European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118969
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Streitteile waren jahrelang befreundet. Der Kläger unterstützte den Beklagten im Betrieb seiner Unternehmen.
Am 11./16. August 2006 unterfertigten die Streitteile eine Schuld‑ und Pfandbestellungsurkunde, in der der Beklagte bestätigte, dem Kläger 45.000 EUR schuldig zu sein, und die Verpflichtung übernahm, den Schuldbetrag (ohne Verzinsung) innerhalb von drei Jahren in Monatsraten abzustatten. Vereinbarungsgemäß wurde auf der im Eigentum des Beklagten stehenden Liegenschaft ein Pfandrecht zugunsten des Klägers über 45.000 EUR einverleibt.
Zwischen den Streitteilen wurden mehrere derartige Schuld‑ und Pfandbestellungsurkunden, aber auch Kreditverträge über vom Kläger an den Beklagten gewährte Darlehen unterfertigt. Der Kläger teilte dem Beklagten in diesem Zusammenhang stets (und auch hier) mit, dass diese Darlehensgewährungen für die Betriebe des Beklagten notwendig seien.
Nicht festgestellt werden konnte, ob der in der Schuld‑ und Pfandbestellungsurkunde vom 11./16. August 2006 genannte Betrag von 45.000 EUR tatsächlich vom Kläger (und mit aus dessen Vermögen stammenden Geldmitteln) an den Beklagten übergeben wurde.
Der Beklagte leistete aufgrund des Inhalts der Schuld‑ und Pfandbestellungsurkunde vom 11./16. August 2006 37 Raten zu je 1.250 EUR vom 1. Februar 2008 bis 1. Februar 2011, insgesamt daher 46.250 EUR, an den Kläger, weil er von einer Übergabe der Darlehensvaluta vom Kläger an ihn bzw von einer Einzahlung derselben in eines seiner Unternehmen ausging.
Am 16. Oktober 2014 begehrte der Kläger vom Beklagten aus einem anderen Darlehensvertrag 17.000 EUR sA, weil der Beklagte diesen Betrag vereinbarungswidrig nicht zurückbezahlt habe.
Der Beklagte gestand schließlich die offene Restverbindlichkeit zu, wendete aber mehrere Gegenforderungen aus insgesamt sieben von ihm dem Kläger gewährten Darlehen/Krediten ein, welche im Ausmaß von insgesamt etwa zwei Mio EUR aushafteten. Aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses habe er dem Kläger vertraut und ihn in die Geschäftsgebarung seiner Unternehmen eingebunden. Der Kläger habe die Buchhaltung gemeinsam mit Angestellten des Beklagten erledigt und die Unternehmen faktisch geleitet. Die vom Beklagten unterfertigten Urkunden beruhten auf der arglistigen Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses durch den Kläger, ohne dass es zu Darlehensflüssen an den Beklagten gekommen wäre. Die tatsächlich geleisteten Rückzahlungen seien daher irrtümlich erfolgt, weshalb sie der Beklagte bereicherungsrechtlich zurückfordere.
Der Kläger bestritt dieses Vorbringen und wendete Verjährung ein.
Mit Teilurteil vom 10. April 2015 gab das Erstgericht der Klageforderung statt. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.
In der Folge sprach das Erstgericht mit Endurteil aus, die eingewendete Gegenforderung bestehe mit 17.000 EUR zu Recht und die mit Teilurteil vom 10. April 2015 zuerkannte Klageforderung sei durch Aufrechnung erloschen. Die Beweislast für den tatsächlichen Fluss der Darlehensvaluta treffe den Kläger, weil es sich dabei um eine von ihm aufgestellte Behauptung und eine für seinen Rechtsstandpunkt günstige Tatsache handle. Auch der Grundsatz der „Beweisnähe“ führe zum selben Ergebnis, weil es für einen Zahlenden naturgemäß leichter sei, einen Zahlungsfluss zu beweisen, als dem eine Zahlung Bestreitenden, den Beweis der Nichtzahlung zu erbringen. Der bloße Umstand der Unterfertigung der Schuld‑ und Pfandbestellungsurkunde bewirke auch keinen Prima‑Facie‑Beweis dahin, dass die Darlehensvaluta geflossen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob trotz des Grundsatzes, dass der einen Bereicherungsanspruch Verfolgende alle Voraussetzungen seines Anspruchs zu beweisen habe, die Beweislast für darin enthaltene negative Tatsachenelemente bei seinem Gegner bleibe. Zwar treffe grundsätzlich den Beklagten die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit der bereicherungsrechtlich rückgeforderten Leistung, entsprechend dem Grundsatz der Nähe zum Beweis für Tatsachen, die tief in die Sphäre einer Partei reichten, habe es jedoch bei der Beweislast des Klägers zu bleiben. Negativtatsachen (das Unterbleiben der Darlehenszuzählung) seien nicht vom vermeintlichen Darlehensempfänger zu beweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers, mit dem er sein Klagebegehren weiter verfolgt (in Wahrheit die Gegenforderungen abzuwehren trachtet), ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Kläger macht zutreffend geltend, dass die Beweislast für die vom Beklagten aufgestellte Behauptung, er habe Rückzahlungsraten für ein Darlehen geleistet, das er tatsächlich nie zugezählt erhalten habe, den Beklagten und nicht den bestreitenden Kläger treffe.
