OGH 5Ob106/05g

OGH5Ob106/05g4.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch, Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian, Dr. Klaus Brändle, Dr. Manfred Schnetzer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen EUR 358.818,65 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2005, GZ 2 R 287/04d-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. September 2004, GZ 7 Cg 41/03d-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger EUR 13.746,98 samt 4 % Zinsen seit 27. 3. 2003 zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die Beklagte sei darüber hinaus schuldig, dem Kläger EUR 345.071,67 samt 4 % Zinsen aus EUR 331.324,79 vom 29. 3. 2000 bis 26. 3. 2003, aus EUR 27.493,95 vom 10. 4. 2000 bis 26. 3. 2003 sowie aus EUR 345.071,67 seit 27. 3. 2003 zu zahlen, wird abgewiesen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 21.172,05 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin EUR 1.924,73 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Kläger ist weiters schuldig, der Beklagten die mit EUR 8.078,05 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 456,40 USt und EUR 3.057,60 Barauslagen) sowie die mit EUR 2.625,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 437,58 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Inhaber der Firma H***** GmbH, deren Gegenstand die Schlosserei und der Stahlbau ist, und daneben noch an anderen Firmen beteiligt. Er ist Absolvent der HTL und von Beruf Schlossermeister.

Barbara H***** ist die Schwester des Klägers. Sie absolvierte eine Handelsakademie und arbeitet seither als Sekretärin.

Anfang des Jahres 2000 erzählte der Schwager des Klägers diesem, dass ein Arbeitskollege von ihm seit einiger Zeit bei Thomas G***** Vermögen veranlagt habe und gute Ergebnisse erziele, weshalb er selbst zwischenzeitlich über Thomas G***** Geld veranlage. Der Schwager stimmte den Kläger so euphorisch, dass dieser Kontakt zu Thomas G***** aufnahm. Thomas G***** betrieb ab dem Jahre 1994 ein Versicherungsbüro als selbständiger Versicherungsagent. Er hat keine Ausbildung im Wertpapierbereich und auch keine Konzession als Vermögensberater. Ab 1995 investierte er selbst in Aktien und erwarb sich dadurch Wertpapierkenntnisse. Ab 1998 begann er Kunden an die Beklagte zu vermitteln, wobei er bis zum Jahr 2000 ca 70 Kunden für Aktienankäufe vermittelte. Dafür erhielt Thomas G***** von der beklagten Partei die Hälfte der bei den Aktiendepots anfallenden Bankgebühren für die Wertpapierumsätze, also für alle Käufe und Verkäufe von Aktien. Er war aber nie bei der Beklagten angestellt oder ihr Mitarbeiter. Den zuständigen Mitarbeitern der Beklagten war nicht bekannt, ob Thomas G***** eine Wertpapierkonzession besitzt.

Beim ersten persönlichen Gespräch zwischen Thomas G*****, dem Kläger und dessen Schwester Barbara H***** teilte Thomas G***** beiden mit, dass im Wertpapierveranlagungsgeschäft unheimliche Gewinnmöglichkeiten bestünden. Er erklärte, dass er mit Wertpapierveranlagung bis zu 170 % Gewinn pro Jahr erzielt habe, und bot dem Kläger und dessen Schwester an, dass er in Aktiendepots investieren werde. Er könne 40 % Gewinn garantieren, es könne aber auch noch mehr Gewinn erzielt werden. Das Risiko sei aufgrund der vorangegangenen Jahre gleich null und bestehe nur darin, dass weniger Gewinn erwirtschaftet werde. Thomas G***** erwähnte nicht, dass bei Investition in Aktiendepots das Kapital auch verloren gehen kann. Aufgrund dieser Darstellung ging der Kläger davon aus, dass Thomas G***** wie ein Versicherungsmakler selbständig in Zusammenarbeit mit Spezialisten der Beklagten gute und ertragreiche Aktientitel auswählen werde, und entschloss sich, wie auch seine Schwester Barbara H*****, über Thomas G***** zu investieren, um am Gewinn der Wertpapierveranlagungen teilzuhaben.

Während Barbara H***** ihre auf einem Sparbuch veranlagten Ersparnisse investieren wollte, beabsichtigte der Kläger Firmengelder der Firma H***** GmbH in Höhe von S 7 Mio zu veranlagen, welche er teilweise in Dollar-Währung bei der CIBC (Canadian Imperial Bank of Commerce in Swiss) in Form von festverzinslichen Spareinlagen angelegt hatte. Eine Entgeltsvereinbarung für die Wertpapierveranlagung wurde zwischen dem Kläger und Thomas G***** nicht abgeschlossen, weil der Kläger davon ausging, dass die Beklagte aus ihrem Verdienst am Aktiendepot Thomas G***** bezahlen werde.

