OGH 3Ob228/12v

OGH3Ob228/12v20.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 171.990 EUR und Feststellung (50.000 EUR), infolge Revisionen beider Parteien gegen das Teilzwischen- und Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. September 2012, GZ 3 R 140/12a‑37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilzwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 2. November 2011, GZ 23 Cg 56/10g‑32, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Teilzwischen- und Teilurteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Die klagende Wohnbaugenossenschaft beauftragte die beklagte Partei mit den Fliesenlegerarbeiten in drei neu errichteten Wohnblöcken mit 94 Wohnungen. Die Arbeiten wurden im Sommer 1998 begonnen und im Juli 2000 abgeschlossen. Seit der Fertigstellung des Gewerks haben sich in 45 Wohnungen Fliesen abgelöst. Durch lange Zeit ‑ bis 2009 ‑ hat die beklagte Partei nach Schadensmeldungen durch die klagende Partei diese Stellen saniert. Es kam auch vor, dass in von der beklagten Partei in dieser Weise „sanierten“ Wohnungen an anderer Stelle wieder Fliesen herabgefallen sind; es ist allerdings nicht vorgekommen, dass in von der beklagten Partei sanierten Bereichen wiederum Fliesen herabgefallen wären.

Mit der am 19. Mai 2010 eingebrachten und mit Schriftsatz vom 3. Februar 2011 (ON 26) ausgedehnten Klage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei 171.990 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden an den verlegten Badezimmerfliesen. Die Schadensbehebung (durch Entfernung und Erneuerung der Fliesen in den betroffenen Badezimmern in ihrer Gesamtheit ‑ koste 5.460 EUR brutto pro Wohnung. Ausgehend von einer bautechnischen Nutzungsdauer von 35 Jahren und der bereits zehnjährigen Nutzung würden 70 % der Mängelbehebungskosten, somit 3.822 EUR je Badezimmer, verlangt (70 % von 5.460 EUR = 3.822 EUR; 3.822 EUR x 45 = 171.990 EUR).

Die beklagte Partei habe die Arbeiten nicht sach- und fachgerecht durchgeführt. Konkret habe sie zu große Fliesenverlegeabschnitte gewählt, wodurch es zu einer Hautbildung am Fliesenkleber gekommen sei, die den innigen Kontakt zwischen Fliesen und Kleber verhindert habe. Sie habe auch eine ungünstige Fliesenverlegetechnik gewählt, indem sie ein Verschieben beim Versetzen einzelner Fliesen unterlassen habe. Auch habe sie die Klägerin auf die erkennbar schlechte Estrichqualität nicht hingewiesen und dadurch zumindest kumulative Kausalitätsbeiträge geliefert, die zu ihrer Solidarhaftung für die Schäden führten (§ 1302 ABGB).

Neben Gewährleistungsansprüchen machte die klagende Partei als Anspruchsgrund auch Schadenersatz geltend. Allenfalls mangelhafte Vorleistungen anderer Unternehmen, insbesondere hinsichtlich des Untergrundes, seien für die beklagte Partei erkennbar gewesen; durch Schweigen habe sie gegenüber der klagenden Partei ihre Warnpflicht verletzt. Weiters hätte die beklagte Partei nach dem Inhalt des Werkvertrags bestimmte Fliesen italienischer Provenienz („La Marazzi“) zu verlegen gehabt, allerdings tatsächlich ein ‑ minderwertiges ‑ ungarisches Fliesenprodukt („Zalaegerzeg“) verlegt. Entgegen der Vereinbarung im Werkvertrag habe die beklagte Partei Anschlussfugen nicht mit elastischen, sondern mit ausgehärteten Dichtstoffen ausgeführt.

Die beklagte Partei wandte ein, ihr Gewerk mängelfrei erbracht zu haben. Die Schadensursache liege ausschließlich in anderen Gewerken (Vorarbeiten anderer Unternehmen). Mangelhafte Vorleistungen anderer Gewerke seien für die Beklagte nicht erkennbar gewesen, sodass für sie auch keine Warnpflicht bestanden habe. Im Übrigen sei ihre Prüfpflicht betreffend Vorarbeiten auf den bloßen Augenschein beschränkt gewesen. Möglicherweise seien auch durch Erdbeben entstandene Risse in Stiegenhäusern und Badezimmern ursächlich.

