OGH 9Ob230/02t

OGH9Ob230/02t26.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ernst S*****, Angestellter, 2) Angelika S*****, Lehrerin, beide *****, beide vertreten durch Dr. Günter Niebauer und Dr. Karl Schaumüller, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Karl F. Engelhart, Rechtsanwalt, Esteplatz 4/11, 1030 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der D***** AG (2 S 691/98z HG Wien), vertreten durch Proksch & Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 23.105,02 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. August 2002, GZ 3 R 2/02i-28, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine Rechtsfrage dieser Qualität will der Revisionswerber in der Frage erblicken, "wie weit die Aufklärungspflicht einer Bank betreffend einen hochspekulativen, bis zum Zeitpunkt der Empfehlung jedoch in seiner Performance vorbildlichen" Hedgefonds unter Berücksichtigung des Wertpapieraufsichtsgesetzes gehe. Dieser Sicht kann auf Grund der folgenden Erwägungen nicht beigetreten werden:

Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen suchten die Kläger im Juli 1998 nach einer sicheren Geldanlage für einen Betrag von insgesamt ATS 400.000 (EUR 29.069,13) mit 5-jähriger Bindung, worauf ihnen der Anlageberater der (später in Konkurs gegangenen) Bank, deren Masseverwalter der Beklagte ist, den bis zu diesem Zeitpunkt sehr ertragreichen T***** Fund empfahl. Es handelte sich dabei um einen so genannten Hedgefonds (siehe zu dieser Form der Geldanlage Fano-Leszczynski, Hedgefonds [2002] 13 ff), der als Offshore-Fonds mit Sitz auf den British Virgin Islands ausschließlich in russischen Zinsinstrumenten veranlagte. Kurze Zeit nach dem Kauf durch die Kläger brach dieser Fonds im Gefolge der Russlandkrise im August 1998 zusammen.

Das Berufungsgericht bejahte unter Berufung auf die oberstgerichtliche Rechtsprechung eine Verletzung der Aufklärungspflichten durch die Bank. Nach seinen ergänzenden Feststellungen handelte es sich beim T***** Fund um ein hochspekulatives Wertpapier. Davon geht in der Zwischenzeit - zumindest bei der Formulierung der erheblichen Rechtsfrage - auch der Revisionswerber aus. Wenn aber dennoch immer wieder beteuernd die ausgezeichnete Performance des T***** Fund (vor seinem Zusammenbruch) hervorgehoben und beschworen wird, so bleibt unbeachtet, dass eine Investition in einen einzelnen Hedgefonds, der keiner staatlichen Aufsicht und keinem definierten Regelwerk unterworfen ist, entsprechend riskant und spekulativ ist, und nicht nur die Kursentwicklung des Fonds rückläufig sein kann (auf welchen Hinweis sich der Anlageberater im vorliegenden Fall beschränkte), sondern auch das gesamte eingesetzte Kapital verloren gehen kann (Arming, SWK 2002, 86 ua). Bei der steten Betonung der großartigen Vergangenheit dieses Fonds wird eine (wenn nicht sogar: die) wesentliche Grundregel der Geldanlage sträflich vernachlässigt, dass nämlich die Profite der Vergangenheit keine Garantie für zukünftige Erträge sind (Fano-Leszczynski aaO 17, 29, 134).

Die ständige Rechtsprechung ging bereits vor dem In-Kraft-Treten des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG), BGBl 1996/753, davon aus, dass die Bank bei Abschluss eines Effektengeschäftes auch ohne Bestehen eines besonderen Beratungsvertrages Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen (ÖBA 1998/720 [Iro] mwN; Fornara/Woschank, AnwBl 2002, 306 [307] mwN ua). Dabei ist ein strenger Maßstab an die Sorgfalt der Bank anzulegen, darf doch der Kunde darauf vertrauen, dass sie über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfügt, aber auch darauf, dass sie ihn bei Abschluss und Durchführung solcher Geschäfte umfassend berät (RIS-Justiz RS0026135; Fornara/Woschank aaO 307). Entscheidend sind einerseits die erkennbare Unerfahrenheit und Informationsbedürftigkeit des konkreten Kunden (Iro in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 7/38), andererseits die Art des beabsichtigten Geschäfts bzw Wertpapiers. Als Grundsatz kann gelten: Je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde, desto weiter reichen die Aufklärungspflichten (vgl P. Bydlinski, RIW 1996, 290 mwN; ÖBA 1998/720 [Iro] mwN). So räumte sogar der Anlageberater der Bank bei seiner Zeugenvernehmung ein, dass die Kläger "mit relativ wenig Ahnung zu ihm gekommen" seien (ON 22, AS 159).

