OGH 1Ob208/11m

OGH1Ob208/11m22.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** D*****, vertreten durch Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei F***** B*****, vertreten durch Greiml & Horwath, Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen 101.250 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischen- und Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Juli 2011, GZ 4 R 53/11p-18, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Leoben vom 7. Februar 2010, GZ 7 Cg 196/09s-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der 1953 geborene Kläger betreibt eine Zahnarztpraxis. Der Beklagte ist Vermögensberater, kümmerte sich seit dem Jahr 2000 um die steuerlichen Angelegenheiten des Klägers, erledigte dessen Buchhaltung und beriet ihn in Vermögensangelegenheiten. Im Jahr 2007 war dem Beklagten bekannt, dass der Kläger unter Umständen vor seinem 65. Lebensjahr in Pension gehen wollte.

Im Oktober 2007 empfahl er ihm die Zeichnung eines Bauherrenmodells der I***** AG (I*****), mit dem der Erwerb von Miteigentumsanteilen an einem Wohn- und Geschäftshaus in Wien verbunden war. Er riet dem Kläger, 7,5 % Anteile an dem genannten Modell zu zeichnen. Dabei ging er von einem für 2007 zu erwartenden Gewinn von 95.000 EUR aus. In diesem Fall wäre die zu erwartende „Verlustzuweisung“ von 44.000 EUR zur Gänze in die 50%ige Steuerprogression gefallen.

Im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Veranlagungsform erwähnte er dem Kläger gegenüber lediglich, dass Einmalzahlungen in den nächsten drei Jahren, weitere Zahlungen jedoch nicht zu leisten seien, und der Kläger sich um die Finanzierungsphase nicht kümmern müsse, weil „diese im Hintergrund laufe und durch die zu erwartenden Mieteinnahmen abgedeckt werde“. Er versicherte dem Kläger, dass dieser die im Zusammenhang mit dem Bauherrenmodell erworbenen Miteigentumsanteile jederzeit verkaufen könne.

Nachdem sich der Kläger von seiner Bank die Seriosität der I***** bestätigen hatte lassen, teilte er dem Beklagten mit, dass er 7,5 % an dem vorgeschlagenen Bauherrenmodell erwerben möchte. Am 28. 11. 2007 oder am 6. 12. 2007 unterschrieb der Kläger die ihm vom Beklagten vorgelegten etwa elf Urkunden. Er wunderte sich zwar über deren Vielzahl, vertraute jedoch darauf, dass das Unterschriebene nicht von den mündlichen Zusagen des Beklagten abweiche.

Im Februar 2008 erhielt der Kläger näheres Informationsmaterial zum bezeichneten Bauherrenmodell. Als er sich in der Folge die schon im Oktober 2007 überreichten Informationsblätter genauer ansah, stieß er auf eine monatliche Einzahlung von 304 EUR für Kapitalaufbau. Er kontaktierte den Beklagten telefonisch. Dieser konnte ihm den Grund für diese Zahlungen zunächst nicht erklären, teilte ihm am 20. 2. 2008 aber mit, dass 300 EUR pro Monat nur eine Annahme für die erst dann notwendige Einzahlung darstellten, wenn die Vermietung nicht zu 100 % erfolge und die Euro-Zinsen höher seien als veranschlagt. Der Kläger ersuchte am 22. 2. 2008 neuerlich um Aufklärung und brachte seine Befürchtung zum Ausdruck, 18 Jahre lang jährlich 6.272,50 EUR zahlen zu müssen. In seiner Antwort vom 6. 3. 2008 verwies der Beklagte darauf, dass bei Annahme von 3 % Miteigentumsanteilen Fremdmittel von 116.977 EUR (endfällig) nötig seien, denen ein Ansparplan von monatlich 304 EUR oder einmalig 16.993 EUR gegenüberstehe.

