 % Zinsen seit 3. 4. 2000 zu bezahlen, dies Zug um Zug gegen Überlassung von am 24. 3. bzw 18. 4. 2000 angekauften Aktien „C*****, S*****, E***** und I*****" zum Kurswert (per 8. 9. 2003) von insgesamt EUR 1.963,37, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten."

2. Im Übrigen - daher im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens im Betrag von EUR 16.104,99 samt 8 % Zinsen seit dem 3. 4. 2000 Zug um Zug gegen Überlassung von im Punkt 1. genannten Aktien zum Kurswert (per 8. 9. 2003) von insgesamt EUR 981,68 sowie im Kostenausspruch wird das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Zahlung von EUR 48.314,95. Er habe über Empfehlung eines Versicherungsvertreters bei der beklagten Partei die Eröffnung eines Wertpapierdepotkontos und eines Verrechnungskontos beantragt. Im Auftrag dieses Versicherungsvertreters habe die beklagte Partei am 24. 3. 2000 sowie am 18. 4. 2000 auf Rechnung des Klägers Aktien im Gesamtwert von EUR 51.260 gekauft. In der Folge seien die Aktienkurse stark gefallen und hätten die Aktien zum 31. 12. 2002 lediglich noch einen Wert von EUR 2.184,60 aufgewiesen. Da der Kläger keinerlei Erfahrungen mit Aktien gehabt habe, wäre die beklagte Partei verpflichtet gewesen, ihn über die mit der Aktienveranlagung verbundenen Risken aufzuklären, insbesondere über den hochspekulativen Charakter der von ihm erworbenen Aktien. Wäre dies geschehen, hätte der Kläger vom Erwerb solcher Aktien Abstand genommen. Der beklagten Partei sei zudem bekannt gewesen, dass der Versicherungsvertreter über keine Ausbildung oder gar Berechtigung verfügt habe, als Anlageberater tätig zu sein. Sie habe sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass dieser den Kläger über die mit der Wertpapierveranlagung verbundenen Risken (korrekt) aufgeklärt habe.

Die beklagte Partei wandte zusammengefasst ein, sie habe sämtliche in Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäfte vereinbarungsgemäß und entsprechend den einschlägigen Sorgfaltsanforderungen durchgeführt. Der Kläger habe sich durch einen versierten Versicherungsberater vertreten lassen, der für das Depot zeichnungsberechtigt gewesen sei. Eine Beratung durch die beklagte Partei sei weder gewünscht noch „nachgefragt" worden. Der Kläger habe daher seine Wertpapiergeschäfte in wirtschaftlicher Eigenständigkeit durchgeführt. Obwohl ihm bereits nach zehn Tagen bewusst gewesen sei, dass die angekauften Aktien Kursverluste aufwiesen, habe er dennoch weitere Aktien gekauft. Es sei ihm jedenfalls ein Mitverschulden zuzurechnen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit EUR 15.875,82 sA (Zug um Zug gegen Überlassung bestimmter Aktien) statt und wies das Mehrbegehren von EUR 32.439,13 sA ab. Es legte dieser Entscheidung zusammengefasst folgende Feststellungen zu Grunde:

Im Frühjahr 2000 kontaktierte der Kläger telefonisch einen Versicherungsberater, da er über einen Kollegen erfahren hatte, dass dieser „Geldanlagegeschäfte macht" und „sich mit Aktien sehr gut auskennt". Tatsächlich verfügte dieser Versicherungsberater aber über keinerlei Ausbildung im Wertpapierbereich. Er hatte sich seine Kenntnisse des Aktienmarktes selbst erworben und war auch nicht im Besitz einer Konzession als Anlageberater. Bei dem Telefonat stellte der Versicherungsberater dem Kläger die Möglichkeit sehr hoher Gewinnspannen in Aussicht. Dass mit dem Kauf von hochspekulativen Aktien auch das Risiko des Verfalls verbunden ist, teilte er dem Kläger nicht mit. Er gab an, mit der beklagten Partei in engem geschäftlichem Kontakt zu stehen und Wertpapiergeschäfte über Depots bei der beklagten Partei abzuwickeln. Im Zuge dieses Gesprächs wurde der Versicherungsberater schließlich vom Kläger beauftragt, „in dessen Namen und auf dessen Rechnung zu einem beliebigen Zeitpunkt bis zu einer bestimmten Summe ohne neuerliche Rücksprache mit dem Kläger für diesen nach eigenem Gutdünken - auch hochspekulative - Aktien zu erwerben".