Am 31. 3. 2000 eröffnete die Beklagte über dahingehenden Auftrag des Thomas G***** mit Wissen und Willen des Klägers das auf den Kläger lautende Wertpapierdepot Nr 231-605321 und übergab die Kontoeröffnungsunterlagen samt dem gesamten Satz von Unterlagen, die für eine Konto- und Depoteröffnung notwendig sind, Thomas G***** zur Weiterleitung an den Kläger zur Unterfertigung. Bei diesen Kontoeröffnungsunterlagen befand sich auch das Anlegerprofil, das Depotunterschriftsprobenblatt, die Depotlegitimationsdaten, Unterschriftenprobezusatzvereinbarungen vom 22. 3. 2000 und die Vereinbarung über Auftragserteilung mittels Telefax bzw Telefon. Der Kläger unterfertigte diese Unterlagen, woraufhin Thomas G***** sie wieder an die beklagte Partei übergab. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Anlegerprofils war dieses nur teilweise ausgefüllt. Als Depotinhaber war der Kläger angegeben, als Zeichnungsberechtigter Thomas G*****. Die Position „Erstgespräch" war angekreuzt und das Datum 23. 3. 2000 sowie „Geschäftsstelle/Berater: 31/K*****" angeführt. Als Anlageziel war „Wertzuwachs" angekreuzt, als Anlagedauer „über fünf Jahre (langfristig)". Die Position „Erfahrungen und Kenntnisse im Wertpapiergeschäft" war ebensowenig ausgefüllt wie jene über die „finanziellen Verhältnisse". Angekreuzt war hingegen unter der Position „Risikobereitschaft" der Passus: „Ich bin mir des Verlustrisikos im Hinblick auf mein eingesetztes Kapital voll bewusst. Ich nehme es aber bewusst in Kauf, weil ich auch große Gewinnchancen erwarte." Auch die Ausfolgung der Kundeninformation, insbesondere der Risikohinweis „Anleihen/Schuldverschreibungen/Renten" und der Risikohinweis „Aktien" und „Investmentfonds" war angekreuzt und wurde vom Kläger mit Unterschrift bestätigt. Der Kläger nahm keine Ergänzungen des Anlegerprofils vor. Tatsächlich hatte auch zum Zeitpunkt der Unterfertigung dieser Unterlagen kein Gespräch zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der Beklagten stattgefunden. Die Zuordnung der Anlagedauer, die Erfahrungen und Kenntnisse im Wertpapiergeschäft, die finanziellen Verhältnisse und die Risikobereitschaft waren von der beklagten Partei nie mit dem Kläger besprochen worden.

Ob Thomas G***** dem Kläger mit den zu unterfertigenden Unterlagen auch die Risikohinweise „Aktien", „Anleihen/Schuldverschreibungen/Renten" oder „Investmentfonds" oder die Kundeninformationen über die Risikoklassifizierung von Wertpapieren ausgefolgt hat, ist nicht feststellbar. Jedenfalls hat der Kläger den Nichterhalt solcher Hinweise weder bei Thomas G***** noch bei der Beklagten reklamiert.

Ein bis zwei Tage nach der Depoteröffnung rief der Kläger Marboth K*****, den Privatkundenbetreuer der Beklagten in der Filiale Bregenz, an, erkundigte sich nach den Bankgebühren des Depots und forderte eine deutliche Reduktion aller Gebühren um die Hälfte. Eine solche Reduktion wurde ihm auch gewährt. Nicht feststellbar ist, dass der Kläger mit dem Privatkundenbetreuer K***** bei diesem Telefongespräch über seine Erfahrungen im Wertpapierhandel gesprochen und ausdrücklich eine Beratung durch die Beklagte abgelehnt hätte. Hätte ihm Herr K***** eine Beratung angeboten, wäre er weder zur Filiale Bregenz noch nach St. Pölten gefahren, sondern hätte Herrn K***** aufgefordert, zu ihm nach Hause zu kommen. Eine telefonische Beratung hätte er nicht abgelehnt.

Bereits am 22. 3. 2000 langte ein vom Kläger unterfertigtes Fax bei der Beklagten, Filiale Bregenz, ein, in welchem der Kauf von Aktien laut angeschlossener Aufstellung im Wert von S 7 Mio beauftragt wurde.

Die beiliegende Aufstellung hatte folgenden Inhalt:

2 Mio Intershop

1 Mio Nokia

1 Mio Cisko Systems

1 Mio EM.TV

1 Mio Softbank

1 Mio Exodus

Dieses Fax enthält den maschingeschriebenen Zusatz „Mit meiner persönlichen Unterschrift bestätige ich ausdrücklich, dass ich auf eigene Verantwortung handle."

Nach Unterfertigung dieses Fax durch den Kläger wurden von Thomas G***** drei handschriftliche Zusätze angebracht, womit die Überweisung des Geldes an die Beklagte „bis spätestens Freitag" angekündigt wurde, dass in dieses Depot „in ca zwei Monaten 5 Mio ATS im Fidelity Fund" von der V***** übertragen würden und dass „für weitere VK und KF Herr R. Gerd Thomas G***** bevollmächtigt" werde.

Ob der Kläger davon Kenntnis hatte, steht nicht fest.

Den Passus, dass auf eigene Verantwortung handle, nahm der Kläger zwar wahr, beachtete ihn aber nicht.

Nach Eingang von Überweisungen in der Gesamthöhe von S 7,076.659,68 erteilte Thomas G***** am 27. 3. 2000 im Namen und auf Rechnung des Klägers Einzelaufträge zum Aktienkauf, welcher von der beklagten Partei auch getätigt und mit Valuta 29. 3. 2000 dem Verrechnungskonto Nr 431-012022 belastend zugeschrieben wurde, woraufhin dieses Verrechnungskonto des Klägers ein Sollsaldo von S 719,38 aufwies.

Mit gewissen Auf- und Abrundungen entsprachen die Aktienkäufe dem Auftrag des Klägers.

Mit Telefax vom 29. 3. 2000 erteilte Thomas G***** der Beklagten den Auftrag, für das Wertpapierdepot des Klägers Nr 231-605315 Morphosys AG-Aktien im Wert von S 1,5 Mio zu kaufen. Ob der Kläger davon sowie vom Erwerb weiterer Aktien im Wert von S 1,5 Mio Kenntnis hatte, steht nicht fest. Die beklagte Partei erfüllte jedenfalls den Kaufauftrag über die 400 Stück Morphosys-Aktien im Gegenwert von S 1,536.841,58.