Aufgrund dieser Unstimmigkeiten kam es im April 2008 zu einem Gespräch in Graz zwischen den Streitteilen, bei dem auch der Geschäftsführer sowie ein Angestellter jener GmbH anwesend waren, die dieses Bauherrenmodell vertrieb. Der Kläger erwähnte dabei, dass er sich vom Beklagten deshalb falsch beraten fühle, weil dieser ihm nicht mitgeteilt hätte, dass er auch in der Finanzierungsphase Gelder einsetzen müsse, und die Finanzierung über einen derart langen, nicht mit seiner Lebensplanung in Einklang stehenden Zeitraum gehe. Nachdem der Geschäftsführer vom Kläger die Nachricht erhalten hatte, dass dieser aus dem Bauherrenmodell aussteigen wolle, wies er ihn am 19. 6. 2008 darauf hin, dass die finanziellen Folgen der Rückabwicklung nur innerhalb der Bauphase möglichst gering gehalten werden könnten und dabei mit einem Schaden in der Größenordnung von 30.000 EUR zu rechnen sei. Er ersuchte ihn, ihm die Entscheidung über die Rückabwicklung bis spätestens 25. 6. 2008 mitzuteilen. Der Kläger nahm diese Frist nicht wahr und leistete weitere Eigenkapitalzahlungen. Insgesamt zahlte er in drei Teilbeträgen 101.250 EUR. Er hätte dieses Bauherrenmodell nicht gezeichnet, wäre er über alle relevanten Umstände dieses Modells aufgeklärt worden.

Der Kläger begehrt in seiner Klage 101.250 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung der 750/10000 Anteile am Bauherrenmodell und der 750/10000 Miteigentumsanteile der EZ ***** GB ***** B***** sowie Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden in Bezug auf die Vermittlung der Anteile am Bauherrenmodell und den Erwerb von 750/10000 Miteigentumsanteilen, die aus der Übertragung der Anteile am Bauherrenmodell an den Beklagten noch entstehen, in eventu die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden in Bezug auf die Vermittlung der Anteile am Bauherrenmodell und den Erwerb der Miteigentumsanteile. In der Tagsatzung vom 14. 6. 2010 begehrte er als „erstes“ Eventualbegehren Zahlung von 145.000 EUR sA, dies ohne nähere Begründung, welche Schäden dieses Zahlungsbegehren erfassen sollte.

Der Beklagte habe ihn unrichtig bzw unvollständig über die Laufzeit der Veranlagung, die Verpflichtung zur Leistung monatlicher Zahlungen über zumindest 18 Jahre und die Höhe der Veranlagung aufgeklärt. Ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Beteiligungsmodell durch Veräußerung der Anteile vor dem Jahr 2027 sei nicht möglich, jedenfalls aber wirtschaftlich nicht sinnvoll. Mangels wirtschaftlich tunlichen Verkaufs sei eine Schadensberechnung nach der Differenzmethode nicht möglich. Er habe Anspruch auf Naturalrestitution in Form der Rückzahlung der in den Jahren 2007 bis 2009 geleisteten Zahlungen von je 33.750 EUR (insgesamt 101.250 EUR) Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile.

Der Beklagte wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - ein, die Naturalrestitution sei ihm gegenüber als Vermögensberater und Vermittler, der dem Kläger keine (Miteigentums-)Anteile übertragen habe, nicht zulässig. Der Kläger habe eine werthaltige Immobilie als Gegenleistung erhalten und sich überdies durch den Erwerb der Beteiligungen 44.000 EUR Steuern erspart. Aus dem vor Vertragsabschluss übergebenen Informationsmaterial seien die zusätzlichen Leistungen in der Finanzierungsphase und die Einmalzahlung in der Bauphase auch für einen (akademisch gebildeten) Laien leicht ersichtlich gewesen. Nach Vertragsabschluss habe sich der Kläger nach ausführlicher Belehrung (über die Möglichkeit des Ausstiegs) dafür entschieden, die Beteiligung zu halten.

Das Erstgericht wies mit Zwischenurteil das Hauptbegehren ab und sprach aus, dass das „erste“ Eventualbegehren auf Zahlung von 145.000 EUR sA dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht sprach aus, dass das Hauptbegehren auf Zahlung von 101.250 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile am Bauherrenmodell und der Miteigentumsanteile an der Liegenschaft dem Grunde nach zu Recht bestehe (Zwischenurteil) und gab dem Hauptfeststellungsbegehren statt (Teilurteil). Der Schaden des Klägers sei bereits durch den Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte eingetreten. Er habe Anspruch auf Naturalrestitution im Sinn des § 1323 ABGB, in deren Rahmen ihm Zug um Zug gegen Übertragung der am Bauherrenmodell sowie an der Liegenschaft gehaltenen Anteile der gezahlte Kaufpreis abzüglich der als Vorteil anzurechnenden Steuerersparnis zu ersetzen sei. Die Höhe dieser Steuerersparnis stehe aber noch nicht fest. Eine mögliche künftige Steuernachzahlung als Folge der Übertragung der Anteile sei jedoch nicht gegen die bereits erfolgte Steuerersparnis aufzurechnen, sondern vom Hauptfeststellungsbegehren erfasst. Dieses sei durch allfällige Steuernachforderungen und Aufwendungen als Folge der Zug-um-Zug-Übertragung der Anteile auf den Beklagten gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Naturalrestitution bei einem Bauherrenmodell mit Zug-um-Zug-Übertragung von Miteigentumsanteilen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und mit ihrem eventualiter gestellten Aufhebungsantrag berechtigt.