Der Versicherungsberater, der für Wertpapierumsätze der von ihm zugeführten Kunden von der beklagten Partei jeweils die Hälfte der „standardisierten Bankkosten" erhielt, eröffnete am 23. 3. 2000 ein Wertpapierdepot sowie ein Wertpapierverrechnungskonto. Am selben Tag übersandte die beklagte Partei dem Kläger die entsprechenden Kontoeröffnungsunterlagen und das Anlegerprofil samt Kundeninformation. Das Anlegerprofil war zum Teil bereits von Mitarbeitern der beklagten Partei ausgefüllt. So waren die Punkte Anlageziele, Anlagedauer und Kundeninformation schon angekreuzt. Außerdem war der Punkt „Erstgespräch" markiert, obwohl ein solches nie stattgefunden hatte. Der Kläger ergänzte das Anlegerprofil, indem er sein frei verfügbares Jahreseinkommen mit S 300.000 und sein Nettovermögen mit S 900.000 angab und die Fragen nach seinen Erfahrungen und Kenntnissen in Wertpapiergeschäften beantwortete. Er verneinte solche Kenntnisse und bejahte lediglich Erfahrungen bei Investmentfonds. Im Anlegerprofil findet sich der Satz: „Ich bin mir des Verlustrisikos im Hinblick auf mein eingesetztes Kapital voll bewusst. Ich nehme es aber bewusst in Kauf, weil ich auch große Gewinnchancen erwarte". Auch diese Passage war von der beklagten Partei bereits im Voraus angekreuzt worden.

Am 24. 3. 2000 kaufte die beklagte Partei über Auftrag des Versicherungsberaters auf Rechnung des Klägers folgende Aktien zu folgenden Kursen:

110 Stück C***** à EUR 82 EUR 9.161,64

10 Stück S***** à EUR 860 EUR 8.735,21

51 Stück E***** à EUR 177 EUR 9.168,75

17 Stück I***** à EUR 520 EUR 8.978,88

Am 18. 4. 2000 kaufte die beklagte Partei über Auftrag des Klägers weitere Aktien:

68 Stück E***** à EUR 115 EUR 7.943,28

15 Stück S***** à EUR 483 EUR 7.359,48

Insgesamt wurden sohin Aktien im Wert von EUR 50.522 angeschafft, wofür der Kläger samt Spesen EUR 51.512,96 zahlte.

Alle vom Kläger erworbenen Aktien stellten zum Kaufzeitpunkt eine besonders risikoreiche Anlageform dar, was der beklagten Partei bewusst sein musste.

In der Folge verfielen die Aktienkurse binnen kürzester Zeit stark. Das Wertpapierdepot des Klägers hatte zum 8. 9. 2003 nur mehr einen Wert von EUR 2.945,05.

Der Kläger nahm zwischen dem Ankauf des ersten und des zweiten Aktienpakets mit der beklagten Partei Kontakt auf. Er erkundigte sich nach dem Kurs der Aktien, wobei ihm von einem Mitarbeiter der beklagten Partei schon damals berichtet wurde, dass Kursverluste eingetreten waren. Der Kläger deutete gegenüber diesem Mitarbeiter der beklagten Partei mehrfach an, dass er sich „in dieser Angelegenheit" voll auf den Versicherungsberater verlasse. Die Beratung durch einen Mitarbeiter der beklagten Partei wurde vom Kläger „weder gesucht noch abgelehnt". Es fand eine solche auch nie statt.

