OGH 6Ob268/00f

OGH6Ob268/00f23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gerhard M*****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Haimo Puschner ua Rechtsanwälte in Wien, wegen 215.000 S, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. Juni 2000, GZ 2 R 198/99y-13, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. September 1999, GZ 29 Cg 119/97p-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger war jahrelanger Kunde der Beklagten und wurde beim Ankauf von Wertpapieren immer von demselben Angestellten der Beklagten betreut, der eine Beratung durchführte und über Risken aufklärte. Seit 1996 orderte der Kläger auch Optionsscheine. Er wurde über das besondere Risiko dieser Wertpapiere und über die Bedeutung der Setzung eines Limits aufgeklärt. Im Jahr 1996 erteilte er 70 bis 80 An- und Verkaufsorders, davon vier über Optionsscheine. Beim Ankauf setzte er gelegentlich Limits. Die Aufträge umfassten manchmal hohe Stückzahlen, beispielsweise orderte er am 17. 2. 1997 30.000 Optionsscheine einer Bank. Am 27. 2. 1997 wollte er bestimmte Optionsscheine ordern. Da sein ständiger Betreuer auf Urlaub war, wurde er von einer anderen Angestellten der Beklagten betreut. Sie gab ihm den Kurs des gewünschten Optionsscheins mit 0,55 S je Stück bekannt und fragte den Kläger, ob er ein Ankaufslimit setzen wolle, was er verneinte. Er holte keine Ratschläge ein und orderte 50.000 Stück ohne Limit. Zwischen der Erteilung der Order und deren Durchführung stieg der Kurs des Optionsscheins von 0,55 S auf 5,0 S, sodass der Kläger für den Ankauf 250.000 S bezahlen musste. In der Folge sank der Kurs auf 0,20 S pro Stück. Der Kläger verkaufte die Optionsscheine um 10.000 S.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 215.000 S. Er sei nicht darüber informiert worden, dass der Ankauf einer größeren Stückzahl risikoreich sei und dass üblicherweise ein Limit gesetzt werden sollte. Die Bank habe ihre Aufklärungspflicht verletzt. Der Kläger habe vor dem verlustreichen Geschäft höchstens 10 Orders über Optionsscheine gegeben. Ihm seien die besonderen Risken nicht bewusst gewesen. Sein Schaden bestehe in der Differenz zwischen dem Ankaufpreis und dem Verkaufserlös abzüglich des Verlusts von 25.000 S, der auch bei entsprechender Aufklärung eingetreten wäre.

Die Beklagte wandte ein, dass der Kläger als langjähriger, schon beratener und risikofreudiger Kunde über die Risken von Optionsscheinen voll informiert gewesen sei. Er habe die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Limitsetzung gekannt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den im Wesentlichen schon wiedergegebenen, im Revisionsverfahren nicht strittigen Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Kläger umfassend aufgeklärt worden sei. Er habe nicht um die Erteilung weitergehender Auskünfte ersucht. Die Angestellte der Beklagten sei nicht verpflichtet gewesen, von sich aus besondere Nachforschungen anzustellen. Diese wären aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob der Kauf einer bestimmten größeren Menge eines bestimmten Optionsscheines ohne Setzung eines Limits den Kurs um ein Vielfaches in die Höhe treiben könne. Es liege kein Beratungs- und Aufklärungsfehler der Beklagten vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Zwar schließe auch die eigene Sachkunde des Kunden dessen Schutzbedürftigkeit noch nicht aus. Die Notwendigkeit zur Aufklärung durch die Bank hänge aber von der Lage des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Aufklärungspflicht dürften nicht überspannt werden. Dem Bankkunden sei es zuzumuten, dass er seine wirtschaftlichen Interessen ausreichend zu wahren wisse. Eine Aufklärungspflicht bestehe in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten habe dürfen. Die Aufklärungspflicht finde ihre Grenze in der objektiven Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners. Die Angestellte der Beklagten habe darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger für den Fall, dass er für die Veranlagung noch Auskünfte benötigt, darum ersuchen werde. Die allgemeine Tatsache, dass sich Kurse bei größerer Nachfrage erhöhen können, gehöre zum Allgemeinwissen. Dass das konkrete Wertpapiergeschäft aus dem Grund der georderten Ankaufsmenge zwingend zu einem Verlust führen müsse, habe der Kläger erst nachträglich als seine Annahme dargelegt. Tatsächlich sei der Verlust wohl vielmehr dadurch hervorgerufen worden, dass sich die Erwartungen des Klägers über eine Fusion der Beklagten mit einer anderen Bank nicht erfüllt hätten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der von ihm zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beklagte Bank verneint. Der Umfang der Aufklärungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn ein Kunde bei Anbahnung des Wertpapiergeschäfts schon entschlossen ist, das Geschäft zu tätigen, indem er einen bestimmten Auftrag erteilt, wird die Bank nur in beschränktem Umfang zur Aufklärung und Beratung verpflichtet sein. Die Bank treffen Aufklärungs- und Beratungspflichten, wenn aus den Umständen ein Mangel an einschlägigen Kenntnissen oder eine Fehlentscheidung offenkundig wird (SZ 71/32 mwN). Von einem Mangel an einschlägigen Kenntnissen kann beim Kläger nach den getroffenen Feststellungen keine Rede sein, ebensowenig von einer offenkundigen Fehlentscheidung, die voraussetzte, dass das Risikogeschäft mit geradezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Verlusten führen wird. Der Schaden des Klägers ist vielmehr auf die unterlassene Setzung eines Ankaufslimits zurückzuführen. Dass er über dessen Funktion als Sicherungsmittel gegen mögliche Kursschwankungen bis zur Durchführung des Ankaufs informiert worden war, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen. Zutreffend verweist das Berufungsgericht auch darauf, dass nicht einmal feststeht, dass die georderte Ankaufsmenge zum Kursanstieg und damit zu einer Ursache für den folgenden Schadenseintritt führte. Der Kursanstieg könnte genausogut Folge von Ankäufen anderer Spekulanten gewesen sein. Schon daraus wird klar, dass der möglichen Limitsetzung und der erfolgten Aufklärung darüber entscheidende Bedeutung zukommt. Zumindest einem versierten und schon aufgeklärten Bankkunden kann es zugemutet werden, seine wirtschaftlichen Interessen selbst ausreichend zu wahren. Die Bank ist nicht verpflichtet, einen spekulierenden Kunden zu bevormunden (10 Ob 54/97g). Den von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Rechtsfragen kommt keine über den Anlassfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zu. Eine aus den Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.

Da die Beklagte auf die fehlenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, sind ihr keine Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

Stichworte