Sämtliche Abrechnungsauskünfte, insbesondere auch jene über den Ankauf der Morphosys-Aktien wurden direkt dem Kläger übermittelt.

Bei den vom Kläger angekauften Aktien handelte es sich - für die beklagte Partei erkennbar - um besonders risikoreiche Wertpapiere aus dem Bereich des „neuen Marktes".

Der Kläger hatte schon im Jahr 1992 über einen externen Berater Wertpapiergeschäfte getätigt, die mit einem aber bereits kalkulierten Verlust verkauft wurden, wobei es sich um konkrete Steuersparmodelle gehandelt hatte. Ob und welchen Gewinn der Kläger unter Berücksichtigung der Steuerersparnis tatsächlich erzielt hat, steht nicht fest. Von diesen früheren Investitionen des Klägers erfuhren Mitarbeiter der beklagten Partei aber erst am 15. 4. 2000 von einem eigenen Wiener Firmenkundenbetreuer.

Es steht nicht fest, dass der Kläger Termin- und Optionsgeschäfte getätigt hätte.

Der Kläger wusste im Zeitpunkt des Ankaufs der gegenständlichen Wertpapiere im März 2000, dass eine Aktie eine Beteiligung an einem Unternehmen ist. Er wusste auch, dass Unternehmen insolvent werden können. Aufgrund des guten Auftretens des Thomas G***** und der von diesem getätigten Zusagen zweifelte er aber nicht daran, dass das Geschäft gewinnbringend sei. Obwohl er selbst geschäftlich und kaufmännisch als selbständiger Unternehmer versiert war, hat er durch die Wertpapierveranlagungen im Jahr 1992 kein relevantes Fachwissen oder Erfahrungen betreffend Wertpapierrisken bzw das Verlustrisiko bei Aktien erlangt.

Hätte der Kläger im Zeitpunkt des Ankaufs der gegenständlichen Aktientitel die schriftlichen Kundeninformationen und Risikohinweise der Beklagten gelesen, so hätte er dennoch die Aktienankäufe durchgeführt. Ob er diese Aktienkäufe auch getätigt hätte, wenn er in einem persönlichen oder telefonischen Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten entsprechend beraten worden wäre, ist nicht feststellbar. Fest steht nur, dass der Kläger die Aktienkäufe nicht vorgenommen hätte, wäre ihm bewusst gewesen, dass er sein eingesetztes Kapital zur Gänze durch die Aktienkäufe auch verlieren konnte.

Am 7. 4. 2000 eröffnete die Beklagte über dahingehenden Auftrag des Thomas G***** mit Wissen und Willen der Barbara H***** das auf diese lautende Wertpapierdepot Nr 231-605665. Noch am selben Tag wurde von Barbara H***** ein Betrag von S 500.000 auf ihr Verrechnungskonto überwiesen. Die Kontoeröffnungsunterlagen samt Beilagen übergab ein Mitarbeiter der Beklagten wiederum Thomas G*****, der sie an Barbara H***** ausfolgte und erklärte, dass sie dort unterfertigen solle, wo bereits ein „Kreuzchen" angemerkt war. Barbara H***** unterfertigte die Kontoeröffnungsunterlagen, das Anlegerprofil, das Depotunterschriftsprobenblatt, die Depotlegitimationsdaten, die Unterschriftsprobezusatzvereinbarungen sowie die Vereinbarung der Auftragserteilung mittels Telefax bzw Telefon, ohne diese Unterlagen durchgelesen zu haben.

Das Anlegerprofil war zum Zeitpunkt der Unterfertigung nur dahin ausgefüllt, dass als Depotinhaberin Barbara H***** und als Zeichnungsberechtigter Thomas G***** angeführt war. Ob die Position „Erstgespräch" angekreuzt war, steht nicht fest. Als Datum war der 7. 1. 00, als Geschäftsstelle Bregenz und als Berater Herr W***** angeführt. Ansonsten war das Anlegerprofil weder in den Positionen „Anlageziel", „Erfahrungen und Kenntnisse in Wertpapiergeschäften" noch in den Positionen „finanzielle Verhältnisse" und „Risikobereitschaft" ausgefüllt. Bei der Position der Kundeninformation waren weder die ausgefolgten Risikohinweise angekreuzt noch das Datum der Ausfolgung angegeben. Diese Positionen wurden jedoch von Barbara H***** mit Unterschrift bestätigt.

Tatsächlich hatte zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Anlegerprofils keinerlei Gespräch zwischen Mitarbeitern der Beklagten und Barbara H***** stattgefunden. Weder Anlagedauer noch Erfahrungen und Kenntnisse im Wertpapiergeschäft, finanzielle Verhältnisse oder die Risikobereitschaft waren von der Beklagten mit Barbara H***** besprochen worden.

Ob ihr von Thomas G***** auch die „Risikohinweise" der Beklagten ausgefolgt wurden, steht nicht fest. Jedenfalls hat Barbara H***** solche Unterlagen nicht reklamiert.

Noch am 4. 7. 2000 erteilte Thomas G***** im Namen und auf Rechnung von Barbara H***** den Auftrag, 64 Stück United Internet AG-Aktien und 237 Stück Cisko Systems Inc. Shares zu kaufen. Die Beklagte erfüllte diesen Kaufauftrag und übermittelte die Abrechnungsauskünfte Barbara H***** persönlich.

