Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden in Ansehung der Abweisung des Hauptbegehrens bestätigt und im Übrigen dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts insgesamt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 133.555,52 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 2. 2005 zu bezahlen, wird abgewiesen. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen 133.555,52 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 2. 2005 Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere Wertpapier-Kennnummer ***** im Nominale von 210.000 DM und Wertpapier-Kennnummer ***** im Nominale von 70.000 EUR zu bezahlen und die mit 27.515,96 EUR (davon 3.230,31 EUR Umsatzsteuer und 8.134,10 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen."
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 12.681,64 EUR (davon 803,44 EUR Umsatzsteuer und 7.861 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der 1943 geborene Kläger besuchte acht Jahre die Volksschule, arbeitete bis zum 25. Lebensjahr als Landarbeiter und war anschließend sieben Jahre als Versicherungsvertreter tätig. Danach nahm er die Stelle eines Gemeindesekretärs in einer kleinen Gemeinde an, die er bis zu seiner Pensionierung am 1. 1. 2004 innehatte. Sein monatliches Nettogehalt als Gemeindesekretär betrug zunächst 5.000 S und zuletzt 1.700 EUR. Aus seiner fortgeführten Versicherungsvertretertätigkeit erzielte er im Schnitt ein Einkommen zwischen 30.000 S und 50.000 S im Monat. Im Jahr 1997 war sein Liegenschaftsvermögen rund 10 Mio S wert. In den 1970-er Jahren kaufte er steuerbegünstigte österreichische Staatsanleihen. In den 1980-er Jahren investierte er in Dollaranleihen, die sich nicht zu seiner Zufriedenheit entwickelten, weshalb er keine Fremdwährungsanleihen mehr wollte. In der Folge veranlagte er sein Geld in Liegenschaften.
1997 sprach der Kläger bei der beklagten Bank vor, weil er zur teilweisen Finanzierung eines Liegenschaftserwerbs einen Kredit aufnehmen wollte, mit der Überlegung, die Kreditzinsen steuerlich abzusetzen und als Sicherheit für die Kreditsumme einen Betrag in dieser Höhe auf ein Sparbuch einzuzahlen und durch eine langfristige Bindung einen Zinsengewinn von 1 % zu erwirtschaften. Da die Beklagte kein zufriedenstellendes Angebot erstellte, erkundigte sich der Kläger nach anderen Veranlagungsformen. Ihm wurden zahlreiche Möglichkeiten, unter anderem auch Fremdwährungskredite und Fremdwährungsanleihen angeboten. Der Kläger wollte einerseits eine möglichst sichere Veranlagung, andererseits so hohe Zinsen wie möglich. Neben Anleihen der Beklagten wurden dem Kläger Wertpapiere sowohl der Ratingkategorie „A" als auch im „B"-Bereich angeboten. Unter anderem wurden ihm argentinische Staatsanleihen empfohlen. Der Mitarbeiter der Beklagten beschrieb diese als „relativ sicher". In Bezug auf das Risiko wurde der Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass Kursschwankungen möglich seien und Zinszahlungen verspätet ausbezahlt werden könnten. Über das Risiko eines größeren Kapitalverlusts oder eines völligen Zinszahlungsstopps wurde nicht gesprochen. Der Kläger wurde darüber informiert, dass Argentinien ein wirtschaftlich starker Staat sei, der stärkste Südamerikas, ein Staat noch nie in Konkurs gegangen sei und bisher auch die Zinsen noch nie verspätet gezahlt worden seien. Der Berater wies den Kläger darauf hin, dass „AAA" von Rating-Agenturen bewertete Anleihen sicherer seien als solche aus dem „B"-Bereich. Er erhob das Einkommen des Klägers und dessen Liegenschaftsbesitz. Dem Kläger waren die grundsätzlichen Begriffe und Funktionsweisen bei Wertpapieren bekannt, insbesondere der Zusammenhang zwischen höheren Zinsen und höherem Risiko. Nach dem ersten Beratungsgespräch überlegte sich der Kläger die vorgeschlagenen Varianten. Er richtete am 10. 3. 1997 ein Schreiben an die Beklagte. Darin gab er bekannt, dass und zu welchen Konditionen er den beabsichtigten Kredit aufnehmen wolle, und hielt das Angebot einer 8,5 % Argentinien-DM-Anleihe, die Aussage des Beraters, dass damit kaum ein Risiko gegeben sei sowie Überlegungen in Bezug auf ein fehlendes Wechselkursrisiko fest. Er forderte, dass aus der Bank bekannt gegebenen Gründen keine Querverbindung zwischen Kredit und Wertpapierdepot hergestellt werden dürfe. Weiters begehrte er eine Reduktion des Ausgabekurses.