Die Voraussetzungen für die Rückforderung der irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld im Sinn des § 1431 ABGB sind das Fehlen der Verbindlichkeit, auf die geleistet wurde, und ein Irrtum des Leistenden über ihren Bestand (RIS‑Justiz RS0033607, RS0014891). Erfolgte eine Leistung im Rahmen eines Vertrags, war sie nicht rechtsgrundlos und kann daher nicht nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückverlangt werden (RIS‑Justiz RS0033585 [T3], RS0020022). Der Bereicherungskläger hat alle Voraussetzungen seiner Bereicherungsklage zu beweisen (RIS‑Justiz RS0033564). Daher liegt auch die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung beim Bereicherungsgläubiger (1 Ob 215/03d; 9 Ob 80/15b; RIS‑Justiz RS0033564 [T1]; Rummel in Rummel ABGB3 § 1431 Rz 4; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.02 § 1431 Rz 2; Mader in Schwimann/Kodek 4, § 1431 Rz 15; Koziol/Spitzer, KBB5 § 1431 Rz 3, je mwN).
Der zwischen den Parteien strittige Rechtsgrund war ein Darlehensvertrag. Nach der zum Zeitpunkt der behaupteten Darlehensgewährung noch in Geltung stehenden Fassung des § 983 ABGB (vor dem DaKrÄG 2010, zu dessen zeitlichem Anwendungsbereich: Griss/Bollenberger in KBB5, § 983 Rz 1) war das Darlehen ein Realkontrakt. Für die Gültigkeit des Vertrags musste demnach die Darlehensvaluta wirklich übergeben werden (RIS‑Justiz RS0019400, RS0019343). Die Übergabe der Valuta war somit Bedingung für das Entstehen des Vertrags, in weiterer Folge die Rückzahlungspflicht des Beklagten und damit auch für den Rechtsgrund der Leistung des Beklagten. Da der Beklagte nach den dargelegten Grundsätzen aber die Rechtsgrundlosigkeit zu beweisen hat, fällt ihm die zur Übergabe der Darlehenssumme getroffene Negativfeststellung zur Last (vgl RIS‑Justiz RS0039903 [T2, T3]).
Es trifft zwar zu, dass bei der Darlehensklage den Gläubiger die Beweislast für die Zuzählung des Geldbetrags trifft (RIS‑Justiz RS0019319), dies folgt aber nicht aus der Annahme, dass es sich dabei um ein – regelmäßig keines Beweises bedürfendes – Negativum handelt, sondern daraus, dass die Übergabe der Valuta eine anspruchsbegründende Tatsache der Darlehensklage ist (Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht, 55 [FN 105 mwN]; Rassi, Die Nähe zum Beweis – eine Analyse der Rechtsprechung, ÖJZ 2017, 297 [FN 46]) und anspruchsbegründende Tatsachen von demjenigen zu beweisen sind, der sich darauf beruft (RIS‑Justiz RS0106638, RS0109832 [T7]).
Bei der Bereicherungsklage ist hingegen die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung anspruchsbegründend. Der dagegen gerichteten Argumentation von Klicka (Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht, 55 [69]), wonach das Fehlen eines gültigen Titelanspruchs rechtsvernichtend und daher vom Bereicherungsschuldner zu beweisen sei, trat der Oberste Gerichtshof bereits entgegen (3 Ob 161/98t). Schon früher wurde ausgesprochen, dass bei der Kondiktionsklage der Kläger für Tatsachen beweispflichtig ist, die im umgekehrten Fall einer direkten Leistungsklage ansonsten der Beklagte zu beweisen hätte (vgl 7 Ob 18/95).
Dem Argument der Schwierigkeit des Negativbeweises kommt nach jüngerer Auffassung keine entscheidende Bedeutung zu (6 Ob 75/06g; 4 Ob 190/13i; 2 Ob 35/16k; Rassi, Die Nähe zum Beweis – eine Analyse der Rechtsprechung, ÖJZ 2017, 297 [299]; offengelassen allerdings zu 9 Ob 80/16b). Hiezu kommt in diesem Fall, dass sich der Bereicherungsgläubiger auf einen bestimmten streitigen Rechtsgrund (und nicht bloß auf das Fehlen jeglicher Causa) bezieht, sodass der Beweis dessen Fehlens auch nicht von vornherein schwerer zu erbringen ist als der Beweis seines Bestehens (vgl Halfmeier, Zur Beweislast für den Mangel des Rechtsgrundes, FS Schmidt, 109 [119 f]).
