OGH 3Ob220/12t

OGH3Ob220/12t23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. M*****, vertreten durch Kerres Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. I***** AG, *****, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie 2. MMag. Dr. K*****, vertreten durch die Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 90.240,96 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2012, GZ 15 R 127/12z‑53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. April 2012, GZ 47 Cg 180/10p‑49, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00220.12T.0123.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a

Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin hielt Aktien der ***** AG (IF‑AG), die in einem von ihr bei der beklagten Bank eröffneten Wertpapierdepot eingeliefert waren, das zur Sicherung eines von ihr im Jahr 2003 aufgenommenen Lombardkredits verpfändet war. Nachdem sie registriert hatte, dass der Aktienkurs nach Erreichung seines Höchststands im Frühjahr 2007 zu sinken begann, sprach die Klägerin mehrmals, so auch am 9. Mai 2007, am 1., 14. und am 21. August 2007 sowie am 10. Oktober 2007, mit ihrer damaligen Kundenberaterin bei der Beklagten; die Klägerin wollte die Aktien verkaufen, um mit dem daraus lukrierten Erlös das Lombarddarlehen zur Gänze zu tilgen. Die Kundenberaterin empfahl der Klägerin aber jeweils, vom Verkauf Abstand zu nehmen, ua weil es sich nur um kurzfristige Einbrüche bzw Dellen des Kurses handle und der Kurs der Aktie derzeit unterbewertet sei. Das befolgte die Klägerin im Vertrauen auf diesen Rat.

Einer der Vorstände der Beklagten, der weder dem Vorstand der IF‑AG noch jenem der ***** AG (IE‑AG) angehörte (im Zusammenhang mit dem Umstand, dass Tochtergesellschaften der Beklagten gleiche Aktien in beträchtlichem Umfang hielten; in Hinkunft nur: Vorstand), erhielt im Rahmen seiner Vorstandsfunktion Ende August/Anfang September 2007, spätestens am 14. September 2007, Kenntnis von für die Kursentwicklung der von der Klägerin gehaltenen Aktien nachteiligen Vorgängen (im Zusammenhang mit dem Umstand, dass Tochtergesellschaften der Beklagten gleiche Aktien in beträchtlichem Umfang hielten; in Hinkunft nur: Vorgänge). Er befürchtete deshalb, dass das Bekanntwerden der Vorgänge ‑ zumal der Markt damals verunsichert war ‑ zu einem starken Kursabfall der Aktien führen würde. Die Kundenberater der Beklagten wurden davon nicht informiert. Die Veröffentlichung dieser Umstände löste schließlich starke Verkäufe an der Börse und damit einen Kurssturz der Aktien der IF‑AG und der IE‑AG aus.

Wäre der Klägerin am 14. September 2007 empfohlen worden, die klagsgegenständlichen Wertpapiere zu veräußern, oder ihr mitgeteilt worden, dass die am 21. August 2007 ausgesprochene Empfehlung, die Aktien nicht zu veräußern, nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, oder sie über die Vorgänge informiert worden und dass diese bei Bekanntwerden einen Kurssturz bewirken könnten, so hätte die Klägerin noch am selben Tag sämtliche von ihr noch gehaltenen Wertpapiere veräußert und einen Erlös von zumindest 218.824,38 EUR lukriert. Nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin im Falle einer richtigen und ordnungsgemäßen Beratung den Erlös aus dem Verkauf der Aktien risikolos auf einem Sparbuch veranlagt hätte.

Am 16. September 2008 verkaufte die Klägerin aus eigenem die Aktien und erzielte einen Erlös von 128.583,42 EUR.

Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptbegehren Schadenersatz wegen Falschberatung im Umfang der Differenz zwischen dem tatsächlich beim Aktienverkauf erzielten Erlös und jenem (höheren), den sie bei einem Verkauf schon am 14. September 2007 erzielt hätte. Sie macht der Beklagten zum Vorwurf, sie habe spätestens seit August 2007 Kenntnis von den Vorgängen und davon gehabt, dass ganz massive und erhebliche dauerhafte Verluste bevorstünden; dennoch habe sie die Klägerin weder darüber noch über ihren Interessenkonflikt hinsichtlich der Aktien aufgeklärt und sie auch bewusst falsch beraten, sie solle die Aktien nicht verkaufen. Damit habe die Beklagte sowohl gegen das WAG als auch gegen ihre Schutz‑, Sorgfalts‑ und Aufklärungspflichten aus dem Anlageberatungsvertrag vorsätzlich verstoßen.