1. Nach der herrschenden Meinung ist ein (als real bezeichneter) Schaden des Anlegers bei fehlerhafter Anlageberatung bereits durch den Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte eingetreten (RIS-Justiz RS0022537 [T12]; 7 Ob 77/10i; 1 Ob 85/11y; P. Bydlinski, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159 [161, 174]; Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 562 [565]; Wilhelm, Zur Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung beim Anlegerschaden, ecolex 2010, 232 [233]; Graf, Was ist der Schaden des geschädigten Anlegers? Naturalherstellung oder bloß Ersatz des rechnerischen Schadens?, ecolex 2011, 391).

2. Für diese Fälle anerkannte der Oberste Gerichtshof bereits den Anspruch des Anlegers auf Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) in der Form, dass ihm Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere der zu deren Erwerb gezahlte Kaufpreis abzüglich erhaltener Zinsen bzw Dividenden zurückzuzahlen ist (RIS-Justiz RS0120784 [T3]; RS0108267 [T5]). Dieser Anspruch besteht nach der Judikatur auch gegenüber dem Berater, von dem die Wertpapiere nicht erworben wurden (10 Ob 11/07a; 5 Ob 246/10b; 6 Ob 9/11h ua).

3. Für diese Form der „Rückabwicklung“ im Verhältnis zwischen Anleger und Berater, die der Kläger mit seinem Hauptleistungsbegehren grundsätzlich anstrebt und die auch seinem Hauptfeststellungsbegehren (Ersatzpflicht des Beraters für künftige mit dieser „Rückabwicklung“ verbundene Kosten) zu Grunde liegt, werden in Lehre und Judikatur (zum Teil) zwei weitere Voraussetzungen gefordert:

4. Zum einen wird verlangt, dass der Anleger das erworbene Finanzprodukt noch hält und nicht bereits verkauft hat. Im Verkaufsfall billigt(e) die Judikatur dem geschädigten Anleger den Ersatz des nach der Differenzmethode ermittelten rechnerischen Schadens zu (8 Ob 123/05d = SZ 2006/28; 10 Ob 11/07a = ÖBA 2008, 732; vgl 9 Ob 85/09d = JBl 2010, 713 [P. Bydlinski] = ÖBA 2010, 533; 4 Ob 62/11p). In der Literatur wird teilweise die Meinung vertreten, mit dem Verkauf verliere der Anleger den Anspruch auf die Rückerstattung des Kaufpreises, weil der Ersatzpflichtige dazu ja nur Zug um Zug gegen Herausgabe der erworbenen Finanzprodukte verpflichtet sei (Wilhelm aaO 233; so offenbar auch M. Bydlinski, Zum Schadenersatz bei volatilen Vermögenswerten, JBl 2011, 682 [692]; aA wohl Leupold/Ramharter, Anlegerschaden und Kausalitätsbeweis bei risikoträchtiger hypothetischer Alternativanlage, ÖBA 2010, 718 [722 f]). Dullinger (Aktuelle Fragen der Haftung wegen Beratungsfehlern bei der Vemögensanlage, JBl 2011, 693 [695]) qualifiziert hingegen unter Hinweis auf Karollus (Neues zur Prospekthaftung, ÖBA 2011, 450 [455 f]) die Verpflichtung des Geschädigten, im Zuge der Naturalrestitution erworbene Inhaberpapiere herauszugeben, als reine Gattungsschuld und lässt demnach die Übertragung derselben Anzahl der entsprechenden Wertpapiere genügen. Diese Divergenz spielt im konkreten Fall aber keine Rolle, weil jeglicher Anhaltspunkt für eine erfolgte Veräußerung der Anteile des Klägers am „Bauherrenmodell“ und an der Liegenschaft fehlt und die Verpflichtung zur Übertragung derartiger Anteile keine Gattungsschuld wäre.

