OGH 6Ob75/06g

OGH6Ob75/06g6.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft m.b.H. & Co. KG., *****, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Greiter Pegger Kofler & Partner in Innsbruck, wegen EUR 13.974,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2005, GZ 2 R 245/05d-48, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. August 2005, GZ 6 Cg 72/03d-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 13.974,-- samt 1,5 % Zinsen pro Monat ab 10. 10. 2002 zu bezahlen sowie die mit EUR 5.396,72 (darin EUR 807,62 USt und EUR 551,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.202,68 (darin EUR 225,78 USt und EUR 848,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 1.873,12 (darin EUR 135,42 USt und EUR 1.061,- Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16. 9. 2002 erteilte die Klägerin der K***** Spedition GmbH telefonisch einen Frachtauftrag betreffend 29 Paletten Getränke. Die Anlieferung sollte in Italien am 18. 9. 2002 erfolgen. Die K***** Spedition GmbH gab diesen Auftrag an die Beklagte weiter. Die Nichtablieferung der 29 Paletten Fruchtsäfte konnte nicht festgestellt werden.

Ausgehend von diesem Sachverhalt wies das Erstgericht die aus dem Titel des Schadenersatzes erhobene Klage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Den Auftraggeber treffe die - in der CMR nicht geregelte - Beweislast für den Verlust des Frachtgutes oder die Überschreitung der Lieferfrist sowie dafür, dass das schädliche Ereignis während des Zeitraumes der Obhut des Frachtführers (von der Übernahme des Frachtgutes bis zu dessen Ablieferung) eingetreten sei. Erst wenn dem Auftraggeber der Beweis dieser anspruchsbegründenden Tatsachen gelinge, würden die Beweislastregeln des Art 18 CMR eingreifen (unter Berufung auf 1 Ob 28/00z).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zur Klarstellung der Beweislastverteilung bei Frachtverträgen zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Nach der bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 1 Ob 28/00z trifft den Anspruchswerber die - in der CMR nicht geregelte - Beweislast für den Verlust (oder die Beschädigung) des Frachtguts oder die Überschreitung der Lieferfrist sowie dafür, dass das schädliche Ereignis während des Zeitraums der Obhut des Frachtführers (von der Übernahme des Frachtgutes bis zu dessen Ablieferung) eingetreten ist. Erst wenn dem Anspruchswerber der Beweis dieser anspruchsbegründenden Tatsachen gelinge, würden die Beweislastregeln des Art 18 CMR eingreifen.

2. Aus dieser Entscheidung ist jedoch entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen für den vorliegenden Sachverhalt nichts abzuleiten:

2.1. Die zitierte Entscheidung betraf vielmehr den Teilverlust des Frachtgutes, nämlich den Verlust zweier Paletten. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war allerdings - anders als im vorliegenden Fall - eine Ablieferung des Frachtgutes erfolgt. Der zuletzt tätig gewordene Unterfrachtführer hatte das Frachtgut in zwei Teillieferungen zur dort klagenden Partei befördert. Diese war nicht bereit, die erste Teillieferung anzunehmen, stellte es jedoch dem Unterfrachtführer frei, die Teillieferung im Bereich einer Rampe abzustellen. Als die klagende Partei bei Anlieferung der zweiten Teillieferung die Übernahme nicht sofort in Angriff nahm, sondern diese erst in vier bis fünf Stunden in Aussicht stellte, ließ der Fahrer des Unterfrachtführers auch diese Teillieferung ohne formelle Übergabe und ohne Ausstellung einer Empfangsbestätigung zurück. Die klagende Partei brachte die zurückgelassenen Waren teils noch am Anlieferungstag, teils am folgenden Tag in ihr Lager. Bei diesem Sachverhalt ging der Oberste Gerichtshof in der zitierten Vorentscheidung davon aus, dass eine stillschweigende Einwilligung der klagenden Partei in die Übernahme des Frachtgutes vorliege. Ausgehend von dieser Rechtsansicht hatte sich der Oberste Gerichtshof nicht mit der Beweislast für die Ablieferung als solche, sondern nur mit der Beweislast für den Verlust (eines Teiles) des Frachtgutes zu befassen.