Die Beklagte bestritt eine Falschberatung. Sie habe weder die Klägerin vom Verkauf der Aktien abgehalten noch hätten rechtswidrige und preisbeeinflussende Vorgänge stattgefunden. Verbote des Insiderrechts hätten die Unterlassung der Weitergabe der von der Klägerin behaupteten Informationen verlangt. Für die Klägerin habe sich das allgemeine Marktrisiko verwirklicht, über das sie nicht aufzuklären gewesen sei. Sie hätte neuerlich in Immobilienaktien investiert. Jedenfalls treffe die Klägerin ein Mitverschulden; sie hätte nach Eintritt der ersten Verluste ihren Aktiengesamtbestand sofort verkaufen müssen, um ihrer Schadensminderungspflicht Genüge zu tun.

Das Erstgericht gab der Klage im Hauptbegehren statt. Es wäre die Aufgabe des Vorstands gewesen, seine Information über die Vorgänge noch am 14. September 2007 an die Kundenbetreuer weiterzugeben. Verpflichtung der Kundenberaterin der Klägerin wäre es sodann gewesen, noch am selben Tag mit der Klägerin in Kontakt zu treten und sie darauf hinzuweisen, dass sie ihre Empfehlung vom 21. August 2007, die Aktien nicht zu veräußern, nicht mehr aufrecht erhalten könne.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit (sowie die erhobenen Mängel‑ und Beweisrügen) und bestätigte das Ersturteil im Übrigen. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig, weil keine erheblichen Rechtsfragen zu lösen gewesen seien.

Angesichts der Befürchtungen des Vorstands hätte es die Vorsicht geboten, der Klägerin nicht eindeutig vom Aktienverkauf abzuraten, sondern ihr deutlich zu machen, dass die künftige Kursentwicklung nicht abschätzbar sei und die Behalteempfehlung nicht mehr aufrecht erhalten werde. Panikverkäufe aufgrund einer solchen Mitteilung seien nach den konkreten Umständen nicht zu befürchten. Für den Widerruf der Behalteempfehlung hätte es weder der Weitergabe von Insiderwissen oder Geheimnissen noch der Bevorzugung einzelner Aktionäre bedurft. Fragen des Schutzzwecks und Rechtswidrigkeitszusammenhangs würden sich nicht stellen, weil die Klage nicht darauf gestützt werde, die Beklagte habe die Kursverluste wegen Kursmanipulationen zu verantworten, sondern auf fehlerhafte Beratung. Auf eine Alternativveranlagung durch die Klägerin komme es nicht an, weil es nicht um den Vorwurf unrichtiger Beratung beim Ankauf der Aktien gehe. Ein Mitverschulden der Klägerin sei zu verneinen, weil sie wegen ihrer Sorgen um das Kursrisiko mit dem Wunsch nach Verkauf der Aktien die fachkundige Kundenberaterin aufsuchte, die sie mit unzutreffenden Argumenten vom Verkauf abgehalten habe.

Mit ihrer außerordentlichen Revision strebt die Beklagte die Abänderung im Sinne einer Klageabweisung, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an. Der von der Klägerin eingeklagte Schaden sei durch das allgemeine Kursrisiko von Aktien durch die sogenannte Finanzkrise im Sommer 2008 verwirklicht worden, nicht jedoch durch das besondere Kursrisiko, das in der der Beklagten vorgeworfenen Fehlberatung nicht behandelt wurde. Es fehle daher am Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil sich jenes Risiko, über das die Beklagte nach Ansicht der Vorinstanzen aufklären hätte sollen, nicht verwirklicht habe. Befürchtungen eines Vorstandsmitglieds der Beklagten seien keine taugliche Grundlage für die Rücknahme einer Behalteempfehlung. Es sei evident, dass die Information sämtlicher von der Beklagten beratener Aktionäre zu Kursstürzen wegen Panikverkäufen und erst recht zum gegenständlichen Schaden geführt hätte. Es sei der Beklagten auch verboten, einzelne Aktionäre gegenüber anderen zu bevorzugen; mit der Weitergabe von Insiderinformationen fordere das Berufungsgericht daher im Ergebnis rechtswidriges Vorgehen der Beklagten. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden. Auch beim verspäteten Verkauf von Wertpapieren sei die Alternativveranlagung zu berücksichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagten gelingt es mit diesen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weshalb die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Zur Rechtswidrigkeit :

Die Klägerin hat der Beklagten eine Falschberatung spätestens ab August 2007 im Zusammenhang mit dem von ihr beabsichtigten Verkauf von Aktien sowohl wegen unterlassener Aufklärung als auch wegen Erteilung eines unzutreffenden Rats zum Behalten der Aktien vorgeworfen (vgl zusammenfassend: ON 7 Punkt V = AS 221), also wegen einer unabhängig von einander zu beurteilenden Unterlassung und Handlung.