5. Zum anderen hält ein Teil der Lehre die hier geforderte „Rückabwicklung“ dann für zulässig, wenn der geschädigte Anleger im hypothetischen Fall der ordnungsgemäßen (also richtigen und vollständigen) Aufklärung keine andere („verlustträchtige“, also nicht etwa das sichere Sparbuch) Anlageform gewählt hätte. Hätte er sein Geld aber anders veranlagt, wird die Berücksichtigung der hypothetischen Entwicklung seines Vermögens, teils aus Kausalitätsgründen (P. Bydlinski aaO 160), teils gestützt auf den Schutzzweck der verletzten Aufklärungspflicht (Leupold/Ramharter aaO 720; vgl Wendehorst aaO 569) verlangt.

6. Nach dieser, in der jüngeren Judikatur des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 77/10i; 6 Ob 231/10d = wbl 2011, 390 [Trenker] [vgl dazu die Entscheidungsbesprechung von Graf aaO]; 6 Ob 8/11m = ecolex 2011/198 [Wilhelm] jeweils mwN) übernommenen Gesamtbetrachtung (dazu M. Bydlinski aaO 686; Leupold/Ramharter aaO 720) ist der geschädigte Anleger insgesamt so zu stellen, als hätte er an der Stelle der unerwünschten Anlage die richtige, also die gewünschte erworben. Den durch eine Differenzrechnung zu ermittelnden Schaden bezeichnet die Judikatur häufig als Vertrauensschaden (9 Ob 85/09d; 6 Ob 231/10d; 6 Ob 8/11m).

7. Die hypothetische Entwicklung des Vermögens des Klägers sowie die in Lehre und Judikatur unterschiedlich beurteilte Frage, wen im Zusammenhang mit der hypothetischen Alternativanlage die Beweislast trifft (s dazu Dullinger aaO 695 ff) ist für die Entscheidung über die Revision des Beklagten nicht relevant:

8. Der Beklagte hält die Naturalrestitution (sei es jetzt in der „einfachen Form durch isolierte Rückabwicklung“ oder im Rahmen der Gesamtbetrachtung) bei diesem Bauherrenmodell grundsätzlich für unzulässig, dies ausschließlich mit dem Argument, die Übertragung der Anteile sei untunlich und hindere deshalb die Naturalrestitution. Nur diese Frage ist (neben dem noch zu behandelnden Mitverschuldenseinwand) für die Überprüfung der Berechtigung des Zwischenurteils, das den Anspruch auf Naturalrestitution dem Grunde nach bejaht, maßgeblich.

9. Nach § 1323 ABGB ist ein Schaden in erster Linie durch Zurückversetzung in den vorigen Stand auszugleichen. Der Vorrang der Wiederherstellung des vorigen Stands beruht auf dem Gedanken, dass die Naturalrestitution der beste und vollständigste Ersatz ist. Sie wahrt das Integritätsinteresse und ist am besten geeignet, den Ausgleichsgedanken zu verwirklichen (Reischauer in Rummel³ § 1323 Rz 1 mwN). Bei Unmöglichkeit oder Untunlichkeit kommt die Naturalrestitution nicht in Betracht (9 Ob 138/06v = SZ 2007/70 = RIS-Justiz RS0112887 [T5] mwN; Hinteregger in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1323 Rz 9).

10. Jener bereits zitierten Judikatur, die einen Anspruch auf Naturalrestutition (verbunden mit einer Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Rückgabe des Anlageprodukts) gegenüber dem Berater annimmt, lagen Fälle des Erwerbs von Wertpapieren (Aktien, Zertifikate, Anleihen) zu Grunde.

11. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Übertragung von Wertpapieren, soweit es die Tunlichkeit der Naturalrestitution betrifft, mit der Übertragung von Rechten und Vertragspositionen bei einem „Bauherrenmodell“ nicht völlig vergleichbar ist. Es ist richtig, dass auch die Übergabe von Inhaberwertpapieren an den Anlageberater in der Regel nicht einfach durch körperliche Übergabe des Papiers erfolgen wird. Die Papiere befinden sich ja üblicherweise (real oder virtuell) bei einer Depotbank. Auch in den „klassischen“ Fällen des Anlegerschadens bei Erwerb ungewünschter Papiere ist ein Übertragungsakt mit Einbindung eines Dritten (Depotbank) nötig.