Bei den von Barbara H***** angekauften Aktien handelt es sich ebenfalls - für die Beklagte erkennbar - um besonders risikoreiche Wertpapiere des „neuen Markts".

Barbara H***** wusste zum Zeitpunkt des Aktienkaufs als HAK-Absolventin, was eine Aktie ist. Über das mit einem Aktienkauf einhergehende Risiko machte sie sich keine Gedanken. Sie ging aufgrund der Zusagen des Thomas G***** betreffend die Gewinnerwartungen davon aus, dass sie zumindest das eingesetzte Kapital wieder herausbekomme. Hätte Barbara H***** die Risikohinweise „Aktien" vor Unterfertigung durchgelesen, hätte sie nicht in Aktien investiert. Sie hätte auch eine Veranlagung ihrer Ersparnisse in Aktien nicht vorgenommen, wäre sie von der Beklagten über das damit verbundene Risiko entsprechend beraten worden. Ein Beratungsgespräch wurde Barbara H***** von der Beklagten vor dem Ankauf der Aktien nicht angeboten. Es gab vielmehr keinerlei Kontakt zwischen Barbara H***** und Mitarbeitern der Beklagten.

Nach dem Aktienankauf befand sich das Verrechnungskonto der Barbara H***** mit S 940,42 im Minus, jenes des Klägers nach dem Morphosys-Aktienkauf mit S 1,537.560,96.

Ab Mitte März/April 2000 verfielen die Kurse der angekauften Aktien zum Teil erheblich. Da der Kläger trotz aller Interventionen des Kundenbetreuers K***** bei Thomas G***** den Sollsaldo auf seinem Verrechnungskonto nicht abdeckte, erkundigte sich Herr K***** Anfang Mai 2000 beim Kläger, wie der Saldo abgedeckt werden solle. Der Kläger erwiderte, dass er über kein Geld verfüge und ihn das Aktiendepot nicht mehr interessiere. Daraufhin verkaufte die Beklagte am 5. 5. 2000 die Morphosys-Aktien des Klägers von sich aus und lukrierte dafür einen Verkaufspreis von S 1,436.225,34, welchen sie dem Verrechnungskonto des Klägers gutschrieb. Danach wies das Verrechnungskonto des Klägers noch einen Sollsaldo von S 101.677,75 auf.

Im Oktober 2000 forderte Thomas G***** den Kläger auf, das Wertpapierdepot von der Beklagten zur V***** direkt zu verlegen, weil diese günstigere Konditionen biete. Tatsächlich wollte Thomas G***** aber die Übertragung des Depots deshalb, weil ihm die Beklagte weitere Geschäfte als Aktienvermittler aufgrund der Probleme im Zusammenhang mit dem Kauf der Morphosys-Aktien untersagt hatte.

Der Kläger beauftragte daraufhin eine Übertragung des Wertpapierdepots von der Beklagten zur V*****. Sein Wertpapierverrechnungskonto bei der Beklagten war damals mit S 134.155,- im Minus, welchen Betrag Thomas G***** mit eigenem Geld abdeckte. Die Beklagte übertrug daraufhin sämtliche Depotwerke zur V***** und löschte die Konten des Klägers. Der Gesamtwert des Depots betrug zu diesem Zeitpunkt S 3,672.886,86, der Verlust des Klägers gegenüber dem eingesetzten Kapital EUR 278.891,75.

Da die Kurse der im Depot bei der V*****erliegenden Aktien weiter verfielen, ordnete der Kläger per 11. 12. 2000 den Verkauf sämtlicher Aktien an. Der Gesamtschaden des Klägers nach dem Verkauf der Aktien betrug EUR 331.324,70.

Am 30. 5. 2001 erteilte Barbara H***** der V***** direkt den Auftrag, sämtliche Aktientitel auf ein bei dieser zu errichtendes Depot zu übertragen. Nachdem sie einen offenen Kontosaldo bei der Beklagten ausgeglichen und die Übertragungskosten bezahlt hatte, wurden am 27. 8. 2001 die Depotwerte von der Beklagten auf die V***** direkt übertragen. Zum Zeitpunkt der Übertragung des Depots hatte dieses einen Wert von EUR 7.175, der sich in der Folge auf EUR 8.355,05 erhöhte. Ausgehend vom eingesetzten Kapital betrug der Verlust der Barbara H***** EUR 27.493,95.