Auch der Hinweis auf eine Beweislastverschiebung wegen der „Nähe zum Beweis“ kann hier nicht die Beweislast des Beklagten begründen. Nach Teilen der Rechtsprechung kann in Ausnahmefällen (10 Ob 21/08y) die „Nähe zum Beweis“ den Ausschlag für die Zuteilung der Beweislast geben, allerdings nur dann, wenn Tatfragen zu klären sind, die „tief in die Sphäre einer Partei hineinführen“ (RIS‑Justiz RS0013491, RS0121528). Es kann dahinstehen, ob die gegen eine Verteilung der Beweislast wegen der „Nähe zm Beweis“ in einzelnen neueren Entscheidungen (ausdrücklich 6 Ob 44/09b, vgl auch 9 Ob 12/05p und 4 Ob 180/07k) und vom einhelligen Schrifttum (s dazu Rassi, ÖJZ 2017, 297 mwN) erhobenen Einwände zutreffen. Auch jene Entscheidungen, die eine Beweislastumkehr nach Spährengesichtspunkten vornehmen, heben nämlich hervor, dass eine solche Verschiebung der Beweislast nur dann als gerechtfertigt ist, wenn für die eine Partei mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben. Allein mit einem Beweisnotstand wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls ist demnach eine Verschiebung der Beweislast aber nicht zu rechtfertigen (2 Ob 262/07d; 10 Ob 21/08y).
Schon aus folgenden Erwägungen käme eine derartige Beweislastumkehr gar nicht in Betracht: zu beachten ist hier, dass die Zuzählung des Darlehensbetrags nicht tiefer in die Sphäre des Klägers als in jene des Beklagten reicht. Der Beklagte hat auch nicht ausgeführt, über welche relevanten Kenntnisse der Kläger verfügen sollte, die ihm selbst nicht zugänglich wären (vgl 3 Ob 106/10z). Vielmehr verfügt er mittlerweile alleine über die Buchhaltungsunterlagen seines Unternehmens, aus denen sich die Zahlungseingänge nachvollziehen lassen müssten. Darüber hinaus hat sich der Beklagte selbst und freiwillig in die Lage versetzt, deren Aufklärung ihm durchaus zuzumuten ist (vgl Halfmeier, Zur Beweislast für den Mangel des Rechtsgrundes, FS Schmidt, 109 [129]). Besondere und unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten sind daher nicht zu erkennen, sodass sich der Beklagte auf eine Beweislastumkehr wegen der Nähe zum Beweis nicht berufen könnte, selbst wenn man diese Konstruktion für zulässig erachtet.
Die vom Berufungsgericht angenommene Beweislastumkehr ist auch nicht durch die Annahme einer Beweisvereitelung durch den Kläger zu rechtfertigen. Einer allgemeinen Beweislastverschiebung wegen Beweisvereitelung trat der erkennende Senat bereits zu 4 Ob 199/10h (vgl dazu Rechberger in Fasching/Konecny 2, Vor § 266 ZPO Rz 35; Jabornegg, JBl 2000, 263; Fasching, Lehrbuch2 Rz 900) entgegen. Das Erstgericht hat den Eingriff des Klägers in die Buchhaltung des Beklagten ausdrücklich zu dessen Gunsten gewürdigt und den Kassaeingangsbeleg nicht als ausreichenden Beweis für das strittige Darlehen angesehen. Auch aus dem Fehlen einer Verbuchung könnte nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass tatsächlich keine Valuta zugezählt worden ist.
Es hat daher bei der Beweispflicht des Beklagten für die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihm auf Bereicherungsrecht gegründeten Gegenforderungen zu bleiben. Dass sich die tatsächlichen Voraussetzungen für die eine von den Vorinstanzen untersuchte Gegenforderung nicht klären ließen, führt daher dazu, dass diese Gegenforderung die inzwischen unstrittige Klageforderung nicht zu tilgen vermochte. Da der Beklagte über die von den Vorinstanzen geprüfte Gegenforderung hinaus aber noch weitere gleichartige Gegenforderungen eingewendet hat, erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zwecks Prüfung des Bestands einer die Höhe der Klageforderung erreichenden Gegenforderung als unvermeidlich.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass die vom Kläger gerügte Aktenwidrigkeit sowie Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der auch in dritter Instanz aufrechterhaltene Einwand der Verjährung der geltend gemachten Gegenforderung ist im Hinblick darauf unberechtigt, dass es sich bei den Rückzahlungen des Beklagten nicht etwa um Annuitäten, sondern um „gemeine Raten“ handelte, zumal Zinsen weder verlangt noch bezahlt, sondern nur Kapitalsbeträge geleistet wurden. Gemeine Raten unterfallen aber der 30‑jährigen Verjährungsfrist (8 Ob 124/03y mwN; RIS‑Justiz RS0034376; M. Bydlinski in Rummel 3 § 1480 ABGB Rz 2).
Da die für die Anwendung des Anscheinsbeweises vorausgesetzte typische formelhafte Verknüpfung (vgl RIS‑Justiz RS0040287) zwischen der Unterfertigung einer Urkunde und der Richtigkeit der darin festgehaltenen Tatsachen nicht besteht (vgl 9 ObA 205/98g), kommt der in diesem Zusammenhang vom Kläger geforderte Prima‑Facie‑Beweis nicht in Betracht.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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