1.1. Die Beklagte hat (ua) sowohl bestritten, die Klägerin zum Halten der Aktien überredet zu haben, als auch bestimmte Kursentwicklungen zugesagt zu haben (ON 3 S 14; ON 10 S 3); sie hat dies damit untermauert, dass sie sowohl Argumente vortrug, die gegen das Halten der Immobilienaktien, als auch solchen, die dafür gesprochen hätten; weiters bezeichnete sie es als für eine damalige Beratung sachgerecht, angesichts der aktuellen, bewegten Marktsituation (nur) eine entsprechende Bandbreite an Entscheidungsmöglichkeiten zu referieren (ON 10 S 4). Mit diesem Vorbringen gesteht die Beklagte jedoch implizit zu, dass die (dennoch festgestellte) Empfehlung ihrer Kundenberaterin, die Aktien zu behalten, weil es sich nur um kurzfristige Einbrüche bzw Dellen des Kurses handle, unzutreffend war und damit eine fehlerhafte Beratung erteilt wurde. Gegenüber der Klägerin wurde somit ‑ unabhängig von besonderen Risken aufgrund der Vorgänge im Umfeld der Beklagten ‑ auch das allgemeine Kursrisiko ohne sachliche Grundlage unrichtig dargestellt. Das alles gilt umso mehr ab dem Zeitpunkt (14. September 2007), in dem der Vorstand Kenntnis von den Vorgängen erlangte, die ihn (zu Recht) einen starken Kursabfall der von der Klägerin gehaltenen Aktien befürchten ließen, wenn die Öffentlichkeit Kenntnis davon erlangen sollte.

1.2. Die Argumente der Beklagten gegen die Annahme eines Verstoßes gegen ihre Beratungspflicht sind nicht nachvollziehbar. Sie ignoriert nämlich, dass ihr das Berufungsgericht nicht die unterlassene Mitteilung von bestimmten Informationen zum Vorwurf macht, sondern die Aufrechterhaltung des Rats, vom Verkauf der Aktien Abstand zu nehmen.

1.2.1. Da dieser Rat von vornherein (also unabhängig von den Vorgängen) fehlerhaft war, kommt der von der Beklagten vertretenen Ansicht, Befürchtungen eines Vorstands der Beklagten wären keine ausreichende Grundlage für den Widerruf der Behalteempfehlung, keine Relevanz zu. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten zitierte IIKV (Verordnung der FMA über Standards für Verfahren und Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten und über Informationen für Kunden bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen [Interessenkonflikte‑ und Informationen für Kunden‑Verordnung]) trat erst mit 1. November 2011 in Kraft und ist daher auf den hier wesentlichen (Beratungs‑)Sachverhalt noch nicht anwendbar.

1.2.2. Von der Beklagten wird auch nicht die Information über unternehmensinterne Vorgänge oder ein Verstoß gegen die Weitergabe von Insiderinformationen verlangt, sondern nur die Zurücknahme eines ‑ schon ursprünglich unzutreffenden ‑ Ratschlags, womit allein kein rechtswidriges Verhalten verbunden gewesen wäre.

Die Beklagte unternimmt in der Revision auch gar nicht den Versuch, die Begründung des Berufungsgerichts dafür zu widerlegen, dass eine solche Korrektur nicht zu Panikverkäufen und dadurch bedingte Kursstürze führen werde.

1.2.3. Schließlich ist der Verweis auf das gesetzliche Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre (gemeint wohl nach § 47a AktG) unverständlich, handelt es sich doch bei der Klägerin nicht um eine Aktionärin der Beklagten; Aktionäre sind aber nach herrschender Ansicht gegenüber Mitaktionären nicht nach § 47a AktG gleichbehandlungspflichtig ( Geist in Jabornegg/Strasser AktG I 5 § 47a Rz 3 mwN).

1.3. Der Beklagten gelingt es somit nicht, die ‑ von ihr in erster Instanz ohnehin implizit zugestandene ‑ Mangelhaftigkeit ihrer Beratung nunmehr in Frage zu stellen.

2. Zum Rechtswidrigkeitszusammenhang :

Durch die Behalteempfehlung (und deren Aufrechterhaltung sowie Wiederholung über den 14. September 2007 hinaus) wurde die Klägerin vom beabsichtigten Verkauf der Aktien ‑ auch noch im Oktober 2007 ‑ abgehalten. Dies, obwohl sie gerade wegen im Rahmen des allgemeinen Kursrisikos von Aktien bereits eingetretener Kursverluste und der beabsichtigten Abdeckung eines Kredits mit dem Erlös den Verkauf ihrer Aktien vor hatte, also nicht mehr dem allgemeinen Kursrisiko ausgesetzt sein wollte.

2.1. In dieser Konstellation ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der mangelhaften Beratung der Beklagten und dem Kursschaden der Klägerin, den sie mit ihrem beabsichtigten Verkauf für die Beklagte erkennbar vermeiden wollte, zu bejahen, selbst wenn dieser, wie die Beklagte in der Revision ‑ allerdings losgelöst von den Feststellungen ‑ argumentiert, nur und unabhängig von den beanstandeten Vorgängen auf das allgemeine Kursrisiko von Aktien zurückzuführen sein sollte, jedenfalls zu bejahen.