Barbara H***** trat ihre Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei an den Kläger zur Geltendmachung ab.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes von der Beklagten Zahlung von EUR 358.818,65 sA, welcher Betrag sich aus dem der Barbara H***** entstandenen Schaden von EUR 27.493,95 und dem ihm entstandenen Schaden von EUR 331.324,70 zusammensetze. Die Beklagte hafte dafür, dass sie entgegen den Bestimmungen der §§ 11 f WAG ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht erfüllt habe. Es habe insbesondere kein Beratungsgespräch im Sinn der Wohlverhaltensregeln des § 11 WAG stattgefunden. Die Beklagte habe es auch unterlassen, sich über Erfahrungen und Kenntnisse und die verfolgten Ziele der Veranlagung zu informieren und den Kläger bzw seine Schwester über die mit der Aktienveranlagung verbundenen Risiken aufzuklären. Wäre die Beklagte ihrer Verpflichtung nach dem WAG nachgekommen und hätte sie den Kläger und seine Schwester insbesondere über den hoch spekulativen Charakter der Aktien des „neuen Marktes" aufgeklärt, hätten beide vom Erwerb der Aktien Abstand genommen, sodass ihnen kein Schaden entstanden wäre. Die Beklagte hätte sich auch nicht mit den ihr übermittelten Anlegerprofilen zufrieden geben dürfen. Auch sei der Beklagten bekannt gewesen, dass Thomas G***** keine Ausbildung oder gar Berechtigung gehabt habe, als Anlageberater tätig zu sein. Dem Kläger und Barbara H***** sei allenfalls bewusst gewesen, dass Aktienkurse schwankten, aufgrund der Angaben des Thomas G***** seien sie jedoch der Ansicht gewesen, dass über einen längeren Zeitraum jedenfalls Zuwächse eintreten würden und ein gänzliches Verlustrisiko nicht gegeben sei. Im Anlegerprofil des Klägers sei als „Anlageziel" der Punkt „Wertzuwachs" angekreuzt gewesen, weshalb der Kläger berechtigterweise von einem Wertzuwachs des eingesetzten Kapitals und nicht von einem Verlust desselben ausgegangen sei. Die Beklagte habe Thomas G***** für die Vermittlung von Wertpapiergeschäften Provisionen bezahlt, sie habe sich daher bei der Vermittlung der umstrittenen Wertpapiergeschäfte des Thomas G***** bedient, weshalb sie sich auch dessen Erklärungen zurechnen lassen müsse. Sie hafte für sein Verschulden im Sinn des § 19 Abs 2a WAG.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Der Kläger sein ein erfahrener Geschäftsmann gewesen, der bereits Aktiengeschäfte durchgeführt habe. Er habe in seinem Anlegerprofil entsprechende Angaben gemacht, die Übernahme der Risikohinweise zu den einzelnen Wertpapierkategorien bestätigt und auch seine Risikobereitschaft bis zum Totalverlust dokumentiert. Sowohl der Kläger als auch Barbara H***** seien durch eine in Wertpapiergeschäften versierte Person vertreten gewesen, deren Wissen sie sich zurechnen lassen müssten. Allenfalls sei diese Person den Anlegern gegenüber schadenersatzpflichtig. Die Beklagte sei für den Kläger und Barbara H***** nie beratend tätig gewesen. Eine solche Beratung sei weder gewünscht noch nachgefragt, vielmehr ausdrücklich abgelehnt worden. Die beiden hätten ihre Wertpapiergeschäfte in wirtschaftlicher Eigenständigkeit durchgeführt und genau spezialisierte, nie hinterfragte Orders erteilt. Dennoch habe sich die Beklagte über die maßgeblichen Verhältnisse informiert und in mehreren Gesprächen die Wertpapiere und die Kursentwicklung derselben sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Vertreter des Klägers erörtert. Der Kläger und Barbara H***** hätten sämtliche Abrechnungsauskünfte und Depotinformationen erhalten, jedoch darauf nicht reagiert. Das Verhalten des Klägers bzw der Barbara H***** selbst und jenes ihres Vertreters, das ihnen jeweils zuzurechnen sei, sei auffallend sorglos in eigenen Angelegenheiten gewesen, sodass beiden insbesondere ein Mitverschulden eingewendet werde.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger EUR 83.469,92 sA zu zahlen und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab.

Die oben wiedergegebenen Feststellungen beurteilte das Erstgericht wie folgt:

Die Beklagte habe nicht davon ausgehen können, dass der Kläger bzw Barbara H***** selbst über ausreichende Erfahrungen im Wertpapiergeschäft verfügten, da die Anlegerprofile diesbezüglich keine Angaben enthalten hätten und der Umstand, dass der Kläger schon 1992 in Fonds investiert hatte, den Mitarbeitern der Beklagten erst später bekannt geworden sei. Gemäß § 13 Z 3 WAG hätten Banken von ihren Kunden Angaben über ihre Erfahrungen und Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand der Wertpapierdienstleistungen sein sollten, über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich sei. Gemäß § 13 Z 4 WAG hätten Banken ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden erforderlich sei. Eine Verletzung der Wohlverhaltensregeln nach § 13 WAG begründe gemäß § 15 WAG bei Vorliegen auch der übrigen schadenersatzrechtlichen Voraussetzungen selbst bei leichter Fahrlässigkeit einen Schadenersatzanspruch auf das negative Interesse.

Die besondere Risikoträchtigkeit der beabsichtigten Investitionen wäre für die Beklagte erkennbar gewesen, weshalb die Beklagte eine Beratung und Aufklärung nicht hätte unterlassen dürfen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass beide Anleger von Thomas G***** vertreten gewesen seien. Hätte die Beklagte Barbara H***** über das konkrete Risiko eines Kursverfalls und die Möglichkeit, das eingesetzte Kapital zu verlieren, ausreichend informiert, hätte diese den Aktienkauf unterlassen. Die Unterlassung der Beratung sei daher bezogen auf Barbara H***** kausal für den eingetretenen Schaden.

Beim Kläger hingegen sei nicht feststellbar gewesen, ob dieser nicht auch bei gehöriger Beratung die Aktienkäufe durchgeführt hätte. Diese Negativfeststellung gehe zu Lasten der hiefür beweispflichtigen Beklagten. Denn die Aufklärungspflichten sollen dem Aufzuklärenden die Möglichkeit eröffnen, möglichst sachlich fundiert selbst über die zu setzenden Maßnahmen zu entscheiden. Werde aber dem Geschädigten die Möglichkeit zur sachlich fundierten freien Entscheidung genommen, so müsse ihm nach den Grundsätzen der Naturalherstellung möglichst wieder eine gleichartige Position verschafft werden. Das Risiko der Unaufklärbarkeit, wie ohne Kenntnis der zwischenzeitlichen Ereignisse entschieden worden wäre, habe jener zu tragen, der den rechtzeitigen und eindeutigen Entschluss vereitelt habe. Das bedeute, die Bank sei nur dann von ihrer Haftung befreit, wenn sie beweisen könne, dass der Kunde auch bei gehöriger Beratung die risikoträchtigen Anlagegeschäfte getätigt hätte (Koziol, Die Haftung der depotführenden Bank bei Provisionsvereinbarungen mit externen Vermögensverwaltern ihrer Kunden, ÖBA 2003, 487). Ein solcher Beweis sei der Beklagten aber nicht gelungen. Sie hafte daher beiden aufgrund ihrer fahrlässigen Verletzung der Aufklärungspflicht im Sinn des § 13 WAG für den eingetretenen Schaden. Dieser stehe der Höhe nach fest.