Am 18. 3. 1997 wurde über Auftrag des Klägers für sein Depot bei der Beklagten eine Republik Argentinien-DM-Anleihe 1996 bis 23. 2. 2005 (Wertpapier-Kennnummer *****) im Nominalwert von 210.000 DM zum Kurs von 100,75 % und einer zugesagten Nominalverzinsung von 8,5 % erworben. Er bezahlte hiefür 211.575 DM zuzüglich Stückzinsen. Bei ordnungsgemäßer Bedienung hätte die Rendite 8,36 % pa betragen. Im März 1997 lag die Bewertung der gekauften argentinischen Staatsanleihen durch die Ratingagentur Standard & Poors bei „BB -". Sie verbesserte sich im April 1997 auf „BB". Diese Rating-Agentur beschreibt „BB" geratete Anleihen wie folgt:
„Eine 'BB' geratete Anleihe unterliegt einer geringeren Anfälligkeit in Bezug auf Zahlungsausfall als andere spekulative Titel. Sie unterliegt jedoch beträchtlichen aktuellen Unsicherheiten und Risiken bei nachteiligen Geschäfts-, Finanz- oder Wirtschaftsbedingungen, die dazu führen können, dass der Anleiheschuldner nur mehr unzureichend in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen aus der Anleihe nachzukommen."
In der Fachpresse gab es keine gravierenden Zweifel an der Bonität Argentiniens. Es gab auch sonst keinerlei signifikante Anzeichen für eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Argentiniens.
Der Kläger erhielt von 1998 bis inklusive 2001 aus der Anleihe jährlich Zinsen in Höhe von 13.333,94 DM ausbezahlt. Anfang 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe noch Geld zu veranlagen. Daraufhin legte ihm ein Mitarbeiter der Beklagten eine Liste der von der Beklagten angebotenen Wertpapiere vor. Im Februar kam es zu einem Informationsgespräch, bei dem der Kläger auf die im September 2000 aufgelegte argentinische Staatsanleihe hingewiesen wurde. In einem weiteren Gespräch Anfang April 2001 wurden die in Frage kommenden Anleihen besprochen, darunter die Anleihen der Beklagten, deren Verzinsung von 5 % bis 6 % pa dem Kläger zu gering war, sowie brasilianische und argentinische Staatsanleihen. Der Kläger meinte, weshalb er eine andere Veranlagung nehmen solle, wo doch mit den argentinischen Staatsanleihen alles so gut passe. Der Mitarbeiter der Beklagten wies den Kläger darauf hin, dass das Risiko höher als bei den Anleihen der Beklagten sei. Über Nachfrage ergänzte er, dass es zu Kursschwankungen von 10 % bis 15 % und verspäteten Zins- und Kapitalauszahlungen kommen könne, sich aber an der Risikoeinschätzung bzw Bonität der argentinischen Staatsanleihen seit 1997 nichts geändert habe, sodass alles passen würde. Über die Möglichkeit eines Ausfalls von Zinsen- oder Tilgungszahlungen wurde der Kläger nicht aufgeklärt. Auch im Jahr 2001 wurde ein Anlegerrisikoprofil nicht angelegt.