Eine vertragliche Verpflichtung zur Verlegung von Fliesen des Fabrikats „La Marazzi“ habe nicht bestanden; mit den Fliesen „Zalaegerzeg“ habe die beklagte Partei ein in Aussehen und Qualität gleichwertiges Produkt verlegt, das die klagende Partei durch anstandslose Abnahme im Jahr 2000 zumindest schlüssig genehmigt habe.

Bisherige Sanierungsarbeiten seien nur als Kulanzleistungen bei unklarer Schadensursache erbracht worden. Schließlich sei die Klageforderung verjährt. Die Verjährungsfrist beginne für „jede Fliese“ gesondert zu laufen. Die klagende Partei kenne den Schaden seit 2002 und hätte zur Abwendung der Verjährung eine Feststellungsklage erheben müssen.

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf den Anspruchsgrund ein. Zuletzt einigten sich die Parteien darauf, ein Teilzwischenurteil über das Zahlungsbegehren, bezogen auf die (von der Sachverständigen befundeten) Mängel in sieben näher bezeichneten Wohnungen zu begehren und über die übrigen Ansprüche zur Zeit nicht verhandeln zu wollen.

Mit Teilzwischenurteil vom 2. November 2011 stellte das Erstgericht dem Grunde nach das Zurechtbestehen einer Teilklageforderung von 15.288 EUR ‑ bezogen auf die vier Wohnungen Nr 46/W 6, Nr 46a/W 8, Nr 46b/W 3 und Nr 46d/W 3 ‑ fest (3.822 EUR x 4 = 15.288 EUR).

Es traf folgende für das Revisionsverfahren relevante Feststellungen:

Die beklagte Partei hat in den Wohnungen des in Rede stehenden Projekts Fliesen des Fabrikats „Zalaegerzeg“ verlegt. Die Streitteile hatten zunächst vereinbart, dass die beklagte Partei italienische Fliesen mit der Bezeichnung „La Marazzi“ zu verlegen habe. Da es diese aber nur einfärbig und nicht marmoriert gab, einigten sich der Geschäftsführer der beklagten Partei und der für das Projekt zuständige Bauleiter der klagenden Partei auf die Verlegung der Fliesen mit der Bezeichnung „Zalaegerzeg“.

Bereits kurz nach Übergabe des Gewerks begannen sich Fliesen von den Wänden und von Böden einzelner Wohnungen abzulösen. Davon waren im Laufe der Zeit zahlreiche Wohnungen betroffen. Die klagende Partei leitete die diesbezüglichen Mitteilungen ihrer Mieter an die beklagte Partei weiter, die bis Sommer 2009 die Mängel, von denen sie verständigt wurde, behob. Es gab weder einen Konsens dahin, dass die beklagte Partei diese Sanierungstätigkeit (ab einem bestimmten Zeitpunkt) nur aus Kulanzgründen durchgeführt hätte, noch eine Beschränkung auf bestimmte Wohnungen.

Im Sommer 2006 holte die beklagte Partei wegen des schon erheblichen Mängelbehebungsaufwands ein Sachverständigengutachten ein, das diverse Ursachen für die Fliesenablösungen auswies. Auch nach Vorliegen dieses Gutachtens kam die beklagte Partei dem Ersuchen der klagenden Partei um Mängelbehebung nach. Die tatsächlichen Ursachen für die Ablösung der Fliesen, insbesondere im Bereich welchen Gewerks sie liegen, waren beiden Streitteilen bis zum vorliegenden Verfahren unklar; die klagende Partei stand immer auf dem Standpunkt, dass für die Mängel die beklagte Partei verantwortlich sei; die beklagte Partei ist diesem Standpunkt bis Sommer 2009 ‑ durch entsprechende Mängelbehebungsarbeiten ‑ nicht entgegen getreten.