Die Zusammenarbeit der beklagten Partei mit dem Versicherungsberater endete im Frühjahr 2000, weil nach ihren neuen Richtlinien die von Beratern vermittelten Kunden nunmehr direkt zur Bank kommen mussten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass auf Grund der mangelnden Erfahrungen und Kenntnisse des Klägers im Anlagewesen und der Risikoträchtigkeit der von ihm georderten Aktien eine Aufklärungs- und Beratungspflicht der beklagten Partei im Sinne der Wohlverhaltensregeln des Wertpapieraufsichtsgesetzes bestanden habe. Die beklagte Partei hätte den Kläger auch ohne dessen ausdrücklichen Wunsch auf die Gefahren und die Risikoträchtigkeit dieser Anlageform ausführlich und nachhaltig hinweisen müssen. Dass der Kläger im Rahmen der Übersendung des Anlegerprofils schriftliche Risikohinweise zugesandt erhielt und die von der beklagten Partei bereits im Voraus angekreuzte Erklärung unterfertigte, sich des Verlustrisikos im Hinblick auf das eingesetzte Kapital voll bewusst zu sein, sei nicht ausreichend. Dem Kläger sei aber ein erhebliches Mitverschulden im Sinne einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten, da er sich von dem Versicherungsberater vorbehaltlos und umfassend vertreten ließ, ohne zuvor auch nur die geringsten Nachforschungen über dessen Sachkunde und Professionalität im Börsenwesen anzustellen. Dass der Kläger lediglich aufgrund eines telefonischen Kontakts einer ihm völlig fremden Person die Verwaltung seines Vermögens anvertraute, stelle eine beispiellose Sorglosigkeit dar. Den Kläger treffe daher hinsichtlich des ersten Ankaufs ein Mitverschuldensanteil von zwei Drittel. Da der Kläger zum Zeitpunkt des Ankaufs des zweiten Aktienpakets am 18. 4. 2000 bereits über den Kursverlust der im ersten Paket angekauften Aktien informiert war, treffe ihn am Eintritt dieses Teils des Vermögensschadens eine noch höhere Mitverschuldensquote. Diese sei mit drei Viertel zu bemessen. Ausgehend von diesen Mitverschuldensanteilen errechne sich unter Zugrundelegung der Ankaufswerte der Aktien ein Schaden von EUR 15.875,82, welchen die beklagte Partei zu ersetzen habe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Aus § 13 Z 3 und Z 4 WAG ergäben sich die schon bisher von der Rechtsprechung und Lehre zu Effektengeschäften aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und aus dem Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten. Deren konkrete Ausgestaltung sei jeweils im Einzelfall von der Person des Kunden (insbesondere von dessen Professionalität) sowie vom ins Auge gefassten Anlageobjekt abhängig. Mit § 15 WAG sei eine ausdrückliche Haftungsnorm geschaffen worden, die die grundsätzliche Sicherung der Haftung des Rechtsträgers bei Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 und 14 WAG auch bei leichter Fahrlässigkeit bezwecke. Dazu komme, dass bereits in § 11 Abs 1 WAG einleitend die Verpflichtung normiert sei, bei der Erbringung von gewerblichen Dienstleistungen, die mit Wertpapieren oder der sonstigen Veranlagung des Vermögens von Kunden im Zusammenhang stehen, die Interessen des Kunden bestmöglich zu wahren. Unstrittig sei, dass die beklagte Partei dem Kläger eine derartige Beratung und Aufklärung nicht einmal ansatzweise habe zuteil werden lassen. Die bereits im ersten Rechtsgang geäußerte Ansicht, die beklagte Partei habe nicht allein deshalb, weil der Kläger von einem Versicherungsberater vertreten gewesen sei, die Beratung und Aufklärung unterlassen dürfen, werde aufrecht erhalten. Damit sei für den Kläger aber nichts gewonnen. Dieser habe es „gerade darauf angelegt, mit seinem Geld zu spekulieren und auch hochspekulative Aktien zu erwerben." Damit sei die unterbliebene Aufklärung durch die beklagte Partei nicht kausal für den Schaden, den der Kläger durch den Kursverfall der von ihm erworbenen Aktien erlitten habe. In Abänderung des Ersturteils sei das Klagebegehren daher abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Feststellung, die das Berufungsgericht für die von ihm vorgenommene Klagsabweisung ins Treffen führt, nämlich dass der Kläger telefonisch den Versicherungsberater beauftragt habe, in seinem Namen und auf seine Rechnung zu einem beliebigen Zeitpunkt bis zur einer beliebigen Summe ohne neuerliche Rücksprache mit dem Kläger für diesen nach eigenem Gutdünken - auch hochspekulative - Aktien zu erwerben (S 17 des Berufungsurteils), kann nicht ohne weiteres in dem vom Gericht zweiter Instanz vermeinten Sinn verstanden werden. Das Berufungsgericht meinte, dass auf Grund dieser unbekämpften Feststellung feststehe, der Kläger habe es gerade darauf angelegt, mit seinem Geld zu spekulieren und im Zuge dessen auch hochspekulative Aktien zu erwerben. Diese Ansicht haben weder das Erstgericht - in beiden Rechtsgängen - noch das Berufungsgericht selbst im ersten Rechtsgang geteilt, hätte es doch ansonsten bereits im ersten Rechtsgang mit Klagsabweisung vorgehen müssen, zumal die oben wiedergegebene Feststellung bereits im Urteil des Erstgerichts im ersten Rechtsgang wortgleich beinhaltet war. Vielmehr muss die zitierte Feststellung so verstanden werden, dass der Kläger dem Versicherungsberater voll vertraute und diesem die Freiheit einräumte, nach eigenem Gutdünken Aktien jedweder Art zu erwerben, wobei er aber keine besonderen Gedanken darauf verschwendete, dass der Ankauf nur hochspekulativer Aktien zu großen Verlusten führen könnte, hat doch das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, dass der Versicherungsberater dem Kläger nicht mitteilte, mit dem Kauf von hochspekulativen Aktien sei auch das Risiko des Verfalls verbunden (S 8 bzw 13 des Ersturteils). Gewiss musste dem Kläger ein gewisses, sich bei Aktienkäufen allenfalls verwirklichendes Risiko bewusst sein; dass er es aber "gerade darauf angelegt habe, mit seinem Geld zu spekulieren", kann weder dem Vorbringen der beklagten Partei noch den Feststellungen des Erstgerichts entnommen werden. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass eine Information im Sinne der Wohlverhaltensregeln des WAG den Schaden keinesfalls verhindert hätte, weil der Kläger vom Erwerb der vom Versicherungsberater anzukaufen beabsichtigten Aktien in keinem Fall abgegangen wäre. Im Übrigen hat ja auch das Gericht zweiter Instanz im ersten Rechtsgang - völlig zu Recht - bei gleicher Sachlage die Ansicht vertreten, das Verhalten der beklagten Partei mache diese für den Fall, dass sich die Behauptungen des Klägers über die Risikoträchtigkeit der konkreten Aktienkäufe bewahrheiteten, schadenersatzpflichtig (S 17 des Aufhebungsbeschlusses ON 14). Von einer grundsätzlichen Haftung der beklagten Partei wegen unterlassener Aufklärung und Beratung des Klägers selbst ging auch das Berufungsgericht frei von Rechtsirrtum aus (S 14 bis 16 des Berufungsurteils). Auf diese Ausführungen kann verwiesen werden. Zusätzlich zu diesen Argumenten ist festzuhalten:

Dem Einwand der beklagten Partei, es komme nicht auf die Erfahrung des Klägers, sondern auf das Kriterium der Professionalität des Versicherungsberaters an, ist zu erwidern, dass zwar grundsätzlich beim Umfang einer Aufklärungspflicht auf den Vertreter abzustellen ist, was aber dann nicht gilt, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welches die Dienstleistung der Annahme und Übermittlung von Aufträgen für Rechnung von Anlegern anbietet, unter Offenlegung der Identität ihres Kunden Orders übermittelt. In diesen Fällen bestimmt sich das Kriterium der Professionalität nicht nach dem professionellen Stellvertreter oder Boten, sondern nach dem Endanleger (Art 11 Abs 3 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. 5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen). Diese Sonderregelung schlägt im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auf die §§ 11 und 13 WAG durch (Knobl in Frölichsthal ua, Kommentar zum Wertpapieraufsichtsgesetz, Rz 37 f zu § 13 mwN). Sollte der vom Kläger beauftragte Versicherungsberater als derartiger Vermittler angesehen werden können, käme es somit nicht auf den Eindruck an, den die beklagte Partei von dessen Professionalität gewonnen hat, sondern auf die Professionalität des Endanlegers (= Klägers) in Bezug auf dessen Kenntnisse, Erfahrungen und Anlageziele. Davon ausgehend ist zu beurteilen, ob nach der Lage des Falls eine Aufklärungsnotwendigkeit bestand (vgl SZ 54/179 ua). Lediglich der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die beklagte Partei nach dem ihr bekannten Sachverhalt auch nicht auf eine „Versiertheit" des Versicherungsberaters in Wertpapierangelegenheiten schließen durfte (S 16 des Urteils der zweiten Intanz).