Am 23. 4. 2001 kaufte der Kläger die Republik Argentinien-Anleihe 2000 bis 7. 9. 2007 (Wertpapier-Kennnummer *****) im Nominalwert von 70.000 EUR zum Kurs von 94,15 %, einer zugesagten Nominalverzinsung von 10 % und einer Rendite von 11,31 % pa. Im Kaufzeitpunkt wurde von der Rating-Agentur Standard & Poors die Bonität mit „BB -" bewertet. Für diese Anleihe erhielt der Kläger noch keine Zinsen ausbezahlt. Der Kurs der im Jahr 1997 erworbenen Anleihe schwankte ab Kaufzeitpunkt bis Juni 2001 in einer Bandbreite weitgehend zwischen 90 % und 105 %. Die Kursentwicklung spiegelte kein deutliches Ausfallsrisiko wieder. Im August 1998 kam es zu einem rapiden Kursabsturz auf ca 80 % infolge der Russland-Krise, worauf die Rendite dieser Anleihe binnen weniger Tage auf 13 % pa stieg. Nach Beruhigung der Situation bis zum Jahresende 1998 bildete sie sich jedoch rasch wieder auf 8,5 % zurück. Der Kurs stieg wiederum auf 100 %. Aufgrund der raschen Kurserholung 1998 bei den russischen Staatsanleihen setzte sich sowohl bei Anlegern als auch bei Bankberatern die Überzeugung durch, dass „Staaten kaum Pleite gehen können".
Abgesehen von kleineren Kursschwankungen im Herbst 2000 hielten sich die argentinischen Anleihen bis in den Juni 2001 recht kursstabil bei Kursen von über 90 % des Nennwerts. Erst im Juli 2001 kam es zu einem deutlichen Kursabsturz auf ca 70 % des Nennwerts. Darauf folgte eine zweimonatige Erholungsphase. Ab Oktober 2001 beschleunigte sich der Kursabsturz, bis im Dezember 2001 die vorläufige Zahlungsunwilligkeit bzw Zahlungsunfähigkeit Argentiniens offensichtlich wurde. In den Jahren 2002 bis 2004 wurden die Anleihen um ca 20 % bis 30 % des Nennwerts gehandelt. Im März 2005 betrug der Kurs argentinischer Anleihen ca 25 % des Nennwerts. Am 13. 2. 2006 lag der Kurs der vom Kläger 1997 gekauften Anleihe bei 30,5 % (Geld) bzw 32 % (Brief) und jener der 2001 gekauften Anleihe bei 29 % (Geld) bzw 29,7 % (Brief). Das Rating der Fremdwährungsanleihe der Republik Argentinien bewegte sich von August 1993 bis 19. 3. 2001 im Bereich „BB", vom 26. 3. 2001 bis 12. 7. 2001 im Bereich „B +" bis „B -". Am 9. 10. 2001 erfolgte eine Herabstufung auf „CCC +". Nach einem weiteren Abstieg bis zu „SD" (Selective Default) vom November 2001 bis Februar 2002 wurde die Bonität per 1. 6. 2005 wiederum mit „B -" und einem stabilen Outlook bewertet.
Veranlagungen in argentinische Anleihen waren entsprechend den Ratings nicht als „Investmentgrade" sondern als „spekulativ" zu bewerten. Aus den Kursen der Argentinien-Anleihen war bis zum April 2001 nicht erkennbar, dass die Marktteilnehmer eine gravierende Verschlechterung der Zahlungsfähigkeit des Emittenten annahmen oder dass sie eine derartige konfiskatorische Umschuldung, wie sie dann stattfand, realistisch in Betracht zogen.
Beim Kauf der Anleihe im März 1997 gab es keinerlei signifikante Anzeigen oder Marktkommentare betreffend auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Argentiniens.
Beim Kauf der Anleihe im April 2001 gab es schon seit rund einem halben Jahr kritischere Medienberichte. Die Anleihekurve erholte sich jedoch nach einem Kursrückgang im vierten Quartal 2000 wieder und signalisierte kein gegenüber den Vorjahren signifikant erhöhtes Risiko. Die Medienberichte waren oft ambivalent. Sie konnten positiv und zugleich negativ interpretiert werden. Ab März 2001 nahm der negative Bias zu.