Für die Fliesenablösungen in den Wohnungen Nr 46/W 6, Nr 46a/W 8, Nr 46b/W 3 und Nr 46d/W 3 gibt es mehrere Ursachen, die kumulativ zum Schadensbild führ(t)en. Dabei hätte der Wegfall jeweils einer Ursache am Schaden nichts geändert bzw würde daran nichts ändern. Diese Ursachen sind:

‑ Relative Längenveränderungen in den Wandbereichen:

Möglich ist, dass sich die Fliesen verlängerten, der Mörtel sich ausdehnte oder die Wände sich verkürzten. Es handelte sich dabei um Langzeiteffekte (mehrere Jahre); diese waren für die beklagte Partei nicht vorhersehbar; ihre Ursache konnte nicht festgestellt werden. Obwohl dabei erhebliche Kräfte im Spiel waren, wäre ohne diese Ursache der Schaden dennoch aufgetreten, weil sich Schäden auch an Böden zeigen, bei denen es keine Längenveränderungen gab.

‑ Ungünstige Auswirkung der großen Mengen an Trennmittel auf der Rückseite der Fliesen:

Fliesen weisen üblicherweise auf der Rückseite ein weißliches Trennmittel auf, das erforderlich ist, damit die Fliesen im Zuge der Produktion nicht kleben bleiben. Dieses Trennmittel wird heute bei großflächiger Benetzung als sehr dünne Schicht (bloß ein weißlicher Schleier) oder nur auf Teilflächen aufgebracht. Das Ausmaß des Trennmittels auf der Rückseite der verwendeten Fliesen mit der Bezeichnung „Zalaegerzeg“ begünstigte nach dem Schadensbild (Reste des weißen Trennmittels verblieben auf der Wand) den Schadenseintritt, weil es zu einer schlechteren Haftung der Fliesen führte.

Dies war für den Fliesenleger aber nicht vorhersehbar, weil auf der Rückseite der meisten Fliesen ein Trennmittel sichtbar vorhanden ist und das zu große Ausmaß bei den in Rede stehenden Fliesen bei einer bloßen Augenscheinskontrolle nicht erkennbar war. Es kann nicht festgestellt werden, ob auf den Fliesen mit der Bezeichnung „La Marazzi“ anderes oder weniger Trennmittel vorhanden gewesen wäre als auf den verwendeten Fliesen mit der Bezeichnung „Zalaegerzeg“.

‑ Zu große Verlegeabschnitte:

Aus dem Schadensbild kann mit Sicherheit geschlossen werden, dass von den Fliesenlegern entweder zu große Verlegeabschnitte gewählt oder zu viel Zeit zwischen dem Aufbringen des Klebers bzw dem letzten Aufrauen desselben und dem Aufkleben der Fliesen verstrichen ist. Die Fliesenleger gingen nicht standardgemäß vor. Die Verlegebereiche sind im Schadensbild genau erkennbar. Mit der Entfernung vom Verlegebeginn wird die Haftung der Fliesen schlechter und deren Ablöseneigung größer.

Dieser der beklagten Partei anzulastende Verlegefehler leistete einen kumulativen Beitrag zum Schadenseintritt, wobei bereits alle anderen ungünstigen Parameter einen beträchtlichen, aber etwas geringeren Schaden herbeigeführt hätten. Die Anteile lassen sich nicht weiter quantifizieren.

‑ Ungünstige Verlegetechnik:

Fliesen sollten zur Vergrößerung der Kontaktfläche und besseren Verbindung mit dem Kleber „eingeschoben“ werden. Sie sollten neben der Endlage am Kleber angesetzt und dann mehrere Millimeter zur Endposition verschoben werden. Im vorliegenden Fall zeigt das Schadensbild, dass die Fliesen fast durchgehend nur in das Mörtelbett gesetzt und nicht verschoben wurden. Es wurde damit von der beklagten Partei keine optimale Verlegetechnik gewählt; diese Verlegetechnik hatte eine negative Auswirkung und begünstigte den Schadenseintritt. Bei der Wahl einer optimalen Verlegetechnik wäre der Schaden aber nicht gänzlich unterblieben.