Bei der derzeitigen Tatsachengrundlage ist die Abweisung des Klagebegehrens aus dem Grund, dass die Verhaltensweise der beklagten Partei nicht kausal für den beim Kläger eingetretenen Schaden gewesen sei, demnach nicht berechtigt.

Zu Recht weist die beklagte Partei aber darauf hin, dass das Erstgericht nicht ausdrücklich feststellte, der Kläger hätte im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch die beklagte Partei vom Erwerb der Aktien Abstand genommen, wenngleich es - unschwer ersichtlich - diese Ansicht vertrat. Das Berufungsgericht unterstellt dem Kläger aber im Gegensatz zu dieser vom Erstgericht offensichtlich zu Grunde gelegten Tatsache - ebenfalls ohne ausdrückliche Feststellung -, er hätte die Aktien auch bei entsprechender Warnung angekauft. Von einem solchen Sachverhalt hätte das Gericht zweiter Instanz aber nur nach Beweiswiederholung ausgehen dürfen, was zu einem Mangel des Berufungsverfahrens führt.

Sollte das Berufungsgericht der Ausgangslage des Erstgerichts folgen, nämlich dass der Kläger bei entsprechender Belehrung vom Kauf der Aktienpakete Abstand genommen hätte, ist klarzustellen, dass die Auffassung des Revisionswerbers, ihm sei kein Mitverschulden anzulasten, nicht zutrifft:

Ein Mitverschulden des Kunden, das die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters bzw der die Wertpapierdienstleistung anbietenden Bank mindert, kann schon dann in Betracht kommen, wenn dem Kunden die Unrichtigkeit der Anlageberatung hätte auffallen müssen. Umso mehr ist die Vorgangsweise des Klägers, einen ihm gar nicht bekannten Menschen praktisch uneingeschränkt mit der Verwaltung wesentlichen Vermögens zu betrauen, als gravierende Sorglosigkeit im Umgang mit dem eigenen Hab und Gut zu werten und tritt demgegenüber die Verhaltensweise der beklagten Partei etwas in den Hintergrund. Eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten des Klägers beim Ankauf des ersten Aktienpakets ist daher gerechtfertigt.

Hinsichtlich des zweiten Aktienpakets wird aber eine Ergänzung des Verfahrens von Nöten sein. Wie der Kläger richtig aufzeigt, steht auch im zweiten Rechtsgang nicht fest, welche Information er über den Kursverlust der im ersten Paket angekauften Aktien hatte. Insbesondere steht nicht fest, ob dem Kläger die Höhe dieses Verlustes beim Ankauf des zweiten Aktienpakets bekannt war. Erst nach entsprechenden Feststellungen in dieser Richtung wird sich beurteilen lassen, welchen Mitverschuldensanteil der weitere Aktienankauf tatsächlich rechtfertigt.

Der Revision ist teilweise Folge zu geben. Das Berufungsurteil ist im Umfang der Abweisung von zwei Dritteln des Klagebegehrens mittels Teilurteil zu bestätigen, im Übrigen aber infolge Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit Aufhebung vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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