12. Die mit der Rückabwicklung des „Bauherrenmodells“ (vgl zum Begriff 5 Ob 290/07v [„Vertragsbündel“]) verbundene Übertragung der Miteigentumsanteile ist aber nur aufgrund einer den Erfordernissen des GBG für eine Einverleibung entsprechenden Urkunde, die insbesondere eine Aufsandungserklärung enthalten muss (§ 32 Abs 1 lit b GBG), möglich. Das Urteil, das den beklagten Anlageberater zum Schadenersatz Zug um Zug gegen Übertragung der Miteigentumsanteile verpflichtet, ist kein Exekutionstitel zu seinen Gunsten (RIS-Justiz RS0000048) und deshalb nicht Grundlage für eine grundbücherliche Eintragung (vgl Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht § 33 GBG Rz 8). Die Kosten, die mit der Rückabwicklung, insbesondere der Intabulation, verbunden sind, würde die Naturalrestitution nur dann untunlich machen, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen (vgl Reischauer aaO Rz 9 mwN).

13. Die Judikatur schließt den Naturalersatz aus, wenn das entgegenstehende Interesse des Schädigers unverhältnismäßig größer ist als das hierauf gerichtete Interesse des Beschädigten (RIS-Justiz RS0030140; vgl auch Reischauer aaO Rz 9: begrenzt auf die Naturalherstellung durch den Geschädigten, im Gegensatz zum [auch hier geforderten] Geldersatz zum Zweck der Naturalherstellung durch den Geschädigten; Hinteregger aaO Rz 9).

14. Interessen des Schädigers könnten auch dadurch unverhältnismäßig verletzt werden, dass ihm eine Rechtsposition durch eine Beteiligung an einem „Bauherrenmodell“ und einer Miteigentumsgemeinschaft „aufgedrängt“ wird, die er zuvor nie hatte und die nie seinen Zielvorstellungen über die Verwendung seines Vermögens entsprochen hat (vgl dazu das von M. Bydlinski aaO 685 gewählte Beispiel eines Immobilienmaklers, der einen fehlinformierten Liegenschaftskäufer durch Vergütung des Kaufpreises samt Nebenkosten gegen Erhalt des Eigentums am Kaufobjekt schadlos halten müsste).

15. Mit der Frage der Zulässigkeit der Naturalrestitution bei Erwerb einer Kommanditeinlage an einer GmbH & Co KG, die der Anleger bei korrekter Beratung nicht gewählt hätte, befasste sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der Entscheidung 8 Ob 135/10a. Er verwies darauf, dass der Anleger nur als Geldgeber aufgetreten sei, für ihn eine Treuhänderin Kommanditistin sei und nur diese gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern aus dem Kommanditverhältnis berechtigt und verpflichtet sei. Inwieweit sich dies auf die Schlüssigkeit bzw die Formulierung des Klagebegehrens, in dem von der „Übertragung der Kommanditbeteiligung“ durch den Kläger die Rede sei, auswirke, sei noch zu erörtern.

16. Bei dem hier zu beurteilenden „Bauherrenmodell“ würde die begehrte Naturalrestitution dazu führen, dass der beklagte Anlageberater Mitglied einer Gemeinschaft von Bauherrn und Miteigentümern wird. Als solches hätte er nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Im Vordergrund steht die Verpflichtung, zu den Kosten der Errichtung/Sanierung oder Erhaltung des Hauses beizutragen. Bestehen Hauptmietverträge, kommt dem Teilhaber die Stellung als (Mit-)Vermieter zu (vgl § 2 Abs 1 MRG). Diese Belastungen bestehen, solange er am „Bauherrenmodell“ beteiligt und als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Ein Verkauf dieser Anlage ist wegen der Suche nach Interessenten, der Notwendigkeit der grundbücherlichen Eintragung etc zweifellos zeitraubender und auch kostenintensiver als die Verwertung von Wertpapieren, die sich, sofern sie noch gehandelt werden, in der Regel rasch umsetzen lässt. Dazu kommt noch, dass die steuerlichen Erwägungen, die den Anleger zur Zeichnung dieses Modells veranlassten und seine Einkommens- oder Vermögenssituation berücksichtigten, für den Berater völlig irrelevant sein können, wenn er solche Steuervorteile nicht nutzen kann.