Im Bodenbereich wurde mit dem sogenannten Floating-Verfahren von der beklagten Partei ebenfalls ein ungünstiges Verlegeverfahren gewählt, das allerdings der Ö‑Norm und dem damaligen Standard entsprach und eine Bauherrenentscheidung war.

Entgegen Punkt 24.09.18 des Leistungsver-zeichnisses wurden die Leistungspositionen Glasfasermatte und Quarzsandkörnung unter dem Fliesenkleber von der beklagten Partei nicht ausgeführt. Dieser Aufbau hätte unter anderem die Haftung zum Fliesenkleber hin gewährleisten sollen. Da die Ablösungen nach dem Schadensbild aber großteils im Bereiche des Fliesenklebers selbst erfolgten, hat dieses Unterlassen auf den Großteil der Schäden keinen Einfluss, wohl aber an jenen (geringfügigen) Stellen, an denen die Ablösung tiefer erfolgte.

Das allfällige Fehlen von dauerelastischen Fugen hat auf das Schadensbild nur einen ganz untergeordneten negativen Einfluss.

Bei der Wohnung Nr 46b/W 3 entsprach die Estrichqualität nicht und trug zum Schaden bei; dies wäre für den Fliesenleger erkennbar gewesen.

Weitere Schadensursachen, insbesondere Risse im Bauwerk, etwa aufgrund eines Erdbebens, sind betreffend die vier Wohnungen nicht feststellbar.

Die beklagte Partei zeigte erstmals im Sommer 2009 an, die aufgetretenen Schäden nicht mehr zu beheben.

In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht die Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach, weil diese die Fliesen in den vier Wohnungen mangelhaft verlegt habe; bei der Wohnung Nr 46b/W 3 verantworte sie auch eine Verletzung der Warnpflicht, indem sie nicht auf den ungeeigneten Untergrund (Estrich) hingewiesen habe. Diese Umstände seien gemeinsam mit anderen Ursachen kumulativ kausal für den Schadenseintritt gewesen. Die Beklagte hafte nach § 1302 ABGB für den ganzen Schaden, auch wenn die anderen Ursachen sowohl ihrer Art nach als auch bezogen auf ihre Zurechnung zu Gewerken anderer Professionisten unklar seien.

Den Verjährungseinwand der beklagten Partei lehnte das Erstgericht ab: Bei Schlechterfüllung beginne die Verjährung des Schadenersatzanspruchs erst mit Erkennbarkeit des Misslingens oder mit der endgültigen Verweigerung der Verbesserung zu laufen. Da die beklagte Partei ihre Weigerung, die Schäden an den Fliesenverlegungsarbeiten zu beheben, erstmals im Sommer 2009 angezeigt habe, könne von einer Verjährung der Schadenersatzansprüche der klagenden Partei keine Rede sein.

Das Berufungsgericht änderte das Teilzwischenurteil des Erstgerichts teilweise dahin ab, dass ein Teilbegehren von 7.644 EUR als Teilurteil abgewiesen wurde; hinsichtlich des weiteren Teilbegehrens von 7.644 EUR wurde mit Teilzwischenurteil ausgesprochen, dass dieses dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und folgte der Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die in Rede stehende Klageteilforderung nicht verjährt sei: Die Verjährung des Schadenersatzanspruchs habe erst zu laufen begonnen, als für die klagende Partei im Sommer 2009 festgestanden sei, dass die beklagte Partei nun die Verbesserung endgültig verweigere, nachdem sie zuvor die gemeldeten Mängel jeweils auf Meldung saniert habe; einen Konsens, dass diese Sanierungstätigkeit nur aus Kulanzgründen erbracht werde, habe es nicht gegeben.