2.2. Die CMR enthält zur Frage der Beweislast für die Ablieferung des Gutes - unabhängig davon, in welchem Zustand es sich in diesem Zeitpunkt befand - keine ausdrückliche Regelung (Giefers, Beweislast und Beweisführung bei der Haftung des Frachtführers nach der CMR, 112). Gerade der Umstand, dass sich Art 18 CMR auf die Regelung der Beweislast für die Entlastungstatbestände nach Art 17 Abs 2 und4 CMR beschränkt, spricht dafür, dass die CMR bewusst auf die Regelung der Beweislastfrage für die Voraussetzungen des Art 17 Abs 1 CMR verzichtete (Giefing aaO 149). Diese Frage ist daher nach nationalem Recht zu lösen, wobei die Beweislastverteilung für die anspruchsbegründenden Tatsachen in den meisten Rechtsordnungen ohnedies dahingehend gehandhabt wird, dass insoweit die Beweislast dem Anspruchsteller auferlegt wird (Giefing aaO 149 mwN).

2.3. Grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm (Rechberger in Fasching/Konecny2 Vor § 266 ZPO Rz 32 mwN). Demnach trifft grundsätzlich den Anspruchsteller, der gegen den Frachtführer Ansprüche auf Schadenersatz gemäß Art 17 Abs 1 CMR geltend macht, die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass dessen Voraussetzungen gegeben sind (Thume in Thume, Komm zur CMR Art 18 Rz 6). In diesem Sinne trifft den Gläubiger die Behauptungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden, den Schuldner hingegen die Beweislast für die rechtsverhindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatsachen (Thume aaO).

2.4. Im österreichischem Recht ist die Frage der Beweislast für die Ablieferung des Gutes - soweit ersichtlich - nicht mehr erörtert worden (vgl Schütz in Straube, HGB3 § 452 Anh I Art 18 CMR Rz 3). Im deutschen Schrifttum wird - soweit ersichtlich - einhellig die Auffassung vertreten, den Frachtführer treffe die Behauptungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes (Thume in Thume, Komm zur CMR Art 18 Rz 18; Fremuth/Thume, Frachtrecht Art 17 CMR Rz 21; Giefers aaO 113 ff). Dies wird damit begründet, dass es sich dabei um eine rechtsvernichtende Einwendung handle (so ausdrücklich Thume aaO; Giefers aaO 113). Für diese Lösung wird auch die allgemeinere Erwägung ins Treffen geführt, für die Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht trage grundsätzlich der Schuldner die Beweislast (Giefers aaO 113). Zudem wird darauf verwiesen, es würde für den Anspruchsteller im Transportrecht eine unerträgliche Belastung darstellen, wenn die Durchsetzung seiner Ansprüche davon abhängen würde, dass er einen negativen Beweis darüber führen müsste, dass der Frachtführer nicht abgeliefert habe (Giefers aaO 113).

2.5. Diese Erwägungen lassen sich grundsätzlich, wenngleich dem Argument des „Negativbeweises" nach neuerer Auffassung keine entscheidende Bedeutung zukommt (Rechberger in Fasching/Konecny2 Vor § 266 Rz 36), auch auf das österreichische Recht übertragen. Anders als in dem der Vorentscheidung 1 Ob 24/00z zugrundeliegenden Sachverhalt geht es im vorliegenden Fall nicht nur um den gänzlichen oder teilweisen Verlust des Ladegutes, sondern um die Frage, ob überhaupt eine Ablieferung stattgefunden hat und damit der Obhutszeitraum im Sinne des Art 17 Abs 1 CMR überhaupt beendet wurde. Damit geht die von den Vorinstanzen getroffene Negativfeststellung aber zu Lasten der beklagten Partei. Die Höhe des Klagebegehrens wurde nicht substantiiert bestritten. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher spruchgemäß im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die Höhe der Pauschalgebühr im Revisionsverfahren beträgt allerdings nur EUR 1.061 (TP 3 GGG), nicht - wie verzeichnet - EUR 2.123,-.

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