17. Ob die Naturalrestitution deshalb ausgeschlossen ist, weil sie die Interessen des Schädigers unverhältnismäßig beeinträchtigt, kann allerdings noch nicht abschließend beurteilt werden. Es steht etwa nicht fest, wie das vom Kläger erworbene „Bauherrenmodell“, insbesondere was die Art und Verwertungsmöglichkeit des Objekts, die mit der Beteiligung verbundenen und noch zu erwartenden Aufwendungen, die Kosten der Rückabwicklung, die Möglichkeit der Übernahme allfällig gewährter Förderungen und die Steuerersparnis (für den Anlageberater) betrifft, im Detail gestaltet ist. Ausgehend von ihrer vom erkennenden Senat nicht geteilten Meinung, die Naturalrestitution sei in jedem Fall zulässig, haben die Vorinstanzen diese Fragen nicht mit den Parteien erörtert. Feststellungen zu dieser Thematik fehlen, was das Erstgericht (sofern nach entsprechender Erörterung konkreteres Sachvorbringen vorliegt) nachzuholen hat.

18. Der Beklagte beruft sich auf ein Mitverschulden des Anlegers, weil dieser ohnehin schriftliche Informationen über das „Modell“ (mit dem Hinweis auf monatliche Zahlungen während der Finanzierungsphase) erhalten hätte. Dieser (in der Revision nur äußerst knapp ausgeführte) Vorwurf war aber im Gegensatz zur Frage des Ausstiegs aus dem „Modell“ nicht Thema seiner Berufung und ist daher im Revisonsverfahren nicht mehr zu behandeln (vgl RIS-Justiz RS0043480 [T22]).

19. Einer Obliegenheit zum Verkauf einer Anlage, auf die sich der Beklagte im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Ausstieg aus dem „Modell“ beruft, stehen Lehre und Judikatur außer „in besonderen Fallkonstellationen“ ablehnend gegenüber (P. Bydlinski aaO 171 mN in FN 107; Dullinger aaO 698 FN 40, 41). Warum trotz des für den Fall des vorzeitigen Ausstiegs aus dem „Modell“ in Aussicht gestellten Verlusts von 30.000 EUR das Behalten der Anlage eine Verletzung der Schadensminderungspflicht sein soll, kann der in diesem Punkt beweispflichtige (Karner in KBB³ § 1304 Rz 11 mwN) Beklagte nicht überzeugend darlegen, zumal er ja selbst auf den Erhalt einer „werthaltigen Immobilie“ verwiesen hat.

20. Für das Hauptfeststellungsbegehren soll nach der Meinung des Beklagten das Feststellungsinteresse fehlen: Die (gemeint im Fall der „Rückabwicklung“ vom Kläger zu leistende) Steuernachzahlung stehe bereits ziffernmäßig fest. Weitere Aufwendungen in unbekannter Höhe seien nicht denkbar. Letzterem ist entgegenzuhalten, dass der Beklagte ja selbst zur Tunlichkeit der Naturalrestitution damit argumentiert, diese sei jedenfalls aufgrund der Übertragung der Miteigentumsanteile mit Aufwendungen verbunden. Weigert sich der Beklagte, ein Grundbuchgesuch zu stellen, um die Naturalrestitution endgültig abzuschließen, könnte sich der Kläger dazu veranlasst sehen, die grundbücherliche Durchführung auf seine Kosten zu veranlassen, um dem Einwand des Zug-um-Zug-Prinzips nicht ausgesetzt zu sein und weiteren Verpflichtungen aus seiner Miteigentümerstellung zu entgehen. Die Judikatur bejaht das Vorliegen eines Feststellungsinteresses bereits dann, wenn das Rechtsverhältnis durch eine Unsicherheit gefährdet ist und ein Bedürfnis nach Klärung der Rechtslage besteht (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger³ § 228 ZPO Rz 7 mwN). Da der Beklagte seine Verpflichtung zur Naturalrestitution grundsätzlich bestreitet und zukünftige Schäden durch Aufwendungen im Zusammenhang mit der grundbücherlichen Durchführung der Naturalrestitution nach Vorliegen eines entsprechenden rechtskräftigen Titels nicht auszuschließen sind, kann das Hauptfeststellungsbegehren nicht schon mit dem Argument des fehlenden Feststellungsinteresses abgewiesen werden. Seine Berechtigung hängt vielmehr vom Schicksal des Hauptleistungsbegehrens ab, weil es ja nur auf den Ersatz künftiger Schäden, die mit der Durchführung der Naturalrestitution verbunden sind, gerichtet ist. Die Aufhebung der Entscheidung über das Hauptleistungsbegehren zieht somit auch dieselbe Konsequenz für das Hauptfeststellungsbegehren nach sich.

21. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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