Das Erstgericht habe aber außer Betracht gelassen, dass es nach der jüngeren Rechtsprechung im Zweifel zu einer gleichteiligen Schadenstragung komme, sobald eine der konkret gefährlichen, potenziellen Ursachen dem Geschädigten zuzurechnen sei. Dem Zufall seien dabei die sonstigen, in den Bereich des Geschädigten fallenden Ereignisse gleich zu halten, wozu nicht nur Eigenverschulden zähle. Eine Schadensteilung erscheine sachgerecht, weil den Schädiger sein potenziell kausales, rechtswidriges und schuldhaftes Tun belaste, während der Zufall in die Risikosphäre des Geschädigten falle. Diese Teilhaftung sei in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt, insbesondere im Arzthaftungs- und im Werkvertragsrecht.

Im vorliegenden Fall würden der beklagten Partei vorwerfbare (oder von ihr zu verantwortenden) Handlungen sowie Handlungen möglicher anderer Schädiger (Nebentäter), aber auch von der klagenden Partei als Geschädigte zu vertretende Umstände (Zufallsereignisse und sonstige in den Bereich der Geschädigten fallende Ereignisse) zusammenfallen:

‑ Relative Längenveränderungen in den Wandbereichen: Diese mögliche Schadensursache könne nicht der beklagten Partei zugerechnet werden, gleichzeitig fehle auch eine Zuordnung zu anderen Nebentätern (im Sinne des § 1302 ABGB). Vielmehr bleibe nur die Zuordnung zu einer Ursache in der Sphäre der Klägerin.

‑ Ungünstige Auswirkung der großen Mengen an Trennmittel auf der Rückseite der Fliesen: Dieser Umstand sei nicht der beklagten Partei zuzurechnen. Möglicher Nebentäter sei der Lieferant der Fliesen; allenfalls hätten auch Umstände aus der Sphäre der Klägerin den Schaden verursacht.

‑ Zu große Verlegeabschnitte: Diese Ursache betreffe eindeutig die Verantwortung der beklagten Partei. Der der beklagten Partei anzulastende Fehler habe einen „kumulativen“ Beitrag zum Schadenseintritt geleistet, wobei bereits alle anderen ungünstigen Parameter einen beträchtlichen, aber etwas geringeren Schaden herbeigeführt hätten, ohne dass sich die Anteile quantifizieren ließen.

‑ Ungünstige Verlegetechnik: Dieser Umstand belastet ebenfalls die beklagte Partei.

‑ Ungünstige Verlegetechnik im Bodenbereich: Die Verlegetechnik sei zwar ungünstig gewesen, allerdings in Übereinstimmung mit den einschlägigen Ö-Normen, dem damaligen Standard und entsprechend einer Entscheidung des Bauherrn. Diese (mögliche) Schadensursache könne daher nicht die beklagte Partei belasten, diese Ursache sei vielmehr der Sphäre der klagenden Partei zuzurechnen.

‑ Nichtausführung der Glasfasermatte und der Quarzsandkörnung unter dem Fliesenkleber entgegen den Vorgaben im Leistungsverzeichnis: Dieser Umstand habe den Großteil der Schäden unbeeinflusst gelassen. Auch das Fehlen von dauerelastischen Fugen habe das Schadensbild nur ganz untergeordnet negativ beeinflusst. Die letzten Punkte sind daher zwar der Sphäre der beklagten Partei zuzurechnen; sie hätten aber kaum zum Schadensbild beigetragen.

‑ Warnpflichtverletzung der beklagten Partei wegen der Estrichqualität in der Wohnung Nr 46b/W 3: Dieser Verstoß gegen Warnpflichten belaste eindeutig die beklagte Partei.

‑ Risse im Estrich in der Wohnung Nr 46b/W 9 hätten zwar das Schadensbild verursacht; dies sei aber für den Fliesenleger nicht erkennbar gewesen.

‑ Wasserschaden in der Wohnung Nr 46c/W 11: Die Ursache für den Wasserschaden sei ungewiss.