Seit 1975 gab es auf den internationalen Kapitalmärkten nur neun Fälle von Zahlungsverzug von Staaten, die für die Anleger meist recht glimpflich verliefen, wobei diese Länder mit Ausnahme von Russland in wirtschaftlicher Hinsicht mit Argentinien nicht vergleichbar sind. Die Renditen in der Rating-Kategorie A bewegten sich von 1997 bis 2001 weitgehend im Bereich von 4,5 % bis 6,5 %. Im Jahr 1997 lagen sie zwischen 5 % und 6,5 %, im Jahr 1999 zwischen 3,5 % und 5,5 % und im Jahr 2001 zwischen ca 4,5 % und 6,5 %. Die Renditen von Staatsanleihen der Rating-Kategorien „AAA" und „AA" lagen ca 0,10 % bis 0,25 % pa unter diesen Werten. Wäre der Kläger auf die Gefahr eines Kurssturzes im tatsächlich erfolgten Ausmaß oder die Möglichkeit eines Zinszahlungsstopps hingewiesen worden, hätte er keine argentinischen Staatsanleihen, sondern eine risikolosere Veranlagung gewählt. Es kann nicht festgestellt werden, in welche Anleihen der Kläger anstelle der argentinischen Staatsanleihen investiert hätte, wieviel Zinsen diese erwirtschaftet und welchen Kursverlauf sie gehabt hätten.
Die Republik Argentinien machte ihren Gläubigern ein Umschuldungsangebot, das eine erhebliche Senkung des Zinsfußes und eine erhebliche Verlängerung der Laufzeit vorsieht und von 70 % der internationalen Gläubiger angenommen wurde. Der Kläger hat die Anleihen weiter in seinem Depot.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von 133.585,52 EUR sA. Mit seinem ersten Eventualbegehren verlangt er die Zahlung dieses Betrags Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere. Mit einem weiteren Eventualurteilsantrag begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte ihm für sämtliche Schäden zu haften habe, die ihm aus der Anschaffung und unterlassener Informationsweiterleitung hinsichtlich der beiden Anleihen in Hinkunft entstehen. Er sei von der Beklagten vor den Anleihenkäufen falsch beraten worden. Aufgrund eines Umschuldungsangebots der Republik Argentinien sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass zumindest 75 % des vom Kläger für den Erwerb der Anleihen aufgewendeten Betrags nicht mehr getilgt werden. Dieser Ausfall betrage 133.585,52 EUR. Dieser Betrag entspreche auch dem Schadensbetrag an eingesetztem Kapital, den der Kläger erleide, wenn er die mit 25 % des seinerzeitigen Anschaffungswerts notierenden Anleihen veräußern würde. Bei richtiger Beratung hätte der Kläger Anleihen der Republik Argentiniens nicht gekauft, sondern in ein Wertpapier der Rating-Kategorie „A" investiert, eine durchschnittliche Rendite von 5,5 % erzielt und keinen Schaden erlitten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Sie habe den in finanziellen Angelegenheiten sehr erfahrenen Kläger nicht fehlerhaft beraten. Er habe bei Ankauf die bestehenden Risken gekannt.
Das Erstgericht gab der Klage insoweit statt, als es feststellte, dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche Schäden aus dem Verlust des Tilgungskapitals zu zwei Drittel zu haften habe, die ihm aus der Anschaffung und unterlassenen Informationsweiterleitung hinsichtlich der im April 2001 gekauften Anleihe in Hinkunft entstehen. Die Mehrbegehren wies es ab.