Allerdings treffe sowohl Barbara H***** als auch den Kläger ein beträchtliches Mitverschulden am Zustandekommen des Schadens aus den gegenständlichen Aktiengeschäften. Beiden sei vorzuwerfen, ohne nähere Information über die Qualifikation und Sachkunde des Thomas G***** und ohne Rückfragen und Nachforschungen bei der Beklagten oder sonst qualifizierten Institutionen ihrem Berater vertraut und sich nach nur wenigen persönlichen Gesprächen ohne objektive Grundlagen bereitgefunden zu haben, sich bei Anschaffung der Aktientitel unkontrolliert von ihm vertreten zu lassen. Barbara H***** treffe dieser Vorwurf auch als Absolventin einer Handelsakademie, wobei von ihr betreffend die Risikoträchtigkeit des Aktienmarkts im Allgemeinen zumindest grundsätzliche Kenntnisse erwartet werden könnten. Den Kläger treffe dieser Vorwurf als langjähriger versierter Unternehmer mit gesellschaftsrechtlicher Erfahrung aufgrund seiner Unternehmensbeteiligungen. Er habe Firmengeld in Höhe von ca S 7 Mio vorbehaltslos an einen ihm nahezu unbekannten Vermögensberater zur Anschaffung von durch diesen frei bestimmbare Aktientitel ausgehändigt, ohne sich zumindest bei der dahinterstehenden Bank zu informieren. Gerade der Umstand, dass dem Kläger Gewinnzusagen in Höhe von 40 % gemacht worden waren, hätte ihn nach allgemeiner Lebenserfahrung erkennen lassen, dass mit derart hohen Gewinnen in der Regel auch ein entsprechend hohes Verlustrisiko verbunden sei.

In Abwägung dieser Umstände erachtete das Erstgericht ein Mitverschulden von Barbara H***** im Ausmaß von 50 % und ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von 75 % beim eingetretenen Schaden für angemessen.

Einer dagegen vom Kläger erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge und änderte über Berufung der beklagten Partei das erstinstanzliche Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab.

Die zufolge § 13 Z 3 und 4 WAG geschuldete Aufklärungs- und Beratungspflicht einer Bank bei Wertpapiergeschäften werde von der Rechtsprechung grundsätzlich dahin definiert, dass je spekulativer die Anlage und je unerfahrener ein Kunde sei, desto weiter diese Pflichten reichten. Im Vordergrund stehe dabei, ob der Anleger eine sichere Geldanlage bevorzuge oder doch bereit sei, ein größeres Risiko einzugehen (9 Ob 230/02t; 9 Ob 10/04t). Wenn ein Kunde bei Anbahnung eines Wertpapiergeschäfts aber schon entschlossen sei, das Geschäft zu tätigen, indem er einen bestimmten Auftrag erteile, werde die Bank nur in beschränktem Umfang zur Aufklärung und Beratung verpflichtet sein (6 Ob 268/00f). Es sei auch zu berücksichtigen, dass allgemein bekannt sei, dass der Ankauf von Aktien in hohem Maß risikoträchtig sein könne. Die Bank treffe nur dann eine Aufklärungspflicht über dieses allgemeine Risiko, wenn sie auch beratend tätig war (8 Ob 161/00k). Vor allem bei Kunden, die zu Spekulationsgeschäften entschlossen seien, dürfe die Aufklärungspflicht einer Bank nicht im Sinn einer Bevormundung des spekulierenden Kunden überspannt werden. Jeder habe grundsätzlich seine eigenen Interessen selbst wahrzunehmen (7 Ob 267/02v; 7 Ob 140/02t).

Wer eine Urkunde unterfertige, mache den durch seine Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt seiner Erklärung, auch wenn er ihm unbekannt sei, er ihn nicht verstanden habe oder nicht lesen könne. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Urkunde keine Bestimmungen enthalte, die üblicherweise in einer solchen Urkunde nicht vorhanden seien.

Weder der Kläger noch Barbara H***** hätten sich die Mühe gemacht, ein ihnen vorgelegtes Anlegerprofil, das ihnen die Beklagte über Thomas G***** habe zukommen lassen, auszufüllen. Barbara H***** habe dieses nicht einmal durchgelesen. Dabei habe der Kläger sogar unterfertigt, sich des Verlustrisikos im Hinblick auf sein eingesetztes Kapital voll bewusst zu sein und dies in Kauf zu nehmen, weil er sich auch große Gewinnchancen erwarte. Beide Investoren hätten den Erhalt von Kundeninformationen über die Risikoklassifizierung von Wertpapieren udgl sowie von weiteren Risikohinweisen unterfertigt. Die Beklagte habe daher davon ausgehen können, dass der Kläger und seine Schwester das Anlegerprofil gelesen hätten und entsprechende Angaben nicht machen wollten. Die Beklagte habe auch davon ausgehen können, dass dem Kläger und seiner Schwester die im unterfertigten Schriftstück aufgezählten Informationen zugekommen seien. Die Beklagte habe damit keine allfällige Unerfahrenheit und Informationsbedürfnisse des Klägers und der Zeugin H*****, die schließlich beide durch Thomas G***** vertreten waren, erkennen können. Dass die beiden Investoren Thomas G***** zu Unrecht vertraut hatten, sei für die Beklagte damals noch nicht im ausreichenden Maß hervorgekommen.