‑ Geringe Festigkeit des Putzes in der Wohnung Nr 46d/W 2: Die Ursache liege nicht im Wirkungsbereich des Fliesenlegers und sei wahrscheinlich für ihn nicht erkennbar gewesen.

Nach den gezeigten Kriterien sei der Schaden gemäß § 1304 ABGB zu teilen, und zwar mangels näherer Bestimmbarkeit im Verhältnis 1 : 1. Die aufgezählten Schadensursachen hätten schon mangels möglicher Quantifizierbarkeit ihrer Folgen kein erkennbar unterscheidbares Gewicht. Da im vorliegenden Fall die Klage nur gegen die beklagte Partei gerichtet worden sei, habe allein das Verhältnis zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei zu interessieren (Einzelabwägung).

Die Revision sei zulässig, weil die angesprochenen Rechtsfragen sowohl zum Verjährungsrecht als auch zur analogen Anwendung des § 1304 ABGB durchaus kontrovers diskutiert würden und einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bedürften.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien. Gestützt auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung begehrt die klagende Partei die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts. Die beklagte Partei strebt eine Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klageteilbegehrens an; als Revisionsgründe benennt sie Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung. Hilfsweise stellen beide Seiten jeweils einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, die gegnerische Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus Gründen der Klarstellung zulässig; die Revision der klagenden Partei ist auch berechtigt, während die Revision der beklagten Partei nicht berechtigt ist.

1. Revisionsvorbringen:

1.1. Zusammengefasstes Revisionsvorbringen der klagenden Partei:

Da ein beträchtlicher Teil der Mangelursachen (zu große Verlegeabschnitte, ungünstige Verlegetechnik sowohl im Wand- als auch im Bodenbereich), Risse im Estrich und geringe Putzfestigkeit) der beklagten Partei anzulasten sei, wäre von dieser zu beweisen gewesen, dass die anderen, nicht ihre Sphäre betreffenden Schadensursachen für sich genommen den Schaden ebenfalls herbeigeführt hätten. Da die beklagte Partei diesen Beweis nicht erbracht habe, hafte sie der klagenden Partei. Es sei klare Intention des § 1302 ABGB, das Unaufklärbarkeitsrisiko nicht dem Geschädigten aufzubürden.

1.2. Zusammengefasstes Revisionsvorbringen der beklagten Partei:

‑ Das Berufungsurteil sei nichtig, weil es so mangelhaft begründet sei, dass eine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne; die Begründung sei eine Scheinbegründung.

‑ Die in der Berufung enthaltene Mängelrüge in Bezug auf den Sachverständigenbeweis sei mit einer unvertretbaren, durch die Aktenlage nicht gedeckten Scheinbegründung abgetan worden. Die fehlende Kompetenz der vom Erstgericht herangezogenen Sachverständigen begründe auch eine Aktenwidrigkeit.

‑ Da der Schaden auch eingetreten wäre, wenn die der beklagten Partei anzulastenden Umstände weggedacht würden, stellten diese keine conditio sine qua non dar.

‑ Der Anspruch der klagenden Partei sei ‑ mangels rechtzeitiger Einbringung der bei einem Serienschaden gebotenen Feststellungsklage ‑ verjährt. Die klagende Partei wäre gehalten gewesen, kurz nach Übergabe ein Gutachten über die Ursachen einzuholen. Spätestens mit Vorliegen des von der beklagten Partei im Jahr 2006 eingeholten Sachverständigengutachtens wäre eine Feststellungsklage einzubringen gewesen. Entscheidend für den Beginn der Verjährungsfrist seien im Übrigen die konkreten Schadenszeitpunkte, während der Zeitpunkt der endgültigen Verweigerung der Verbesserung für die Verjährungsfrage irrelevant sei.

‑ Das überwiegende Verschulden liege im Hinblick auf das hohe Maß an Sorglosigkeit bei der klagenden Partei; damit werde eine Haftung der beklagten Partei überhaupt aufgehoben. Es sei schlicht ungerecht, ausgerechnet die beklagte Fliesenlegerin über zehn Jahre nach der Werklieferung für 50 % des Gesamtschadens haften zu lassen, denn: „casum sentit dominus“.