Rechtlich beurteilte es den eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt dahin, dass der Kläger beim ersten Anleihenkauf anlage- und anlegergerecht beraten worden sei. Anders verhalte es sich beim Kauf der Anleihe im April 2001. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ein Anlegerrisikoprofil anzulegen. Dies habe sie unterlassen. Sie hätte den Kläger auch auf die Tatsache des Kurseinbruchs im Gefolge der „Russland-Krise" hinweisen und ihn darauf aufmerksam machen müssen, dass Derartiges auch bei den von ihm in Aussicht genommenen argentinischen Staatsanleihen möglich sei. Sie hätte ihn auch auf die kritischeren Medienberichte hinweisen müssen. Sie hätte ihn auch auf die eventuelle Bedeutung, dass diese Anleihe nunmehr zu einem erhöhten Zinssatz von 10 % angeboten werde, aufmerksam machen müssen. Die Anleihe laufe noch bis zum 7. 9. 2007. Der Kläger habe die Papiere auch noch nicht veräußert. Dies habe zur Folge, dass im Hinblick auf eine allfällige Tilgung des Kapitals noch kein Schaden eingetreten und dieser Teil des Zahlungsbegehrens noch nicht fällig sei. Zum Zinsschaden habe der Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Was den Tilgungsschaden betreffe, so werde ein derartiger Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten. Im Hinblick auf die schwankenden Kurse der Anleihe sei jedoch die genaue Höhe des Schadens noch nicht feststellbar. Es sei jedoch ein Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen. Er hätte im Juni 2001, als ihm klar sein habe müssen, dass er hoch spekulative Papiere besitze, diese abstoßen müssen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht, jener der Beklagten jedoch Folge und wies alle Klagebegehren ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Die Beklagte sei ihren Aufklärungspflichten sowohl in Bezug auf die Person des Klägers als auch in Bezug auf das Anlageziel beim ersten Anleihenkauf nachgekommen. Eine fehlerhafte Beratung sei ihr auch beim zweiten Anleihekauf nicht vorzuwerfen. Der Kläger habe im Februar 2001 Anleihen der Beklagten mit einer Verzinsung von 5 % bis 6 % wegen zu geringer Verzinsung abgelehnt. An seinem Wunsch, argentinische Staatsanleihen zu erwerben, habe er festgehalten, obwohl er vom Mitarbeiter der Beklagten auf das gegenüber den Anleihen der Beklagten erhöhte Risiko (Kursschwankungen und verspätete Zins- und Kapitalauszahlungen) hingewiesen worden sei. Trotz entsprechender Warnhinweise habe er auf dem Erwerb bestanden. Eine weitergehende Aufklärungspflicht wäre nur dann gegeben gewesen, wenn sich die Bonität Argentiniens seit 1997 negativ verändert oder wenn sich gegenüber der ersten Entscheidungsgrundlage geänderte Hinweise auf das Risiko eines erheblichen Kursverlustes oder eines Zinszahlungsstopps ergeben hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. So habe sich die Bewertung der Bonität mit „BB -" nicht geändert. Ungeachtet dessen sei die Kursentwicklung mit Ausnahme des drastischen Kursabsturzes im Jahr 1998 stabil gewesen. Dem Kläger sei ein Kurssturz während der Laufzeit der Anleihe ohnehin egal gewesen. Davon abgesehen, habe sich der Kurs innerhalb weniger Monate völlig erholt. Gerade dieser Umstand habe in Bankkreisen die Überzeugung hervorgerufen, dass Staaten kaum Pleite gehen könnten. Aus den Kursen der Argentinien-Anleihe bis April 2001 sei nicht erkennbar gewesen, dass die Marktteilnehmer eine gravierende Verschlechterung der Zahlungsfähigkeit Argentiniens angenommen hätten oder sie eine derartige konfiskatorische Umschuldung, wie sie dann stattgefunden habe, realistisch in Betracht gezogen hätten. Damit stehe fest, dass sich auch im April 2001 an der Auffassung der relevanten Bankfachleute über die Bonität der Argentinien-Anleihe gegenüber 1997 nichts geändert habe. Daher habe die Beklagte keine Veranlassung gehabt, dem Kläger vom Kauf der Anleihe abzuraten. Auch aus den Medienberichten, die ambivalent gewesen seien und zugleich sowohl positiv als auch negativ interpretiert werden konnten, sei für die Beklagte kein erhöhtes und daher aufklärungsbedürftiges Anlagerisiko abzuleiten gewesen. Angesichts dieser in Fachkreisen vertretenen Meinung über die Bonität der Argentinien-Anleihe habe die Beklagte aus der gegenüber der Verzinsung der ersten Anleihe nur geringfügig höheren Ausgabeverzinsung der zweiten Anleihe keine die Bonität der Anlage betreffende besondere Bedeutung beimessen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche, von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des ersten Eventualbegehrens auch berechtigt.