Zusammenfassend beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt dahin, dass keine konkrete Aufklärungsbedürftigkeit bestanden, die Beklagte also nicht rechtswidrig und schuldhaft Aufklärungs- und Warnpflichten verletzt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung die Frage noch nicht geklärt sei, ob und welche Auswirkungen ein unvollständiges Anlegerprofil des Kunden auf die von Banken geschuldete Beratungs- und Aufklärungspflicht bei Wertpapierankäufen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung.

Die Beklagte beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Frage der Aufklärungsnotwendigkeit unrichtig beurteilt hat, insbesondere unter Berücksichtigung des ähnlich gelagerten Falls, der Gegenstand der Entscheidung 1 Ob 231/04h (= RdW 2005, 459) war.

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Die etappenweise am 1. 1. und 1. 7. 1997 sowie am 1. 1. 1998 in Kraft getretenen §§ 11 ff WAG („Wohlverhaltensregeln") enthalten nach dem Willen des Gesetzgebers eine gesetzliche Konkretisierung der Schutz- und Sorgfaltspflichten einer Bank bei Abschluss von Effektengeschäften. Insbesondere in § 13 Z 3 und 4 WAG wird eine Verpflichtung zu einer anleger- und objektgerechten Beratung festgeschrieben. So verpflichtet § 13 Z 3 WAG die den §§ 11 bis 18 WAG unterworfenen Rechtsträger dazu, „von ihren Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand der Wertpapierdienstleistungen sein sollen, über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist". § 13 Z 4 WAG trägt den genannten Rechtsträgern auf, „ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist" (vgl Knobl in Frölichsthal ua, Kommentar zum WAG § 13 Rz 30 ff). Die Bestimmungen des § 13 Z 3 und 4 WAG schreiben damit die schon bisher von der Rechtsprechung (und der Lehre) zu Effektengeschäften, insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und aus dem Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten fest (vgl Knobl, Wieviel Beratung braucht der Österreichische Wertpapierhandel ÖBA 1997, 783 mwN). Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung ergibt sich dabei jeweils im Einzelfall in Abhängigkeit vom Kunden, insbesondere von dessen Professionalität, sowie von den ins Auge gefassten Anlageobjekten (RV 369 BlgNR XX. GP 67; 2 Ob 236/04a = ÖBA 2005/1295 [Oppitz]). Damit wurde der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, dass je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde ist, desto weiter die Aufklärungspflichten reichen (zuletzt 2 Ob 236/04a; 7 Ob 64/04v jeweils mwN) festgeschrieben.

Diese hier anzuwendenden Bestimmungen des WAG verpflichten daher die genannten Rechtsträger, von ihren Kunden vor allem bei hoch spekulativen Anlagen wie im vorliegenden Fall dem Kauf von Aktien des „neuen Markts" bestimmte Angaben zu verlangen, weil sich danach der Umfang ihrer Aufklärungspflicht richtet. Steht fest, dass eine von einem Kunden ins Auge gefasste Anlage hoch spekulativ ist, hat die Bank die in § 13 Z 3 genannten Informationen einzuholen. Es reichte demnach, wie dies die Feststellungen im konkreten Fall dartun, nicht aus, dass die Beklagte ein überwiegend unausgefülltes Formular entgegennahm, in dem weder Angaben über Erfahrungen des Kunden oder Kenntnisse in Wertpapiergeschäften enthalten noch die finanziellen Verhältnisse dargestellt waren, um daraus den Schluss zu ziehen, der Kläger verfüge über ausreichendes spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel, weshalb eine Beratungspflicht entfalle. Die Feststellungen reichen keineswegs hin, von einer „Verweigerung" solcher Angaben auszugehen.

Die Beklagte durfte hinsichtlich der Aufklärungsnotwendigkeit auch nicht auf den Vertreter des Klägers und seiner Schwester abstellen. Der Oberste Gerichtshof hat erst kürzlich in der Entscheidung 1 Ob 231/04h in einem nahezu identen Fall, bei dem dieselbe Bank und derselbe Vertreter tätig wurden, ausgesprochen, dass beim Umfang der Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber einem vertretenen Anleger Folgendes gilt:

Grundsätzlich ist beim Umfang der Aufklärungspflicht auf den Vertreter abzustellen. Das gilt aber dann nicht, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das die Dienstleistung der Annahme und Übermittlung von Aufträgen für Rechnung von Anlegern anbietet, unter Offenlegung der Identität seines Kunden Orders übermittelt. In diesen Fällen bestimmt sich das Kriterium der Professionalität nicht nach dem professionellen Stellvertreter oder Boten, sondern nach dem Endanleger. Die Aufklärungsnotwendigkeit ist daher in diesen Fällen in Bezug auf den Endanleger zu prüfen.