2. Zur Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit:

Das Vorbringen der beklagten Partei zum Nichtigkeitsgrund § 503 Z 1 ZPO erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes von § 477 Abs 1 Z 9 ZPO. Die Nichtigkeitssanktion des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO umfasst drei Fälle (RIS-Justiz RS0042133 [T12]): a) die Fassung der Entscheidung ist so mangelhaft, dass ihre Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann; b) die Entscheidung (gemeint: der Spruch) steht mit sich selbst im Widerspruch; c) für die Entscheidung sind gar keine Gründe angegeben. Die Fälle b) und c) scheiden von vornherein aus. Für den Obersten Gerichtshof ist nicht erkennbar, worin eine mangelhafte Fassung der Entscheidung liegen könnte, die ihre sichere Überprüfbarkeit ausschließt ‑ im Gegenteil wurde die Entscheidung ausführlich begründet. Es ist keineswegs so, dass das Berufungsgericht nur allgemeine Wendungen („Scheinbegründung“) gebraucht hätte (vgl RIS-Justiz RS0007484 [T7]).

Die von der beklagten Partei weiters benannten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wurde vom Berufungsgericht verneint und kann im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden.

3. Zur Verjährung eines Schadenersatzanspruchs:

Die ständige Rechtsprechung lässt die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens erst beginnen, wenn für den Werkbesteller das Misslingen eines Verbesserungsversuchs des Werkunternehmers feststeht oder dieser eine Verbesserung endgültig verweigert (RIS-Justiz RS0022078 [T3]; ebenso M. Bydlinski in Rummel 3 § 1489 ABGB Rz 3; differenzierend Dehn in KBB 3 § 1489 ABGB Rz 6). Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt letztlich Kletečka (Anmerkung zu 6 Ob 34/00v, ecolex 2000/312, 794; ebenso Mader/Janisch in Schwimann 3 § 1489 Rz 15), der zwar den Beginn der Verjährung mit der Übergabe des Werks ansetzt (sofern der Geschädigte den Mangel zu diesem Zeitpunkt schon kennt), aber Verbesserungszusagen und -versuche als ein deklaratives Anerkenntnis qualifiziert, das die Verjährung unterbricht.

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei nach den Feststellungen auf Meldung der klagenden Partei, dass sich Fliesen gelöst haben, bis Sommer 2009 Sanierungsschritte eingeleitet. Angesichts des einheitlichen Werkvertrags und des „einheitlichen“ Schadensbildes hat die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 1 ABGB nicht vor dem Sommer 2009 zu laufen begonnen.

4. Zur Frage der Zurechnung bzw Nichtzurechnung des Schadens:

Den Revisionsausführungen beider Parteien ist zuzugestehen, dass eine Begründung für eine Schadensteilung im geltenden österreichischen Schadenersatzrecht schwer zu finden ist.

4.1. § 1294 Satz 1 ABGB unterscheidet zwischen dem rechtswidrigen Handeln als Tatbestandsvoraussetzung eines Schadenersatzanspruchs und dem Zufall. Der zufällige Schaden trifft nach § 1311 Satz 1 ABGB denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet hat. Bei mehreren Schädigern als fahrlässig handelnden Nebentätern tritt eine solidarische Haftung ein, wenn sich die „Anteile“ nicht bestimmen lassen (§ 1302 Satz 2 ABGB). Diese Haftung für potenzielle Kausalität ist damit zu begründen, dass das Risiko der Unaufklärbarkeit die „gefährlich“ (im Sinne von potenziell schadensverursachend) handelnden Täter treffen soll und nicht das Opfer (anstatt vieler RIS-Justiz RS0022703 [T5 und T8], RS0022712 [T10]; Karner in KBB 3 § 1302 Rz 3). Aus diesem Gedanken folgt auch, dass sich kein Nebentäter damit entlasten kann, dass der Schaden (im Hinblick auf das Handeln eines anderen) auch ohne sein Zutun eingetreten wäre (vgl Karner in KBB 3 § 1302 Rz 8).