1. Die ständige Rechtsprechung ging bereits vor dem Inkrafttreten des WertpapieraufsichtsG (WAG), BGBl 1996/753, davon aus, dass die Bank bei Abschluss eines Effektengeschäftes auch ohne Bestehen eines besonderen Beratungsvertrags Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen (9 Ob 230/02t = ÖBA 2003, 959 mwN; 5 Ob 106/05g = ÖBA 2006, 376 mwN). Dabei ist ein strenger Maßstab an die Sorgfalt der Bank anzulegen, darf doch der Kunde darauf vertrauen, dass sie über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfügt, aber auch darauf, dass sie bei Abschluss und Durchführung solcher Geschäfte umfassend berät (9 Ob 230/02t mwN ua; RIS-Justiz RS0026135). Entscheidend sind einerseits die erkennbare Unerfahrenheit und Informationsbedürftigkeit des konkreten Kunden, andererseits die Art des beabsichtigten Geschäfts bzw Wertpapiers. Als Grundsatz kann gelten: Je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde, desto weiter reichen die Aufklärungspflichten (9 Ob 230/02t mwN; 5 Ob 106/05g mwN).
2. Die am 1. 7. 1997 in Kraft getretenen „Wohlverhaltensregeln" §§ 13 bis 15 WAG, BGBl 1996/753, enthalten eine gesetzliche Konkretisierung der Schutz- und Sorgfaltspflichten einer Bank bei Abschluss von Effektengeschäften. Insbesondere in § 13 Z 3 und 4 WAG wird die Verpflichtung zu einer anleger- und objektgerechten Beratung festgeschrieben. So verpflichtet § 13 Z 3 WAG die normunterworfenen Rechtsträger dazu, „von ihren Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand der Wertpapierleistungen sein sollen, über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist". § 13 Z 4 WAG trägt den genannten Rechtsträgern auf, „ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist". Die beiden Bestimmungen schreiben damit die schon bisher von der Rechtsprechung (und der Lehre) zu Effektengeschäften, insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und aus Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten fest (5 Ob 106/05g mwN). Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung ergibt sich dabei jeweils im Einzelfall in Abhängigkeit vom Kunden, insbesondere von dessen Professionalität, sowie von den ins Auge gefassten Anlageobjekten (5 Ob 106/05g ua). Mit § 15 WAG wurde schließlich eine ausdrückliche Haftungsnorm geschaffen, die auch im Gesetz den zivilrechtlichen Charakter der Verhaltenspflichten eindeutig klarstellt. Sie bezweckt die grundsätzliche Sicherstellung der Haftung des Rechtsträgers bei Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 und 14 WAG auch bei leichter Fahrlässigkeit (3 Ob 289/05d mwN = ÖBA 2006, 925; 9 Ob 230/02t mwN). § 15 Abs 1 WAG schafft so eine auf den allgemeinen Schadenersatzregelungen aufbauende, abgeschlossene Haftungsnorm, die eine gesetzliche Konkretisierung vor- und nebenvertraglicher Verpflichtungen enthält (3 Ob 289/05d mwN). Bei Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten ist der Anleger grundsätzlich so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Aufklärung stünde (3 Ob 40/07i = JBl 2008, 49 [Mader]; 3 Ob 289/05d mwN; RIS-Justiz RS0108267).
3. Das WAG ist mit Ablauf des 31. 10. 2007 außer Kraft getreten. Am 1. 11. 2007 ist das WAG 2007, BGBl I 2007/60, in Kraft getreten. Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Grundsätzlich ist nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RIS-Justiz RS0031419). Weder die Übergangsbestimmungen des WAG noch jene des WAG 2007 ordnen die Rückwirkung von im Anlassfall interessierender Normen an. Nach der in § 5 ABGB enthaltenen Zweifelsregel der Nichtrückwirkung eines Gesetzes auf früher verwirklichte Sachverhalte (s nur 5 Ob 311/04b; 4 Ob 192/06y mwN; F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 5 Rz 2) ist das WAG 2007 in keinem der Geschäftsfälle anzuwenden und das WAG auf den ersten Geschäftsfall nicht anwendbar. Das zweite Geschäft vom März 2001 fällt in den zeitlichen Anwendungsbereich des WAG, BGBl 1996/753. Die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten für einen Beratungsfehler beim zweiten Geschäft und dessen Rechtsfolgen sind die gleichen wie beim Wertpapierankauf im März 1997 (s oben 1. und 2.).