Nach den maßgeblichen Feststellungen standen der Beklagten - den Kläger und seine Schwester Barbara H***** betreffend - in Bezug auf deren Kenntnisse, Erfahrungen und Anlageziele keine ausreichenden Informationen im Sinn des § 13 Z 4 WAG zur Verfügung; gleichzeitig kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese durch ihre Weigerung oder Nachlässigkeit entsprechende Informationen zu erteilen, selbst ihren Anspruch auf Aufklärung eingeschränkt hätten (vgl 1 Ob 231/04h). Unter diesem Aspekt reicht auch der schriftliche Hinweis auf den möglichen Totalverlust nicht aus. Die Beklagte hat nach den Feststellungen keinerlei Versuch unternommen, in einem persönlichen Gespräch ihre Beratung und Aufklärung anzubieten.

Die Beklagte hätte sich zusammengefasst daher nicht auf mangelnde Aufklärungsbedürftigkeit verlassen dürfen, ohne zuvor Grundlagen zu schaffen, die sie instand gesetzt hätten, die Interessen des Klägers und seiner Schwester im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte zu wahren. Nach den zitierten, in §§ 11 ff WAG normierten „Wohlverhaltensregeln" ist die Beratung und Aufklärung nicht vom Kunden nachzufragen, sondern von den in § 13 Z 4 WAG genannten Rechtsträgern anzubieten.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hat demnach die Beklagte zumindest fahrlässig ihre sich aus §§ 13 und 14 WAG ergebenden Verhaltenspflichten verletzt, was grundsätzlich zu ihrer Haftung nach § 15 WAG führt (vgl 7 Ob 64/04v).

Dennoch kommt im Ergebnis eine Verpflichtung zum Schadenersatz hinsichtlich des vom Kläger selbst erlittenen Nachteils nicht in Betracht. Der Kläger hat nämlich als Geschädigter im Fall einer behaupteten Verletzung von Aufklärungspflichten zu beweisen, dass der Schaden ohne den Verstoß nicht eingetreten wäre und damit das Verhalten des Schädigers kausal für den eingetretenen Schaden war. Vom Grundsatz, dass die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nur das Verschulden betrifft, der Beweis der Kausalität jedoch weiterhin dem Gläubiger obliegt, ist der Oberste Gerichtshof nur bei ärztlichen Behandlungsfehlern abgegangen, weil hier wegen der besonderen Beweisschwierigkeiten des Patienten, die Kausalität nachzuweisen, von einer „prima-facie-Kausalität" auszugehen ist (RIS-Justiz RS0106890 ua). Davon kann aber bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch eine Bank nicht gesprochen werden (9 Ob 219/00x; 7 Ob 220/04k).

Was die Ansprüche der Barbara H***** betrifft, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen eindeutig die Kausalität der unterlassenen Aufklärung für den bei ihr eingetretenen Schaden. Sie hätte - über das konkrete Risiko eines Kursverfalls auch in Bezug auf das eingesetzte Kapital informiert - den Aktienkauf unterlassen. Was hingegen den Kläger selbst betrifft, geht die non-liquet-Situation hinsichtlich der Kausalität zu seinen Lasten, weil ihn nach den obigen Rechtsausführungen dafür die Beweislast trifft. Die oben wiedergegebenen Feststellungen lassen es nicht zu, davon auszugehen, dass der Kläger die Aktienkäufe nicht auch dann getätigt hätte, wenn er in einem persönlichen oder telefonischen Gespräch von einem Mitarbeiter der beklagten Partei entsprechend beraten worden wäre („ob er die gegenständlichen Aktienkäufe auch getätigt hätte, wäre er in einem persönlichen oder telefonischen Gespräch mit einem Mitarbeiter der beklagten Partei entsprechend beraten worden, ist nicht feststellbar").

Der von Koziol in „Die Haftung der depotführenden Bank bei Provisionsvereinbarungen mit externen Vermögensverwaltern ihrer Kunden" (ÖBA 2003, 483 f) vertretenen Ansicht, dass bei Verletzung von Aufklärungspflichten durch Banken diesen der Nachweis der Kausalität aufzuerlegen wäre, die letztlich nur mit der vom Obersten Gerichtshof im Fall der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht vertretenen Rechtsansicht begründet wird, schließt sich der erkennende Senat nicht an. Vermag also ein Anleger nicht nachzuweisen, dass der Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl 1 Ob 151/01i) nicht eingetreten wäre, wäre die Bank ihren Aufklärungspflichten nachgekommen, muss daran die Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche scheitern.

Zum Mitverschulden der Geschädigten Barbara H*****

Wie das Erstgericht zutreffend beurteilt hat, ist Barbara H***** ein beträchtliches Mitverschulden am Zustandekommen des Schadens zuzurechnen. Ihr ist vorzuwerfen, dass sie ohne nähere Information über die Qualifikation und Sachkunde des Thomas G*****, kritiklos und blind seiner Gewinnzusage von 40 % vertraut hat, obwohl sie als Absolventin einer Handelsakademie doch zumindest grundsätzliche Kenntnisse von der Risikoträchtigkeit des Aktienmarkts haben musste. Die vorbehaltlose Übergabe ihrer Ersparnisse an einen ihr nahezu unbekannten Vermögensberater zur Anschaffung von von diesem frei bestimmbaren Aktientiteln ist als extreme Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zu werten und rechtfertigt insgesamt das ihr zugemessene Mitverschulden mit 50 %.

Nur im Umfang des halben Schadens der Barbara H***** war daher das Klagebegehren berechtigt.

Der Revision war insoweit Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, wobei die beklagte Partei als mit 96 % ihres Begehrens obsiegend anzusehen ist, die klagende Partei hingegen mit 4 %. Das hat zu einer Ersatzpflicht - mit Ausnahme der Barauslagen von 92 % - zu führen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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