Diese aus § 1302 ABGB abgeleiteten Grundsätze gelten auch bei ‑ hier allerdings nicht relevanten ‑ „summierten Einwirkungen“, die dadurch gekennzeichnet sind, dass mehrere Ursachen für sich genommen den Schaden nicht allein, sondern nur durch ihr Zusammenwirken herbeiführen konnten (RIS-Justiz RS0010538, RS0123611; 1 Ob 258/11i).

4.2. Das Berufungsgericht hat ausführlich Rechtsprechung und Literatur zur alternativen Kausalität von Zufall und Haftungsgrund dargestellt (s auch Harrer , Zufall und Wahrscheinlichkeit im Haftungsrecht, ZVR 2012/237, 440 [442 bei Fn 12: „kleine Bibliothek“). Eine auf dieses Konzept gegründete Schadensteilung (RIS-Justiz RS0027286; zuletzt etwa 1 Ob 63/11p = Zak 2011/670, 357 [ Kletečka ] = ZVR 2012/33, 57 [ Chr. Huber ] = EvBl 2012/45, 310 [ Karner ]) setzt aber immer voraus, dass das potenziell ursächliche, rechtswidrige und schuldhafte Verhalten im Hinblick auf den eingetretenen Schaden konkret gefährlich war (in diesem Sinn etwa auch 2 Ob 120/08y und E. Heinrich , Teilhaftung bei alternativer Kausalität mit Zufall, JBl 2011, 277). Diese Voraussetzung einer konkreten Gefährlichkeit mehrerer Handlungen liegt aber nicht vor.

4.3. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist es „möglich“, dass sich die Fliesen verlängerten, der Mörtel sich ausdehnte oder die Wände sich verkürzten. Das Ausmaß des Trennmittels auf der Rückseite der verwendeten Fliesen „begünstigte“ den Schadenseintritt, ohne dass dies für den Fliesenleger vorhersehbar gewesen wäre. „Mit Sicherheit“ steht fest, dass von den Fliesenlegern entweder zu große Verlegeabschnitte gewählt wurden oder zu viel Zeit zwischen dem Aufbringen des Klebers (bzw dem letzten Aufrauhen des Klebers) und dem Aufkleben der Fliesen verstrichen ist; der Fliesenleger ging nicht standardgemäß vor (Verlegefehler der beklagten Partei). Weiters wurde von der beklagten Partei „keine optimale Verlegetechnik gewählt“, wodurch der Schadenseintritt begünstigt wurde. Bei der Wohnung Nr 46b/W 3 entsprach die Estrichqualität nicht, was für den Fliesenleger erkennbar gewesen wäre.

„Mit Sicherheit“ steht also als Ursache für den Schadenseintritt ‑ für alle Wohnungen ‑ ein der beklagten Partei anzulastendes sorgfaltswidriges Verhalten in Form der Wahl zu großer Verlegeabschnitte (bzw des Verstreichens zu langer Zeiträume) fest; für die Wohnung Nr 46b/W 3 steht zusätzlich die unrichtige Reaktion des Fliesenlegers auf die mangelnde Estrichqualität fest. Sonstige Ursachen für den Schadenseintritt sind nicht festgestellt, sondern fallen lediglich in den Bereich des Möglichen. Somit stellen sich die vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragen der alternativen Kausalität nicht; vielmehr ist der Schadenseintritt der beklagten Partei anzulasten. Den Feststellungen sind keine Umstände zu entnehmen, die ein der klagenden Partei anzurechnendes Mitverschulden (§ 1304 ABGB) begründen würden.

4.4. Da die beklagte Partei somit nach allgemeinen Grundsätzen den Schaden dem Grunde nach zu ersetzen hat, ist das Teilzwischenurteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Auf Fragen des Gewährleistungsrechts als Anspruchsgrundlage muss nicht mehr eingegangen werden.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO (§ 393 Abs 4, § 392 Abs 2 ZPO).

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