4. Die Informationserteilung hat dem Gebot vollständiger, richtiger, rechtzeitiger und verständlicher Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen (3 Ob 40/07i; 7 Ob 64/04v = ÖBA 2005, 721). Die Information hat produktbezogen zu sein (3 Ob 40/07i; 1 Ob 148/05d = ÖBA 2006, 303 mwN).
Die Beklagte hat nach diesen Grundsätzen in beiden Geschäftsfällen Beratungsfehler zu verantworten:
Anlageziel des Klägers war eine weitgehend sichere Kapitalanlage mit einer die Anleihen der Beklagten übersteigenden Verzinsung, wobei - beim ersten Geschäftsfall - die Kapitalanlage auch die Rückführung des gleichzeitig bei der Beklagten aufgenommenen Kredits sicherstellen sollte und der Kläger bereit war, ein gewisses Risiko in Bezug auf eine verzögerte Zahlung der Zinsen auf sich zu nehmen. Das Kursrisiko hatte für ihn keine wesentliche Bedeutung, plante er doch nach eigenem Vorbringen (ON 54 S 3) nicht, die Anleihen vor Fälligkeit zu verkaufen.
Im Hinblick auf diese der Beklagten bekannten Vorgaben wurde der Kläger nicht richtig beraten. Kann das Kursrisiko (und das Wechselkursrisiko) vernachlässigt werden, so liegt das verbleibende Risiko in der Bonität des Emittenten. Für die Anleihe lag eine Bewertung für Argentinien durch eine der führenden Rating-Agenturen vor. Eine richtige und sorgfältige Beratung des Klägers hätte erfordert, die Bewertung festzustellen und dem Kläger mitzuteilen und zu erläutern. Die allgemeine, kaum aussagekräftige Information, „AAA" bewertete Anleihen seien sicherer als solche aus dem „B"-Bereich, entsprach nicht der Pflicht der objektbezogenen Beratung. Der Mitarbeiter der Beklagten ließ mit der Äußerung, Argentinien sei der wirtschaftlich stärkste Staat Südamerikas und noch nie sei ein Staat in Konkurs gegangen, Bedenken in Bezug auf die Bonität des Emittenten nicht aufkommen oder zerstreute mit ihr möglicherweise bestehende Bedenken des Klägers. Nach den getroffenen Feststellungen war das Ergebnis der Beratung die Einstufung der empfohlenen Anleihe als risikoarm, obwohl sie von einer führenden Rating-Agentur nach der festgestellten Ratingdefinition als spekulativer Titel bewertet wurde. Es wurde gegen die Pflicht, dem Kläger das Bonitätsrisiko der konkreten Anlage zutreffend darzustellen, verstoßen. Was den zweiten Geschäftsfall vom April 2001 betrifft, so traf das Erstgericht widersprechende Feststellungen über das Rating der erworbenen Euro-Auslandsanleihe. Einerseits stellte es fest, im Kaufzeitpunkt - am 23. 4. 2001 - sei die Bonität durch die Rating-Agentur Standard & Poors mit „BB -" bewertet worden. Andererseits traf es die Feststellung, vom 26. 3. 2001 bis 12. 7. 2001 - in diesen Zeitraum fällt auch die letzte Beratung vor dem Ankauf - habe sich die Bewertung im Bereich von (schlechteren) „B +" bis „B -" bewegt („B -": sehr spekulativ, geringe Sicherheit der langfristigen Schuldenbedienung - vgl ./N).