Im Übrigen geht es hier nicht um die Frage, ob die Klägerin über das allgemeine Kursrisiko aufzuklären gewesen wäre, weil ihr dies ja ohnehin bewusst und Grund für ihren Verkaufswunsch war. Das Fehlverhalten der Beklagten liegt vielmehr darin, die Klägerin von der Verkaufsabsicht rechtswidrig abgehalten zu haben.

2.2. Es trifft auch nicht zu, dass die Klägerin den Ersatz ausschließlich jener „besonderen Kursverluste“, die im Zusammenhang mit den Vorgängen entstanden sind, begehrt. Vielmehr ist dem gesamten Klagevorbringen zu entnehmen, dass die Klägerin jenen Schaden ersetzt haben will, der ihr sowohl durch die unterlassenen Informationen als auch durch die (jedenfalls seit 14. September 2007) unzutreffend aufrecht erhaltene Behalteempfehlung und den dadurch bedingten verspäteten Verkauf der Aktien entstanden ist, ohne dass sie zwischendurch allgemeine und durch besonderen Kursrisken verursachte Schäden unterschied.

Es kommt daher weder auf eine solche Unterscheidung an, noch darauf, ob besondere Kursverluste erst nach dem Verkauf der Klägerin eintraten.

2.3. Abgesehen davon steigert die Fehlberatung in Form eines wegen besonderer Umstände unzutreffenden Rats, den gewünschten Aktienverkauf nicht vorzunehmen, auch die Gefahr massiv, in der Folge eintretende Kursverluste aufgrund des allgemeinen Marktrisikos zu erleiden. Wenn aber bezüglich eines bestimmten Risikos zwar keine Aufklärungspflicht bestand (hier: zum allgemeinen Marktrisiko bei Aktien), die Verletzung anderer Beraterpflichten aber dazu führte, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieses (letztlich eingetretenen) Risikos bei objektiver Betrachtung nicht bloß unerheblich erhöhte, ist anzunehmen, dass sich der Schutzzweck der verletzten Informationspflicht auch auf diese wahrscheinlicher gewordenen Folgerisiken bezieht (RIS‑Justiz RS0127012).

3. Zur Relevanz einer hypothetischen Alternativanlage im vorliegenden Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst Folgendes klargestellt:

Wollte der Anleger eine bestehende Anlage veräußern und nicht zugleich neu veranlagen, unterließ er diese Veräußerung aufgrund einer rechtswidrigen und schuldhaften Fehlberatung zunächst, liegt der rechnerische Schaden in der Differenz des möglichen Verkaufserlöses im Zeitpunkt der Fehlberatung zu jenem der späteren tatsächlichen Veräußerung; auf eine hypothetische Alternativveranlagung kommt es in einem solchen Fall mangels vorgefasstem Anlageentschluss nicht an (4 Ob 19/12s = RIS‑Justiz RS0108267 [T13] = RS0030153 [T24]).

Davon abzugehen besteht hier schon deshalb kein Anlass, weil feststeht, dass die Klägerin die Aktien verkaufen wollte, um mit dem Erlös das Lombarddarlehen zu tilgen. Den Feststellungen lässt sich weder mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass ihr danach ein relevanter Teil des Erlöses für eine allfällige Wiederveranlagung verblieben wäre, noch dass sie den Entschluss zur neuerlichen Veranlagung (in Aktien) bereits gefasst gehabt hätte. Der Negativfeststellung zur risikolosen Veranlagung des Verkaufserlöses auf einem Sparbuch (als bloß einer von mehreren Möglichkeiten zur „sicheren“ Veranlagung) kommt somit keine rechtliche Bedeutung zu.

4. Ein Mitverschulden der Klägerin will die Beklagte darin erblicken, dass die Klägerin wegen ihrer Kenntnis vom allgemeinen Kursrisiko verpflichtet gewesen wäre, „zumindest jene Kursverluste, die auf das allgemeine Marktrisiko von Immobilienaktien zurückzuführen waren, durch rechtzeitigen Verkauf zu vermeiden“. Exakt das wollte die Klägerin tun, wurde aber von der Beklagten davon rechtswidrig abgehalten. Warum die Klägerin dem fachmännischen Rat der Beklagten zum Behalten nicht folgen hätte sollen, vermag die Revisionswerberin nicht zu begründen. Ihr Standpunkt läuft geradzu darauf hinaus, dass ein beratener Laie „gescheiter“ sein müsse als der fachkundige Berater. Die Verneinung eines Mitverschuldens durch die Vorinstanzen bedarf keiner Korrektur.

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