Die etappenweise am 1. 1. und 1. 7. 1997 sowie 1. 1. 1998 in Kraft getretenen §§ 11 ff WAG ("Wohlverhaltensregeln") enthalten nach dem Willen des Gesetzgebers eine gesetzliche Konkretisierung der Schutz- und Sorgfaltspflichten (vgl RV 369 BlgNR XX. GP 67); insbesondere in § 13 Z 3 und 4 WAG wird eine Verpflichtung zu einer anleger- und objektgerechten Beratung festgeschrieben. So verpflichtet § 13 Z 3 WAG die den §§ 11 bis 18 WAG unterworfenen Rechtsträger dazu, "von ihren Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand der Wertpapierdienstleistungen sein sollen, über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist". § 13 Z 4 WAG trägt den genannten Rechtsträgern auf, "ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist" (Knobl in Frölichsthal/Hausmaninger/Knobl/Oppitz/Zeipelt, WAG § 13 Rz 1 ff, 46 ff, 90 ff; Winternitz, WAG § 13 Rz 30 ff). § 13 Z 3 und Z 4 WAG schreiben damit die schon bisher von der Rechtsprechung (und der Lehre) zu Effektengeschäften insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten fest (vgl Knobl, ÖBA 1997, 783 mwN). Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung ergibt sich dabei jeweils im Einzelfall in Abhängigkeit vom Kunden, insbesondere von dessen Professionalität, sowie vom ins Auge gefassten Anlageobjekt (RV 369 BlgNR XX. GP 67). Mit § 15 WAG wurde schließlich eine ausdrückliche Haftungsnorm geschaffen, die auch im Gesetz den zivilrechtlichen Charakter der Verhaltenspflichten eindeutig klarstellt (Winternitz aaO § 15 Rz 2). Sie bezweckt die grundsätzliche Sicherstellung der Haftung des Rechtsträgers bei Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 und 14 WAG auch bei leichter Fahrlässigkeit (RV 369 BlgNR XX. GP 68).

Für die anlegergerechte Beratung kommt somit dem Anlageziel des Kunden eine maßgebende Bedeutung zu. Im Vordergrund steht dabei, ob der Anleger eine sichere Geldanlage bevorzugt oder doch bereit ist, ein größeres Risiko einzugehen (Tutsch, ecolex 1995, 84 mwN; Iro in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 7/39 mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass der den Klägern empfohlene Ankauf von Papieren eines hochspekulativen Hedgefonds, bei dem auch der totale Kapitalverlust gewärtigt werden musste, nicht dem Kriterium der von ihnen gesuchten sicheren Geldanlage entsprach, ist jedenfalls vertretbar (vgl ÖBA 1993, 987) und gibt daher keinen Anlass zu einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Generell gilt, dass die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten, die von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig sind, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen, entscheidend von den Umständen des Einzelfalles abhängt (Tutsch, ecolex 1995, 84; P. Bydlinski, RIW 1996, 290 [292]; Fornara/Woschank aaO 310; ÖBA 1994/425 [Iro], 156; ÖBA 1995/483; ÖBA 1995/521; ÖBA 2001/984; RIS-Justiz RS0029601), die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0106373). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Kasuistik des hier zu beurteilenden Einzelfalls schließt eine beispielgebende Entscheidung aus (RIS-Justiz RS0042405). So führte auch schon der Beklagte in der Klagebeantwortung aus, dass sich die jeweiligen Ankaufsvorgänge (anderer geschädigter Anleger), die über Monate verteilt gewesen seien, deutlich voneinander unterscheiden; es habe sich um unterschiedliche Kaufberatungsgespräche und Kaufentscheidungen gehandelt (ON 2, AS 9).

Stichworte