Der Widerspruch hindert indessen eine endgültige Entscheidung nicht:
Wenngleich im Hinblick auf die höhere Verzinsung der Anleihe und das Wissen des Klägers, dass höhere Zinsen ein höheres Risiko bedeuten, die Risikobereitschaft des Klägers gegenüber 1997 möglicherweise gestiegen war, so war doch die Beratung des Mitarbeiters der Beklagten auch dann falsch, wenn die Bonität des Emittenten im Beratungs- und im Kaufzeitpunkt mit „BB -" bewertet wurde. Die tatsächliche Risikobereitschaft des Klägers wurde nicht erfragt. Es wurde auch eine korrekte Aufklärung über das Emittentenrisiko nach der Rating-Kategorie „BB -" unterlassen. Hinzu kommt, dass die Information, an der Risikoeinschätzung bzw Bonität habe sich seit 1997 nichts geändert, sondern es würde alles passen, allein wegen der, wenn auch ambivalenten, zeitnah zur Beratung aber zunehmend negativ werdenden, von der Beklagten zu verfolgenden Medienberichte unrichtig war und allfällige, sich aus der höheren Verzinsung ergebenden Bedenken des Klägers wegen der Bonität zerstreute, was nicht einer sorgfältigen und richtigen Beratung entsprach.
5. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 Ob 123/05d (=
ÖBA 2006, 682 = ecolex 2006, 566) ausführlich dargelegt, dass ein Ersatz des nach der Differenzmethode ermittelten rechnerischen Schadens (des Vermögensschadens) in Geld, wie ihn der Kläger mit seinem Hauptbegehren geltend macht, erst nach einem Verkauf der Wertpapiere begehrt werden kann. Bis zum maßgeblichen Schluss der Verhandlung erster Instanz hat der Kläger die Anleihen nicht veräußert. Er kann demnach keinen Geldersatzanspruch stellen. Die Abweisung des Hauptklagebegehrens durch die Vorinstanzen war daher zu bestätigen. Die Behauptung in der Revision, der Kläger habe zwischenzeitig die Papiere verkauft, ist eine im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerung.
Der Kläger kann - wie oben schon ausgeführt - verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Aufklärung stünde. Bei richtiger Beratung hätte der Kläger die Argentinien-Anleihen nicht gekauft. Er hat einen Anspruch auf Naturalrestitution (§ 1323 ABGB), in dessen Rahmen ihm - Zug um Zug gegen Übertragung der Anleihen - der Anspruch auf Rückzahlung der zum Erwerb der Anleihen gezahlten Kaufpreise abzüglich der erhaltenen Zinszahlungen zusteht ([1.]
211.575 DM minus 53.335,76 DM = 158.238,24 DM = 80.906,44 EUR plus
[2.] 65.905 EUR = 146.811,94 EUR) [vgl 3 Ob 40/07i; Kletecka, ÖBA
1999, 391; Wilhelm, Variationen über den Anlegerschaden, ecolex 2006, 541]. Der Kläger begehrt weniger. Einen Mitverschuldenseinwand hat die Beklagte - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - nicht erhoben. Dem ersten Eventualbegehren war daher stattzugeben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger beantragte gemäß § 21 Abs 1 RATG für seine Berufungsschrift von insgesamt 29 Seiten (einschließlich Rubrum und Revisionsanträge), einen Honorarzuschlag von 50 % zu den Ansätzen des Rechtsanwaltstarifgesetzes. Für eine nach Umfang und Art den Durchschnitt erheblich übersteigende Leistung ist aber nicht einfach der Umfang der Arbeit, die der Rechtsanwalt von sich aus verrichtete, bedeutsam, sondern allein das Verhältnis zwischen diesem und dem damit erzielbaren Erfolg (1 Ob 105/99v). Abgesehen davon, dass schon der Umfang der Berufungsschrift nicht erheblich über dem Durchschnitt liegt, bedurfte es angesichts der in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Haftung von Banken bei Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten beim Abschluss von Effektengeschäften zur Darlegung eines Beratungsfehlers beim ersten Geschäft keines überdurchschnittlichen anwaltlichen Arbeitsaufwands. Die Ansätze des Rechtsanwaltstarifgesetzes sind daher im Anlassfall ausreichend.
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